Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.01.2022, Az. 4 StR 389/21

4. Strafsenat | REWIS RS 2022, 9896

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Gegenstand

Gesamtstrafenbildung: Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot durch strafschärfende Berücksichtigung von Beleidigungen mit "sexuellem Bezug"


Tenor

1. Das Verfahren wird im Fall II.2. der Urteilsgründe eingestellt. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten hat insoweit die Staatskasse zu tragen.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 1. Juli 2021 wie folgt geändert:

a) im Schuldspruch dahin, dass die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Beleidigung im Fall [X.] der Urteilsgründe und wegen tateinheitlich begangener Bedrohung im Fall II.28. der Urteilsgründe entfällt;

b) im Strafausspruch dahin, dass der Angeklagte in den Fällen II.13., [X.], [X.] und [X.] der Urteilsgründe jeweils zu einer Einzelstrafe von einem Monat Freiheitsstrafe verurteilt wird.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

4. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

2

1. Im Fall II.2. der Urteilsgründe, in dem das [X.] den Angeklagten wegen Beleidigung zu einer [X.] von drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt hat, war das Verfahren gemäß § 206a StPO einzustellen, weil es insoweit an dem gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlichen Strafantrag des Verletzten fehlt. Dessen Strafantrag vom 13. August 2019, auf den sich die insoweit zugrundeliegende Anklageschrift bezieht, betrifft nicht die im Fall II.2. abgeurteilte Tat vom 18. Mai 2019, sondern eine – hier nicht verfahrensgegenständliche – andere Tat vom 11. Juli 2019. Ein weiterer Strafantrag des Verletzten ist in den Verfahrensakten nicht enthalten.

3

2. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

4

a) Der Schuldspruch hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht vollständig stand.

5

aa) Die tateinheitliche Verurteilung wegen Beleidigung im Fall [X.] der Urteilsgründe hat keinen Bestand. Es fehlt auch in diesem Fall an einem Strafantrag der Verletzten. Der [X.] berichtigt den Schuldspruch deshalb entsprechend § 354 Abs. 1 StPO dahin, dass die tateinheitliche Beleidigung entfällt und der Angeklagte in diesem Fall allein wegen Bedrohung verurteilt ist. Die verhängte [X.] von sechs Monaten Freiheitsstrafe bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt. Der [X.] kann ausschließen, dass das [X.] eine geringere Strafe verhängt hätte, wenn es das Fehlen des Strafantrags nicht verkannt hätte, denn auch Taten, deren Verfolgung ein Verfahrenshindernis entgegensteht, können strafschärfend berücksichtigt werden ([X.], Beschluss vom 23. August 2016 – 2 [X.] mwN). Die Strafzumessung des [X.]s im Fall [X.] begegnet auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken.

6

Soweit der [X.] der vom [X.] beantragten Herabsetzung der [X.] nicht folgt, steht dies einer Entscheidung nach § 349 Abs. 2 StPO nicht entgegen, da der Antrag nicht auf die Aufhebung des Strafausspruchs (Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten) gerichtet ist und die Revision insoweit auch nach der Auffassung des [X.]s im Ergebnis keinen Erfolg hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. Oktober 2021 – 4 [X.], juris Rn. 12; vom 23. Mai 2017 – 4 [X.], [X.], 246, 247; vom 23. Juli 2015 – 1 StR 279/15).

7

bb) Auch die Verurteilung wegen tateinheitlicher Bedrohung im Fall II.28. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das [X.] hat den Angeklagten insoweit wegen Diebstahls mit Waffen in Tateinheit mit Bedrohung und mit versuchter Nötigung zu einer [X.] von einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Dabei hat es übersehen, dass der Tatbestand der Bedrohung (§ 241 StGB) nach der Rechtsprechung des [X.] auch hinter einer nur versuchten Nötigung zurücktritt ([X.], Beschluss vom 8. April 2014 – 1 [X.], [X.], 208, 209 mwN). Der [X.] berichtigt den Schuldspruch auch insoweit entsprechend § 354 Abs. 1 StPO.

8

Dass das [X.] den Angeklagten nur wegen Versuchs verurteilt hat, obwohl sich aus den Feststellungen eine vollendete Nötigung (mittels Gewalt) ergibt, beschwert ihn nicht.

9

Die im Fall II.28. der Urteilsgründe verhängte [X.] bleibt von der Berichtigung des Schuldspruchs unberührt. Der [X.] schließt aus, dass das [X.] bei zutreffender Bewertung des [X.], die den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht verändert (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Dezember 2011 – 4 StR 514/11, juris Rn. 5 mwN), auf eine geringere [X.] erkannt hätte.

b) Die in den Fällen [X.], [X.], [X.] und [X.] der Urteilsgründe verhängten [X.]n können nicht bestehen bleiben, weil das [X.] bei deren Bemessung gegen § 46 Abs. 3 StGB verstoßen hat. Die [X.] hat den Angeklagten jeweils zu Recht wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB verurteilt, weil er die Ehre der Geschädigten durch grob sexualbezogene Äußerungen verletzt hat (vgl. [X.], Urteil vom 15. März 1989 – 2 [X.], [X.]St 36, 145, 150). Bei dieser Sachlage durfte sie ihm aber bei der Strafzumessung nicht mehr gesondert zur Last legen, dass die Beleidigungen einen „sexuellen Bezug“ hatten. Ein generell höherer Unwert von Ehrverletzungen mit sexuellem Bezug gegenüber sonstigen Beleidigungen kann nicht angenommen werden.

Der [X.] vermag in den Fällen [X.], [X.], [X.] und [X.], anders als im Fall [X.] der Urteilsgründe, in dem der Angeklagte außer wegen Beleidigung auch wegen einer tateinheitlich begangenen Bedrohung verurteilt ist, nicht auszuschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht. Um jede Beschwer des Angeklagten und eine weitere Verzögerung des Verfahrens zu vermeiden, setzt der [X.] entsprechend § 354 Abs. 1 StPO die [X.]n in den Fällen [X.], [X.], [X.] und [X.] der Urteilsgründe unter Beachtung des vom [X.] herangezogenen § 47 StGB jeweils auf die gesetzliche Mindeststrafe von einem Monat fest.

Die vom [X.] für die Fälle II.1. bis [X.] der Urteilsgründe gegen den Angeklagten verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe bleibt von dem Entfallen der [X.] im Fall II.2. und der Herabsetzung der [X.] in den Fällen [X.], [X.], [X.] und [X.] der Urteilsgründe unberührt. Der [X.] schließt ausgehend von der rechtsfehlerfrei gebildeten Einsatzstrafe von zehn Monaten Freiheitsstrafe und den verbleibenden [X.]n von einmal acht Monaten, einmal sechs Monaten, fünfmal vier Monaten, fünfmal drei Monaten, einmal zwei Monaten und achtmal einem Monat Freiheitsstrafe aus, dass das [X.] ohne die [X.] im Fall II.2. der Urteilsgründe und bei Zugrundelegung der niedrigeren [X.]n in den übrigen Fällen auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe als geschehen erkannt hätte.

3. Weitere durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] nicht ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

4. [X.] folgt hinsichtlich der teilweisen Einstellung des Verfahrens aus § 467 Abs. 1 StPO. Im Übrigen ist es angesichts des nur geringfügigen Erfolgs der Revision nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

[X.]     

        

Ri[X.] Bender ist wegen Urlaubs
an der Unterschriftsleistung gehindert.

        

Bartel

                 

[X.]

                 
        

Maatsch     

        

     Scheuß    

        

Meta

4 StR 389/21

12.01.2022

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Münster, 1. Juli 2021, Az: 9 KLs 5/21

§ 46 Abs 3 StGB, § 185 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.01.2022, Az. 4 StR 389/21 (REWIS RS 2022, 9896)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9896

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