Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.01.2017, Az. II R 3/14

2. Senat | REWIS RS 2017, 17192

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Gegenstand

Zurückweisung einer im EU-Ausland niedergelassenen Steuerberatungsgesellschaft wegen geschäftsmäßiger Hilfe in Steuersachen für inländische Steuerpflichtige


Leitsatz

1. NV: Für die Anwendung der unionsrechtlichen Vorschriften über das Niederlassungsrecht auf eine steuerberatende Tätigkeit in Deutschland muss der Dienstleister dort über eine ständige Präsenz (Geschäftsräume) verfügen.

2. NV: Eine ausländische Steuerberatungsgesellschaft, die nicht über einen den Anforderungen der §§ 51 ff. DVStB entsprechenden Schutz in Bezug auf die Berufshaftpflicht verfügt, kann die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen in Deutschland nicht auf die Dienstleistungsfreiheit stützen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 2. Dezember 2013  9 K 2644/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Kapitalgesellschaft [X.] Rechts mit einer Niederlassung in den [X.]. Sie ist in der [X.] ([X.]) nicht gemäß § 32 Abs. 3, § 49 des [X.]) als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt.

2

Die Klägerin vertritt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) u.a. die in [X.] ansässige O. Das [X.] wies in dem gegen die Anordnung einer Außenprüfung gerichteten Einspruchsverfahren der O die Klägerin mit Bescheid vom 22. April 2010 gemäß § 80 Abs. 5 der Abgabenordnung in der bis einschließlich 2016 geltenden Fassung ([X.]) als Bevollmächtigte der O zurück. Der Einspruch der Klägerin gegen den Bescheid blieb erfolglos.

3

Nachdem der [X.] ([X.]) mit dem gegenüber der Klägerin ergangenen Urteil vom 21. Juli 2011 II R 6/10 ([X.]E 234, 474, [X.], 906) entschieden hatte, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] registrierte Steuerberatungsgesellschaft weder nach § 3a [X.] noch aufgrund der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] --[X.]--) zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen i.S. des § 80 Abs. 5 [X.] befugt ist, wenn sie nicht über eine Berufshaftpflichtversicherung oder einen anderen individuellen oder kollektiven Schutz in Bezug auf die Berufshaftpflicht verfügt, schloss die Klägerin mit Wirkung ab 1. Oktober 2011 eine entsprechende Haftpflichtversicherung ab.

4

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage mit der Begründung ab, die Befugnis der Klägerin zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen ergebe sich weder aus § 3a [X.] noch aus der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 [X.]). Die Klägerin falle unter die Vorschriften des Kapitels über das Niederlassungsrecht (Art. 49 ff. [X.]), da sie in [X.] nicht nur vorübergehend tätig sei, sondern ihre Leistungen in stabiler und kontinuierlicher Weise erbringe. Das Urteil des [X.] ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2014, 812 veröffentlicht.

5

Mit der Revision rügt die Klägerin insbesondere eine Verletzung von Art. 56 [X.]. Sie könne sich auf die Dienstleistungsfreiheit berufen, obwohl sie bei Ergehen des Bescheids vom 22. April 2010 noch nicht über eine Berufshaftpflichtversicherung verfügt habe.

6

Der Senat setzte mit Beschluss vom 16. September 2014 das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) über das ebenfalls die Klägerin betreffende Vorabentscheidungsersuchen des [X.] vom 20. Mai 2014 II R 44/12 ([X.]E 246, 278, [X.], 907) aus. Der [X.] hat darüber inzwischen mit Urteil [X.] vom 17. Dezember 2015 [X.]/14 ([X.]:[X.]) entschieden.

7

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2010 und den Bescheid vom 22. April 2010 aufzuheben.

8

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

9

Das [X.], das dem Revisionsverfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) beigetreten ist, beantragt ebenfalls, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2, 4 [X.]O). Das [X.] hat den Bescheid vom 22. April 2010 im Ergebnis zutreffend als rechtmäßig angesehen.

1. Entgegen der Auffassung des [X.] reicht es für die Anwendung der unionsrechtlichen Vorschriften über das Niederlassungsrecht auf eine steuerberatende Tätigkeit in [X.] nicht aus, dass ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiger Dienstleister in stabiler und kontinuierlicher Weise eine Berufstätigkeit in [X.] ausübt. Vielmehr muss der Dienstleister in [X.] auch über eine ständige Präsenz (Geschäftsräume) verfügen (BFH-Urteil vom 19. Oktober 2016 II R 44/12, [X.], 367, Rz 40 bis 43). Dass dies im Streitfall zutreffe, hat das [X.] nicht festgestellt.

2. Dies führt indes nicht zur Aufhebung der Vorentscheidung; denn diese stellt sich aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 [X.]O). Das [X.] hat die Klägerin im Ergebnis zu Recht gemäß § 80 Abs. [X.] als Bevollmächtigte zurückgewiesen, weil sie bei Ergehen des Bescheids vom 22. April 2010 nicht über die erforderliche Berufshaftpflichtversicherung oder einen anderen individuellen oder kollektiven Schutz in Bezug auf die Berufshaftpflicht verfügte.

a) §§ 51 ff. der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften ([X.]) gelten aufgrund des mit diesen Vorschriften verfolgten [X.] auch für ausländische Steuerberatungsgesellschaften, die nach den Vorschriften des StBerG (§ 2 Satz 1, § 3 Nr. 3, § 3a, § 32 Abs. 3, §§ 49 ff.) nicht zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen i.S. des § 80 Abs. [X.] befugt sind und diese Befugnis daher unmittelbar aus der Dienstleistungsfreiheit ableiten wollen. Verfügt eine solche Gesellschaft nicht über einen den Anforderungen der §§ 51 ff. [X.] entsprechenden Schutz in Bezug auf die Berufshaftpflicht, kann sie die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen auch nicht auf die Dienstleistungsfreiheit stützen (BFH-Urteile in [X.], 474, [X.], 906, und in [X.], 367, Rz 62 f., 68). Darin liegt keine unzulässige Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit. Dies ist aufgrund der im BFH-Urteil in [X.], 474, [X.], 906, Rz 28 ff. angeführten Rechtsprechung des [X.] bereits geklärt. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] gemäß Art. 267 AEUV ist somit nicht erforderlich.

b) Die Klägerin war danach bei Ergehen des Bescheids vom 22. April 2010 nicht zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen i.S. des § 80 Abs. [X.] befugt, weil sie seinerzeit nicht über den erforderlichen Schutz in Bezug auf die Berufshaftpflicht verfügte. Dem erst im Oktober 2011 erfolgten Abschluss einer Haftpflichtversicherung kommt keine auf diesen Zeitpunkt zurückwirkende Bedeutung zu. Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Zurückweisungsbescheids nach § 80 Abs. [X.] sind die Verhältnisse bei dessen Ergehen maßgebend (vgl. BFH-Urteil in [X.], 367, Rz 12, 27, 44, 47 f., 67).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 3/14

18.01.2017

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 2. Dezember 2013, Az: 9 K 2644/10, Urteil

§ 80 Abs 5 AO, Art 49ff AEUV, Art 56 AEUV, §§ 51ff StBDV, Art 49 AEUV, Art 51 StBDV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.01.2017, Az. II R 3/14 (REWIS RS 2017, 17192)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17192

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