Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.04.2017, Az. 1 StR 432/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 12945

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:040417B1STR432.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 432/16

vom
4. April
2017
in der Strafsache
gegen

wegen
Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht

geringer Menge u.a.

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.]

zu
2. auf dessen Antrag

am 4.
April 2017 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.]s [X.] ([X.]) vom 28.
April 2016 mit den zuge-hörigen Feststellungen aufgehoben,
a)
soweit der Angeklagte in den Fällen
II.1.a bis g der Ur-teilsgründe verurteilt wurde und
b)
im Gesamtstrafenausspruch.
2.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbe-gründet verworfen.
3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.].

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, davon in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäu-bungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie wegen unerlaubtem Besitz von 1
-
3
-
Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§
349 Abs.
4 StPO); im Übrigen ist es gemäß §
349 Abs.
2 StPO unbegründet.
I.
Das [X.] hat die folgenden Feststellungen und Wertungen ge-troffen:
Die anderweitig Verurteilten Mo.

und M.

betrieben im Zeitraum -

auch unter Beteiligung weiterer Personen

zusammengeschlossen, um dau-erhaft [X.]rihuana im [X.] in [X.] zu beschaffen und an [X.] in [X.] gewinnbringend weiterzuveräußern. In Ausübung die-ses Planes erfolgten regelmäßige [X.] unter Verwendung des fikti-ven Absender.

,

,

ß-gebliche Kontaktperson der Tätergruppe für den südbayerischen Raum war der anderweitig Verurteilte J.

. Er war infolge seiner persönlichen [X.] mit dem anderweitig Verurteilten M.

als einziger aus dem Mü.

er Raum einschließlich K.

in der Lage, derartige [X.]rihuana-pakete direkt bei der Tätergruppe zu bestellen.
Im Zeitraum Juni 2010 bis Juli 2011 bestellte der anderweitig Verurteilte J.

bei dem anderweitig Verurteilten M.

insgesamt sieben Rauschgiftpakete, die jeweils über denselben Versanddienstleister und Paket-shop an die Anschrift

[X.].

,

,

2
3
4
-
4
-
versandt und am Folgetag durch Subunternehmer ausgeliefert wurden (Fäl-le
II.1.a
bis g der Urteilsgründe).
Bei der letztgenannten Anschrift handelte es sich um die Geschäfts-.

e-klagte als Sohn des [X.] arbeitete. Der Angeklagte war in das Vorhaben des J.

eingeweiht; er wusste, dass sich in den Paketen [X.]-rihuana in einer Größenordnung von etwa 5
kg befindet. Mit der Zurverfügung-stellung seines Namens und der Adresse war er einverstanden. In drei Fällen wurden die Pakete an Mitarbeiter der Firma E.

, die Zeugen G.

und
S.

, übergeben, die diese für den Angeklagten entgegennahmen, der sie später vereinbarungsgemäß dem J.

oder einer Hilfsperson aushän-digte (Fälle
II.1.a, c und g der Urteilsgründe). In den übrigen vier Fällen wurden die Pakete an eine Person ausgehändigt, die sich dem Zusteller gegenüber [X.] als berechtigter Empfänger des Paketes ausgab, wobei das [X.] nicht feststellen konnte, dass es sich dabei jeweils um den Angeklagten gehan-delt hat
(Fälle
II.1.b, d bis f der Urteilsgründe). J.

gelangte aber auch in diesen Fällen letztendlich in den Besitz der Pakete. Die Pakete enthielten jeweils mindestens 4,95
kg [X.]rihuana mit einem Wirkstoffgehalt von [X.] 5
% THC.
Darüber hinaus bewahrte der Angeklagte die folgenden [X.] wissentlich und willentlich zum Eigenkonsum auf (Fall
II.2. der Urteils-gründe): In seinem Büro
in der

-Straße

in Ge.

10,5
g

[X.]rihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 0,157
g
THC, eine Ecstasy-Tablette mit einem Wirkstoffgehalt von 0,041
g
MDMA-Base und 0,17
g
Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 0,041
g
Amphetaminbase, in
dem Anwesen

in K.

36,9
g
Psilocin-Pilze und in seiner Wohnung in K.

5
6
-
5
-
6,6
g
[X.]rihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 0,752
g
THC, 0,61
g
[X.]rihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 0,075
g
THC und 1,27
g
Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 0,149
g
THC.
Der Angeklagte hat sich hinsichtlich des Falles
II.2. der Urteilsgründe vollumfänglich geständig eingelassen. Hinsichtlich der Fälle
II.1.a bis g der
Urteilsgründe hat er hingegen von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Insoweit beruhen die Feststellungen des [X.]s auf einer umfangreichen Beweisaufnahme und -würdigung, insbesondere zu den Versendungen, [X.] und dem Inhalt der verfahrensgegenständlichen Pakete, von denen allerdings keines durch die Ermittlungsbehörden aufgefunden werden konnte, sowie zur Einbindung des J.

in das Geschehen, der mit dem Ange-klagten persönlich bekannt gewesen sei.
II.
1.
Die erhobenen Verfahrensrügen sind aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwaltes unzulässig.
2.
Die Beweiswürdigung des [X.]s hält hinsichtlich der Fälle
II.1. der Urteilsgründe einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a)
Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters. Ihm obliegt es, sich aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden

261 StPO). Die Beweiswürdigung unter-liegt dabei lediglich einer eingeschränkten Überprüfung, denn das [X.] prüft lediglich, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern (§
337 StPO) behaftet ist. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung insbeson-dere dann, wenn sie Lücken, Widersprüche oder Unklarheiten aufweist oder mit 7
8
9
10
-
6
-
den Denkgesetzen oder gesicherten [X.] nicht in Einklang steht (st. Rspr.; vgl. dazu [X.], Urteile vom 13.
Juli 2016

1
StR
94/16, [X.] 2016 Nr. 10, 16; vom 5.
Dezember 2013

4
StR
371/13, [X.], 87; vom 24.
März 2015

5
StR 521/14, [X.], 178
und
vom 6.
August 2015

3
StR
226/15, jeweils mwN) oder sich so weit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine
Vermu-tung erweisen (st. Rspr.; [X.],
Beschluss vom 16.
Februar 2016

1
StR
525/15, [X.], 222; Urteil vom 21.
März 2013

3
StR
247/12, [X.]St 58, 212, jeweils mwN). Die tatrichterliche Beweiswürdigung muss auf einer nachvollziehbaren und tragfähigen Grundlage beruhen (vgl. dazu auch Senats-urteile vom 30.
März 2004

1
StR
354/03, [X.], 238; vom 1.
Juli 2008

1
StR
654/07
und vom 13.
Juli 2016

1
StR
94/16, [X.] 2016 Nr. 10, 16; jeweils mwN).
b)
Die Beweiswürdigung erweist sich in diesem
Sinne als lückenhaft. Denn das [X.] hat die im vorliegenden Fall in Frage kommende Mög-lichkeit nicht erörtert, dass nicht der Angeklagte, sondern ein oder mehrere un-bekannte Dritte in das Vorhaben des J.

eingeweiht waren und für [X.] die verfahrensgegenständlichen Pakete entgegennahmen.
In Anbetracht des Umstandes, dass vier Pakete an unterschiedliche Per-sonen ausgehändigt wurden, die sich den [X.] gegenüber jeweils

des Paketes ausgegeben ha-ben und bei denen es sich nach den vom [X.] als glaubhaft bewerteten
Bekundungen der Zeugen T.

und Kn.

nicht nachweislich um den Ange-klagten gehandelt habe
(Fälle
II.1.b, d bis f der Urteilsgründe), musste sich dem [X.] die Beteiligung eines oder mehrerer unbekannter Dritter an dem die Fälle
II.1. der Urteilsgründe betreffenden Tatgeschehen aufdrängen. Dies gilt 11
12
-
7
-
hier umso mehr, als nach Angaben des Zeugen T.

die drei Männer, die .

der Angeklagte ausgesehen haben. Die fehlende Erörterung dieses

unter den gegebenen Umständen

konkret in Frage kommenden Geschehensablaufs im Rahmen der Beweiswürdigung erweist sich als lücken-
und infolgedessen rechtsfehlerhaft (dazu [X.], Urteil vom 24.
Oktober 2001

3
StR
237/01, [X.], 139 mwN).
c)
Des Weiteren werden die Feststellungen des [X.]s, dass der Angeklagte in das Vorhaben des J.

eingeweiht und mit der [X.] und der Adresse einverstanden war, vorliegend nicht von der Beweiswürdigung des [X.]s getragen.
Das [X.] hat diese Feststellungen ganz wesentlich auf den [X.] gestützt, dass sich der Angeklagte und J.

persönlich gekannt hätten. Der von dem [X.] gezogene Schluss einer persönlichen [X.] erweist sich allerdings als bloße Vermutung und entbehrt einer trag-fähigen Grundlage. Das [X.] konnte weder einen konkreten persönli-chen Kontakt zwischen dem Angeklagten und J.

feststellen noch, .

b-gespeicherte Mobilfunknummer von dem Angeklagten tatsächlich genutzt wur-de.
d)
Darüber hinaus sind die Feststellungen zur zumindest kurzfristigen tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit bzw. faktischen Verfügungsmacht des Angeklagten über die von den Zeugen G.

und S.

entgegengenom-menen Pakete in den Fällen
II.1.a, c und g der Urteilsgründe, die es ihm ermög-licht habe, die
Pakete jeweils an J.

auszuhändigen, durch das [X.] nicht tragfähig belegt.
13
14
15
-
8
-
aa)
Das [X.] hat insoweit ausgeführt, es bestehe ein Indiz dafür, dass Mitarbeiter eines Betriebes, die eine an einen anderen Betriebsangehö-rigen adressierte Postsendung in Empfang nehmen, diese entweder an den Adressaten aushändigen oder zumindest so ablegen, dass dieser die Postsen-dung tatsächlich erhält. Dies gelte selbst dann, wenn die Zeugen G.

und S.

die Pakete zuvor geöffnet haben sollten, weil die Betäubungsmittel in nicht verfahrensgegenständlichen vergleichbaren Fällen in blick-
und luftdicht verschlossenen Beuteln verpackt gewesen seien. Auch bestünden keine [X.] dafür, dass die Zeugen die Pakete dem Angeklagten vorenthalten haben könnten oder diese von [X.] entwendet worden seien, bevor sie der Angeklagte erlangt habe.
bb)
Diesbezüglich hat das [X.] allerdings nicht in den Blick ge-nommen, dass die Zeugen G.

und S.

gerade nicht bekundet haben, dass sie die verfahrensgegenständlichen Pakete an den Angeklagten ausge-händigt oder zumindest so abgelegt haben, dass dieser die Pakete erhalten hat. Vielmehr hatten sie ausweislich der schriftlichen Urteilsgründe keine konkrete Erinnerung an die maßgeblichen [X.]. Die insoweit gezogenen Schlussfolgerungen des [X.]s erweisen sich als bloße Vermutungen, denn sie zeigen lediglich einen möglichen Geschehensablauf auf, der in [X.] der konkreten Umstände ebenso gut auch anders abgelaufen sein kann. Gleiches gilt für die Würdigung des [X.]s, dass keine Anhaltspunkte für eine Entwendung der Pakete durch Dritte bestünden. Denn den schriftlichen Urteilsgründen lässt sich entnehmen, dass Pakete zum Teil vor dem Gebäude der Firma E.

abgelegt wurden (UA S.
24 und 26) und
dass
auf dem nicht [X.] Betriebsgelände eine weitere Firma betrieben wird. Bei [X.] waren diese Pakete zumindest zeitweilig dem ungehinderten Zugriff h-16
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-
9
-

26) bestanden habe, erscheint dann nicht als tragfähig.
Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
3.
Infolge der Aufhebung der Schuldsprüche
in den Fällen
II.1.a bis g der Urteilsgründe entfällt zugleich die Grundlage für diese [X.] und die Gesamtstrafe, die mit den zugehörigen Feststellungen gleichfalls auf-zuheben war.
4.
Da die Revision hinsichtlich des Falles
II.2. der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufdeckt, war das Rechtsmittel in-soweit gemäß §
349 Abs.
2 StPO als unbegründet zu verwerfen.
Raum
Graf
Jäger

Bellay
Cirener
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Meta

1 StR 432/16

04.04.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.04.2017, Az. 1 StR 432/16 (REWIS RS 2017, 12945)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12945

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