Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.06.2017, Az. 4 StR 234/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 9414

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Gegenstand

Strafzumessung: Strafschärfende Berücksichtigung einer mangelnden Therapiebereitschaft


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 13. Januar 2017 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das [X.] - Strafrichter - zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es abgelehnt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Das [X.] hat festgestellt, dass der vielfach und auch einschlägig vorbestrafte Angeklagte, der sich zur Tatzeit wegen seiner langjährigen, mehrfach erfolglos behandelten Drogenabhängigkeit in einem Substitutionsprogramm befand und jegliche weitere Suchttherapie ablehnt, in einem Kaufhaus zwei Dosen Haargel im Gesamtwert von etwa zehn Euro entwendete, um diese für sich zu behalten. Kurz nach Verlassen des [X.] wurde er durch einen Ladendetektiv gestellt.

3

Im Rahmen der Strafzumessung wird u.a. ausgeführt, die Strafkammer sei sich angesichts der begangenen Straftat der Härte der verhängten Freiheitsstrafe bewusst. Da der Angeklagte aber jegliche Form der Therapie ablehne, es insoweit also an jeglicher Erfolgsaussicht fehle, sei er von der Begehung weiterer Straftaten nicht anders abzuhalten.

4

2. Diese Erwägung lässt besorgen, dass das [X.] die Schuldangemessenheit der verhängten Freiheitsstrafe aus dem Blick verloren hat.

5

a) Grundlagen der Strafzumessung sind gem. § 46 StGB der Grad der persönlichen Schuld des [X.] sowie die Schwere der Tat in ihrer Bedeutung für die verletzte Rechtsordnung. Unter Berücksichtigung und gegenseitiger Abwägung dieser Gesichtspunkte hat der Tatrichter innerhalb des ihm eingeräumten Spielraums die schuldangemessene Strafe zu finden, wobei er auch anderen Strafzwecken, etwa der Generalprävention und der Sicherung, Raum geben kann (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 4. August 1965 - 2 StR 282/65, [X.]St 20, 264, 266 f., und vom 27. Oktober 1970 - 1 [X.], [X.]St 24, 132, 133 f.). Deshalb kann auch die [X.] des [X.] für den Strafausspruch von Bedeutung sein. Eine etwa vorhandene [X.] kann strafmildernde Wirkung haben ([X.], Beschluss vom 3. April 2003 - 4 StR 84/03, [X.], 246). Umgekehrt darf bei fehlender [X.] oder Therapierbarkeit dem Sicherungsgedanken aber nicht eine derartige Bedeutung beigemessen werden, dass die notwendige Schuldangemessenheit der Strafe aus dem Blick gerät ([X.], Urteil vom 27. Oktober 1970 aaO).

6

b) Das [X.] durfte daher bei der Bemessung der zu verhängenden Strafe nicht - wie geschehen - unter Hintanstellung des Gesichtspunkts der Schuldangemessenheit das entscheidende Gewicht dem Gedanken der Sicherung der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten des Angeklagten beilegen. Es kommt hinzu, dass die strafschärfende Wirkung des [X.] hier auch für sich genommen Bedenken begegnet, weil die Weigerung des Angeklagten, sich therapeutischer Hilfe zu bedienen, nicht ausschließbar gerade durch seine Grunderkrankung bedingt ist. Es ist deshalb zu besorgen, dass sich durch die Erwägung des [X.]s die Drogenabhängigkeit des Angeklagten als [X.] zu seinem Nachteil ausgewirkt hat. Dies wäre rechtsfehlerhaft ([X.], Beschluss vom 23. März 1981 - 3 [X.], [X.] 1981, 401, [X.], StGB, 64. Aufl., § 46 Rn. 42). Der [X.] kann deshalb nicht ausschließen, dass die - angesichts der abgeurteilten Straftat erhebliche - Höhe der Strafe von diesen Erwägungen zum Nachteil des Angeklagten beeinflusst worden ist.

7

Der Strafausspruch bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Dies umfasst auch die Prüfung einer möglichen erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten (§ 21 StGB).

8

3. Die Entscheidung über die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) weist auf der Grundlage der Feststellungen keinen Rechtsfehler auf. Sie bleibt daher von der Aufhebung ausgenommen; eine erneute Entscheidung nach Zurückverweisung ist insoweit nicht mehr zu treffen (vgl. [X.], Urteil vom 19. Januar 2017 - 4 [X.], [X.], 187 mwN).

9

4. Die Sache war gem. § 354 Abs. 3 StPO an den Strafrichter zurückzuverweisen, da dessen Strafgewalt ausreicht.

Sost-Scheible     

       

Roggenbuck     

       

[X.]

       

Quentin     

       

Feilcke     

       

Meta

4 StR 234/17

20.06.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bielefeld, 13. Januar 2017, Az: 1 KLs 25/16

§ 46 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.06.2017, Az. 4 StR 234/17 (REWIS RS 2017, 9414)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9414

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 234/17

1 StR 220/20

Zitiert

4 StR 443/16

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