Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.06.2016, Az. 3 BGs 197/16

Ermittlungsrichter | REWIS RS 2016, 10346

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Gegenstand

Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts: Zuständigkeit für die Entscheidung über die Pauschgebühr eines für nebenklageberechtigte Personen bestellten Rechtsanwalts


Leitsatz

Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs ist für Entscheidungen über Anträge eines von ihm im Ermittlungsverfahren bestellten Rechtsanwalts auf Festsetzung einer Pauschgebühr nicht zuständig.

Tenor

Der [X.] - Ermittlungsrichter - erklärt sich für eine Entscheidung über den Antrag von Rechtsanwalt     D.                          auf Bewilligung einer Pauschgebühr gemäß § 51 [X.] für unzuständig.

Gründe

I.

1

Der [X.] führt ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen eines Sprengstoffanschlags, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

2

Am 26. September 1980 wurde gegen 22:20 Uhr am Haupteingang zur [X.] in [X.] ein Sprengkörper gezündet. Auf der [X.] fand seit dem 20. September 1980 das jährlich abgehaltene [X.] statt. Dreizehn Personen wurden getötet. Mehr als 200 Menschen erlitten teils schwerste Verletzungen. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen hatte der beim Anschlag getötete    [X.]       den Sprengsatz gebaut, ihn zum [X.] gebracht und dort die Explosion verursacht.

3

Zunächst war dieses Ermittlungsverfahren nach zweijähriger Ermittlungsarbeit am 23. November 1982 gemäß § 170 Abs. 2 [X.] eingestellt worden, nachdem sich der damals gehegte Anfangsverdacht, an dem Attentat seinen neben dem bei der Begehung der Tat verstorbenen     [X.]    weitere Personen beteiligt gewesen, nicht erhärten ließ. In der Folgezeit wurde seitens des [X.]s wiederholt die förmliche Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens geprüft. Aufgrund der Angaben einer bislang nicht bekannten Zeugin wurden schließlich am 5. Dezember 2014 die Ermittlungen förmlich wieder aufgenommen. Diese dauern derzeit noch an.

4

Der Antragsteller vertritt 15 im Verfahren nebenklageberechtigte Personen. Mit Beschlüssen des Ermittlungsrichters des [X.] vom 8. Februar 2016 - 3 [X.] 32/16 - bzw. 9. Februar 2016 - 3 [X.] 33 - 46/16 - ist er diesen gemäß § 406g Abs. 1, 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] a.F., § 397a Abs. 1 [X.] als Beistand bestellt worden.

5

In einem an den „[X.] - Strafsenat“ gerichteten Schreiben vom 28. April 2016 hat der Antragsteller, der in dem gegenständlichen Verfahren seit Oktober 1982 tätig ist, die Bewilligung einer Pauschgebühr gemäß § 51 Abs. 1 [X.] in Höhe von 88.000 bis 110.000 € betreffend die von den Gebühren Ziffern 4101 und 4105 des Gebührenverzeichnisses des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes erfassten Tätigkeiten beantragt. Ergänzend hat er in einem weiteren Schreiben vom 25. Mai 2016 klargestellt, dass sich der Antrag an den [X.] - Ermittlungsrichter richtet.

II.

6

Der [X.] - Ermittlungsrichter - ist für die Entscheidung über den Antrag nicht zuständig.

7

Aus § 51 Abs. 2 Satz 1 [X.] ergibt sich, dass für die Entscheidung über die Bewilligung einer Pauschvergütung grundsätzlich das [X.], zu dessen Bezirk das Gericht des ersten Rechtszugs gehört, zuständig ist. In Anknüpfung an die frühere Regelung in § 99 Abs. 2 Satz 1 [X.] folgt die gerichtliche Zuständigkeit für die Entscheidung über die Bewilligung der Pauschvergütung grundsätzlich weder der für die Bestellung oder Beiordnung des Rechtsanwalts, noch der des Gerichtes, gegenüber dem der Rechtsanwalt tätig geworden ist (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Mai 1971 - 6 StE 1/68 und 3 [X.], [X.] 1971, 676, 677). Entscheidend für die Bestimmung der Zuständigkeit war für den Gesetzgeber offenbar nicht eine sich aus der Bestellung bzw. Beiordnung oder Entgegennahme der Tätigkeit des Anwalts ergebende Sachkunde betreffend den Umfang und die Schwierigkeit dessen Tätigkeit, sondern die Sicherstellung eines möglichst einheitlichen Maßstabes auf der Grundlage der mit der Zuständigkeitskonzentration verbundenen Breite an Erfahrung (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Mai 1971, aaO).

8

§ 51 Abs. 2 Satz 2 [X.] sieht zwar als Ausnahme von diesem Grundsatz vor, dass der [X.] für die Entscheidung zuständig ist, soweit er den Rechtsanwalt bestellt hat. Diese Ausnahme erfasst jedoch nicht die Fälle, in denen der [X.] während des Ermittlungsverfahrens mit einer Strafsache befasst war, selbst dann nicht, wenn der anwaltliche Vertreter von dem Ermittlungsrichter des [X.]s bestellt worden ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 5. Mai 1970, aaO; 16. Mai 1977 - 1 [X.] 20/75 - 3 ARs 12/77, NJW 1977, 1644, [X.]/[X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 51 Rn. 26; [X.], [X.], 45. Aufl., § 51 [X.], Rn. 27).

9

Das am 1. Juli 2004 (Artikel 3 des [X.] vom 5. Mai 2004 [[X.]]) in [X.] getretene Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ([X.]) ersetzt die mit Ablauf des 30. Juni 2004 außer [X.] getretene Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung. § 51 Abs. 2 Satz 2 [X.] ist wortgleich mit der Vorgängervorschrift des § 99 Abs. 2 Satz 2 [X.]. Aus der Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts ([X.]. 15/1971, [X.]) ergeben sich keine neuen Erwägungen des Gesetzgebers zu der gerichtlichen Zuständigkeit für die Bewilligung der Pauschvergütung. Die Ausnahmevorschrift des § 99 Abs. 2 Satz 2 [X.], nach der der [X.] zur Entscheidung berufen war, soweit er den Rechtsanwalt bestellt hat, war mit Neufassung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung durch das [X.] vom 26. Juli 1957 ([X.] I 861, 923) in die Regelung der gerichtlichen Zuständigkeit für die Bewilligung der Pauschgebühr aufgenommen worden. Aus der Begründung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften ([X.]. 2/2545, [X.]) ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung von der bisherigen Zuständigkeitskonzentration bei den [X.]en grundsätzlich abweichen und ein Bestellungsprinzip einführen wollte. Der Gesetzgeber hatte vielmehr als Anwendungsbereich für § 99 Abs. 2 Satz 2 [X.] ausschließlich die Fälle im Blick, in denen der [X.] nach damals geltendem Recht noch erstinstanzlich zuständig war bzw. den Rechtsanwalt im Revisionsverfahren bestellt hat ([X.]. 2/2545, [X.]). Dieser durch den Gesetzgeber intendierte enge Anwendungsbereich erscheint vor dem in § 99 Abs. 2 Satz 1 [X.] und § 51 Abs. 2 Satz 1 [X.] verankerten Prinzip der Sicherstellung einer möglichst einheitlichen Bewertung durch Konzentration der Entscheidungszuständigkeit auch schlüssig. Die Zuständigkeit des [X.]s ist nur gegeben, soweit er den Rechtsanwalt bestellt hat. Nachdem die [X.] im Ermittlungs- bzw. Strafverfahren grundsätzlich bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens, einschließlich des Revisionsverfahrens gilt und hiervon ausschließlich die Revisionshauptverhandlung und deren Vorbereitung ausgenommen sind (Lüderssen/[X.] in [X.], [X.], 26. Aufl., § 140 Rn. 117, § 141 Rn. 28ff.), ist der [X.] nach § 51 Abs. 2 Satz 2 [X.] auch nur für die Bewilligung der Pauschgebühr für die Beteiligung an der Revisionshauptverhandlung und deren Vorbereitung zuständig. Im Übrigen verbleibt es bei der Zuständigkeit des [X.]es gemäß § 51 Abs. 2 Satz 1 [X.] ([X.], Beschluss vom 25. Oktober 2011- 1 [X.], NJW 2012, 167 m.w.N.; vgl. auch [X.], Beschluss vom 8. September 1970 - 5 StR 704/68, NJW 1970, 2223 zu § 99 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Die Gefahr einer uneinheitlichen Bewertung droht in diesen Fällen nicht, da diese Gebühr ausschließlich beim [X.] oder den [X.]en anfallen kann. Anders ist dies bei den übrigen Gebühren im Ermittlungs- bzw. Strafverfahren, weshalb sich der Gesetzgeber insoweit für eine Zuständigkeitskonzentration entschieden hat, die auch für den Ermittlungsrichter des [X.]s gilt.

Der Unzuständigkeit des Ermittlungsrichters des [X.]s steht auch nicht entgegen, dass vor Abschluss des Ermittlungsverfahrens gegebenenfalls die Zuständigkeit gemäß § 51 Abs. 2 Satz 1 [X.] für den Antragsteller nicht bestimmbar ist, da für den Fall einer Anklageerhebung die Zuständigkeit mehrerer [X.]e nach §§ 7 ff [X.] in Betracht kommt und diese erst durch die Wahl der [X.] konkretisiert wird (vgl. zum Wahlrecht der Staatsanwaltschaft: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 59. Aufl., Vor § 7 Rn. 10). Auch für andere Entscheidungen (vgl. § 81 Abs. 3 [X.], § 141 Abs. 4 [X.] und § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 StrEG) erweist sich eine Ausübung des Wahlrechts durch die Staatsanwaltschaft zu einem Zeitpunkt, in dem Anklage noch nicht erhoben ist (§ 81 Abs. 3 [X.], § 141 Abs. 4 [X.]) oder eine solche zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr zu erwarten ist (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 StrEG) als erforderlich (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Mai 1977 - 1 [X.] 20/75 - 3 ARs 12/77, NJW 1977, 1644, 1645). In den Fällen, in denen ein Antrag gemäß § 51 Abs. 2 Satz 1 [X.] bereits im Ermittlungsverfahren oder nach Einstellung desselben gestellt wird, kann die Konkretisierung des zuständigen Gerichts durch Einreichung des Antrages bei der [X.] zur Weiterleitung an das [X.], zu dem diese Anklage erheben würde, erfolgen.

Wimmer

Richterin am [X.]

Meta

3 BGs 197/16

08.06.2016

Bundesgerichtshof Ermittlungsrichter

Beschluss

Sachgebiet: BGs

§ 51 Abs 2 RVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.06.2016, Az. 3 BGs 197/16 (REWIS RS 2016, 10346)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 2351 REWIS RS 2016, 10346

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

3 BGs 197/16

Zitiert

1 StR 254/10

Zitieren mit Quelle:
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