Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2005, Az. II ZR 283/03

II. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 350

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 12. Dezember 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB § 705; HGB § 130 Der Neugesellschafter ist in seinem Vertrauen auf den Fortbestand der vor der Publikation des [X.] vom 7. April 2003 ([X.] 154, 370 ff.) [X.] Rechtslage nicht geschützt, sondern haftet analog § 130 HGB, wenn er die Altverbindlichkeit, für die er in Anspruch genommen wird, bei seinem Eintritt in die [X.] kennt oder wenn er deren Vorhandensein bei auch nur gerin-ger Aufmerksamkeit hätte erkennen können. Letzteres ist bei einer [X.] hinsichtlich der Verbindlichkeiten aus Versorgungsverträgen (Gas, Strom, Wasser) für in ihrem Eigentum stehende Mietshäuser der Fall. [X.], Urteil vom 12. Dezember 2005 - [X.] - [X.]

LG Wuppertal - 2 - [X.] [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2005 durch [X.] und [X.], Prof. Dr. Gehrlein, [X.] und [X.] für Recht erkannt: Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 22. Zivilsenats des [X.] vom 15. August 2003 wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Bezahlung von [X.]. Das Gas wurde in der [X.] von Dezember 2000 bis April 2001 in zwei Mietshäuser in [X.] geliefert, die im Eigentum einer [X.] stehen. Der Beklagte gehörte der [X.] unstreitig jedenfalls bis zum 15. Dezember 1998 an und war ab dem 1. Januar 2000, mithin zur [X.] der Lie-ferungen, wieder [X.]er. 1 Der Beklagte wendet sich gegen die Zahlungsverpflichtung mit der [X.], die Lieferungen beruhten auf Verträgen, die zwischen der [X.] und der Klägerin in der [X.] abgeschlossen worden seien, in der er nicht [X.]er gewesen sei. Für derartige Altschulden hafte er nicht per-sönlich. Das [X.] hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. 2 - 3 - Entscheidungsgründe: Die Revision ist nicht begründet. 3 [X.] Das Berufungsgericht ist der Ansicht, es könne dahingestellt bleiben, ob die Lieferverträge für beide Mietshäuser oder nur - insoweit unstreitig - für das [X.] in einer [X.] abgeschlossen worden seien, in der der Beklagte nach seinem Vortrag nicht [X.]er der [X.] ge-wesen sei. Denn der Beklagte hafte, auch wenn es sich um Altschulden der [X.] aus der [X.] vor seinem Wiedereintritt handeln sollte, aus § 130 HGB. Auf einen die Haftung ausschließenden Vertrauensschutz im Sinne der in der Entscheidung des [X.]s vom 7. April 2003 ([X.] 154, 370 ff.) aufgestell-ten Grundsätze könne der Beklagte sich nicht berufen, weil das Gas zu einer [X.] an die [X.] geliefert worden sei, in der der Beklagte (wieder) deren Mitglied gewesen sei. 4 I[X.] Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg. 5 1. Das Berufungsgericht hat aufgrund des von ihm zugrunde gelegten Sachvortrags des Beklagten, von dem der [X.] revisionsrechtlich auszugehen hat, zutreffend entschieden, dass es sich bei den Verbindlichkeiten aus den streitigen Gaslieferungen um Altschulden gemäß § 130 HGB handelt, d.h. um Verbindlichkeiten der (Außen-)[X.], die vor dem ([X.] des Beklagten in die [X.] begründet worden sind. 6 Nach der zu § 160 HGB entwickelten Meinung ist bei [X.] die Rechtsgrundlage für die einzelnen [X.] bereits in dem Vertrag selbst angelegt mit der Folge, dass die [X.] als bereits mit dem Vertragsschluss begründet anzusehen sind (a). Die für die Haftung nach § 160 HGB entwickelte Ansicht gilt gleichermaßen für eine Haf-tung nach § 130 HGB (b). Bei den hier im Streit stehenden [X.] - 4 - trägen handelt es sich um Dauerschuldverhältnisse (c), deren Vertragspartnerin die [X.] als Grundstückseigentümerin ist (d). a) Die ganz herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung geht davon aus, dass rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten bereits dann begründet sind, wenn das Rechtsgeschäft abgeschlossen ist und sich ohne Hinzutreten weiterer rechtsgeschäftlicher Akte die konkrete, einzelne Verbindlichkeit ergibt. Daraus wird im Hinblick auf Dauerschuldverhältnisse gefolgert, dass es für die [X.] der hieraus resultierenden Forderungen auf den Abschluss des [X.] und nicht auf die daraus hervorgehenden Einzelverbind-lichkeiten ankommt (siehe hierzu [X.], [X.] 154, 370, 375; Urt. v. 29. April 2002 - [X.]/00, [X.], 1251, 1252; [X.] ZIP 2004, 1905, 1906; MünchKommHGB/[X.] § 128 [X.]. 49 ff. m.w.Nachw.). 8 b) Diese zu § 160 HGB entwickelte Meinung gilt auch für § 130 HGB. Das ergibt sich zunächst aus dem insoweit identischen Wortlaut der Vorschrif-ten. In beiden ist nämlich von - bis zum Ausscheiden bzw. vor dem Eintritt des [X.]ers - "begründeten Verbindlichkeiten der [X.]" die Rede. Hinzu kommt, dass es jeweils um die parallel laufende Frage geht, ob ein Ge-sellschafter für Verbindlichkeiten haftet, die vor Änderung seiner Gesellschaf-terstellung begründet wurden. Darüber hinaus spricht die Systematik des Ge-setzes für ein gleiches Verständnis der Frage, wann Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis begründet sind. 9 c) Bei den [X.] handelt es sich um [X.], die jedenfalls dann, wenn sie - wie hier - Sonderabnehmerverträge sind (siehe zu dieser Differenzierung [X.], Urt. v. 19. Oktober 1960 - [X.], [X.] § 17 KO Nr. 3), Sukzessivlieferungsverträge und damit Dauerschuldverhält-nisse darstellen (h.M. siehe nur [X.], [X.] 70, 132, 135; [X.]/[X.], 10 - 5 - BGB 64. Aufl. Überblick vor § 311 [X.]. 28, 30; [X.]/[X.], 4. Aufl. [X.]. vor §§ 241 ff. [X.]. 97 m.w.Nachw.). d) Die [X.] sind geschlossen worden zwischen der [X.] als Grundstückseigentümerin mit dem [X.]erbestand aus dem [X.] und der Klägerin. Ein konkludenter Vertragsschluss mit der [X.] unter Einschluss des Beklagten kommt für die Gaslieferungen in der [X.] ab Ende 2000 nicht in Betracht. Zwar ist in dem Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens regelmäßig ein Vertragsangebot in Form einer sog. [X.] zum Abschluss eines Versorgungsvertrages zu sehen, das sich typischerweise an den Grundstückseigentümer richtet ([X.], Urt. v. 30. April 2003 - [X.], [X.], 1730, 1731). Das war in der [X.] der Lieferung die [X.], deren Mitglied der Beklagte war. Die Annahme eines neuen konkludenten Vertragsschlusses ist hier jedoch deshalb ausgeschlossen, weil bereits ein Vertragsverhältnis zwischen dem Versorgungsunternehmen und der [X.] in ihrer gesellschafterlichen Zusammensetzung zur [X.] des Vertragsschlusses begründet worden war und fortbestand ([X.], Urt. v. 17. März 2004 - [X.], [X.], 2450, 2451). 11 2. Für die Verbindlichkeiten aus den nach dem Vortrag des Beklagten 1999 abgeschlossenen [X.] haftet der Beklagte analog § 130 HGB persönlich und unbeschränkt. Gegen diese zutreffende Feststellung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision vergeblich unter Bezugnahme auf das [X.]surteil vom 7. April 2003 ([X.] 154, 370 ff.). 12 a) Nach dem unter Anwendung der Doppelverpflichtungstheorie für die [X.] bürgerlichen Rechts geltenden Haftungsregime hatte der Neuge-sellschafter für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten persönlich nur dann einzustehen, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorlag. Fehlte es hieran, war seine Haftung auf seinen Anteil am [X.]svermögen [X.] - 6 - schränkt (Sen.Urt. v. 30. April 1979 - [X.], NJW 1979, 1821). Mit Urteil vom 7. April 2003 (aaO) hat der [X.] in Fortentwicklung seiner Rechtspre-chung zum geänderten Verständnis von der Haftungsverfassung der Gesell-schaft bürgerlichen Rechts ([X.] 142, 315 ff. und [X.] 146, 341 ff.) und in Abweichung von seiner früheren Rechtsprechung ausgesprochen, dass der Neugesellschafter analog § 130 HGB auch persönlich für Altschulden der (Außen-)[X.], der er beigetreten ist, haftet. Zugleich hat der [X.] jedoch entschieden, dass die Grundsätze der persönlichen Haftung erst auf künftige, dem Urteilserlass nachfolgende Beitrittsfälle Anwendung finden soll-ten, und zur Begründung insoweit auf Erwägungen des Vertrauensschutzes abgestellt ([X.] 154, 370, 377 f.). Dass dieser Entscheidung - nicht nur von dem Beklagten - unter [X.] tatsächlichen Hintergrundes des entschiedenen Falles entnom-men wird, ein Neugesellschafter hafte bis zur Publikation der [X.]sentschei-dung vom 7. April 2003 für Altverbindlichkeiten der [X.] unter keinen Umständen, geht weit über die Aussage jener Entscheidung hinaus. 14 In jedem Fall einer mit Rückwirkung verbundenen Rechtsprechungsän-derung ist zu prüfen, ob den Interessen des auf die Fortgeltung der Rechtslage [X.] einzuräumen ist gegenüber der materiellen Gerechtigkeit ([X.] 132, 119, 129 f. m.w.Nachw.). Nach eben diesen Grundsätzen ist der [X.] im Urteil vom 7. April 2003 (aaO) verfahren und hat in dem dort zugrun-deliegenden Fall des Eintritts eines Junganwalts in eine Anwaltssozietät, die einem dem eintretenden Anwalt nicht bekannten Anspruch auf Rückzahlung eines ohne Rechtsgrund geleisteten Honorarvorschusses ausgesetzt war, den Interessen des Neugesellschafters Vorrang eingeräumt vor der materiell richti-gen Entscheidung, hat also insoweit dessen Haftung aus § 130 HGB für die Altverbindlichkeit der [X.] verneint. Begründet hat er dies damit, dass der Neugesellschafter von dem Bestehen dieses Anspruchs nicht ausgehen 15 - 7 - musste, er mithin von diesem nur durch eine Nachfrage erfahren hätte, zu der er aber nach der damaligen Rechtslage nicht verpflichtet gewesen sei. [X.] kann der Neugesellschafter aber weder in seine Bei-trittsentscheidung einbeziehen noch kann er entsprechende Vorkehrungen für den Fall der persönlichen Inanspruchnahme treffen. Dies rechtfertigt es, ihn aus Vertrauensgesichtspunkten nicht haften zu lassen. Hieran hält der [X.] fest. b) Anders hat die Abwägung zwischen Rechtssicherheit einerseits und materieller Gerechtigkeit andererseits auszufallen, wenn der Neugesellschafter die bestehende Altverbindlichkeit der [X.] im Beitrittszeitpunkt kennt oder wenn er sie bei auch nur geringer Aufmerksamkeit hätte erkennen können; das gilt erst Recht, wenn sich dem [X.] das Bestehen von [X.] aufdrängen muss, weil sie typischerweise vorhanden sind. Der oben genannte Gedanke, der zur Gewährung von Vertrauensschutz nötigt, ist in die-sen Fällen nämlich nicht betroffen. Dann ist aber kein Grund ersichtlich, dem Vertrauensschutz des Neugesellschafters Vorrang einzuräumen gegenüber dem materiell berechtigten Anspruch des Gläubigers. 16 c) So liegt der Fall hier. Gründe des Vertrauensschutzes rechtfertigen die Zahlungsverweigerung des Beklagten nicht. Mit dem Vorhandensein von Liefer-verträgen über Versorgungsleistungen muss jeder Neugesellschafter rechnen, der einer [X.] beitritt, die Eigentümerin von Mietshäusern ist. Dies gilt in besonderem Maße für den Beklagten, der bereits bis Ende 1998 Gesell-schafter gewesen ist und in dieser Eigenschaft für eines der Mietshäuser selbst den ursprünglichen Gaslieferungsvertrag abgeschlossen hat. Nicht zuletzt steht 17 - 8 - der Gewährung von Vertrauensschutz hier entgegen, dass die Lieferungen, deren Bezahlung die Klägerin verlangt, zu einer [X.] erbracht wurden, in der der Beklagte (wieder) [X.]er war. Goette [X.] Gehrlein Strohn [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 20.12.2002 - 2 O 438/01 - [X.], Entscheidung vom 15.08.2003 - 22 U 16/03 -

Meta

II ZR 283/03

12.12.2005

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2005, Az. II ZR 283/03 (REWIS RS 2005, 350)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 350

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