Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.10.2014, Az. 30 W (pat) 14/14

30. Senat | REWIS RS 2014, 2314

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Dorovit (Wort-Bild-Marke)/Korovit" – zur Erhebung der Einrede mangelnder Benutzung – zur Kennzeichnungskraft - Warenidentität bzw. -ähnlichkeit - klangliche Verwechslungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2011 056 638

hat der 30. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 9. Oktober 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker und der Richterinnen Winter und Uhlmann

beschlossen:

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I.    

2

[X.]ie am 14. Oktober 2011 angemeldete Wort-/Bildmarke (farbig anthrazit, silber)

Abbildung

3

ist am 8. November 2011 unter der Nummer 30 2011 056 638 für Waren und [X.]ienstleistungen der [X.]lassen 5 und 35 in das beim [X.] geführte Register eingetragen worden; die Veröffentlichung erfolgte am 9. [X.]ezember 2011. [X.]as [X.] in der [X.]lasse 5 lautet nach [X.] und Teillöschung

4

„[X.] und Zink enthaltende mineralische Nahrungsergänzungsmittel“.

5

[X.] Widerspruch erhoben worden.

6

[X.]as [X.] der Widerspruchsmarke lautet:

7

„Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für [X.]inder und [X.]ranke; Pflaster, Verbandstoffe, [X.]esinfektionsmittel“.

8

[X.]er zunächst unbeschränkt erhobene Widerspruch ist im Verlauf des Verfahrens nur hinsichtlich der oben genannten Waren der [X.]lasse 5 aufrechterhalten worden.

9

[X.]ie Markenstelle für [X.]lasse 5 des [X.]s hat mit zwei Beschlüssen, einer davon im Erinnerungsverfahren ergangen, eine [X.] bejaht und für die oben genannten Waren die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Begründend ist ausgeführt: Im Umfang der Teillöschung bestehe angesichts ähnlicher Waren und einer normalen [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zumindest die Gefahr klanglicher Verwechslungen. Zwar sei der Unterschied der zu vergleichenden Marken durch die grafische Gestaltung und die weiteren Wortbestandteile der angegriffenen Marke in schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht deutlich. Im klanglichen Vergleich der Marken sei aber davon auszugehen, dass das Publikum das Wort als schnellste und einfachste Form der Bezeichnung der Wort-/Bildmarke wähle. [X.]a es sich bei den Wortbestandteilen „[X.]“, „Für das Natürlichste der Welt“ und „4 [X.]apseln“ um rein beschreibende Angaben handele, die abgesetzt vom Wortbestandteil „[X.]ovit“ und in deutlich kleinerer Schrift gestaltet seien, träten sie für das Publikum hinter dem allein kennzeichnungskräftigen Bestandteil „[X.]ovit“ zurück, so dass sie bei der mündlichen Benennung für den Gesamteindruck vernachlässigt werden könnten. [X.]langlich stünden sich damit „[X.]ovit“ und „[X.]“ gegenüber. Bei Übereinstimmung in [X.] und [X.] werde durch die einzige Abweichung im Anfangsbuchstaben „[X.]“ anstelle „[X.]“ der erforderliche deutliche Abstand zur Widerspruchsmarke nicht eingehalten. [X.]ieser Unterschied in den [X.]n sei nicht ausreichend. [X.]ie [X.]-Entscheidung [X.] könne nicht herangezogen werden, da es sich dort um ausgesprochene [X.]urzmarken gehandelt habe. In der Gesamtbetrachtung sei im Umfang der Teillöschung [X.] gegeben.

[X.]ie Inhaberin der angegriffenen Marke hat Beschwerde eingelegt. Sie hält mit näheren Ausführungen eine [X.] nicht für gegeben. Sie meint, dass ihre Marke durch die mittig gesetzten und durch einen hellgrauen Balken hervorgehobenen Wörter „[X.]“ mitgeprägt werde. Aber auch „[X.]ovit“ und „[X.]“ würden sich klanglich angesichts der Abweichung am stärker beachteten Wortanfang deutlich unterscheiden. [X.]a die Endung „-vit“ ungeeignet sei, eine [X.] zu begründen, würden sich auch die Wortbestandteile „[X.]o“ und „[X.]oro“ erheblich unterscheiden. Weiter meint sie, dass der Widerspruchsmarke, die sich aus „koronar“ und „vital“ ableite und sich damit an beschreibende Begriffe anlehne, nur eine eingeschränkte [X.]ennzeichnungskraft zukomme. Es sei nicht erkennbar, dass das Publikum glauben könnte, dass die Waren aus demselben Unternehmen stammen könnten. [X.]ie Verpackungen und die Produkte seien völlig unterschiedlich gestaltet. Im Hinblick auf die Nichtnutzung der Widerspruchsmarke als Nahrungsergänzungsmittel handele es sich wegen unterschiedlicher Wirkstoffe um zwei völlig verschiedene Waren mit ganz unterschiedlichen Anwendungsgebieten und Zielgruppen. [X.]ie [X.]apseln würden zudem unterschiedlich eingenommen. Im Erinnerungsverfahren hat sie darauf verwiesen, dass die [X.] bereits angeführt worden sei mit den Anmerkungen, dass eine [X.] auszuschließen sei; es werde der Einwand der Nichtbenutzung der Marke „[X.]“ als Nahrungsergänzungsmittel erhoben. „[X.]“ sei ein Medikament gegen [X.]reislaufbeschwerden, das lediglich auf Rezept erhältlich sei. Sie hat ferner darauf hingewiesen, dass die Widersprechende sie gebeten habe, die [X.]lasse 5 zu streichen. Sie habe in dieser [X.]lasse eine Teillöschung vorgenommen.

[X.]ie Inhaberin der angegriffenen Marke hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt. Sie beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse des [X.]s aufzuheben, soweit darin die teilweise Löschung der Marke 30 2011 056 638 angeordnet worden ist, und den Widerspruch aus der Marke 302 34 516 zurückzuweisen.

[X.]ie Widersprechende beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält [X.] für gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

[X.]ie zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache keinen Erfolg. Zwischen den Vergleichsmarken besteht für das Publikum im Umfang der Teillöschung die Gefahr von Verwechslungen (§ 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.]).

1. [X.]ie Beschwerde ist nicht schon deshalb begründet, weil, worauf die Inhaberin der angegriffenen Marke – wie im Parallelverfahren 30 W (pat) 13/14 – auch hier möglicherweise hinaus will, der Widerspruch als unzulässig anzusehen ist. [X.]er hier vorgetragenen Bitte der Widersprechenden, die [X.]lasse 5 zu streichen, ist die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht nachgekommen, sondern hat einen [X.] ausgesprochen. Jedenfalls ist ein rechtskräftiger Vergleich, der im Widerspruchsverfahren zu berücksichtigen wäre, weder vorgetragen noch vorgelegt worden (vgl. [X.]. 2003, 70 f. - [X.], in Bestätigung von [X.] (pat) 255/97, veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts). Eine Abrede zu einer Streitbeilegung, wie im Parallelverfahren vorgetragen, kann nur im Wege einer Eintragungsbewilligungsklage (§ 44 [X.]) geltend gemacht werden (vgl. Ströbele/[X.], [X.], 10. Aufl., § 42 Rdn. 61).

2. Ob [X.] vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des [X.] unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. B. [X.] [X.], 1098, Nr. 44 – [X.]/[X.]; [X.], 933, Nr. 32 - [X.]; GRUR 2011, 915, Nr. 45 - [X.]; [X.], 1040, Nr. 25 - pjur/pure; [X.], 930, Nr. 22 - [X.]/[X.]; [X.], 64, Nr. 9 - Maalox/[X.]; [X.], 235, Nr. 15 - [X.]/AI[X.]U). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren oder [X.]ienstleistungen. [X.]arüber hinaus ist die [X.]ennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. [X.]abei impliziert der Begriff der [X.] eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr., z. B. [X.], 833, Nr. 30 - Culinaria/[X.]; [X.], 1040, Nr. 25 - pjur/pure; [X.], 930, Nr. 22 - [X.]/[X.]; [X.], 64, Nr. 9 - Maalox/[X.]; [X.], 1103, Nr. 37 - Pralinenform II; [X.] [X.], 343 Nr. 48 - [X.]/[X.]).

Nach diesen Grundsätzen ist zwischen den Vergleichsmarken eine markenrechtlich relevante Gefahr von Verwechslungen zu besorgen.

a) [X.]ie Einrede mangelnder Benutzung nach § 43 Abs. 1 [X.] ist nicht erhoben worden. [X.]er Wille, die Benutzung der Widerspruchsmarke im Rahmen des Benutzungszwangs zu bestreiten, muss eindeutig erklärt werden. [X.]azu zählen nicht allgemeine Ausführungen zur Benutzung der Widerspruchsmarke in ersichtlich anderem Zusammenhang. [X.]er Erklärung der Inhaberin der angegriffenen Marke, dass die Widerspruchsmarke nicht für Nahrungsergänzungsmittel benutzt werde, mangelt es schon deshalb an der erforderlichen Eindeutigkeit, weil die Widerspruchsmarke für diese Waren nicht registriert ist und sie deshalb für diese Waren auch keinem Benutzungszwang unterliegt. [X.]arüber hinaus stehen diese Ausführungen im Zusammenhang mit dem nach Ansicht der Markeninhaberin bestehenden Unterschied zwischen Nahrungsergänzungsmitteln und - wegen Vertrieb eines Medikaments gegen Herz-[X.]reislaufbeschwerden - Arzneimitteln, und sind demzufolge im Zusammenhang mit Fragen zur Warenähnlichkeit bzw. zur [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erfolgt. [X.]iese Ausführungen der Inhaberin der angegriffenen Marke können damit nicht als Erhebung der Einrede der Nichtbenutzung bewertet werden.

b) [X.]ie angegriffene Marke beansprucht - soweit für das Verfahren relevant - Schutz für potentiell identische, jedenfalls aber hochgradig ähnliche Waren.

Eine Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren ist anzunehmen, wenn diese in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit , ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft , ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder [X.] , ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung , ihrer wirtschaftlichen Bedeutung , ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer für die Frage der [X.] wesentlicher Gründe - so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder ggfls. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen , sofern sie - was zu unterstellen ist - mit identischen Marken gekennzeichnet sind, wobei vom größten Schutzumfang der älteren Marke auszugehen ist (vgl. [X.] GRUR 1998, 922, 923 f., Nr. 22 - 29 - [X.]; [X.] [X.], 582 ff., Nr. 85 - [X.]; [X.], 941 ff., Nr. 13 - [X.] [X.]; 2004, 241, 243 - Ge[X.]IOS; GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/[X.]; Ströbele/[X.], a. a. O. , § 9 Rdn. 57 m. w. N. ).

Nach der hier maßgeblichen [X.] können sich nach diesen Grundsätzen in der [X.]lasse 5 potentiell identische Waren gegenüberstehen. Bei den in der [X.]lasse 5 für die angegriffene Marke eingetragenen Waren „[X.] und Zink enthaltende mineralische Nahrungsergänzungsmittel“ geht es im Hinblick auf die Eintragung in der [X.]lasse 5 um Produkte der Gesundheitspflege für medizinische Zwecke, wie sie etwa bei auf Mangelernährung beruhenden krankhaften Zuständen zum Einsatz kommen können; Schwerpunkt ist damit die Heilung oder Linderung krankhafter Zustände; im Register eingetragen sind daher nicht, wie die Markeninhaberin anscheinend meint, den [X.]lassen 29 und 30 zuzuordnende Nahrungsmittel. Zinkmangel zeigt sich in vielen [X.]rankheitsbildern, und [X.] - Mangel kann sich im gesamten [X.]örper negativ auswirken. [X.]ie auf Seiten der Widerspruchsmarke genannten Waren „Pharmazeutische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege“ können nach ihren Oberbegriffen die im [X.] der angegriffenen Marke genannten Waren umfassen. [X.]ie Waren können insbesondere in der äußeren Erscheinung - etwa in Form von [X.]apseln oder Tabletten -, dem Verwendungszweck nach - wie die oben erwähnten auf Mangelernährung beruhenden krankhaften Zustände - sowie bei den verwendeten Inhaltsstoffen erhebliche Übereinstimmungen aufweisen; insbesondere sind auch bei pharmazeutischen Erzeugnissen wie den von der Inhaberin der angegriffenen Marke hervorgehobenen Herz-[X.]reislauf-Präparaten im Anwendungsbereich Überschneidungen mit Nahrungsergänzungsmitteln der [X.]lasse 5 möglich, da nährstoffarme Ernährung mit zu den Ursachen solcher Erkrankungen zählt (vgl. Richter/Stoppel, [X.]ie Ähnlichkeit von Waren und [X.]ienstleistungen, 16. Auflage, [X.]). Entsprechendes gilt hinsichtlich der Waren „diätetische Erzeugnisse für [X.]ranke“, so dass auch hier Überschneidungen im Verwendungszweck möglich sind.

Unter Heranziehung der oben genannten [X.]riterien für die [X.] ist damit von potentieller Identität, zumindest aber von hochgradiger [X.] auszugehen.

c) [X.]ie Widerspruchsmarke [X.] verfügt entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke von Haus aus über eine normale (durchschnittliche) [X.]ennzeichnungskraft (zu den Graden der [X.]ennzeichnungskraft vgl. [X.], 833, Nr. 55 - Culinaria/[X.]). Zwar kommt nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des [X.] Marken, die für die angesprochenen Verkehrskreise erkennbar an einen beschreibenden Begriff angelehnt sind, keine normale, sondern nur eine geringe [X.]ennzeichnungskraft zu ([X.], 833, Nr. 34 - Culinaria/[X.]; [X.], 631, Nr. 59 - [X.]/Marulablu; [X.], 1040, Nr. 29 - pjur/pure; GRUR 2011, 826, Nr. 16 - [X.]/[X.]; [X.], 729, Nr. 27 - [X.]; [X.], 905 - 909, Nr. 15 - [X.]; [X.], 803 Nr. 22 - [X.]). Insoweit weist die Inhaberin der angegriffenen Marke zutreffend darauf hin, dass in „[X.]oro“ eine Verkürzung des Begriffs „koronar“ und damit ein Hinweis auf den Anwendungsbereich „Herzkranzgefäße“ und in „vit“ eine Verkürzung von „Vitamin“ als Inhaltsstoff bzw. von „vital“ als Hinweis auf die Lebenskraft stärkende Wirkung gesehen werden kann. [X.]ies führt aber nicht zur Annahme einer originär geringen (unterdurchschnittlichen) [X.]ennzeichnungskraft. [X.]ie [X.]ennzeichnungskraft zusammengesetzter Zeichen bestimmt sich nach deren Gesamteindruck. [X.]ie Widerspruchsmarke bildet im Gesamteindruck auch in der Zusammenfügung von zwei Verkürzungen von beschreibenden Begriffen ein neues [X.]unstwort, was ihr normale [X.]ennzeichnungskraft zukommen lässt.

d) Bei dieser Ausgangslage hält die angegriffene Marke den zur Vermeidung von Verwechslungen erforderlichen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht ein.

Auszugehen ist von einem aufmerksamen Publikum, das sich zusammensetzt aus Fachkreisen und Endverbrauchern, denn Allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, pflegt der Verkehr eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen (vgl. [X.], 50, 53 - [X.]/[X.]). Soweit bei der Beurteilung der [X.] auf Fachkreise abzustellen ist, ist zu bedenken, dass auch Fachleute nicht dagegen gefeit sind, insbesondere klanglich ähnliche Marken zu verwechseln. Entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke spielt eine Rezeptpflicht auf Seiten der Widerspruchsmarke, die die Gefahr von Begegnungen der Zeichen bei Laien ohne Einschaltung des Fachverkehrs erheblich einschränken würde, keine Rolle; weder ist diese im [X.] verankert, noch ergibt sie sich nach der hier maßgeblichen [X.] aus der Art der Waren, so dass auch nicht auf eine faktische Rezeptpflicht geschlossen werden könnte.

Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (vgl. z. B. [X.], 833, Nr. 45 - Culinaria/[X.]; [X.], 1040, Nr. 25 - pjur/pure; [X.], 930, Nr. 22 - [X.]/[X.]; [X.], 64, Nr. 15 - Maalox/[X.]; [X.], 729 Nr. 23 - [X.]). [X.]abei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen (vgl. [X.]/[X.], a. a. O., § 9 Rdn. 211). [X.]as schließt es indessen nicht aus, dass ein oder mehrere Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein und insoweit eine rechtlich relevante [X.] begründen können. Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile für die angesprochenen Verkehrskreise weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen (vgl. [X.], 64, Nr. 15 - Maalox/[X.]; [X.], 729, Nr. 31 - [X.]; [X.], 1055, Nr. 23 – airdsl), so dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. [X.] GRUR 2007, 700, 702, Nr. 41, 42 - [X.]/Shaker, [X.]. 2010, 129, 132, Nr. 62 - [X.]/[X.]; [X.], 1098, 1099, Nr. 56 - [X.]/[X.]; [X.], 778, 779 – [X.] [X.]IRE[X.]T; [X.], 719, 722, Nr. 37 – idw Informationsdienst Wissenschaft; [X.], 828, 832 – [X.]iSC; [X.]/[X.], a. a. O., § 9 Rdn. 327, 332 m. w. N.).

[X.]ie Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in [X.]lang, ([X.] und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. [X.] [X.], 413, Nr. 19 - [X.]/SIR; GRUR 2005, 1042, Nr. 28 – [X.] LIFE; [X.]. 2004, 843, Nr. 29 - [X.]; BGH [X.], 235, Nr. 15 - [X.]/AI[X.]U; [X.], 484, Nr. 32 - [X.]; [X.], 60, Nr. 17 - coccodrillo; [X.], 779, 781 - Zwilling/[X.]). [X.]abei genügt für die Annahme einer [X.] regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Richtung (st. Rspr. vgl. z. B. BGH [X.], 235, Nr. 18 - [X.]/AI[X.]U m. w. N.; vgl. [X.]/[X.], a. a. O., § 9 Rdn. 224 m. w. N.).

In der Gesamtheit der Vergleichsmarken besteht keine hinreichende Zeichenähnlichkeit in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht. Wegen der nur in der jüngeren Marke enthaltenen weiteren Wortbestandteile „[X.]“, „Für das Natürlichste der Welt“ und „4 [X.]apseln“, die nicht überlesen oder überhört werden können, sowie des unübersehbaren [X.] der jüngeren Marke unterscheiden sich die Zeichen in jeder Hinsicht deutlich.

Beim Zusammentreffen von Wort- und Bildbestandteilen ist in klanglicher Hinsicht allerdings von dem allgemein anerkannten Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr in der Regel dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform die prägende Bedeutung zumisst (vgl. BGH [X.], 484, 487, Nr. 33 - Metrobus; [X.], 258, 260, Nr. 23 – INTERCONNECT/T-InterConnect; [X.], 859, 862, Nr. 30 – Malteserkreuz; [X.]/[X.], a. a. O., § 9 Rdn. 392 m. w. N.). Es bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte für eine Ausnahme von dem Grundsatz „Wort vor Bild“ (vgl. [X.], 778, 779 - [X.] [X.]IRE[X.]T).

[X.]ovit geprägt, denn die weiteren Wortbestandteile „FÜR [X.]EN MANN“, „Für das Natürlichste der Welt“ und „4 [X.]apseln“ sind werblich verbrämte, schutzunfähige [X.], die - auch in der größenmäßig unauffälligen Aufmachung - in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck des Zeichens nicht mitbestimmen. [X.]er Bestandteil [X.]ovit tritt in der angegriffenen Marke demgegenüber schon durch seine größenmäßige Aufmachung deutlich hervor und wird so dem Verkehr durch die grafische Gestaltung als prägender Bestandteil nahegebracht. [X.]as Wort [X.]ovit stellt in seiner Gesamtheit ohne eingehende Analyse, die der Verkehr nicht vornimmt, auch eine phantasievolle Wortbildung dar, die geeignet ist, den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke zu prägen.

[X.]ovit und [X.] gegenüber, besteht unter Berücksichtigung der maßgeblichen Faktoren in klanglicher Hinsicht [X.]. [X.]ie Wörter stimmen in sechs von sieben Buchstaben bei gleicher [X.], Silbengliederung und Betonung überein. Bei derart weitgehenden Übereinstimmungen wirkt sich der Unterschied in den Anfangskonsonanten „[X.]“ gegenüber „[X.]“ im [X.]lang nicht ausreichend differenzierend aus, so dass eine hochgradige klangliche Zeichenähnlichkeit festzustellen ist.

Zwar werden, worauf die Inhaberin der angegriffenen Marke zutreffend hinweist, [X.] im Allgemeinen stärker beachtet als die übrigen Markenteile. [X.]och gilt dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt. Bei weitgehenden Übereinstimmungen im Übrigen kann eine alleinige Abweichung am Wortanfang die [X.] nicht ausschließen (vgl. [X.]/[X.], a. a. O., § 9 Rdn. 236 m. w. N.). Soweit die Markeninhaberin sich für einen ausreichenden Markenabstand auf das Urteil des Europäischen Gerichts vom 23. Mai 2007 betreffend die Marken [X.] bezieht, war beim Markenvergleich entscheidend, dass diese nur aus drei Buchstaben bestanden ([X.] [X.]. 2007, 842), was hier nicht der Fall ist. Bei den weiter von der Inhaberin der angegriffenen Marke genannten Entscheidungen des [X.] ging es schon nicht um Abweichungen in nur einem Buchstaben am Wortanfang (vgl. [X.] [X.]. 2004, 647, - MUN[X.]ICOR/MUN[X.]ICOLOR; [X.]. 2006, 312 - [X.]/[X.]ERBI[X.]).

[X.]ass die jeweiligen Endungen „-vit“ der Markenwörter im Sinn von „Vitamin, vital“ [X.] bzw. schutzunfähig sind, führt nicht dazu, dass sie bei der Prüfung der [X.] von vornherein unberücksichtigt bleiben; der maßgebliche Gesamteindruck kann auch durch solche Elemente mitbestimmt werden und im Zusammenhang mit weiteren Ähnlichkeiten beider Marken als zusätzlicher Grund für die Bejahung der [X.] Bedeutung erlangen (vgl. [X.]/[X.], a. a. O. § 9 Rdn. 180

[X.]ovit und [X.] wegen Schwäche des Wortteils „-vit“ nur durch „[X.]o“ bzw. „[X.]oro“ geprägt würden und damit [X.]urzwörter zum Vergleich stünden, kann dem nicht beigetreten werden.

Zwar können die oben genannten Grundsätze zur Prägung mehrteiliger Marken nach der Rechtsprechung des [X.] auch auf einteilige Zeichen anzuwenden sein (vgl. BGH [X.], 905, Nr. 26 - [X.]; [X.], 729, Nr. 34 - [X.]; [X.], 631, Nr. 33 - [X.]/Marulablu). [X.]ies setzt allerdings voraus, dass der Verkehr aufgrund besonderer Umstände Veranlassung hat, das zu einem Wort zusammengesetzte Zeichen zergliedernd und nicht als einheitliche Bezeichnung aufzufassen (BGH [X.], 729, Nr. 34 - [X.]; [X.], 631, Nr. 33 - [X.]/Marulablu). Bei der Feststellung solcher besonderen Umstände handelt es sich um einen eigenständigen [X.], der der eigentlichen Anwendung des Prägungsgrundsatzes vorgelagert ist und mit dieser nicht vermengt werden darf. [X.]enn es geht bei dieser Prüfung darum festzustellen, ob die Anwendung des für kombinierte Zeichen geltenden Prägungsgrundsatzes trotz der formalen Einteiligkeit eines Zeichens ausnahmsweise in Betracht kommt.

Ein solcher besonderer Umstand wurde z. B. für das Zeichen „[X.]“ (für Arzneimittel) bejaht, weil der Verkehr trotz der Zusammenschreibung die ihm bekannte Firmenbezeichnung „-hexal“ erkennt, kombiniert mit der Produktkennzeichnung „Panto-“ (BGH [X.], 905, Nr. 26, 38 - [X.]). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Andere besondere Umstände zeigt die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht auf und können auch seitens des Senats nicht festgestellt werden. Insbesondere reicht es insoweit nicht aus, dass ein Zeichenteil möglicherweise beschreibender Natur ist, wie es vorliegend für „-vit“ in Betracht kommt. So hat auch der [X.] im Fall des Zeichens „[X.]OHLER[X.]“ (für [X.]üchengeräte) keinen Anlass gesehen, von einer zergliedernden Betrachtungsweise des Verkehrs auszugehen, weil „[X.]OHLER-“ keine im Verkehr bekannte Herstellerkennzeichnung war (BGH [X.], 729, Nr. 35 - [X.]). [X.]ass „-[X.]“ für [X.]üchengeräte deutliche beschreibende Anklänge aufweist, hat insoweit keine Rolle gespielt. Folgerichtig ist auch im Hinblick auf die Marke „VOL[X.]SWAGEN“ noch einmal auf die ausgeprägte [X.]lammerwirkung der einteiligen Zeichenbildung hingewiesen worden. [X.]arüber hinaus hat der [X.] ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der glatt beschreibende Charakter des Zeichenteils „-WAGEN“ es nicht rechtfertigt, von einer Überwindung dieser [X.]lammerwirkung auszugehen ([X.], 1239, Nr. 35 - VOL[X.]SWAGEN/Volks.Inspektion).

[X.]ovit und [X.] ungeachtet ihrer einteiligen Ausbildung als kombinierte Zeichen auffasst. Für eine Vernachlässigung des Wortteils „-vit“ ist daher - anders als für die weiteren in der angegriffenen Marke enthaltenen beschreibenden Zeichenteile - kein Raum. Vielmehr hat es bei einem Gesamtvergleich der Wörter [X.]ovit und [X.] zu bleiben, die sich - wie ausgeführt – nicht hinreichend unterscheiden.

3. In der Gesamtabwägung führt dies vorliegend zu dem Ergebnis, dass die angegriffene Marke in ihrem prägenden Bestandteil wegen des nur geringfügigen Unterschieds zur Widerspruchsmarke den notwendigen Abstand nicht einhält und jedenfalls in klanglicher Hinsicht [X.] besteht, was ausreicht (vgl. BGH [X.], 714, 717 - Nr. 37 - idw).

[X.]ie Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

4. Zur Auferlegung von [X.]osten aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlass (§ 71 Abs. 1 [X.]).

Meta

30 W (pat) 14/14

09.10.2014

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.10.2014, Az. 30 W (pat) 14/14 (REWIS RS 2014, 2314)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2314

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