Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.09.2012, Az. VII R 3/11

7. Senat | REWIS RS 2012, 2802

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Gegenstand

(Fehlender Steuerschaden bei Gesamtschau von Scheingeschäften hindert nicht Haftung wegen unberechtigten Vorsteuerabzugs - Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme nach § 71 AO)


Leitsatz

1. NV: Der von der Haftung umfasste Steuerschaden durch die unberechtigte Geltendmachung der Vorsteuerbeträge aus einer Eingangsrechnung wird nicht kompensiert durch Entrichtung der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer durch den Lieferanten .

2. NV: Der im Schadensersatzrecht anerkannte Grundsatz des Vorteilsausgleichs kann auf die steuerliche Haftung ebenso wenig uneingeschränkt übertragen werden, wie die Berücksichtigung des Mitverschuldens nach § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, eines hypothetischen Kausalverlaufs oder die Lehre vom Schutzzweck der verletzten Norm .

3. NV: Würde ein Schaden des Fiskus ungerechtfertigt überkompensiert, weil bei der Ermittlung der Haftungssumme die vom Lieferanten abgeführte Umsatzsteuer unberücksichtigt bleibt, müsste dies ggf. mit den im Umsatzsteuerrecht vorgesehenen Instrumentarien korrigiert werden. Denn eine solche Überkompensation hätte --läge sie vor-- ihre Ursache nicht im Haftungsrecht .

4. NV: Die dem Neutralitätsprinzip geschuldete Korrekturmöglichkeit bietet das UStG, das ein gesondertes Verfahren zur Berichtigung der geschuldeten Umsatzsteuer vorsieht, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens --etwa durch Rückzahlung der geltend gemachten Vorsteuer-- beseitigt worden ist. Die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids, für die es auf die Sachlage und Rechtslage im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung ankommt, wird durch die Möglichkeit einer späteren Rechnungskorrektur nicht berührt .

Tatbestand

1

I. Im Streit sind [X.] des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) gegen den Kläger und Revisionskläger zu 1 (Kläger zu 1) als ehemaligen Geschäftsführer und den Kläger und Revisionskläger zu 2 (Kläger zu 2) als ehemaligen faktischen Geschäftsführer der [X.] für deren rückständige Umsatzsteuern und Zinsen aus den Jahren 1999 und 2000.

2

Nach den Feststellungen einer Steuerfahndungsprüfung bei der [X.] ergaben sich die den [X.]n zu Grunde liegenden Umsatzsteuerschulden aus [X.]n in einer Lieferkette, an der die [X.] beteiligt war. Die [X.] habe von der [X.] fakturierte hardware-Lieferungen und "Leistungen aus Mietverträgen/Projektgeschäften/Lizenzen" an die [X.] Tochtergesellschaft der [X.] ohne aktiven [X.] mit einem Aufschlag von 1 % Provision weiterberechnet, ohne dass diesen Geschäften tatsächliche Umsätze zugrunde gelegen hätten. Nach den Feststellungen im Strafurteil gegen den Geschäftsführer der [X.] und [X.] dienten die Scheinverkäufe der [X.] an die --unternehmensfremde-- [X.] und dann weiter an die Tochterfirma der [X.], die [X.], der Schönung des [X.] in der Bilanz der [X.].

3

Aufgrund der in der Umsatzsteuererklärung 1999 der [X.] geltend gemachten Vorsteuern aus den von der [X.] gestellten Rechnungen war der Umsatzsteuerbescheid 1999 mit einem erheblichen Erstattungsbetrag ergangen. In den Umsatzsteuervoranmeldungen 2000 hatte die [X.] die Umsatzsteuer aus den Umsätzen angegeben, die sie an die [X.] fakturiert hatte, und wiederum die sich aus den Rechnungen der [X.] ergebenden Vorsteuern abgezogen. Eine Umsatzsteuerjahreserklärung 2000 reichte sie nicht ein.

4

Die [X.] machte aus den ihr von der [X.] erteilten Rechnungen keinen Vorsteuerabzug geltend.

5

In Auswertung der Fahndungsprüfung erließ das [X.] am 3. Februar 2003 geänderte Umsatzsteuerbescheide für 1999 und 2000 gegen die [X.], in denen es die Vorsteuer u.a. um die Umsatzsteuer aus den Rechnungen der [X.] kürzte. Vollstreckungsmaßnahmen gegen die [X.] waren erfolglos.

6

Mit Haftungsbescheid vom gleichen Tag nahm das [X.] die Kläger nach § 69 i.V.m. § 34 Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.]) sowie nach § 71 i.V.m. § 370 [X.] für rückständige Umsatzsteuer und Nachzahlungszinsen der [X.] aus den Jahren 1999 und 2000 gesamtschuldnerisch in Anspruch.

7

Im Einspruchsverfahren wurde die zunächst erfasste Umsatzsteuer aus den der [X.] erteilten Rechnungen wieder herausgenommen, weil die [X.] keine Vorsteuern geltend gemacht und der Fiskus insoweit keinen Schaden erlitten habe. Außerdem wurde ein Rechenfehler im Umsatzsteuerbescheid 2000 korrigiert. Die Haftungssumme wurde dementsprechend reduziert.

8

Im Rahmen der hiergegen erhobenen Klagen hat das [X.] am 10. November 2009 geänderte [X.] erlassen, in denen es die [X.] hier nicht interessierenden [X.] nochmals geringfügig ermäßigte.

9

Das Finanzgericht ([X.]) hat die gegen die [X.] erhobenen Klagen abgewiesen, weil das [X.] die Kläger zu Recht als Haftungsschuldner nach § 71 [X.] in Anspruch genommen habe. Die von der [X.] der [X.] in Rechnung gestellten Lieferungen und sonstigen Leistungen seien in Wirklichkeit nicht erbracht worden, so dass [X.] vorgelegen hätten. Durch die Einreichung von (berichtigten) Umsatzsteuervoranmeldungen für 1999 und 2000 sowie die Umsatzsteuerjahreserklärung 1999 mit dem Ziel der unberechtigten Anrechnung von Vorsteuern aus dem angeblichen Geschäft mit der [X.] habe der Kläger zu 1 bedingt vorsätzlich eine vollendete Steuerhinterziehung begangen. Dem Kläger zu 2 sei Steuerhinterziehung deshalb vorzuwerfen, weil er den Kläger zu 1 vorsätzlich zur Einreichung der unrichtigen [X.] bzw. der Steuererklärung veranlasst habe. Auch habe das [X.] das ihm obliegende [X.] und Auswahlermessen ordnungsgemäß ausgeübt.

Mit der Revision machen die Kläger zusammengefasst geltend, im Streitfall habe das [X.] per Saldo --bezogen auf die gesamte [X.] mehr Umsatzsteuer erhalten als Vorsteuer ausbezahlt worden sei. Den Umsatzsteuerzahlungen der [X.] aus den Scheinrechnungen an die [X.] und der [X.] aufgrund der [X.] an die [X.] stünden geringere Vorsteuern aufgrund der [X.] der [X.] an die [X.] gegenüber. Da die Haftungsvorschriften der §§ 69 und 71 [X.] keine Sanktionsnormen seien, sondern allein den Vermögensschaden des Fiskus absicherten, komme die Haftungsinanspruchnahme nur insoweit in Betracht, als durch das die Ersatzpflicht begründende Ereignis das Vermögen des Geschädigten gemindert sei. Bei der danach gebotenen Betrachtung des mit dem Gesamtplan verfolgten [X.] sei beim Fiskus kein Vermögensschaden eingetreten. Das habe das [X.] nicht berücksichtigt.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die erstinstanzliche Entscheidung sowie die [X.] in der Fassung der Änderung vom 10. November 2009 aufzuheben.

Das [X.] hält die Entscheidung des [X.] für zutreffend und beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Das Urteil entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --[[[X.].].]O--).

Das [[[X.].].] hat die Kläger zu Recht als Haftungsschuldner gemäß § 191 i.V.m. § 71 [[[X.].].] in Anspruch genommen, da sie durch den Vorsteuerabzug, der auf Scheinrechnungen der C-AG beruhte, eine Steuerhinterziehung i.S. des § 370 Abs. 1 Nr. 1 [[[X.].].] begangen haben.

1. Gemäß § 71 [[[X.].].] haftet, wer eine Steuerhinterziehung begeht, für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile.

a) Voraussetzung der Haftungsinanspruchnahme ist mithin zunächst die Feststellung, dass eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 [[[X.].].] vorliegt. Dem [[[X.].].] müssen vorsätzlich unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht und dadurch Steuern verkürzt, d.h. nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt worden sein (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 370 Abs. 4 Satz 1 [[[X.].].]). Die Steuerhinterziehung muss tatbestandsmäßig, rechtswidrig und vorsätzlich schuldhaft verwirklicht worden sein (Senatsurteil vom 6. März 2001 VII R 17/00, [[[X.].].] 2001, 1100).

b) Nach den Feststellungen des [[[X.].].], die die Kläger mit der Revision nicht angegriffen haben und die den Senat deshalb binden (§ 118 Abs. 2 [[[X.].].]O), haben die Kläger eine Steuerhinterziehung begangen. Der Kläger zu 1 hat auf Veranlassung des [[X.].] zu 2 die berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 1999 bzw. die Umsatzsteuerjahreserklärung 1999 und die Umsatzsteuervoranmeldung [[[X.].].] bzw. die berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung [[[X.].].] beim Finanzamt [[X.].] eingereicht. Das [[[X.].].] hat in eingehender Auseinandersetzung mit den festgestellten [[X.].] nachvollziehbar dargelegt, dass die [[X.].] zur Anrechnung der in den genannten Erklärungen ausgewiesenen Vorsteuern nicht berechtigt war, weil die in § 15 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) normierten Tatbestandsvoraussetzungen für den Abzug der Vorsteuern aus den Rechnungen der C-AG nicht vorlagen. Der dieser nationalen Vorschrift zu Grunde liegende Art. 17 Abs. 1 der [[X.].]/[[X.].] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern [[X.].] 77/388/[[X.].] ([[X.].] Nr. L 145/1), heute Art. 167 der Richtlinie 2006/112/[[X.].] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL-- ([[X.].] Nr. L 347/1) bestimmt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Der Steuerpflichtige ist befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer u.a. die (im Inland) geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen abzuziehen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder geleistet wurden, soweit sie für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden (Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/[[X.].], heute Art. 168 MwStSystRL). [[X.].] ist die in einer Rechnung ausgewiesene, gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und Leistungen (Art. 21 Nr. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/[[X.].], heute Art. 203 MwStSystRL). Demnach erstreckt sich das Recht auf Vorsteuerabzug nicht auf eine Steuer, die ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 13. Dezember 1989 [[X.].]/87 --Genius-- [X.]. 1989, 4227; vom 19. September 2000 [[X.].]/98 --Schmeink & Cofreth und [[X.].]. 2000, [[X.].]).

Nach den Feststellungen des [[[X.].].] sind die Lieferungen und Leistungen, die die C-AG der [[X.].] in Rechnung gestellt hat, tatsächlich nicht ausgeführt worden; der [[X.].] ist weder die Verfügungsmacht über die geschuldeten Gegenstände verschafft (§ 3 Abs. 1 UStG) noch sind die vereinbarten sonstigen Leistungen erbracht worden. Damit hat kein der Umsatzsteuer unterliegender Umsatz i.S. des § 1 UStG stattgefunden. Die C-AG war nicht berechtigt, die Umsatzsteuer in ihren Rechnungen auszuweisen und die [[X.].] durfte die ausgewiesenen Beträge dementsprechend nicht als Vorsteuer geltend machen.

c) Ohne Rechtsfehler hat das [[[X.].].] auch das Verschulden der Kläger bejaht. Es hat aufgrund des Geständnisses des [[X.].] zu 2, der die Steuererklärungen erstellt hat, festgestellt, diesem sei der unberechtigte Vorsteuerabzug bewusst gewesen und der Kläger zu 1 habe zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt, indem er angesichts der ungewöhnlichen Gestaltung der Geschäftsbeziehung mit der C-AG und der [X.] ohne vorherige Kontrolle die ihm vorgelegten Steuererklärungen unterzeichnet und beim Finanzamt [[X.].] eingereicht hat.

d) Die Steuerhinterziehung war jeweils mit der Abgabe der unrichtigen Steuererklärungen vollendet, da die Voranmeldungen nach § 168 i.V.m. § 164 [[[X.].].] zu Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung führen. Die begangene Straftat entfällt nicht rückwirkend dadurch, dass das [[[X.].].] die Abrechnungen als Scheinrechnungen erkannte und den gewährten Vorsteuerabzug in [X.] rückgängig gemacht hat, so dass die Rechnungen der C-AG nur zeitweilig zu dem gewünschten Erfolg der Anerkennung der in ihnen ausgewiesenen Vorsteuerbeträge geführt haben (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Februar 2002 VII B 323/00, [[[X.].].] 2002, 891).

e) Unerheblich ist, dass die gegen die beiden Kläger wegen Steuerhinterziehung eingeleiteten Steuerstrafverfahren eingestellt worden sind. Eine strafrechtliche Verurteilung ist nicht Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme nach § 71 [[[X.].].] (Urteil des [X.] --BFH-- vom 7. November 1973 I R 92/72, [X.], 7, [X.] 1974, 125, zu § 392 der Reichsabgabenordnung; vom 27. August 1991 VIII R 84/89, [X.], 330, [X.] 1992, 9; vgl. auch [X.] in [X.], [[[X.].].] § 71 Rz 12; [[[X.].].]/Rüsken, [[[X.].].], 11. Aufl., § 71 Rz 6, m.w.N.).

2. Die Haftung nach § 71 [[[X.].].] umfasst nach dem Wortlaut der Haftungsnorm die verkürzten Steuern bzw. die zu Unrecht gewährten Steuervorteile einschließlich der Nachzahlungszinsen. [X.] wird für den vom [X.] umfassten noch nicht erfüllten Steueranspruch (Senatsbeschluss vom 27. März 2006 VII B 117/05, [[[X.].].] 2006, 1254) bzw. den zu Unrecht in Anspruch genommenen Steuervorteil.

Mit der Haftung nach § 71 [[[X.].].] soll der dem Fiskus entstandene Vermögensschaden ausgeglichen werden (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Februar 2002 VII B 323/00, [[[X.].].] 2002, 891; [X.] in [X.], [[[X.].].] § 71 Rz 14; [[[X.].].]/Rüsken, a.a.[X.], § 71 Rz 11, m.w.N.; [X.], [X.], 3. Aufl., S. 78, Rz 177). § 71 [[[X.].].] ist keine Sanktionsnorm. Da die [X.] hat (vgl. zu § 69 [[[X.].].] Senatsurteil vom 1. August 2000 VII R 110/99, [X.], 249, [X.] 2001, 271), ergibt sich die Höhe der Haftung unabhängig vom Maß des Verschuldens daraus, inwieweit die Pflichtverletzung für den Steuerausfall ursächlich war (vgl. Senatsurteil vom 26. Februar 1991 VII R 3/90, [[[X.].].] 1991, 504; vom 26. August 1992 VII R 50/91, [X.], 13, [X.] 1993, 8; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 71 [[[X.].].] Rz 30).

Durch die von den Klägern begangene Steuerhinterziehung ist dem [[[X.].].] ein [X.] entstanden, weil durch den unberechtigten Vorsteuerabzug [X.] ein Umsatzsteuererstattungsanspruch und --mit dem Wegfall der Umsatzsteuerzahllast-- eine ungetilgte Steuerschuld der [[X.].] entstanden sind (Senatsbeschluss in [[[X.].].] 2002, 891).

a) Anders als die Kläger meinen, wäre das [[[X.].].] auch dann nicht gehindert gewesen, sie --wie geschehen-- in Haftung zu nehmen, wenn feststünde, dass bei einer Gesamtschau der [X.] an den Fiskus ein höherer Betrag an Umsatzsteuer abgeführt als an Vorsteuer in Anspruch genommen worden ist. Deshalb bedarf es keiner weiteren Aufklärung, ob die C-AG und die [[X.].] --wozu das [[[X.].].] keine Feststellungen getroffen [X.] die in deren jeweiligen Ausgangsrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer an das [[[X.].].] abgeführt haben und ob diese Umsatzsteuerzahlungen ggf. höher oder mindestens gleich hoch waren wie die von der [[X.].] zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorsteuern.

Der von der Haftung umfasste [X.] durch die unberechtigte Geltendmachung der Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen der C-AG wäre auch nicht kompensiert durch die --vom [[[X.].].] nicht festgestellte-- Entrichtung der in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer durch die C-AG. Nach der Rechtsprechung des Senats bemisst sich der für die Haftung nach § 71 [[[X.].].] maßgebliche Schaden allein nach dem Umfang der tatsächlichen Erfüllung der Steuerschuld, zu deren rechtzeitiger Begleichung der zur [X.] verpflichtet war (Senatsurteil vom 21. Juni 1994 VII R 34/92, [X.], 198, [X.] 1995, 230). Daran ist festzuhalten. Die abgabenrechtlichen Haftungsnormen ähneln zwar den zivilrechtlichen Schadensersatzvorschriften, gleichen ihnen aber nicht in jeder Hinsicht. Der im Schadensersatzrecht anerkannte Grundsatz des Vorteilsausgleichs kann auf die steuerliche Haftung ebenso wenig uneingeschränkt übertragen werden, wie die Berücksichtigung des Mitverschuldens nach § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, eines hypothetischen Kausalverlaufs oder die Lehre vom Schutzzweck der verletzten Norm (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2008 VII R 19/08, [X.], 303, [X.] 2009, 342, m.w.N.). Denn der Haftungsanspruch nach § 71 [[[X.].].] entsteht, wenn die Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift erfüllt sind. Für die Berücksichtigung von dort nicht genannten Umständen fehlt es an einer Rechtsgrundlage (Senatsurteil vom 2. August 1988 VII R 60/85, [[[X.].].] 1989, 150).

Schon nach dem Wortlaut des § 71 [[[X.].].] könnten Umsatzsteuerzahlungen der C-AG die Haftung nicht beeinflussen. Die Vorschrift normiert täterbezogen die Haftung für die durch Steuerhinterziehung verkürzten Steuern ("wer eine Steuerhinterziehung ... begeht, haftet für die verkürzten Steuern"). Der Steuerhinterzieher haftet in Höhe der aufgrund seiner Tat verkürzten bzw. hinterzogenen Beträge (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss in [[[X.].].] 2002, 891, m.w.N.). Der Tatbeitrag der Kläger, der die ihnen zur Last gelegte Steuerhinterziehung bewirkte, liegt in der Geltendmachung der Vorsteuern aus den Rechnungen der C-AG in der Umsatzsteuererklärung für 1999 und in der Voranmeldung IV. Quartal 2000 für die [[X.].].

Da die Haftung "für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile" nach § 71 [[[X.].].] mit der Begehung der Steuerhinterziehung entstanden ist, d.h. im Streitfall für die als Vorsteuer unberechtigt angemeldete Umsatzsteuer aus den Rechnungen der C-AG, wäre die Abführung der nämlichen Umsatzsteuer durch den Lieferanten, auch wenn sie in einem Gesamtplan zur Vermeidung eines [X.]s vorgesehen sein sollte, unbeachtlich.

Der Vorhalt, ein Schaden des Fiskus werde ungerechtfertigt überkompensiert, wenn bei der Ermittlung der Haftungssumme die vom Lieferanten abgeführte Umsatzsteuer unberücksichtigt bleibe, geht fehl. Denn eine solche Überkompensation hätte --läge sie [X.] ihre Ursache nicht im Haftungs-, sondern im Umsatzsteuerrecht und müsste ggf. mit den dort vorgesehenen Instrumentarien korrigiert werden. Im Fall des unberechtigten Steuerausweises ist das Gebot der Umsatzsteuerneutralität kraft Gesetzes --zunächst-- aufgehoben (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 1994 V R 43/92, [[[X.].].] 1995, 358): Einerseits wird die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer allein wegen dieses Steuerausweises geschuldet (§ 14 Abs. 3 UStG a.[X.], § 14c Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 UStG i.d.[X.] des Art. 5 des [X.] zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 15. Dezember 2003, [X.], 2645), andererseits kann Vorsteuer nicht allein deshalb abgezogen werden, weil sie in einer Rechnung ausgewiesen ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG; EuGH-Urteil in [X.]. 1989, 4227). Die dem Neutralitätsprinzip geschuldete Korrekturmöglichkeit bieten die Sätze 3 ff. des § 14c Abs. 2 UStG, indem sie ein gesondertes Verfahren zur Berichtigung der geschuldeten Umsatzsteuer vorsehen, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens --etwa durch Rückzahlung der geltend gemachten [X.] beseitigt worden ist.

Die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids, für die es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung ankommt, wird durch die Möglichkeit einer späteren Rechnungskorrektur nicht berührt. Ob und inwieweit sich eine solche auf die Haftungssumme auswirken könnte, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.

b) Die vom [[[X.].].] nach mehrfacher Berichtigung als zutreffend erkannte Haftungssumme ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie setzt sich --abgesehen von den geltend gemachten [X.] ausschließlich aus in Rechnungen der C-AG an die [[X.].] zu Unrecht ausgewiesenen Umsatzsteuern zusammen, die die [[X.].] in ihren Umsatzsteuererklärungen als Vorsteuern geltend gemacht hat und die zu den an sie gezahlten Erstattungen geführt haben.

Auch die Höhe der in der Haftungssumme enthaltenen Nachzahlungszinsen hat das [[[X.].].] zu Recht nicht beanstandet. Sie sind zwar nicht den Reduzierungen der Hauptschuld entsprechend gemindert worden. Diese Reduzierungen beruhen nach den unwidersprochenen und den Senat nach § 118 Abs. 2 [[[X.].].]O bindenden Feststellungen des [[[X.].].] darauf, dass das [[[X.].].] die in den [X.] für 1999 und 2000 enthaltenen Ausgangssteuern für Lieferungen und Leistungen an die [X.] aus der Haftung herausgenommen hat. [X.] aber bleibt die in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer, auch wenn es sich um einen unberechtigten Steuerausweis handelt, jedenfalls bis zum Zeitpunkt einer Rechnungsberichtigung geschuldet (§ 14 Abs. 3 UStG a.[X.], § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG). Die Rechnungen der [[X.].] an die [X.] sind weder in 1999 noch in 2000 berichtigt worden und waren folglich --wie das [[[X.].].] zutreffend ausgeführt [X.] in den jeweiligen Umsatzsteuererklärungen zu erfassen. Ohne die von den Klägern zu Unrecht angesetzten Vorsteuern wäre statt eines Erstattungsbetrags eine Umsatzsteuerzahllast festzusetzen gewesen. Der zu verzinsende Steuervorteil hat sich demgemäß durch die Entlassung der Rechnungen an die [X.] aus der Haftung nicht verringert. Für eine Korrektur der ursprünglich ermittelten Zinsen im Rahmen des Haftungsbescheids bestand demgemäß keine Veranlassung.

c) Da das [[[X.].].] die von der [[X.].] in den Rechnungen an die [X.] zu Unrecht ausgewiesene, in den Erklärungen für 1999 und 2000 aber angemeldete Umsatzsteuer aus der Haftung genommen hat, weil die [X.] insoweit keinen Vorsteuerabzug geltend gemacht hat, erübrigt sich eine Entscheidung dazu, ob diese Umsatzsteuer --wäre sie tatsächlich nicht gezahlt [X.] ursprünglich zu Recht in die Haftungssumme eingeflossen ist. Lediglich klarstellend sei angemerkt, dass die [[X.].] zur Abführung dieser unberechtigt ausgewiesenen Umsatzsteuer --wie bereits ausgeführt-- gemäß § 14 Abs. 3 UStG a.[X.] verpflichtet war, jedenfalls solange die Rechnungen nicht berichtigt worden sind (vgl. Urteil des Niedersächsischen [[[X.].].] vom 30. Juli 2010  16 K 55/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 2127, zu § 14c UStG). Da nicht festgestellt ist, dass die [[X.].] ihre Rechnungen von der [X.] zurückgeholt hat, schuldete sie den darin ausgewiesenen Steuerbetrag. Ob sie nachträglich noch eine Berichtigung des geschuldeten [X.] hätte erreichen können (vgl. § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG), kann dahinstehen, da diese in einem gesonderten Verfahren zu verfolgen (vgl. § 14c Abs. 2 Satz 4 UStG) und entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG in einem späteren Besteuerungszeitraum vorzunehmen wäre. Eine Reduzierung der Haftungssumme wäre danach nur dann veranlasst gewesen, wenn feststünde, dass die [[X.].] die ausgewiesene Umsatzsteuer abgeführt hat; ob andernfalls sich der Haftungsbetrag --im Falle einer späteren Berichtigung der angemeldeten Umsatzsteuer-- nachträglich verringern könnte, wäre für die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids ohne Bedeutung (s.o.).

d) Zu Recht hat das [[[X.].].] die Ermessensentscheidung des [[[X.].].], die Kläger als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen, nicht beanstandet. Nach § 191 Abs. 1 [[[X.].].] "kann" gegen den kraft Gesetzes Haftenden ein Haftungsbescheid erlassen werden. Diese Entscheidung unterliegt im Rahmen des § 102 [[[X.].].]O der gerichtlichen Nachprüfung. Die Ermessensentscheidung im Fall einer Steuerhinterziehung ist allerdings in der Weise vorgeprägt, dass es einer besonderen Begründung der Ermessensbetätigung nicht bedarf (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 1988 VII R 74/84, [[[X.].].] 1988, 692, 694).

Meta

VII R 3/11

26.09.2012

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 10. November 2009, Az: 15 K 1985/05 U, Urteil

§ 191 AO, § 69 AO, § 34 Abs 1 AO, § 71 AO, § 370 AO, § 15 UStG 1999, Art 167 EGRL 112/2006, Art 168 EGRL 112/2006, Art 203 EGRL 112/2006, Art 17 Abs 1 EWGRL 388/77, Art 17 Abs 2 Buchst a EWGRL 388/77, Art 21 Nr 1 Buchst c EWGRL 388/77, § 14c Abs 2 S 3 UStG 1999, § 14c Abs 2 S 3ff UStG 1999, § 254 BGB, § 41 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.09.2012, Az. VII R 3/11 (REWIS RS 2012, 2802)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2802

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4 K 9/16

XI S 9/11 (PKH)

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