Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.08.2011, Az. 3 StR 221/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 4056

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 221/11
vom
11. August 2011
in der Strafsache
gegen

wegen
schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

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Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu 1. a) und zu 2. auf dessen Antrag -
am 11. August 2011 gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 1. Dezember 2010 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall [X.]) Tat 9 der Urteilsgründe wegen sexuellen Missbrauchs ei-nes [X.] verurteilt worden ist; im Umfang der [X.] fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendi-gen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte

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des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, in einem Falle in Tateinheit mit Freiheitsberaubung,

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des sexuellen Missbrauchs
von Kindern in vier Fällen,

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des sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person und

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des sexuellen Missbrauchs eines [X.]

schuldig ist.

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2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des [X.] zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen

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schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, in einem Falle in Tateinheit mit Freiheitsberaubung,

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sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen und

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sexuellen Missbrauchs von [X.] in drei Fällen

zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und gegen ihn die [X.] angeordnet. Die auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.

1. Auf Antrag des [X.] stellt der Senat das Verfahren im Falle [X.]) Tat 9 der Urteilsgründe
gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO ein, denn die Feststellungen tragen nicht den Schuldspruch wegen sexuellen Missbrauchs von [X.] (§ 182
Abs. 2 Nr. 1 StGB aF). Danach ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte bei der Tatbegehung aufgrund zuvor ge-nossenen Alkohols "in seiner Einsichts-
und Steuerungsfähigkeit noch erheblich 1
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vermindert war". Ist indes die Fähigkeit des [X.], das Unrecht seiner Tat ein-zusehen, erheblich vermindert, so kommt es für die Beurteilung seiner Schuld-fähigkeit entscheidend darauf an, ob ihm deswegen diese Einsicht fehlt oder ob er gleichwohl über sie verfügt. Hat der Täter nicht die Einsicht in das Unerlaub-te seines Handelns und kann ihm dies auch nicht vorgeworfen werden, so [X.] er nach § 17 Satz 1 StGB ohne Schuld ([X.], Beschluss vom 1. März 2011 -
3 StR
450/10; [X.], StGB, 58. Aufl.,
§ 21 Rn. 3 mwN). Das [X.] stellt aber weder fest, dass der Angeklagte das Unerlaubte seines Handelns ungeachtet der erheblichen Beeinträchtigung seiner Einsichtsfähigkeit erkann-te, noch, dass ihm diese Einsicht aus
vorwerfbaren Gründen fehlte.

Die Einstellung führt zu der in der Entscheidungsformel enthaltenen Än-derung des Schuldspruchs. Die ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren hat gleichwohl Bestand. Angesichts der verbleibenden zwölf Einzelfrei-heitsstrafen -
unter anderem sechs Jahre und sechs Monate, sechs Jahre, dreimal vier Jahre sowie drei Jahre -
kann der Senat ausschließen, dass das [X.] die Gesamtstrafe bei Wegfall der für diese Tat verhängten Frei-heitsstrafe von acht Monaten milder
bemessen hätte.

2. Auch im Falle [X.]) Tat 7 der Urteilsgründe hat der Schuldspruch we-gen sexuellen Missbrauchs von [X.] (§ 182
Abs. 2 Nr. 1 StGB aF) keinen Bestand. Dazu, ob der hier Geschädigte auf Grund altersbedingter Un-reife außerstande war, eine verantwortliche Entscheidung über die Duldung der sexuellen Handlungen des Angeklagten zu treffen (vgl. [X.]
aaO
§ 182 Rn. 12), verhält sich das Urteil nicht. Nach den Feststellungen führte der [X.] sein Glied vielmehr unter Ausnutzung des Umstands in den After des [X.] ein, dass dieser nach Alkoholgenuss eingeschlafen war.

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Die rechtsfehlerfreien Feststellungen tragen insoweit jedoch eine Verur-teilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfä-higen Person
(§ 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Der Senat ändert deshalb den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte, der diesen Tatvorwurf eingeräumt hat, bei dessen zutreffender rechtlicher Bewertung nicht anders hätte verteidigen können. Mit Blick auf den im Vergleich zu § 182 Abs. 2 StGB aF höheren Strafrahmen des § 179 Abs. 1 StGB ist auszuschließen, dass das [X.] bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf eine geringere Einzel-
und Gesamtstrafe erkannt hätte.

3. Die weitergehende Revision ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs.
2 StPO.

a) Insbesondere ist die Anordnung der Sicherungsverwahrung auch auf der Grundlage der Entscheidung des [X.] vom 4. Mai 2011 (2
BvR 2365/09 u.a., NJW
2011, 1931) nicht zu beanstanden. Ohne Rechtsfehler geht das [X.] davon aus, dass der Angeklagte eine aus-geprägte, tief verwurzelte Neigung zum Geschlechtsverkehr mit Kindern und [X.] hat, der er nun über mehrere Jahre hinweg mit sich steigernder Intensität und Gewaltbereitschaft nachgegangen ist. [X.] beraten kommt es zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin sexuelle Praktiken wie Oral-
und Analverkehr mit männlichen Kindern und [X.] ausüben und
diese dadurch seelisch und auch körperlich schädigen wird. Danach begründen konkrete, aus Person und Verhalten des Angeklagten abzuleitende Umstände die Gefahr, dass er weitere, auch [X.] Sexualstraftaten im Sinne der Maßgabe des [X.] zur Weitergeltung von § 66 StGB begehen wird. Nach Ansicht des Senats ist [X.] Missbrauch eines Kindes nach § 176a Abs. 2 StGB wegen der dafür an-5
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gedrohten Mindeststrafe von zwei Jahren sowie der für die Tatopfer damit re-gelmäßig verbundenen erheblichen psychischen Auswirkungen grundsätzlich als "schwere Sexualstraftat" im vorbezeichneten Sinne anzusehen (vgl. [X.], Urteil vom 4. August 2011 -
3 [X.] zu Taten nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB).

b) Ebenso wenig ist die vom [X.] im Rahmen seiner Ermessens-entscheidung (§ 66 Abs. 2 und 3 StGB) angestellte Erwägung zu beanstanden, auch der -
überhaupt erstmalige -
Vollzug einer Freiheitsstrafe von elf Jahren lasse beim Angeklagten keine durchgreifende, die Sicherungsverwahrung ent-behrlich
machende Haltungsänderung erwarten. Ohne Rechtsfehler schließt das [X.] aus der Entwicklung der Einlassungen des Angeklagten, dass sein (Teil-)Geständnis und die Bekundung von [X.] bislang eher prozesstaktischer Motivation entsprangen. Sind zum Zeitpunkt der Abur-teilung positive Veränderungen durch den nachfolgenden Strafvollzug zwar denkbar, aber nicht sicher zu erwarten, so muss die Prüfung, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung (noch) erfordert, dem späteren Verfahren nach §
67c Abs. 1 StGB vorbehalten bleiben ([X.] aaO § 66 Rn. 36).

[X.] von Lienen

Mayer Menges
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Meta

3 StR 221/11

11.08.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.08.2011, Az. 3 StR 221/11 (REWIS RS 2011, 4056)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4056

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