Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.05.2011, Az. XII ZB 632/10

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7062

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[X.]BESCHLUSS [X.] 632/10 vom 4. Mai 2011 in der Betreuungssa[X.]
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: jaFamFG §§ 41 Abs. 1 Satz 2, 63 Abs. 3 Satz 1, 275; ZPO § 170 Abs. 1 Satz 1 iVm FamFG § 15 Abs. 2 Satz 1 Ist nach § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG ein anfechtbarer Beschluss zuzustellen, weil er dem erklärten Willen des Adressaten nicht entspricht, so wird die Beschwerdefrist für den Betroffenen in einer Betreuungssa[X.] nur durch Zustellung an ihn selbst in Lauf gesetzt. Die Zustellung an den Betreuer bleibt auf den Beginn der Beschwerdefrist für den Betroffenen auch dann ohne Einfluss, wenn der Betreuer für den [X.] "Entgegennahme, Anhalten und Öffnen der Post" bestellt ist. [X.], Beschluss vom 4. Mai 2011 - [X.] 632/10 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 4. Mai 2011 durch die [X.] und [X.], Dose, Schilling und [X.] beschlossen: 1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des [X.] vom 15. Novem-ber 2010 aufgehoben. Die Sa[X.] wird zur erneuten Behandlung und Ents[X.]idung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei. [X.]: 3.000 • 2. Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Ver-fahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin Dr. [X.] beigeordnet. Der Betroffene hat auf die Prozesskosten monatli-[X.] Raten von 15 • ab 1. Juli 2011 zu zahlen. Die Zahlungen sind an die Bundeskasse zu leisten.
Gründe: [X.] Der Betroffene wendet sich gegen die Verlängerung der für ihn beste-henden Betreuung. 1 - 3 - Mit Beschluss vom 21. März 2005 ist für den Betroffenen erstmalig eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Gesundheits- und Vermögenssorge, Auf-enthaltsbestimmung, Wohnungsangelegenheiten, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Behörden-, Versi[X.]rungs-, Sozial- und Rentenange-legenheiten eingerichtet worden. Außerdem ist ein Einwilligungsvorbehalt an-geordnet worden. Als Zeitpunkt, bis zu dem über die Aufhebung oder [X.] zu ents[X.]iden ist, ist der 20. März 2010 angesetzt worden. Mit Beschluss vom 5. Juni 2009 ist die derzeitige Betreuerin bestellt worden. In der Folgezeit hat der Betroffene mehrfach die Aufhebung der Betreuung [X.], unter anderem mit Schreiben vom 20. Mai 2010. 2 Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Betroffenen hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 27. August 2010 die Be-stellung der Betreuerin und die Anordnung des [X.] verlän-gert. Der Beschluss ist dem Betroffenen zu Händen der Betreuerin am 14. Sep-tember 2010 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2010, das am 13. Oktober 2010 beim [X.] und am 19. Oktober 2010 beim Amtsgericht eingegangen ist, hat der Betroffene Beschwerde gegen den vorgenannten [X.] eingelegt. 3 Das [X.] hat die Beschwerde verworfen, weil die Beschwerdefrist nicht gewahrt sei. Der Beschluss sei dem Betroffenen über seine Betreuerin am 14. September 2010 zugestellt worden, so dass die Beschwerde bis zum 14. Oktober 2010 beim Amtsgericht hätte eingelegt werden müssen. Sie sei dort aber erst am 19. Oktober 2010 eingegangen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. 4 - 4 - I[X.] 5 1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Nr. 1 FamFG auch ohne Zulassung statthaft (vgl. Senatsbeschluss vom 15. September 2010 - [X.] 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 9) und in zulässiger Weise eingelegt worden. 6 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der Betroffene hat die Frist zur Einlegung der Beschwerde gewahrt. a) Nach § 63 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde innerhalb einer Frist von einem Monat einzulegen. Die Frist beginnt mit der schriftli[X.]n Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten (§ 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Die [X.] kann durch Zustellung nach den §§ 166 bis 195 ZPO oder dadurch [X.] werden, dass das Schriftstück unter der Anschrift des Adressaten zur Post gegeben wird (§ 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Wel[X.] der beiden Möglichkeiten der Bekanntgabe das Gericht wählt, liegt grundsätzlich in dessen [X.] Ermessen. Eine Wahlmöglichkeit besteht allerdings nicht, wenn spezielle gesetzli[X.] Regelungen eine bestimmte Form vorschreiben ([X.]/[X.] FamFG 16. Aufl. § 15 Rn. 8; [X.] in [X.] [Hrsg.] FamFG § 15 Rn. 3; [X.] in [X.]/[X.] ZPO 31. Aufl. § 15 Rn. 4). So ist nach § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG ein anfechtbarer Beschluss demjenigen zuzustellen, [X.] erklärtem Willen er nicht entspricht. 7 Danach war hier eine förmli[X.] Zustellung des Beschlusses vom 27. August 2010 an den Betroffenen erforderlich. Denn dieser hatte mehrfach schriftlich, im Übrigen aber auch bei seiner in erster Instanz erfolgten Anhörung am 26. August 2010 erklärt, dass er eine Aufhebung der Betreuung wüns[X.]. 8 - 5 - b) Entgegen der Annahme des [X.] ist der angefochtene Beschluss dem Betroffenen nicht wirksam zugestellt worden. Die Zustellung ist vielmehr an die Betreuerin erfolgt, denn die [X.] ist - vermutlich wegen eines von der Betreuerin aufgrund ihres [X.] (unter ande-rem Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post) veranlassten [X.] - dahin "berichtigt" worden, dass an den Betroffenen "c/o B. H. " zuzustellen ist. 9 Die Zustellung an die Betreuerin wirkt indessen nicht gegen den Betrof-fenen. § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG verweist zwar hinsichtlich der Bekanntgabe durch Zustellung auf die §§ 166 bis 195 ZPO. § 170 Abs. 1 Satz 1 ZPO, nach dem bei nicht prozessfähigen Personen an deren gesetzli[X.]n Vertreter zuzu-stellen ist, findet auf den Betroffenen im Betreuungsverfahren aber keine An-wendung. Nach § 275 FamFG ist der Betroffene vielmehr ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig. Durch diese Vorschrift, die eine [X.] im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 4 FamFG darstellt und die § 66 [X.], soll si[X.]rgestellt werden, dass Betroffene in allen mit der Betreuung zusammenhängenden Verfahren alle Angriffs- und Verteidigungsmittel selbst vorbringen und von Rechtsmitteln Gebrauch ma[X.]n können. Dadurch soll die Rechtsposition der Betroffenen im Verfahrensrecht ents[X.]idend verbessert werden (BT-Drucks. 11/4528 S. 170). Da ein Betroffener somit seine Rechte im Betreuungsverfahren aufgrund von § 275 FamFG selbst wahrnehmen kann, muss die Zustellung abwei[X.]nd von § 170 Abs. 1 Satz 1 ZPO an ihn selbst erfolgen (OLG Mün[X.]n BtPrax 2007, 180 - juris Rn. 10; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] FamFG § 275 Rn. 3; [X.]/[X.] aaO § 275 Rn. 3; [X.] in Prütting/[X.] FamFG § 275 Rn. 16; [X.] in [X.] aaO § 275 Rn. 2). Das gilt selbst dann, wenn - wie hier - ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet worden ist ([X.]/[X.]/[X.]/[X.] aaO § 275 Rn. 3; [X.] in [X.] aaO § 275 Rn. 2). Ohne Einfluss bleibt auch, dass die Betreuerin 10 - 6 - für den Aufgabenkreis "Entgegennahme, Anhalten und Öffnen der Post" bestellt ist. In seinem Aufgabenkreis vertritt der Betreuer den Betreuten zwar gerichtlich und außergerichtlich (§ 1902 BGB). Eine Zustellung nach § 170 Abs. 1 Satz 1 ZPO an den gesetzli[X.]n Vertreter des Betroffenen s[X.]idet im Betreuungsver-fahren nach dem Vorstehenden aber gerade aus. 11 c) Der danach vorliegende Zustellungsmangel ist nicht nach § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG iVm § 189 ZPO geheilt worden, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Beschluss dem Betroffenen formlos zugegangen ist. Ausweislich der Mitteilung von Rechtsanwalt [X.], den das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss zum Verfahrenspfleger für den Betroffenen bestellt hatte, hat dieser dem Betroffenen den Beschluss am 14. September 2010 zur Kenntnis gegeben und erläutert. Dass dem Betroffenen das zuzustellende Schriftstück bei dieser Gelegenheit tatsächlich ausgehändigt worden ist, kann den Ausführungen indessen nicht entnommen werden. Diese Voraussetzung müsste aber erfüllt sein, damit die formgerechte Zustellung fingiert werden kann; die bloße Unterrichtung über den Inhalt des Dokuments genügt hierfür nicht ([X.]St 51, 257 = FamRZ 2007, 812, 813; [X.] 70, 384 = NJW 1978, 1325 und Urteil vom 13. April 1992 - [X.]/91 - NJW 1992, 2099, 2100; [X.]/[X.] ZPO 28. Aufl. § 189 Rn. 4; [X.]/[X.] aaO § 15 Rn. 71). d) Da der Beschluss dem Betroffenen danach nicht wirksam zugestellt wurde, hat nach § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG der Lauf der Beschwerdefrist nicht begonnen. Der Betroffene hat deshalb am 19. Oktober 2010 rechtzeitig Be-schwerde beim Amtsgericht eingelegt. 12 3. Der angefochtene Beschluss kann mithin keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sa[X.] abschließend zu ents[X.]iden. Die Sa-13 - 7 - [X.] ist deshalb an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, das nunmehr über die Begründetheit der Beschwerde zu befinden haben wird. Hahne Weber-Monecke Dose

Schilling Günter Vorinstanzen: [X.], Ents[X.]idung vom 27.08.2010 - 32 XVII 445/05 - [X.], Ents[X.]idung vom 15.11.2010 - 3 T 345/10 -

Meta

XII ZB 632/10

04.05.2011

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.05.2011, Az. XII ZB 632/10 (REWIS RS 2011, 7062)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7062

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