Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.01.2020, Az. 3 StR 526/19

3. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1685

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Wohnungseinbruchdiebstahl: Wohnungseigenschaft der Immobilien von Verstorbenen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. Mai 2019 im

a) Schuldspruch dahin neu gefasst, dass die Wörter "in einem besonders schweren Fall" entfallen;

b) Ausspruch über die Einziehung von [X.] und des Wertes von [X.] dahin neu gefasst und geändert, dass

aa) die Einziehung des Wertes von [X.] in Höhe von 2.000 € angeordnet wird,

bb) der Angeklagte aus diesem Betrag in Höhe von 1.060 € als Gesamtschuldner haftet.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in vier Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, und Diebstahls "in einem besonders schweren Fall" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Einziehung des Wertes von [X.]n und von Diebesgut angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu einer teilweisen Neufassung des Schuldspruchs und der aus der [X.] ersichtlichen Änderung der Einziehungsentscheidung. Im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

1. In der Nacht auf den 24. Juli 2016 stieg der Angeklagte in ein Wohnhaus ein, nachdem er zuvor ein Fenster aufgehebelt hatte. Während eine Bewohnerin im ersten Stock schlief, durchsuchte er das Erdgeschoss. Anschließend flüchtete er mit einer Beute von 490 € (Fall [X.] der Urteilsgründe).

4

In der Folgezeit beschloss der Angeklagte, von nun an vorrangig in die Häuser von Verstorbenen einzubrechen. Über entsprechende Todesfälle informierte er sich durch Traueranzeigen in der Tageszeitung. Zur Ausführung der Taten versicherte er sich der Unterstützung eines gesondert verfolgten Mittäters.

5

Seinem Plan entsprechend hebelte der Angeklagte am 6. Mai 2017 ein Fenster im Haus eines zwei Wochen zuvor Verstorbenen auf. Er stieg ein, während der Mittäter draußen den Fluchtweg absicherte. Die Beute von 60 € Bargeld teilten beide untereinander auf (Fall [X.] der Urteilsgründe).

6

Am 29. Juni 2017 hebelte der Angeklagte die Terrassentür einer weiteren Immobilie auf. Auch dieses Haus stand leer, weil die Bewohnerin kurz zuvor verstorben war. Während der Mittäter erneut die Sicherung des [X.] übernahm, stieg der Angeklagte ein, brach [X.] aus einem Schrank und nahm ihn an sich. Nach ihrer Flucht öffneten die Täter diesen und teilten den Inhalt von 1.000 € Bargeld (Fall [X.] der Urteilsgründe).

7

Am 19. Juli 2017 brach der Angeklagte das Vorhängeschloss des [X.] eines Sportvereins auf. Daraus erbeutete er u.a. einen Werkzeugkoffer. Hierbei handelte er in der Absicht, sich durch gleichgelagerte Taten eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen (Fall [X.] der Urteilsgründe).

8

Am 20. November 2017 fuhr der Angeklagte gemeinsam mit dem Mittäter wieder zum Haus einer kurz zuvor Verstorbenen. Dort hebelte er ein Fenster auf und stieg in das Wohnzimmer ein, während der Mittäter draußen die Umgebung absicherte. Beide Täter wussten nicht, dass sich vier Kriminalbeamte im Haus verborgen hielten. Der Zugriff vor Ort scheiterte, weil der Angeklagte durch die geschlossene Terrassentür ins Freie sprang und flüchtete. Er wurde jedoch kurz darauf in seiner Wohnung festgenommen (Fall [X.] der Urteilsgründe).

9

2. Das [X.] hat die Fälle [X.], [X.] und [X.] der Urteilsgründe als [X.] gemäß § 242 Abs. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB beurteilt und mit [X.] von zwei Jahren (Fall [X.]), einem Jahr und sechs Monaten (Fall [X.]) und einem Jahr und neun Monaten (Fall [X.]) geahndet.

Fall [X.] der Urteilsgründe hat die [X.] als besonders schweren Fall des Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1, § 243 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 3 StGB gewürdigt und hierfür eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verhängt.

Fall [X.] der Urteilsgründe hat das [X.] als versuchten Wohnungseinbruchdiebstahl, § 242 Abs. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, §§ 22, 23 StGB, gewertet und eine Freiheitsstrafe von einem Jahr ausgeurteilt.

3. Im Wege der Sachrüge macht der Angeklagte die [X.] von Beweiswürdigung und Strafzumessung geltend. Bei letzterer bemängelt er die fehlende Bezugnahme auf die jeweilige Schadenshöhe.

II.

1. Die Revision ist aus den Gründen der Zuschrift des [X.] unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet. Der näheren Erörterung bedarf allein Folgendes:

a) Bei den Immobilien der Verstorbenen handelte es sich um Wohnungen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Die [X.] hat die Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals rechtsfehlerfrei als erfüllt angesehen, obwohl die Häuser zu den [X.] seit dem Tod ihrer jeweils einzigen Bewohner unbewohnt waren.

Wohnungen sind abgeschlossene und überdachte Räume, die Menschen zumindest vorübergehend als Unterkunft dienen (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 5. September 2017 - 5 StR 361/17, [X.]R StGB § 244 Abs. 1 Nr. 3 Wohnung 4 mwN; vom 24. April 2008 - 4 [X.], [X.], 514 Rn. 4). Diese Voraussetzungen sind bei den Einbruchsobjekten in den Fällen [X.], [X.] und [X.] der Urteilsgründe erfüllt. Die Häuser waren jeweils eingerichtet und als Wohnstätte voll funktionstüchtig. Dadurch, dass ihre ehemaligen Bewohner nicht (mehr) in ihnen lebten, verloren sie die Eigenschaft als Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht.

aa) Dafür spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift. Der Begriff "Wohnung" bezeichnet eine für die private Lebensführung geeignete und in sich abgeschlossene Einheit von gewöhnlich mehreren Räumen [X.], [X.], 9. Aufl., [X.]). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist somit der Zweck der Stätte maßgebend, nicht deren tatsächlicher Gebrauch. Dem entspricht es etwa, dass Wohnmobile und Wohnwagen tatbestandlich von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB unabhängig davon erfasst sind, ob sie zur Tatzeit zum Wohnen genutzt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Oktober 2016 - 1 StR 462/16, [X.]St 61, 285).

bb) Diese Betrachtungsweise erfährt ihre Bestätigung in der Gesetzessystematik. Das Strafgesetzbuch sieht bei [X.] eine Staffelung in Deliktsschwere und Strafmaß vor, die vom besonders schweren Fall des Diebstahls gemäß § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB über den Wohnungseinbruch im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB bis zum Einbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung nach § 244 Abs. 4 StGB reicht. Spätestens mit Einführung der letztgenannten Vorschrift im [X.] hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er die (dauerhafte) Nutzung der Wohnung nicht als tatbestandliche Voraussetzung des einfachen Wohnungseinbruchdiebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB verstanden wissen will. Die sprachliche Betonung dieses zusätzlichen Tatbestandsmerkmals in § 244 Abs. 4 StGB wäre sonst nicht geboten gewesen.

Den Begriff der Wohnung gebraucht das Gesetz darüber hinaus in § 123 Abs. 1 StGB, § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB und § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Den ersten beiden Normen ist gemein, dass auch sie eine tatsächliche Bewohnung der Unterkunft zur Tatzeit nicht voraussetzen (für § 123 Abs. 1 StGB vgl. MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 123 Rn. 11 f. mwN; für § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB vgl. MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 201a Rn. 34: Erfassung nicht nur der eigenen, sondern auch opferfremder Wohnungen). Für § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB gilt deshalb etwas anderes, weil der Wortlaut dieser Vorschrift es erfordert, dass die in [X.] gesetzte Räumlichkeit "der Wohnung von Menschen dient". Daraus folgt, dass das [X.]objekt zur Tatzeit tatsächlich bewohnt sein muss. Dies ist nicht der Fall, wenn der einzige Bewohner gestorben ist ([X.], Urteil vom 10. September 1969 - 2 StR 276/69, [X.]St 23, 114 f.; vgl. auch [X.], Urteile vom 4. Juli 1984 - 3 [X.], [X.], 455; vom 28. Juni 2007 - 3 StR 54/07, [X.]R StGB § 306a Abs. 1 Nr. 1 Wohnung 5). Wegen des unterschiedlichen Wortlauts von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB und § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB und des differierenden Schutzzwecks der Vorschriften sind diese Grundsätze jedoch nicht auf den Wohnungseinbruchdiebstahl übertragbar.

cc) Schließlich gebieten Sinn und Zweck der Qualifikation aus § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB die Einbeziehung von unbewohnten Immobilien, jedenfalls so lange sie nicht als Wohnstätte entwidmet sind (vgl. zu § 306a StGB [X.], Urteil vom 28. Juni 2007 - 3 StR 54/07, [X.]R StGB § 306a Abs. 1 Nr. 1 Wohnung 5 Rn. 10). Die Vorschrift soll das Eigentum an höchstpersönlichen Gegenständen und die häusliche Integrität an sich schützen. Diese Rechtsgüter können auch dann verletzt sein, wenn sie neben den aktuellen Bewohnern weiteren Personen zuzuordnen sind, die einen Bezug zu den Räumlichkeiten aufweisen - etwa, weil sie sich häufig in ihnen aufhalten, weil es sich um ihr Elternhaus handelt oder weil sie in dem Haus private Gegenstände lagern.

dd) Danach liegt in den Fällen [X.], [X.] und [X.] der Urteilsgründe jeweils ein Wohnungseinbruchdiebstahl vor. Ob darüber hinaus die Voraussetzungen des § 244 Abs. 4 StGB - Einbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung - in der gegebenen Fallkonstellation erfüllt sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Die Vorschrift gilt zwar seit dem 22. Juli 2017 und damit zeitlich ab Fall [X.] der Urteilsgründe. Der Angeklagte ist durch die Nichtannahme eines besonders schweren Wohnungseinbruchdiebstahls (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 19. März 2019 - 3 StR 2/19, [X.], 674 Rn. 6) aber jedenfalls nicht beschwert.

b) Gleiches gilt für den Umstand, dass das [X.] keine tateinheitlich begangene Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB angenommen hat, obwohl es bei den Einbrüchen zu [X.], etwa an den Holzrahmen der aufgehebelten Fenster, kam (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 27. November 2018 - 2 StR 481/17, [X.]St 63, 253).

c) Eine Strafzumessungsregel ("besonders schwerer Fall" gemäß § 243 StGB) gehört nicht zur rechtlichen Bezeichnung der Tat im Sinne des § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 9. Dezember 1998 - 3 [X.], [X.], 205; vom 28. November 2017 - 3 StR 272/17, juris Rn. 9 mwN). Insoweit ist der Schuldspruch betreffend Fall [X.] der Urteilsgründe zu korrigieren.

d) Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, dass das [X.] die jeweilige Schadenshöhe bei der Strafzumessung bedacht hat. Die [X.] ist in jedem Einzelfall konkret festgestellt, und die Staffelung der Strafen zeigt, dass sich die [X.] bei der Festsetzung der Einzelstrafen unter anderem am jeweiligen Schaden orientiert hat. Es ist deshalb auszuschließen, dass sie diesen Umstand aus dem Blick verloren hat.

2. Soweit die [X.] "[X.] von 1.550 [X.] Bargeld" eingezogen hat, ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass sie die Einziehung des Wertes dieser Erträge gemeint hat (vgl. [X.]). Der Einziehungsausspruch ist insoweit neu zu fassen. Die beiden vom [X.] einzeln festgesetzten [X.] sind dabei zu addieren.

Außerdem ist die Urteilsformel um die gesamtschuldnerische Haftung (§§ 421 ff. [X.]) mit dem Mittäter zu ergänzen (vgl. [X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 [X.], [X.]St 56, 39 Rn. 21 ff.; Beschluss vom 12. November 2019 - 3 StR 461/19, juris Rn. 2 mwN). Denn ausweislich der Feststellungen verfügte der Angeklagte gemeinsam mit diesem über die [X.] von 60 € in Fall [X.] und 1.000 € in Fall [X.] der Urteilsgründe. Deshalb darf ein Betrag in Höhe von 1.060 € beiden Tätern gemeinsam nur einmal entzogen werden.

3. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Schäfer     

        

Ri[X.] Gericke ist wegen
Erkrankung gehindert zu
unterschreiben.

        

[X.]

                 

Schäfer

                 
        

Hoch     

        

     Erbguth     

        

Meta

3 StR 526/19

22.01.2020

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Verden, 10. Mai 2019, Az: 1 KLs 4/18

§ 244 Abs 1 Nr 3 StGB, § 261 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.01.2020, Az. 3 StR 526/19 (REWIS RS 2020, 1685)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1685

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 481/17 (Bundesgerichtshof)

Schwerer Bandendiebstahl und Einbruchdiebstahl: Konkurrenzen bei begangener Sachbeschädigung


2 StR 481/17 (Bundesgerichtshof)

Senatsanfrage: Konkurrenzen bei Bandendiebstahl oder Wohnungseinbruchdiebstahl mit zugleich begangener Sachbeschädigung


3 StR 422/23 (Bundesgerichtshof)


4 StR 265/22 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseinbruchsdiebstahl in Wohnung nach Tod des Bewohners


2 StR 14/18 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bei Sprachunkundigkeit eines Ausländers


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.