Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.07.2012, Az. 1 StR 238/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2012, 4199

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 238/12

vom
27. Juli
2012
in der Strafsache
gegen

wegen
Steuerhinterziehung u.a.

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Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 27. Juli
2012
gemäß §
154a Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:

1. Dem
Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 8.
November 2011 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Er hat die Kosten der Wiedereinsetzung zu tragen.
Damit ist der Beschluss des [X.] vom 12. März 2012, mit dem seine Revision als unzulässig [X.] worden ist, gegenstandslos.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird
a) das vorbezeichnete Urteil in den [X.], 120, 219, 226, 349, 360, 362, 363, 370, 376, 377, 386, 414 und 415 der Urteilsgründe aufgehoben, die hierfür verhäng-ten Einzelstrafen entfallen;

b) in den [X.], 463 und 465 der Urteilsgründe die Verfolgung mit Zustimmung des [X.] auf den Vorwurf des Missbrauchs von Berufsbezeich-nungen gemäß
§
132a Abs. 1 Nr. 2 StGB beschränkt und auf Einzelstrafen von jeweils einem Monat erkannt;

c) das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch dahin geän-dert, dass der Angeklagte schuldig ist
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in 420 Fällen der Fälschung beweiserheblicher Daten,
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in vier Fällen der Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung,
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in zwölf Fällen der versuchten Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung,
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in zwölf Fällen der Urkundenfälschung, davon in einem Fall in Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren,
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in drei Fällen des Missbrauchs von Berufsbezeichnun-gen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

4. Der Beschwerdeführer hat die
Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Fälschung beweiserhebli-cher Daten in 434 Fällen, Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfäl-schung in vier Fällen,
versuchter Steuerhinterziehung in Tateinheit mit [X.] in zwölf Fällen, Urkundenfälschung in zwölf Fällen, davon in ei-nem Fall in Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren, sowie wegen drei-zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
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Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner zunächst unbeschränk-ten und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, die er hin-sichtlich der Fälle 1 und 464 der Urteilsgründe wirksam zurückgenommen hat. Im verbleibenden Umfang hat sie lediglich den aus der [X.] ersicht-lichen Teilerfolg.

I.
Dem Angeklagten ist gegen die von ihm erkennbar nicht verschuldete Versäumung der Frist zur Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§
44 Satz
1 StPO).
Die Zustellung des angefochtenen Urteils an die Wahlverteidigerin ist erst am 6. Februar 2012 verfügt und sodann bewirkt worden (Band [X.], [X.].
3010 Rücks.), mithin nach Ablauf der durch wirksame Zustellung an den Pflichtverteidiger am 5.
Januar 2012 (Band [X.]. [X.]. 2986) in Gang gesetzten [X.], und konnte daher eine neue Frist nicht in Gang set-zen (vgl. [X.], Beschluss vom 17.
September 2008 -
1 [X.], [X.], 509). Die zuvor erfolgte formlose Übersendung von Kopien des Urteils und des Protokolls (Bd. [X.], [X.]. 3006 Rücks.) ist keine Zustellung, die gemäß §
37 Abs. 2 StPO (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 30.
August 1990 -

3 [X.], [X.]R StPO §
345 Abs.
1 Fristbeginn
4) die [X.] hätte verlängern können.
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II.
Die Revision des Angeklagten führt in drei Fällen zu einer Beschränkung der Strafverfolgung gemäß §
154a Abs.
2 StPO und hat den aus der [X.] ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der [X.] keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten (§ 349 Abs. 2 StPO)
ergeben. Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
1. In den [X.], 463 und 465 beschränkt der Senat mit Zustimmung des [X.] gemäß § 154a Abs. 2 StPO die Strafverfolgung aus prozessökonomischen Gründen auf den Vorwurf des Missbrauchs von Berufs-bezeichnungen gemäß § 132a Abs. 1 Nr. 2 StGB.
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen erreichte der Angeklagte,
der zu keiner [X.] über eine Zulassung als Rechtsanwalt verfügte, in zwei Fällen unter Verwendung eines von ihm gefälschten Anwaltsschreibens -
UA S.
22] der Urteilsgründe), dass ihm Akten zu zwei ihn selbst betreffenden Ermittlungsverfahren (u.a. wegen des [X.] der Steuerhinterziehung) ausgehändigt wurden. In einem weiteren Fall wurde ihm aufgrund persönlicher Vorsprache beim Amtsgericht, bei der er sich als Rechtsanwalt ausgab, die Akte zu einem ihn betreffenden Bußgeldverfah-ren überlassen (Fall 465 der Urteilsgründe). Der Angeklagte gab keine dieser

Zutreffend hat das [X.] dies jeweils als ein Vergehen des [X.] von Berufsbezeichnungen gemäß § 132a Abs. 1 Nr. 2 StGB gewertet. Ob sich der Angeklagte wegen dieses Sachverhalts darüber hinaus
schon des-wegen
der Urkundenunterdrückung (§ 274 Abs.
1 Nr.
1 StGB) strafbar gemacht 5
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hat,
weil (entgegen [X.], Beschluss vom 15. Juli 2010 -
4
StR 164/10, NStZ-RR 2011, 276 mwN)
die Absicht der Vereitelung des staatlichen Strafanspruchs von dieser Vorschrift erfasst ist
(vgl. mit beachtlichen Argumenten bereits [X.] NStZ 1993, 16, 18
f.; auch [X.] in [X.]/[X.]/Paeffgen, StGB, 3.
Aufl., § 274 Rn. 12 ff.), bedarf mit [X.]ick auf die Verfahrensbeschrän-kung ebenso wenig einer abschließenden Entscheidung wie die Frage, ob das Verhalten des Angeklagten in diesen Fällen auch einen Verwahrungsbruch (§
133 StGB) darstellt, wie der [X.] in seiner Antragsschrift ausführt (vgl. aber [X.] in [X.]/[X.]/Paeffgen, StGB, 3. Aufl., §
133 Rn. 14).

b) Der Senat setzt -
in Übereinstimmung mit dem Antrag des [X.] -
die Einzelstrafen in den genannten Fällen gemäß § 354 Abs. 1 StPO auf die [X.] von einem Monat fest. Angesichts der mehr als vierhundert weiteren von der [X.] verhängten [X.] ist auszuschließen, dass die [X.] eine Geldstrafe verhängt hätte.
2. Die Feststellungen zu den Fällen 2 bis 434 der Urteilsgründe -
der An-geklagte übermittelte jeweils selbst erstellte elektronische Lohnsteuerbeschei-nigungen für von ihm erfundene
Personen mit fiktiven Arbeitsverhältnissen und fiktiven Lohnsteuerzahlungen an Finanzämter -
belegen im Hinblick auf Doppel-
und Dreifachnennungen der angeblichen Aussteller in den Urteilsgründen ins-gesamt nur 420 Fälle der Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB).
Die hierdurch erforderliche Korrektur des Schuldspruchs zieht den Weg-fall der Einzelstrafen in den [X.], 120, 219, 226, 349, 360, 362, 363, 370, 376, 377, 386, 414 und 415 der Urteilsgründe nach sich.
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3. Nach den Feststellungen des [X.]s zu den Fällen 436 bis 451 der Urteilsgründe gab der Angeklagte für die vorgeblichen Arbeitnehmer (s.o. 2.) zunächst auf elektronischem Weg ([X.]) und jeweils wenige Tage [X.] in Papierform eine Einkommensteuererklärung ab. In vier Fällen erreichte er so aufgrund der Anrechnung vermeintlich abgeführter Lohnsteuer ungerechtfer-tigte Auszahlungen
an sich, in zwölf weiteren Fällen kam es wegen entdeckter Unstimmigkeiten in den Steuererklärungen zu keiner Auszahlung.
Zutreffend hat das [X.] dies jeweils als Steuerhinterziehung bzw. versuchte Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung gewertet. Soweit es den Angeklagten in diesen Fällen nicht auch wegen Fälschung [X.] Daten (§
269 StGB) verurteilt hat, ist er jedenfalls nicht [X.] (zu den Konkurrenzen vgl. einerseits Kühl in [X.], StGB, 27.
Aufl., § 269 Rn. 12; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], StGB, 28. Aufl., §
269 Rn.
25; [X.] in [X.]/[X.], StGB, § 269 Rn. 12; andererseits Zieschang in [X.], 12.
Aufl., § 269 Rn. 29 ff.; [X.] in Kind-häuser/[X.]/Paeffgen, StGB, 3. Aufl., §
269 Rn. 39 ff.; [X.], StGB, 59.
Aufl., § 269 Rn. 12; ausführlich auch [X.], [X.] 115 [2003], 26 ff.); der Senat sieht insoweit von der vom [X.] beantragten Schuld-spruchänderung ab.
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4. Der Wegfall und die Herabsetzung von Einzelstrafen lässt die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe unberührt. Der Senat schließt angesichts der verblei-benden Vielzahl von Einzelstrafen und deren Höhe (vier [X.] von je einem Jahr und zwei Monaten, 442 [X.] von je acht Monaten, zwei [X.] von je sechs Monaten und drei Einzelfrei-heitsstrafen von -
nunmehr -
je einem Monat) aus, dass das [X.] auf eine noch mildere Gesamtfreiheitsstrafe als eine solche von zwei Jahren und neun Monaten erkannt hätte.
VRi[X.] Nack kann wegen
Urlaubs nicht unterschreiben.

[X.][X.]Graf

Jäger

Cirener
14

Meta

1 StR 238/12

27.07.2012

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.07.2012, Az. 1 StR 238/12 (REWIS RS 2012, 4199)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4199

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