Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.03.2021, Az. 4 StR 209/20

4. Strafsenat | REWIS RS 2021, 8183

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Gegenstand

Revision in Strafsachen: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwecks Heilung einer Verfahrensrüge


Tenor

1. Die Anträge des Angeklagten auf

a) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung der Verfahrensrüge B.I der Revisionsbegründung,

b) Entscheidung des Revisionsgerichts

werden verworfen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] ([X.]) vom 18. Oktober 2019 wird als unbegründet verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Nach Zustellung der Antragsschrift des [X.] hat der Angeklagte zur Heilung der Mängel einer Verfahrensrüge die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie die Entscheidung des [X.] beantragt. Der Wiedereinsetzungsantrag und der Antrag auf Entscheidung des [X.] sind unzulässig; die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

1. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist unzulässig.

3

a) Der Angeklagte hat die Revision fristgerecht mit der Sachrüge und drei Verfahrensrügen begründet. Mit der Verfahrensrüge B.I der Revisionsbegründung hat er die rechtsfehlerhafte Behandlung eines [X.] auf Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens zur Glaubhaftigkeit der Aussage einer Opferzeugin beanstandet. Nachdem der Angeklagte in der Antragsschrift des [X.] darauf hingewiesen worden war, dass der Beweisantrag nicht vollständig vorgetragen wurde, hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und den Beweisantrag nachgereicht.

4

Eine Wiedereinsetzung zur Ergänzung der Verfahrensrüge kommt nicht in Betracht.

5

Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung dient nicht der Heilung von [X.] hinsichtlich fristgemäß erhobener Verfahrensrügen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11. April 2019 - 1 [X.] und vom 13. Oktober 2020 - 5 [X.]). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung oder Ergänzung einer Verfahrensrüge kommt deshalb nur in besonderen [X.] in Betracht, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (vgl. [X.], Beschlüsse vom 30. März 2016 - 4 StR 63/16 und vom 11. April 2019 ‒ 1 [X.] mwN). Das kann der Fall sein, wenn die entsprechende Verfahrensrüge ohne Kenntnis der Akten nicht begründet werden kann und dem Verteidiger des Beschwerdeführers bis zum Ablauf der [X.] trotz mehrfacher Mahnung Akteneinsicht nicht gewährt wurde (vgl. [X.], Beschluss vom 30. Mai 1985 - 4 [X.]/85).

6

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier schon deshalb nicht vor, weil es sich bei dem in der Revisionsbegründung unzutreffend vorgetragenen Aktenbestandteil um einen vom Angeklagten selbst in der Hauptverhandlung vom 11. Oktober 2019 gestellten Beweisantrag handelt.

7

b) Der Wiedereinsetzungsantrag ist darüber hinaus deshalb unzulässig, weil die Wochenfrist gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht eingehalten ist. Mit Zustellung der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft am 27. Februar 2020 war der Verteidigerin der Zulässigkeitsmangel der Rüge bekannt. Gleichwohl hat sie erst am 10. März 2020 an das Akteneinsichtsgesuch erinnert und am 30. April 2020 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Zudem verhält sich der Wiedereinsetzungsantrag nicht dazu, wann der Angeklagte Kenntnis von der unzureichenden Begründung der Verfahrensrüge erlangt hat (§ 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO).

8

2. Der Antrag auf Entscheidung des [X.] gemäß § 346 Abs. 2 StPO ist nicht statthaft, da das Tatgericht die Revision des Angeklagten nicht als unzulässig verworfen hat (§ 346 Abs. 1 StPO).

II.

9

Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

1. Die Verfahrensrüge B.I, mit der die rechtsfehlerhafte Behandlung eines [X.] auf Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens sowie zugleich ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht gerügt wird, ist bereits unzulässig, weil sie aus den Gründen der Zuschrift des [X.] den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügt.

Im Übrigen hätte die erhobene Rüge, selbst wenn sie rechtzeitig formgerecht erhoben worden wäre, keinen Erfolg. Die Ablehnung des [X.] durch Beschluss der [X.] gemäß § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO, in dem sie ihre eigene Sachkunde zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin dargelegt hat, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Auch die [X.] wäre unbegründet (§ 244 Abs. 2 StPO), weil die Gründe, die zur Ablehnung des [X.] wegen eigener Sachkunde des Gerichts berechtigen, auch die Aufklärungspflicht entfallen lassen (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Februar 2003 - 4 StR 499/02; Urteil vom 27. Januar 2004 - 3 StR 431/04).

2. Die beiden weiteren Verfahrensrügen haben aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift näher dargelegten Gründen keinen Erfolg.

3. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der [X.] hat zum Schuld- und Rechtsfolgenausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Sost-Scheible     

        

Bender     

        

Bartel

        

Rommel      

        

Lutz      

        

Meta

4 StR 209/20

04.03.2021

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankenthal, 18. Oktober 2019, Az: 5221 Js 13885/19 - 7 KLs

§ 44 S 1 StPO, § 45 Abs 1 S 1 StPO, § 344 Abs 2 S 2 StPO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.03.2021, Az. 4 StR 209/20 (REWIS RS 2021, 8183)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8183

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