Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.02.2016, Az. 1 StR 344/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 16651

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:040216B1STR344.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 344/15

vom
4. Februar
2016
in der Strafsache
gegen

wegen
Mordes u.a.

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2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 4. Februar
2016
gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. Oktober 2014
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in acht
tateinheitlichen
Fällen und in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei schul-dig ist, sowie
b) im Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkam-mer des [X.]s zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in acht
tateinheitlichen
Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die weiteren Mitangeklagten hat es jeweils wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in acht tateinheitlichen Fällen und in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlä-gerei zu langjährigen
Freiheitsstrafen verurteilt.
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Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revi-sion des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (§
349 Abs. 4
StPO). Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs.
2
StPO).
I.
Nach den Feststellungen des [X.]s war der Angeklagte Mitglied
elf
Angehörige der gegnerischen Gruppierum-stellt, um sie ohne Vorwarnung in Überzahl plötzlich und brutal anzugreifen und erheblich zu verletzen. Nachdem der neben dem Angeklagten stehende A.

den Anführer der gegnerischen Gruppierung mit
dem Messer angegrif-fen und ihm zwei Stiche in den Bauch versetzt hatte, begann explosionsartig

der Angriff. Der Angeklagte, der den Einsatz des Messers gesehen hatte, blieb bis zum Ende des [X.] bei den Angreifern. Konkrete Angriffs-handlungen
des Angeklagten konnten nicht festgestellt werden. Der Angeklagte erlitt jedoch im Zuge seiner Verwicklung in Kampfhandlungen selbst eine Stich-verletzung.
Ein weitergehender [X.] der Angreifer, der das Mitführen von Waffen oder gefährlichen Werkzeugen umfasste und sich darauf erstreckte, mit diesen die Gegner lebensgefährlich zu verletzen oder zu töten, konnte nicht festgestellt werden. Jedem Angreifer war aber bewusst, dass es bei den Angegriffenen auch zu tödlichen Verletzungen kommen könnte.
Tatsächlich wurde im Rahmen des [X.] ein Mitglied der Black Jackets

durch Stiche mit einem Messer getötet. Wer das Messer auf diese Weise eingesetzt hatte, der genaue Zeitpunkt im Kampfgeschehen, die 2
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zeitliche Abfolge und die sonstigen Umstände der Messerstiche konnten nicht aufgeklärt werden. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, ob der Angreifer, der die tödlichen Messerstiche gesetzt hatte, zuvor den Messerangriff des [X.] beobachtet hatte.
Die Strafkammer hat in der rechtlichen Würdigung ausgeführt, der Ange-klagte müsse sich die tödlichen Messerstiche als Mittäter zurechnen lassen. Er sei bei dem Aufspüren der Black Jackets

und deren Herausholen aus der Bar an vorderster Stelle und Sprecher gewesen und habe den Handlungsablauf federführend gestaltet. Er habe ein erhebliches Interesse an der Konfrontation gehabt. Ihm sei bewusst gewesen, dass A.

das Messer im Laufe der Ausei-nandersetzung möglicherweise erneut in lebensgefährlicher Weise einsetzen würde und dass auch weitere Tatgenossen bewaffnet sein oder ansonsten von tödlicher Gewalt Gebrauch machen könnten. Trotz dieser Erkenntnis habe er bewusst und willentlich an den weiteren Kampfhandlungen teilgenommen, hier-durch mögliche tödliche Folgen auf Seiten des Gegners billigend in Kauf ge-nommen und dies durch seine Mitwirkung auch unterstützt.
II.
Der zu der [X.] Verurteilung wegen gefährlicher Körperver-letzung in acht tateinheitlichen Fällen tateinheitlich hinzutretende Schuldspruch wegen Mordes hat keinen Bestand.
1. [X.] können dem Angeklagten auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht als Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden.
Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche [X.] verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in 6
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die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen [X.] erscheint. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Betei-ligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], [X.] vom 29. September 2015

3 [X.], [X.], 6
f.
und
vom 2. Juli 2008

1 [X.], [X.], 25, 26; Urteil vom
17. Oktober 2002 -
3 [X.], [X.], 253, 254).
Voraussetzung für die Zurechnung späteren fremden Handelns als eigenes
mittäterschaftliches
Tun ist ein zumin-dest konkludentes Einvernehmen der Mittäter.
An dieser Zurechnungsgrundlage fehlt es. Die Tathandlung des Ange-klagten wurde nach den Feststellungen nicht von einem gemeinsamen [X.] hinsichtlich des Mitführens von Waffen und der Tötung eines Gegners getra-gen. Sie ist auch
nicht Teil einer späteren konkludenten Erweiterung des Tat-plans durch
bewusstes
und gewolltes
Zusammenwirken
des Angeklagten mit dem für die tödlichen Stiche verantwortlichen Angreifer.
Der vor Beginn des [X.] gefasste gemeinsame [X.] sah keine Bewaffnung und keine Tötung der Gegner vor. Für den Angeklagten, der den Einsatz des Messers durch A.

beobachtet, ist dessen Handeln ein Exzess. Feststellungen über eine Erweiterung des [X.]s unter Einbindung des die tödlichen Stiche setzenden Angreifers sind nicht getroffen worden. Eine mögliche einseitige Zustimmung des Angeklagten zur todbringenden Verwen-dung mitgeführter Messer durch andere Angreifer würde ohnehin nicht genü-gen. Ein zumindest konkludentes wechselseitiges Einvernehmen hätte [X.] vorausgesetzt, dass der die Tat unmittelbar Ausführende die
das Kampfgeschehen eröffnende Messerattacke
und eine
hierauf bezogene Billi-gung durch den Angeklagten
überhaupt wahrgenommen hat. Dies alles ist
nicht festgestellt.
Damit entbehrt
der Schluss des [X.]s, auch der tödliche 10
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Messerstich sei aufgrund einer konkludenten Erweiterung des ursprünglichen [X.]s dem Angeklagten zuzurechnen, einer tragfähigen Grundlage.
2. Eine Verurteilung wegen Beihilfe scheidet nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ebenfalls aus.
Als Gehilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. [X.] Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen [X.] und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert
oder fördert (st. Rspr.; [X.], Beschluss vom 9. Juli 2015

2 [X.], [X.], 343, 344; Urteil vom 16. Januar 2008

2 [X.], [X.], 284 mwN). Dies belegen die Feststellungen nicht.
Auch eine psychische Beihilfe scheidet aus. Die bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat reicht selbst bei deren Billigung dazu nicht aus (vgl. dazu [X.], Urteil vom 24. Oktober 2001

3 [X.], [X.], 139, 140 mwN). Die Hilfeleistung im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB kann zwar auch in der Billigung der Tat bestehen, wenn sie gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht und dieser dadurch in seinem [X.] bestärkt wird und der Gehilfe sich dessen bewusst ist. Das hätte vorausgesetzt, dass der die Tat un-mittelbar Ausführende den Angeklagten und dessen Billigung eines Tötungsde-likts wahrgenommen hat und dadurch in seinem [X.] bestärkt oder ihm zumindest ein erhöhtes Sicherheitsgefühl vermittelt wurde.
Beides ist indes nicht festgestellt. Nach der umfassenden und besonders sorgfältigen Beweis-würdigung ist auszuschließen, dass das [X.] noch weitere [X.] treffen könnte.
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3. Der Angeklagte war nach der [X.] Wertung der [X.] Mittäter der begangenen gefährlichen Körperverletzung in acht tatein-heitlichen Fällen.
Die [X.] Feststellungen tragen auch einen Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB), der nach dem Wegfall der Verurteilung wegen Mordes nicht mehr zurücktritt.
Die tödlichen Messerstiche wurden durch die vorsätzlich begangene, gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung verursacht. Nach den [X.] erfolgten sie im Rahmen des [X.], das durch einen plötz-lichen Angriff der äußerst aggressiv gestimmten und sich in Überzahl befinden-den Angreifer eröffnet worden war, nachdem sie ihre Gegner umzingelt hatten. Darin war die spezifische Gefahr einer Eskalation mit tödlichem Ausgang ange-legt. Der hinsichtlich der qualifizierenden Tatfolge erforderlichen Vorhersehbar-keit steht dabei nicht entgegen, dass der Angeklagte vor dem Beginn des [X.] nichts von dem Mitführen eines Messers gewusst hatte. Denn es reicht für die Erfüllung der subjektiven Fahrlässigkeitskomponente aus, wenn der Täter die Möglichkeit des [X.] im Ergebnis hätte vo-raussehen können. Einer Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs bedarf es nicht ([X.], Urteil vom 10. Juni 2009

2 [X.], [X.], 309, 310).
Der Angeklagte hat sich darüber hinaus auch wegen Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
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4. Der Senat konnte den Schuldspruch entsprechend ändern (§ 354 Abs.
1 StPO). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können. Die Schuldspruch-änderung führt zur Aufhebung des Strafausspruchs.
Raum Radtke

Mosbacher

Fischer Bär
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Meta

1 StR 344/15

04.02.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.02.2016, Az. 1 StR 344/15 (REWIS RS 2016, 16651)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16651

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 StR 344/15

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2 StR 58/15

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