Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.10.2014, Az. II R 10/14

2. Senat | REWIS RS 2014, 1971

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Gegenstand

Landzuteilung im Flurbereinigungsverfahren nur bei wertmäßiger Mehrzuteilung grunderwerbsteuerpflichtig


Leitsatz

1. Eine Landzuteilung im Flurbereinigungsverfahren ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG grunderwerbsteuerfrei, soweit der Wert der dem Teilnehmer bei Beendigung zugeteilten Grundstücke nicht den Wert der von ihm eingebrachten Grundstücke übersteigt.

2. Dies gilt auch, wenn ein Teilnehmer der Flurbereinigung einerseits durch Landverzichtserklärung eines anderen Teilnehmers gemäß § 52 Abs. 3 Satz 2 FlurbG einen Abfindungsanspruch in Land erwirbt und zum anderen für von ihm selbst in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachte Grundstücke zugunsten eines Dritten auf eine Abfindung in Land verzichtet.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war Teilnehmerin an einem Flurbereinigungsverfahren, in das sie Flächen in einer Größe von ca. 61 ha einbrachte. Der ebenfalls an dem Flurbereinigungsverfahren beteiligte [X.] stimmte mit [X.]rklärung nach § 52 des [X.] (FlurbG) vom 10. Mai 2001 in einer Verhandlung vor der zuständigen Behörde zugunsten der Klägerin zu, für zwei eingebrachte Flurstücke statt in Land in Geld abgefunden zu werden. Die Klägerin verpflichtete sich, an [X.] eine Geldabfindung von 14.820 DM (7.577 €) zu zahlen. Gemäß der im Jahre 2009 ergangenen Ausführungsanordnung des [X.] erhielt die Klägerin eine Fläche von ca. 21 ha. Die in der [X.] des [X.] bezeichneten Flächen wurden der Klägerin nicht zugewiesen. Diese Flächen wurden jedoch bei der Berechnung der der Klägerin zustehenden Landabfindung durch Zuweisung von [X.]rsatzgrundstücken berücksichtigt.

2

Durch Bescheid vom 26. Februar 2010 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) gegenüber der Klägerin für ihren [X.]rwerb aus dem Flurbereinigungsverfahren Grunderwerbsteuer in Höhe von 265 € fest. Bemessungsgrundlage war die von der Klägerin an [X.] gezahlte Geldabfindung von 7.577 €. Der [X.]inspruch, mit dem die Klägerin für ihren [X.]rwerb die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a des Grunderwerbsteuergesetzes (Gr[X.]StG) geltend machte, hatte keinen [X.]rfolg.

3

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. [X.]s sah die Befreiungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a Gr[X.]StG als nicht erfüllt an, weil sich der [X.] der Klägerin aufgrund der [X.] des [X.] erhöht habe. [X.]s sei unschädlich, dass der Klägerin [X.]rsatzgrundstücke anstelle der in der [X.]rklärung des [X.] bezeichneten Grundstücke zugeteilt worden seien.

4

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a Gr[X.]StG.

5

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Grunderwerbsteuerbescheid vom 26. Februar 2010 in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 25. Januar 2011 aufzuheben.

6

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und [X.]ntscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126  Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zwar zutreffend erkannt, dass die [X.]zuteilung an den Teilnehmer einer Flurbereinigung in dem Umfang, in dem zu seinen Gunsten ein Dritter einer Abfindung in Geld statt in [X.] zugestimmt hat, grundsätzlich nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a Gr[X.]StG steuerbefreit ist. Das [X.] hat aber nicht berücksichtigt, dass diese Steuerbefreiung auf alle [X.]zuteilungen zugunsten des Teilnehmers anzuwenden ist, deren Wert nicht den Wert der vom Teilnehmer in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachten Grundstücke überschreitet.

8

1. Der Grunderwerbsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Gr[X.]StG der Übergang des [X.]igentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil die Klägerin aufgrund der vorzeitigen Ausführungsanordnung des [X.] vom 11. November 2009 gemäß § 61 Satz 2 [X.] [X.]igentümerin der [X.] geworden ist, ohne dass ein einen Übereignungsanspruch begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und ohne dass es einer Auflassung bedurfte.

9

Die der Ausführungsanordnung vorangegangene [X.]verzichtserklärung des [X.] zugunsten der Klägerin vom 10. Mai 2001 ist kein Rechtsgeschäft, das für die Klägerin einen Anspruch auf Übereignung der entsprechenden Flächen begründet hat. Die [X.]verzichtserklärung, mit der lediglich der Abfindungsanspruch des [X.] auf den begünstigten [X.] übergeht, bereitet den [X.]rwerb des [X.]igentums an den [X.]n lediglich vor und unterliegt weder nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 noch nach § 1 Abs. 2 Gr[X.]StG der Grunderwerbsteuer (Urteile des [X.] --BFH-- vom 17. Mai 2000 II R 47/99, BFH[X.] 191, 426, [X.], 627, und vom 23. August 2006 II R 41/05, BFH[X.] 213, 406, [X.], 919).

2. Für die [X.]igentumsübertragung auf die Klägerin war nicht schon deshalb Grunderwerbsteuer festzusetzen, weil sie aufgrund der zu ihren Gunsten erfolgten [X.]verzichtserklärung des [X.] einen Anspruch auf [X.]abfindung erworben hat.

a) Das Flurbereinigungsverfahren ist ein gesetzlich geregelter Grundstückstausch, der gemäß § 1 [X.] der Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der [X.]- und Forstwirtschaft sowie der Förderung der allgemeinen [X.]eskultur und [X.]esentwicklung dient. [X.]s wird beherrscht von dem Grundsatz der wertgleichen Abfindung. Jeder Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens ist gemäß § 44 [X.] für seine Grundstücke unter Berücksichtigung der nach § 47 [X.] vorgenommenen Abzüge mit [X.] von gleichem Wert (zur Wertermittlung vgl. §§ 27 ff. [X.]) abzufinden.

Die Abfindung erfolgt gemäß § 44 Abs. 1 [X.] grundsätzlich als [X.]abfindung. Ungeachtet eines etwaigen Wertausgleichs aufgrund in Geld auszugleichender unvermeidbarer Mehr- oder Minderausweisungen von [X.] (§ 44 Abs. 3 [X.]) tritt die [X.]abfindung an die Stelle der alten Grundstücke (§ 68 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

b) Der Verzicht auf [X.]abfindung gemäß § 52 Abs. 1 [X.], durch den mit seiner Unwiderruflichkeit (§ 52 Abs. 2 [X.]) der Anspruch auf Abfindung in [X.] erlischt, kann "zugunsten eines bestimmten [X.]" (§ 52 Abs. 3 Satz 2 [X.]) erfolgen. Mit der späteren [X.]igentumszuweisung an den [X.] wird dessen auf § 44 [X.] beruhender Abfindungsanspruch erfüllt. Dieser [X.]rwerb wird zwar vom Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a Gr[X.]StG erfasst. Diese Vorschrift bedarf aber ausgehend von ihrem Zweck, den [X.]rwerb des [X.]igentums durch die Abfindung in [X.] in dem Umfang von der Grunderwerbsteuer zu befreien, in dem der Teilnehmer eigenes [X.] hergeben musste, einer einschränkenden Auslegung. Ausgehend von diesem Grundgedanken ist die [X.]igentumszuweisung an einen [X.], der erst durch den [X.]abfindungsverzicht eines Teilnehmers in das Flurbereinigungsverfahren einbezogen wurde, nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a Gr[X.]StG steuerfrei. Dies muss grundsätzlich auch dann gelten, wenn der durch die [X.]verzichtserklärung begünstigte Dritte bereits Teilnehmer der Flurbereinigung war und aufgrund der Verzichtserklärung eine (weitere) Zuteilung von [X.] beanspruchen kann (BFH-Urteil in BFH[X.] 213, 406, [X.], 919).

c) In Ausnahme von diesen Rechtsgrundsätzen ist eine [X.]zuteilung im Flurbereinigungsverfahren gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a Gr[X.]StG dann grunderwerbsteuerfrei, wenn die vom Teilnehmer in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachten Grundstücke ihrem Wert nach den diesem Teilnehmer bei Beendigung des Flurbereinigungsverfahrens zugeteilten Flächen entsprechen. In diesem Fall ist für eine einschränkende Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a Gr[X.]StG kein Raum. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Teilnehmer der Flurbereinigung einerseits durch [X.]verzichtserklärung eines anderen Teilnehmers gemäß § 52 Abs. 3 Satz 2 [X.] einen Abfindungsanspruch in [X.] erwirbt und zum anderen für von ihm selbst in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachte Grundstücke zugunsten eines [X.] auf eine Abfindung in [X.] verzichtet. In diesem Fall ist eine [X.]igentumszuweisung an den Teilnehmer aufgrund der Ausführungsanordnung zum [X.] nur insoweit steuerpflichtig, als der Wert der zugeteilten Grundstücke den Wert der in die Flurbereinigung eingebrachten Grundstücke übersteigt.

Die von anderen Grundsätzen ausgehende Vorentscheidung war demgemäß aufzuheben.

3. Die Sache ist nicht spruchreif.

Das [X.] hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Wert der von der Klägerin in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachten Grundstücke den Wert der ihr durch die Ausführungsanordnung zum [X.] zugeteilten Grundstücke übersteigt. Insoweit wird das [X.] zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls in welchem wertmäßigen Umfang die Klägerin auf die Abfindung in [X.] verzichtet hat und ob der Klägerin nach der Ausführungsanordnung zum [X.] im [X.]rgebnis wertmäßig mehr Flächen zugeteilt wurden als sie in das Flurbereinigungsverfahren eingebracht hatte.

Meta

II R 10/14

22.10.2014

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 6. Mai 2013, Az: 7 K 32/11, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 3 S 2 Buchst a GrEStG 1997, § 52 Abs 1 FlurbG, § 52 Abs 3 S 2 FlurbG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.10.2014, Az. II R 10/14 (REWIS RS 2014, 1971)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1971

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