Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.01.2021, Az. 3 StR 422/20

3. Strafsenat | REWIS RS 2021, 9636

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Betäubungsmitteldelikt: Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrags; Verschulden der Justizbehörden bei Weiterleitung einer Rechtsmittelschrift


Tenor

1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 19. August 2020 wird verworfen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in ni[X.]ht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in ni[X.]ht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und se[X.]hs Monaten verurteilt sowie die Einziehung si[X.]hergestellter Betäubungsmittel angeordnet. Gegen das am 19. August 2020 in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte mit S[X.]hriftsatz seines Verteidigers vom 26. August 2020 Revision eingelegt. Das an das [X.] unter Bezugnahme auf die "Strafsa[X.]he gegen    S.  - 23 [X.] Js 51/20202/20 -" adressierte Re[X.]htsmittel ist am 26. August 2020 (8:32 Uhr) dort eingegangen, spätestens am 27. August 2020 an das [X.] Krefeld weitergeleitet worden und dort an diesem Tag eingegangen. Mit S[X.]hreiben vom 7. September 2020, eingegangen beim Verteidiger des Angeklagten am 8. September 2020, hat das [X.] auf den verspäteten Eingang des Revisionss[X.]hriftsatzes hingewiesen und Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Wo[X.]he gewährt. Der Angeklagte hat mit weiterem S[X.]hriftsatz seines Verteidigers vom "26. August 2020", eingegangen beim [X.] am 15. September 2020, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision beantragt und das Re[X.]htsmittel erneut eingelegt. Zur Begründung hat der Verteidiger ausgeführt, er habe eine [X.] an das [X.] Krefeld diktiert; die sonst zuverlässige Re[X.]htsanwaltsfa[X.]hangestellte habe das Re[X.]htsmittel fäls[X.]hli[X.]herweise an das Amtsgeri[X.]ht gefaxt. Sein Mandant habe ihm "heute" vorgelegt, "dass das Urteil angebli[X.]h mit S[X.]hreiben vom 27.08.2020 re[X.]htskräftig geworden sein soll".

2

1. Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig, weil die Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO ni[X.]ht eingehalten worden sind.

3

a) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Vers[X.]hulden gehindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Abs. 1 StPO). Innerhalb der Antragsfrist von einer Wo[X.]he ist die versäumte Handlung na[X.]hzuholen (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StPO); innerhalb der Wo[X.]henfrist muss der Antragsteller, sofern si[X.]h - wie hier - die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO ni[X.]ht offensi[X.]htli[X.]h aus den Akten ergibt, au[X.]h Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses ma[X.]hen ([X.], Bes[X.]hlüsse vom 13. Januar 2016 - 4 StR 452/15, juris Rn. 2; vom 29. November 2016 - 3 [X.], juris Rn. 3).

4

Der Antrag "vom 26. August 2020" enthält keine ausrei[X.]henden Angaben dazu, wann das Hindernis weggefallen ist, das der Fristwahrung entgegenstand. Maßgebli[X.]h hierfür ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme dur[X.]h den Angeklagten ([X.] aaO). Wann dem Angeklagten das erwähnte S[X.]hreiben vom 27. August 2020, in dem das Urteil als re[X.]htskräftig vermerkt sein soll, zugegangen und ihm dadur[X.]h die Versäumung der [X.]sfrist bekannt geworden ist, wird ni[X.]ht vorgetragen. Dies ergibt si[X.]h au[X.]h ni[X.]ht aus den Sa[X.]hakten, die ein S[X.]hreiben vom 27. August 2020 ni[X.]ht enthalten. Vielmehr ist dem Angeklagten und seinem Verteidiger mit [X.] vom 1. September 2020 eine Urteilsausfertigung mit [X.] vom 27. August 2020 übermittelt worden. Irrelevant für die Wahrung der Wo[X.]henfrist des § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO ist die Kenntnisnahme des Verteidigers von dem Wegfall des Hindernisses, weshalb dessen fristgemäße Reaktion auf das Hinweiss[X.]hreiben des [X.]s für die Zulässigkeit des Gesu[X.]hs ni[X.]ht von Bedeutung ist.

5

b) Es besteht ferner kein Anlass, dem Angeklagten mit [X.]i[X.]k auf die spätestens am 27. August 2020 erfolgte Weiterleitung der [X.] von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 45 Abs. 2 Satz 3 StPO) zu gewähren. Denn ein diesbezügli[X.]hes Vers[X.]hulden der Justizbehörden liegt ni[X.]ht vor. Hierzu hat der [X.] in seiner Antragss[X.]hrift vom 9. November 2020 ausgeführt:

"Hier lässt si[X.]h ein sol[X.]hes zur Fristversäumung führendes amtli[X.]hes Vers[X.]hulden an der Weiterleitung der [X.] vom 26. August 2020 dur[X.]h Bedienstete des [X.] aber ni[X.]ht feststellen. Der S[X.]hriftsatz ging per Telefax am letzten [X.] um 8:32 Uhr ein (S[X.]hriftsatz vom 26. August 2020, insbesondere Faxübermittlungszeile zu Datum und Uhrzeit, siehe au[X.]h [X.], [X.]. 498). Er wurde in der [X.] des Amtsgeri[X.]hts dur[X.]h einen Justizwa[X.]htmeister entgegengenommen. Bei der Fax-Nummer 02151-847661 handelt es si[X.]h weder um die gemeinsame Faxnummer des [X.] und des [X.]s Krefeld, die an derselben Ans[X.]hrift ansässig sind, no[X.]h um eine gesonderte Faxnummer der mit Strafsa[X.]hen befassten Ges[X.]häftsstellen des Amtsgeri[X.]hts (vgl. Internetauftritt des [X.] und des [X.]s Krefeld, [X.]/ und [X.]/). Auf dem S[X.]hriftsatz findet si[X.]h zudem kein Hinweis auf eine besondere Eilbedürftigkeit, gegebenenfalls mit der Bitte um sofortige Vorlage. Damit musste si[X.]h dem Justizbeamten ni[X.]ht der Eindru[X.]k aufdrängen, er müsse den S[X.]hriftsatz der zuständigen Ges[X.]häftsstelle unverzügli[X.]h von Hand zu Hand zuleiten. Au[X.]h aus dem angegebenen Aktenzei[X.]hen konnte der Justizbeamte ni[X.]ht auf den ersten [X.]i[X.]k ersehen, dass der S[X.]hriftsatz bei einem unzuständigen Geri[X.]ht eingegangen und unmittelbar an die [X.] des [X.]s zu übergeben war. Mit einer Weiterleitung der [X.] an das [X.] Krefeld konnte somit frühestens na[X.]h Eingang des [X.] auf der Ges[X.]häftsstelle der Strafabteilung beim Amtsgeri[X.]ht, der übli[X.]herweise am nä[X.]hsten Werktag und damit na[X.]h Fristablauf erfolgt, gere[X.]hnet werden (vgl. OLG Düsseldorf, Bes[X.]hluss vom 25. März 2002 - 2 Ws 79/02, [X.], 216)."

6

Dem s[X.]hließt si[X.]h der Senat an.

7

[X.]) Der Verwerfung des [X.] steht au[X.]h ni[X.]ht das in Art. 6 Abs. 3 Bu[X.]hst. [X.] [X.] gewährleistete Re[X.]ht eines Angeklagten auf tatsä[X.]hli[X.]he und wirksame Verteidigung als besonderer Aspekt des na[X.]h Art. 6 Abs. 1 [X.] garantierten Re[X.]hts auf ein faires Verfahren entgegen. Ein zur Wiedereinsetzung von Amts wegen oder zur Bestellung eines anderen Pfli[X.]htverteidigers nötigender "offenkundiger Mangel" der Verteidigung liegt ni[X.]ht vor (vgl. [X.], Bes[X.]hlüsse vom 4. November 2020 - 2 [X.]/20, juris Rn. 7; vom 7. August 2019 - 3 [X.], NStZ-RR 2019, 349; vom 5. Juni 2018 - 4 [X.], [X.]R [X.]. 6 Abs. 3 Bu[X.]hst. [X.] Bes[X.]hränkung 3 Rn. 2; vom 18. Januar 2018 - 4 [X.], NStZ-RR 2018, 84; vom 28. Juni 2016 - 2 StR 265/15, [X.], 770). Der ni[X.]ht inhaftierte Angeklagte stand na[X.]h [X.] in Kontakt mit seinem Verteidiger und hat si[X.]h wegen der dur[X.]h das [X.] bestätigten Re[X.]htskraft des Urteils au[X.]h an diesen gewandt. Der Verteidiger hat na[X.]h seinem eigenen Sa[X.]hvortrag hierauf au[X.]h unverzügli[X.]h mit S[X.]hriftsatz vom "26. August 2020" reagiert.

8

2. Da die Frist zur Einlegung des Re[X.]htsmittels (§ 43 Abs. 1, § 341 Abs. 1 StPO) dana[X.]h ni[X.]ht eingehalten worden ist, ist die Revision gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen.

S[X.]häfer     

        

Wimmer     

        

Berg   

        

Ho[X.]h     

        

Erbguth     

        

Meta

3 StR 422/20

12.01.2021

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Krefeld, 19. August 2020, Az: 22 KLs 15/20

§ 45 Abs 1 StPO, § 45 Abs 2 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.01.2021, Az. 3 StR 422/20 (REWIS RS 2021, 9636)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9636


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 3 StR 422/20

Bundesgerichtshof, 3 StR 422/20, 12.01.2021.


Az. 22 KLs 15/20

Landgericht Krefeld, 22 KLs 15/20, 19.08.2020.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 322/23 (Bundesgerichtshof)


5 StR 575/20 (Bundesgerichtshof)

Revisionsverfahren: Wirksame Einlegung der Revision bei nicht behebbaren tatsächlichen Zweifeln an der Einhaltung der Einlegungsfrist …


4 StR 319/22 (Bundesgerichtshof)

Notwendige Angaben in Wiedereinsetzungsantrag


6 StR 609/23 (Bundesgerichtshof)


2 StR 162/22 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.