Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.11.2002, Az. I ZR 276/99

I. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 794

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[X.] DES VOLKESURTEILI ZR 276/99Verkündet am:7. November 2002WalzJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:nein[X.]R: [X.] § 3; [X.] § 17 Abs. 1 Nr. 5Auch wenn davon auszugehen ist, daß der Verbraucher mit "[X.]" und"Klosterbrauerei" die für seine Kaufentscheidung nicht unbedeutsame [X.], das Bier stamme aus einer zu einem Kloster gehörigen Brauerei [X.] bestehe jedenfalls ein unmittelbarer Bezug zu einer klösterlichen Brautradition,ist es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu vereinbaren, die [X.] einer solchen unzutreffenden Bezeichnung als irreführend zu untersa-gen, wenn die Bezeichnung seit über 150 Jahren unbeanstandet benutzt wird undder Absatz des so bezeichneten Bieres auch heute im wesentlichen auf das lokaleund regionale Verbreitungsgebiet beschränkt ist, für das ein Besitzstand aufgrundunbeanstandeter Verwendung entstanden ist.[X.], [X.]. v. 7. November 2002 [X.] [X.] LG [X.]- 2 -Der I. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch [X.] Dr. [X.] und [X.] Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. [X.], Prof. [X.] und Pokrantfür Recht erkannt:Die Revision gegen das [X.]eil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 15. Oktober 1999 wird auf Kosten der [X.].Von Rechts [X.]:Die Parteien streiten um die Berechtigung der [X.], die Bier- und Un-ternehmensbezeichnungen —[X.]fi, —[X.] [X.]fi und —Kloster-brauerei GmbH, [X.], [X.] zu verwenden.Die Klägerin zu 1 ist die [X.] in [X.], zu [X.] im 15. Jahrhundert gegründete [X.] gehört, das unter dieser Be-zeichnung seit jeher Bier herstellt; es vertreibt sein Bier heute bundesweit. DieKlägerin zu 2 ist die Brauereigesellschaft der [X.], die [X.] auf eine Jahrhunderte alte Brautradition zurückblickt. Auch sie vertreibt [X.] unter der Bezeichnung —Klosterbrauerei Ettalfi nunmehr überregional.- 3 -Die Beklagte bringt ihr Bier unter den Bezeichnungen —[X.]fi und—[X.] [X.]fi überwiegend im Raum [X.], [X.], [X.], [X.] im übrigen [X.] und in geringem Umfang auch im [X.] mit Ausnahme [X.] auf den Markt. Sie wurde 1840 als —Kloster-brauereifi in [X.] gegründet, wobei der Bezug zu einem Kloster lediglichdarin besteht, daß die (ursprüngliche) [X.] Braustätte auf dem neben einerKlosterkirche gelegenen Areal eines bereits in der [X.] aufgegebenenKlarissenklosters lag. 1860 wurde die —[X.] von einem Christian [X.]erworben, der schon 1868 eine —Kloster-[X.]fi-Marke schuf. Seit den dreißigerJahren verwendet die Beklagte in der Werbung und in der Ausstattung der [X.] die Abbildung eines roten Wachssiegels, auf dem ein Mönch mit [X.] zu sehen ist. 1976 wurden die von der Familie [X.]gehaltenen Anteile an der [X.] von der Schwabenbräu [X.],[X.], erworben. 1980 wurde der [X.] in [X.] eingestellt und [X.] unter Fortführung der Firma [X.] mit einer [X.] verschmolzen. 1985 wurde auch der [X.] in [X.] einge-stellt. Heute ist die Beklagte eine Tochter der Dinkelacker-Schwabenbräu AG in[X.]-Vaihingen. Die Beklagte selbst stellt kein Bier mehr her, sondern läßt esbei ihrer Konzernmutter im Rahmen eines Sudvertrages herstellen. Sie vertreibtihr Bier, dessen Absatz sie in den letzten zehn Jahren von ca. 10.000 hl auf ca.70.000 hl steigern konnte, unter den beanstandeten Bezeichnungen, unter ande-rem mit einem Etikett, auf dem die Bezeichnung —[X.]fi hervorgehobenist und das die Abbildung eines Mönchs mit Bierglas zeigt. Ferner heißt es dort:[X.],[X.],Brauort [X.]- 4 -Dieses Etikett ist nachfolgend in schwarzweiß wiedergegeben:In der Vergangenheit sind die von der [X.] verwendeten Bezeichnun-gen unbeanstandet geblieben.Die [X.] machen geltend, die Beklagte verstoße mit der [X.] und des Begriffs —[X.] in Produkt- und Unternehmenskennzeichengegen das [X.]. Beim Publikum werde der Eindruck erweckt, als obdas Bier in einem Kloster oder von Mönchen oder doch jedenfalls am Ort einesfrüheren Klosters in dessen Brautradition gebraut werde. Der winzige Hinweis aufden Brauort [X.] sei nicht geeignet, diese Fehlvorstellung zu korrigieren. [X.] seien nicht früher gegen die Beklagte vorgegangen, weil sie erst in-folge der Ausdehnung ihres [X.] das Auftreten der [X.] am Marktwahrgenommen hätten. Im übrigen könne sich aus der vorsätzlichen Verletzung- 5 -wettbewerbsrechtlicher Regeln kein schützenswerter Besitzstand ergeben. Es [X.] nicht allein um [X.] der [X.] als Wettbewerber, sondernauch um das Interesse der Allgemeinheit an einer Unterbindung irreführenderWerbung.Die [X.] haben beantragt,[X.] zu [X.] zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbsa)Bier unter den Bezeichnungen —[X.]fi und/oder —[X.] [X.] anzubieten, zu bewerben oder zu vertreiben, insbesondere in (der obenwiedergegebenen) Aufmachung;b)sich für ihren auf die Herstellung und den Vertrieb von Bier gerichteten Ge-schäftsbetrieb der Bezeichnung —[X.], [X.], Brauort[X.]fi zu bedienen;2.in die Löschung des Bestandteils —[X.] ihrer beim Handelsregister... eingetragenen Firma einzuwilligen und diese Löschung herbeizuführen;3.den [X.] Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über Handlungengemäß Ziffer I.1. unter Angabe vona)Liefermengen und Lieferzeiten,b)erzieltem Gewinn,c)erzieltem Umsatz und zugehörigen Abnehmern,d)Art, Zeitraum und Umfang der betriebenen Werbung, jeweils aufgeschlüsseltnach Werbeträgern und Verbreitungsgebieten;II.festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, jeder Klägerin allen Schaden zu er-setzen, der dieser durch Handlungen gemäß Ziffer I.1. entstanden ist und/odernoch entstehen wird, einschließlich eines etwaigen Marktverwirrungsschadens.Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat die Ansicht vertreten,der geltend gemachte Anspruch sei verwirkt. Im übrigen sei es in der Branche üb-lich, daß ein als Brauerei bezeichnetes Unternehmen nicht mehr selbst braue,sondern sich nur noch auf den Vertrieb ihres mit eigener Geschmacksnote verse-henen Bieres [X.] -Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat dieBerufung der [X.] zurückgewiesen.Hiergegen richtet sich die Revision der [X.], mit der sie ihre [X.] weiterverfolgen. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht hat einen Anspruch der [X.] aus § 3 [X.]. Zur Begründung hat es ausgeführt:Es könne unterstellt werden, daß ein beachtlicher Teil des Verkehrs [X.] noch von dem Begriff —[X.] und von der Abbildung eines Mönchs [X.] Zusammenhang mit einem Bier verwendet [X.] auf einen räumlichen Bezug zu ei-nem Kloster sowie auf eine Verbindung zu Mönchen oder Nonnen schließe. [X.] solcher Bezug im Streitfall nicht (mehr) bestehe, sei von einer Irreführung [X.]. Es fehle jedoch an der wettbewerbsrechtlichen Relevanz, weil die (un-terstellte) Irreführung den Kaufentschluß der angesprochenen Verbraucher nicht inerheblicher Weise beeinflusse. Den Verbrauchern sei bekannt, daß [X.] aufgrund des Reinheitsgebots hinsichtlich seiner Zusammensetzung [X.] unterworfen sei. Das biertrinkende Publikum orientiere sich an Ge-schmacksrichtungen und Biergattungen, messe der Qualität des Bieres entschei-dende Bedeutung bei und unterscheide nach der jeweiligen geschmacklichenNote. Die [X.] hätten nicht deutlich gemacht, worin der Vorteil eines klö-sterlichen Bieres liegen solle. Auch Mönche unterlägen den für alle geltendenBrauregeln und brauten ihr Bier, wenn sie im Markt erfolgreich seien, in [X.] üblichen Großanlagen. Für den Verkehr seien die beanstandeten [X.] -nur ein Vehikel für einen Bedeutungsgehalt wie Tradition und lange Erfahrung, [X.] für Eigenschaften, die auch die Beklagte für sich in Anspruch nehmen könne.Ob ein Kloster in der Nähe sei oder ob sich die Braustätte sogar auf einem ehe-maligen Klostergelände befinde, müsse für den verständigen Verbraucher uner-heblich sein. Nur der Unverstand könne ihn lehren, daß ein solcher Bezug nen-nenswerten Einfluß auf das Produkt habe. Daher sei der Bezug zu einem Klosterbar jeder Aussagekraft. Soweit es noch auf die Braukunst ankomme, könnten übersie auch weltliche Brauer verfügen. Der Begriff des Klosters sei daher nichts [X.] als eine historisierende Chiffre ohne beachtlichen Tatsachenkern. Die [X.] hätten daher kein schützenswertes Interesse daran, daß dieser Begriff vonder [X.] nicht mehr verwendet werde.Mit dem [X.] sei zudem davon auszugehen, daß die [X.] ei-nen Anspruch, selbst wenn die Voraussetzungen im übrigen gegeben seien, nichtmehr geltend machen könnten. Zwar unterlägen Ansprüche wegen irreführenderWerbung im Hinblick auf das Interesse der Allgemeinheit an ihrer [X.] nicht der Verwirkung. Hiervon gelte jedoch eine Ausnahme in Fällen,in denen die Irreführungsgefahr gering sei, im wesentlichen nur die Individualinter-essen des Mitbewerbers betroffen seien und auf seiten des Werbenden ein wert-voller, durch eine länger andauernde redliche und ungestörte Benutzung geschaf-fener Besitzstand auf dem Spiel stehe. So verhalte es sich im Streitfall.[X.] gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision habenkeinen Erfolg. [X.] und Berufungsgericht haben die Klage im Ergebnis [X.] als unbegründet erachtet. Nicht zu beanstanden ist die [X.] vom [X.] unterstellte [X.] Annahme, daß die mit —[X.] bezeichnete [X.] das mit —[X.]fi bezeichnete Bier nach dem Verständnis der [X.] einen Bezug zu einem Kloster aufweisen. Entgegen der Auffassung [X.] ist diese Vorstellung für die Kaufentscheidung durchaus von- 8 -Bedeutung. Anders als es das Berufungsgericht in einer Hilfserwägung ange-nommen hat, ist auch eine Verwirkung nicht eingetreten. Dennoch muß die mit derbeanstandeten Werbung verbundene Irreführung hingenommen werden, weil [X.] des Verbots im Streitfall mit Blick auf das eher geringe Gewicht [X.] auf der einen und die über lange Zeit unbeanstandet gebliebene [X.] der angegriffenen Bezeichnungen auf der anderen Seite [X.] sich die Klage dagegen richtet, daß die Beklagte unter den [X.] —[X.]fi oder —[X.] [X.]fi Bier anbietet und ver-treibt, ist Grundlage der rechtlichen Beurteilung nicht allein das allgemeine Irrefüh-rungsverbot des § 3 UWG, sondern auch das spezielle Verbot des § 17 Abs. 1Nr. 5 lit. b [X.]; eine Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot stellt stets auch ei-nen Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG dar. Die beiden Anspruchsgrundlagensind zwar nebeneinander anzuwenden (vgl. [X.] in [X.]/[X.], UWG, 3. Aufl.,§ 3 [X.]. 21; [X.]/[X.], Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 3 UWG Anh. [X.] [X.]. 2). Doch bestimmt sich im Anwendungsbereich des lebensmittel-rechtlichen Verbots die Frage der Irreführung stets nach den Maßstäben dieserVorschrift, weil sie auf eine abschließende europarechtliche Regelung, nämlich aufArt. 2 der [X.] 79/112/[X.] (inzwischen Art. 2 der [X.]/13/[X.]), zurückgeht. Das Verbot des § 3 UWG kann daher im ge-meinsamen Anwendungsbereich dieser Bestimmungen nicht weitergehen als daslebensmittelrechtliche Verbot aus § 17 Abs. 1 Nr. 5 [X.] (vgl. [X.], [X.]. [X.] [X.] I ZR 307/99, [X.], 1091, 1092 = WRP 2002, 1267 [X.] Bodensee-Tafelwasser; OLG Frankfurt [X.]-RR 2001, 67, 69; [X.] in [X.]/[X.]. [X.]. 83; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 3 [X.]. 40; [X.], JZ 1994, 928,930 f.; [X.] in Festschrift [X.], 2000, [X.], 354).- 9 -2.Das Berufungsgericht hat zugunsten der [X.] unterstellt, daß [X.] des Begriffs —[X.] bei den angesprochenen Verkehrskreisen [X.] auslöst. Eine solche Annahme wäre auch [X.] entgegen der [X.] Revisionserwiderung [X.] aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Denn esentspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, daß der Verkehr die Bezeichnung—[X.] für Bier oder für eine Brauerei in der Weise versteht, daß das Bier ent-weder in einer wirklichen Klosterbrauerei [X.] also in einer zu einem Kloster gehö-renden Brauerei [X.] gebraut worden ist oder daß zumindest ein Bezug zur klösterli-chen Brautradition der früheren Jahrhunderte, insbesondere zu einer klösterlichenBraustätte, besteht (so auch [X.] [X.], 76, 77 f.; [X.] 2001, 61, 63; OLG Frankfurt [X.]-RR 2001, 67, 68). Allein der [X.], daß sich eine Vielzahl von Unternehmen auf eine solche Tradition berufenund sie in ihrer Werbung herausstellen, deutet auf eine entsprechende Wertschät-zung der —[X.]-Bezeichnungen für Biere beim Publikum hin. Derartige [X.] vermitteln unterschwellig den Eindruck einer alten, [X.]. Auch verständige Verbraucher lassen sich von solchen [X.] leiten, selbst wenn sie sich darüber im klaren sein mögen, daßdas konkrete Bier nicht mehr von Mönchen gebraut wird und im übrigen von [X.] gebrautes Bier nicht notwendig etwas Besonderes sein muß. Es verhält sichinsofern ähnlich wie mit der auf eine besondere Unternehmenstradition hinwei-senden Alterswerbung (vgl. [X.], [X.]. v. 31.5.1960 [X.] I ZR 16/59, [X.] 1960,563, 565 = [X.], 238 [X.] Sektwerbung; [X.]. v. 11.7.1980 [X.] I ZR 105/78,[X.] 1981, 69, 70 = WRP 1981, 21 [X.] Alterswerbung für Filialen; [X.]. v.28.2.1991 [X.] I ZR 94/89, [X.] 1991, 680, 681 f. [X.] Porzellanmanufaktur; [X.]. v.21.2.1991 [X.] I ZR 106/89, [X.] 1992, 66, 67 f. = WRP 1991, 473 [X.] Königl.-Bayerische Weisse). Sie soll ebenfalls die Vorstellung von einem traditionsbe-wußten, seit langem mit Erfolg im Markt tätigen, auf bewährte Produkte [X.] -Unternehmen vermitteln, ohne damit nahezulegen, daß diese Produkte seit [X.] unverändert geblieben [X.] Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß nicht [X.], durch die eine Fehlvorstellung der Verbraucher ausgelöst wird, im Sinneder § 3 UWG und § 17 Abs. 1 Nr. 5 [X.] irreführend ist. [X.] werden unrichtige Angaben vielmehr erst dadurch, daß sie geeignet sind,das Marktverhalten der Gegenseite, in der Regel also den Kaufentschluß der [X.], zu beeinflussen (vgl. [X.], [X.]. v. 29.5.1991 [X.] I ZR 204/89, [X.]1991, 852, 855 = [X.], 95 [X.] Aquavit; [X.]. v. 30.10.1997 [X.] I ZR 127/95,[X.] 1998, 949, 951 = [X.], 598 [X.] [X.]; [X.]. v. 17.6.1999[X.] I ZR 149/97, [X.] 2000, 239, 241 = [X.], 92 [X.] Last-Minute-Reise; [X.]. v.13.1.2000 [X.] I ZR 253/97, [X.] 2000, 914, 915 = [X.], 1129 [X.] Tageszu-lassung II; [X.]. v. 27.6.2002 [X.] I ZR 19/00, [X.], 1095, 1096 = WRP 2002,1430 [X.] Telefonische Vorratsanfrage).Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht die Relevanz der fraglichenFehlvorstellung verneint. Es hat darauf abgestellt, die Verbraucher seien sich [X.] im klaren, daß sich [X.] Bier zwar wegen des Reinheitsgebots von an-deren Bieren unterscheide, daß aber bei Beachtung dieses Gebots für den [X.] Bierbrauer nur ein relativ geringer Spielraum verbleibe mit der Folge, daßVerbraucher sich in erster Linie an Geschmacksrichtungen und Biergattungen ori-entierten. Damit hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet, daß auchdie Kaufentscheidung verständiger Verbraucher maßgeblich durch [X.] werden kann, die sich einer rationalen Überprüfung entziehen. Die be-worbene klösterliche Brautradition stellt ein solches [X.] dar, das[X.] ähnlich wie die Alterswerbung [X.] eine unternehmensbezogene positive [X.] weckt. Derartige versteckte [X.]e können für die [X.] Publikums maßgeblich sein. Dies wird nicht zuletzt auch durch das [X.] -der Anbieter selbst belegt, die derartigen Merkmalen, durch die sie sich von ihrenWettbewerbern abzusetzen vermögen, in der Aufmachung ihrer Produkte und inder Werbung generell einen breiten Raum einräumen (vgl. [X.] [X.] 1992, 66,69 [X.] Königl.-Bayerische [X.] Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage hilfsweise damit [X.], daß die Ansprüche der [X.] verwirkt seien. Im Streitfall liegen [X.] [X.] worauf die Revision mit Recht hinweist [X.] die Voraussetzungen einerVerwirkung nicht vor. Doch sind die vom Berufungsgericht in diesem Zusammen-hang angeführten besonderen Umstände [X.] die über lange Zeit unbeanstandet ge-bliebene Nutzung der angegriffenen Bezeichnungen, die für die Beklagte einenerheblichen Wert darstellen, auf der einen sowie das verhältnismäßig geringe Ge-wicht der in Rede stehenden Irreführung auf der anderen Seite [X.] im Rahmen einerVerhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Diese führt dazu, daß die vonden [X.] beanstandete Irreführung im Streitfall hingenommen werdenmuß.a)Mit Recht rügt die Revision, daß die Voraussetzungen einer Verwirkungim Streitfall nicht vorliegen. Der [X.] hat wiederholt entschieden,daß Ansprüche aus § 3 UWG im allgemeinen nicht der Verwirkung unterliegen,weil das Interesse der Allgemeinheit, vor Irreführung geschützt zu werden, grund-sätzlich als vorrangig vor den [X.] des Werbenden anzusehen ist(vgl. [X.], [X.]. v. 14.3.1985 [X.] I ZR 66/83, [X.] 1985, 930, 931 [X.] [X.]; [X.]. v. 26.6.1986 [X.] I ZR 103/84, [X.] 1986, 903, 904 =[X.], 674 [X.] [X.]). Ob vorliegend eine Ausnahme von diesemGrundsatz in Betracht kommt, weil es letztlich nur um [X.] der[X.] geht (vgl. [X.], [X.]. v. 15.10.1976 [X.] I ZR 23/75, [X.] 1977, 159,161 [X.] [X.]; [X.]. v. 29.9.1982 [X.] I ZR 25/80, [X.] 1983,32, 34 = [X.], 203 [X.] [X.]), bedarf keiner Entscheidung; denn nach- 12 -den getroffenen Feststellungen haben die [X.] der [X.] keinen [X.] zu der Annahme gegeben, sie würden ihnen zustehende Unterlassungs-, [X.] und Schadensersatzansprüche nicht verfolgen. Insbesondere konnte [X.] nicht davon ausgehen, daß die [X.] den historischen Hintergrundder beanstandeten Bezeichnungen schon seit längerem kannten und [X.] wußten, daß sich die Beklagte nicht auf eine klösterliche Brautradition berufenkann. Muß der Schuldner aber davon ausgehen, daß der Berechtigte [X.] von dem ihm zustehenden Anspruch hat, fehlt es im Hinblick auf denkonkreten Gläubiger an dem für die Verwirkung erforderlichen [X.] (vgl. [X.], [X.]. v. 15.9.1999 [X.] I ZR 57/97, [X.] 2000, 144, 145 f. [X.] Co-mic-Übersetzungen II).b)In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, daß auch unabhängig voneiner Verwirkung eine Irreführungsgefahr in besonderen Ausnahmefällen hinzu-nehmen ist, wenn die Belange der Allgemeinheit nicht in erheblichem Maße undernstlich in Mitleidenschaft gezogen werden, weil nur eine geringe Irreführungs-gefahr vorliegt (vgl. [X.] [X.] 1983, 32, 34 [X.] [X.]; [X.] 1986, 903,904 [X.] [X.]; [X.]/[X.] aaO § 3 UWG [X.]. 107; [X.] in[X.]/[X.] aaO § 3 [X.]. 216; Großkomm.UWG/[X.], § 3 [X.]. 259). [X.] Ausnahme kommt insbesondere dann in Betracht, wenn durch das [X.] wertvoller Besitzstand an einer Individualkennzeichnung zerstört würde ([X.][X.] 1977, 159, 161 [X.] [X.]; vgl. ferner [X.], [X.]. v.28.1.1957 [X.] I ZR 88/55, [X.] 1957, 285, 287 = [X.], 173 [X.] Erstes [X.])Diese Ausnahme ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes,unter dessen Vorbehalt das [X.] steht. Auch wenn im allgemeinendas Interesse des Werbetreibenden an der Weiterverwendung einer irreführendenAngabe nicht schutzwürdig ist (vgl. [X.], [X.]. v. 11.10.1972 [X.] I ZR 38/71, [X.]- 13 -1973, 532, 533 f. [X.] Millionen trinken –; [X.] [X.] 1960, 563, 566 [X.] Sektwer-bung), kann es doch im Einzelfall das Schutzbedürfnis der Allgemeinheit und dasindividuelle Interesse eines Mitbewerbers überwiegen. So ist in der [X.] seit jeher anerkannt, daß die Anwendung des [X.]s aufgrundeiner Interessenabwägung ausgeschlossen sein kann, wenn eine Werbeangabezwar objektiv zutreffend ist, vom Verkehr aber in einer vom objektiven Aussage-gehalt abweichenden, irreführenden Weise verstanden wird (vgl. nur [X.], [X.]. v.15.2.1996 [X.] I ZR 9/94, [X.] 1996, 910, 912 = [X.], 729 [X.] Der meistver-kaufte [X.]; [X.]. v. 23.5.1996 [X.] I ZR 76/94, [X.] 1996, 985, 986 = WRP1996, 1156 [X.] PVC-frei; [X.]. v. 22.4.1999 [X.] I ZR 108/97, [X.] 2000, 73, 75 =[X.], 1145 [X.] Tierheilpraktiker). Für das besondere, früher ebenfalls aus § [X.] hergeleitete Verbot der Verwendung irreführender geographischer Her-kunftsangaben, das heute in § 127 Abs. 1 [X.] geregelt ist, hat der [X.] den Einwand zugelassen, daß seine Anwendung im Einzelfall unver-hältnismäßig ist ([X.]Z 139, 138, 145 [X.] Warsteiner II; [X.], [X.]. v. 19.9.2001[X.] I ZR 54/96, [X.], 160, 162 = WRP 2001, 1450 [X.] Warsteiner III; [X.]. [X.] [X.] I ZR 72/99, [X.], 1074, 1076 = WRP 2002, 1286 [X.] OriginalOettinger). Auch der [X.] zieht [X.] als Korrektiv für das [X.] heran,wenn das Verbot eine Beeinträchtigung des Handelsverkehrs nicht zu rechtferti-gen vermag (vgl. [X.], [X.]. v. 4.4.2000 [X.] Rs. [X.]/98, [X.]. 2000, [X.] Tz. 28= [X.] Int. 2000, 756 = [X.], 489 [X.] Verein gegen Unwesen .../Darbo; vgl.auch [X.], [X.]. v. 15.7.1999 [X.] I ZR 44/97, [X.] 1999, 1122, 1124 = [X.],1151 [X.] [X.]-Neuwagen I).bb)Im Streitfall überwiegen die Interessen der [X.] ausnahmsweisedas Interesse der Allgemeinheit und das der [X.] an einem Verbot der [X.] —[X.]fi und —[X.].- 14 -Auf der einen Seite sind die Fehlvorstellungen, die die angegriffenen [X.] beim Verbraucher bewirken, für die Kaufentscheidung zwar von [X.], aber doch nur von geringem Gewicht. Wodurch sich ein unter der Be-zeichnung —[X.] vertriebenes Bier von anderen Bieren abhebt, ist [X.] wie obendargestellt [X.] keineswegs eindeutig. Die Verwendung dieser Bezeichnung könntendie [X.] auch einem Unternehmen nicht verwehren, das sich zwar [X.] auf eine klösterliche Brautradition beruft, das aber selbst in keiner Weisemehr mit einem Kloster verbunden ist und dessen Bier auch längst nicht mehr mitdem früher an derselben Stelle von Mönchen gebrauten Bier übereinstimmt, aufdas es mit der Bezeichnung —[X.] Bezug nimmt. Das berechtigte Interesse [X.] sowie das gleichgerichtete Interesse der [X.] daran, daß [X.] diese Bezeichnung nicht mehr verwendet, kann daher wettbewerbsrecht-lich nur als verhältnismäßig gering eingestuft werden.Das Interesse der [X.] an einer Weiterverwendung der beanstandetenBezeichnungen ergibt sich auf der anderen Seite vor allem aus der langjährigenVerwendung, die in der Vergangenheit niemals von einem Wettbewerber oder vondritter Seite beanstandet worden ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Rechts-vorgängerin der [X.] bereits 1840 als —[X.] in [X.] gegrün-det worden ist und die Beklagte die Firma nach der Verschmelzung mit einer Met-zinger Brauerei im Jahre 1980 fortführt, ohne daß die Verwendung dieses Begriffsjemals beanstandet worden wäre. Seit 1868 verwendet die [X.]. die Beklagte den Begriff —[X.] als Bestandteil einer Marke. Auch dies istniemals beanstandet worden. Damit ist der Rechtsvorgängerin der [X.] überviele Jahrzehnte ein wertvoller Besitzstand zugewachsen, auf den sich auch [X.] berufen kann, in der der Geschäftsbetrieb der alten —[X.]vollständig aufgegangen ist. Diese Abwägung wird zusätzlich dadurch entschei-dend bestimmt, daß die Beklagte sich nach Ausstoß und Verbreitungsgebiet in der- 15 -Tradition des Unternehmens hält, das seit nunmehr über 160 Jahren in [X.]und Umgebung Bier unter der Bezeichnung —[X.] und —[X.] ver-treibt.[X.] ist die Revision der [X.] mit der Kostenfolge des § 97Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.[X.]v. Ungern-Sternberg [X.][X.]Pokrant

Meta

I ZR 276/99

07.11.2002

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.11.2002, Az. I ZR 276/99 (REWIS RS 2002, 794)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 794

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