Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.01.2016, Az. IX ZR 84/13

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 17333

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:210116UIXZR84.13.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL

IX ZR 84/13

Verkündet am:

21. Januar 2016

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 133 Abs. 1
Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung können auch dann unter dem Gesichtspunkt der erkannten drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu bejahen sein, wenn der Schuldner im [X.]punkt der angefochte-nen Handlung noch uneingeschränkt zahlungsfähig ist, aber bereits feststeht, -
2
-
dass Fördermittel, von denen eine kostendeckende Geschäftstätigkeit abhängt, alsbald nicht mehr gewährt werden.

[X.], Urteil vom 21. Januar 2016 -
IX ZR 84/13 -
OLG [X.]

[X.]

Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 2015
durch [X.] [X.],
[X.] Dr. Gehrlein, [X.], die Richterin [X.] und den Richter Dr.
Schoppmeyer

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 28. Februar 2013 auf-gehoben.

Die Berufung der [X.]n gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des [X.] vom 4. April 2012 wird [X.].

Die [X.] hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen

-
3
-

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem
auf Antrag vom 29. September 2006 am 1. Januar 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der N.

GmbH & Co.

KG, einer [X.] in der Form eines geschlossenen Immobilienfonds (fortan: Schuldnerin). Gegenstand des Unternehmens
der Schuldnerin war die [X.] und Unterhaltung von Wohn-
und Geschäftshäusern im Bereich des [X.] in [X.]. Das Geschäftsmodell der Schuldnerin beruhte darauf, dass die Differenz zwischen den durch die Mieten erzielbaren Einnah-men und den höheren Kosten durch Fördermittel des Landes [X.] ausgegli-chen wurde. Die Grundförderung war für 15 Jahre
fest zugesagt, eine An-schlussförderung für weitere 15 Jahre in Aussicht gestellt. Am 4. Februar 2003 beschloss der [X.]er Senat, aus Gründen der Haushaltskonsolidierung keine Anschlussförderung zu gewähren. Hierüber und über eingeleitete Maßnahmen zur Abwendung der drohenden Insolvenz informierte die Schuldnerin mit Schreiben vom 15. September 2003 die Rechtsvorgängerin der beklagten Bank (künftig: die [X.]), bei der die Schuldnerin im Jahr 1990 Finanzierungsdar-lehen aufgenommen hatte. Im Mai 2005 übersandte die Schuldnerin der [X.] ihren Geschäftsbericht für das [X.], in dem auf den Ablauf der Förderung zum 28.
Februar 2007 und darauf hingewiesen wurde, dass ohne öffentliche Förderung in absehbarer [X.] danach die Insolvenz kaum zu vermei-den sei. Ein entsprechender Hinweis erfolgte erneut im Geschäftsbericht für das [X.], den die Schuldnerin der [X.]n im November 2005 übersandte. Durch Urteil vom 11.
Mai 2006 bestätigte das [X.], wie schon zuvor das Verwaltungs-
und das Oberverwaltungsgericht, die Rechtmä-ßigkeit des Beschlusses
des [X.]er Senats
über die Einstellung der Förde-rung.
1
-
4
-

Am 16.
Juni 2006 zog die [X.] im Lastschriftverfahren fällige Zins-
und Tilgungsleistungen in Höhe von insgesamt 231.886,28

der Schuldnerin bei einer anderen Bank ein. Am 7.
September 2006 übersandte die Schuldnerin der [X.]n ein von einem externen Unternehmen am 22.
August 2006 erstelltes Sanierungskonzept. Daraus ergab sich, dass im Jahr 2007 mit Einnahmen von 1.133.000

.455.000

h-nen war. Die in dem Konzept vorgeschlagene Sondertilgung von
Darlehen durch Nachzahlungen der Gesellschafter lehnten diese in der Gesellschafter-versammlung vom 15.
September 2006 ab.

Der Kläger begehrt unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Insolvenz-anfechtung die Erstattung des im Juni 2006 eingezogenen Betrags von 231.886,28

. Seine Klage
hat beim [X.] mit Ausnahme der Anwaltskosten Erfolg gehabt. Auf die Beru-fung der [X.]n hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des Urteils des [X.]s.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie
führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung der [X.]n.

I.

2
3
4
-
5
-

Das Berufungsgericht hat gemeint, die Lastschriftzahlungen
seien
nicht nach §
133 Abs.
1 [X.] anfechtbar. Es könne offen bleiben, ob die Schuldnerin mit dem Vorsatz gehandelt habe, ihre Gläubiger zu benachteiligen. Jedenfalls könne nicht festgestellt werden, dass die [X.] einen solchen Vorsatz der Schuldnerin gekannt habe. Wegen der Einstellung der öffentlichen Förderung zum 28.
Februar 2007 habe der Schuldnerin zwar Zahlungsunfähigkeit gedroht. Dies sei der [X.]n auch bekannt gewesen. Unter Würdigung sämtlicher Umstände könne daraus aber nicht geschlossen werden, dass die [X.] Kenntnis von einem Gläubigerbenachteiligungswillen
der Schuldnerin gehabt habe. Zugunsten der [X.]n greife die Rechtsprechung des [X.] ein, wonach von einer Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes bei einem mit der Abwicklung des Zahlungsverkehrs beauftragten Kreditinstitut we-gen seiner Verpflichtung zur Ausführung von Zahlungsaufträgen nur dann aus-gegangen werden könne, wenn das Kreditinstitut im Zuge der Verfolgung eige-ner Interessen in eine vom Schuldner angestrebte Gläubigerbenachteiligung eingebunden sei und deshalb nicht als reine Zahlstelle fungiere. An einem sol-chen kollusiven Zusammenwirken fehle es hier. Zum [X.]punkt der [X.] am 16.
Juni 2006 habe die [X.] auch nicht davon ausgehen müssen, dass sich die drohende Zahlungsunfähigkeit zwingend realisieren müsse. Erst am 15.
September 2006, als die Gesellschafter das Sanierungs-konzept abgelehnt hätten, habe
festgestanden, dass die Zahlungsunfähigkeit nicht mehr habe abgewendet werden können. Für die Kenntnis der [X.]n von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin könne es im Übrigen nicht allein auf die Kenntnis vom künftigen Wegfall der Fördergelder ankommen. Maßgeblich sei vielmehr darauf abzustellen, ob es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten, fälligen Ansprüchen gegeben habe. [X.] die Bank fällige Beträ-ge von einem Konto
des Schuldners mit offener Kreditlinie ein, fehle es an [X.]
-
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-
reichenden Anhaltspunkten für ein Zusammenwirken mit dem Schuldner zum Nachteil der Gläubiger.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Feststellung des Berufungsgerichts, die [X.] habe einen Gläubigerbenach-teiligungsvorsatz der Schuldnerin nicht gekannt, beruht, wie die Revision mit Recht rügt, auf Rechtsfehlern.

1. Nach § 133 Abs.
1 Satz
2 [X.] wird die Kenntnis des Anfechtungs-gegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet, wenn er wuss-te, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der Schuldnerin zum [X.]punkt der angefochtenen Rechtshandlung Zahlungsunfä-higkeit drohte und die [X.] davon
wusste. Dann musste es auch davon ausgehen, dass die [X.] die gläubigerbenachteiligende Wirkung der Last-schriftzahlungen
kannte und die Vermutungsregel des §
133 Abs.
1 Satz 2 [X.] deshalb anzuwenden war. Denn wenn ein
Schuldner, wie
es hier der Fall war,
unternehmerisch tätig ist, muss stets damit gerechnet werden, dass weitere Verbindlichkeiten bei anderen Gläubigern existieren oder entstehen, die nicht in gleichem Maß bedient werden können ([X.], Urteil vom 13.
August 2009
-
IX
ZR 159/06, [X.], 1943 Rn. 14; vom 15.
März 2012 -
IX ZR 239/09, [X.], 711 Rn. 12).

Die Vermutung des §
133 Abs.
1 Satz 2 [X.] bewirkt eine Umkehr der Beweislast. Ist der Vermutungstatbestand gegeben, obliegt dem
Anfechtungs-6
7
8
-
7
-
gegner der Gegenbeweis. Er muss darlegen und beweisen, dass er
nichts von einem Benachteiligungsvorsatz wusste ([X.], Urteil vom 15.
März 2012, aaO Rn.
14).
Dies schließt nicht aus, dass der Tatrichter aufgrund der gesamten Umstände die Überzeugung gewinnt, dass dem [X.] der Be-nachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht bekannt war. Er muss bei dieser Würdigung aber die in der gesetzlichen Regelung des §
133 Abs.
1 Satz 2 [X.] zum Ausdruck kommende starke indizielle Bedeutung der Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners angemessen berücksichtigen.

2. Das Berufungsurteil lässt nicht zweifelsfrei erkennen, ob das [X.] davon überzeugt war, dass die [X.] keine Kenntnis von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hatte. Sofern das Berufungsgericht zu einer solchen Überzeugung gekommen sein sollte, beruhte dies aber auf einem Rechtsfehler.

Die revisionsrechtliche Kontrolle der dem Tatrichter bei der Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung obliegenden Gesamt-würdigung beschränkt sich darauf, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des §
286 ZPO mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt ([X.], Urteil vom 12.
Februar 2015 -
IX
[X.], [X.], 591 Rn.
15 mwN). Ein solcher Verstoß liegt jedoch vor. Das Berufungsgericht hat
sich
bei seiner Wür-digung maßgeblich auf die Erfahrungssätze gestützt, die nach der Rechtspre-chung des Senats für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung von Zahlungen des Schuldners gegenüber Leistungsmittlern wie der das Konto des Schuldners führenden Bank gelten. In solchen Fällen kann eine Kenntnis der Bank von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners regelmäßig nicht 9
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-
8
-
angenommen werden, sofern sich die Bank auf ihre Funktion als Zahlstelle be-schränkt und nicht im Eigen-
oder Fremdinteresse aktiv an einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung des Schuldners teilnimmt ([X.], Urteil vom 26.
April 2012 -
IX
ZR 74/11, [X.]Z 193, 129 Rn.
21
ff; vom 24.
Januar 2013 -
IX
ZR 11/12, [X.], 361 Rn.
30
ff). Diese Erfahrungssätze sind hier nicht anwend-bar, weil die [X.] nicht als Leistungsmittlerin bei der Ausführung eines ihr von der Schuldnerin erteilten Zahlungsauftrags tätig geworden ist, sondern
als Gläubigerin von einer Ermächtigung der Schuldnerin Gebrauch gemacht hat, eine eigene Forderung von einem Konto der Schuldnerin bei einer anderen Bank einzuziehen.

III.

Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es ist [X.] (§
562 Abs.
1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und
nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat selbst [X.] (§
563 Abs.
3 ZPO). Die Berufung der [X.]n ist zurückzuweisen, weil das [X.] den geltend gemachten [X.] nach §
143 Abs. 1, §
133 Abs.
1 [X.]
mit Recht bejaht hat.

1. [X.] nach §
133 Abs.
1 [X.] ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des [X.] oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur [X.] der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.
Als
Rechtshandlung der Schuldnerin kommt bei einem Lastschrifteinzug
im Wege des Einzugsermächtigungsverfah-11
12
-
9
-
rens
die
Genehmigung der Lastschriftbuchung
durch die Schuldnerin in [X.]. Bei einer Zahlung im Abbuchungsauftragsverfahren handelte die Schuldnerin durch Erteilung dieses Auftrags.

2. Der für die Beurteilung der [X.]keit maßgebliche [X.]punkt
be-stimmt sich nach dem Eintritt der rechtlichen Wirkungen der Zahlungen (§
140 Abs.
1 [X.]). Wirksam wurden die [X.] frühestens am 16.
Juni 2006, dem [X.] (im Falle eines Abbuchungsauftrags mit sofortiger Einlösung, vgl. [X.], Urteil vom 17.
Januar 2013 -
IX ZR 184/10, [X.], 315 Rn.
8) und spätestens mit
dem
Eintritt
der Genehmigungsfiktion nach Nr.
7 Abs.
3 AGB-Banken aF (bei einer Abbuchung im [X.] ohne vorherige ausdrückliche oder konkludente Genehmigung der Schuld-nerin; vgl. [X.], Urteil vom 19.
Januar 2012 -
IX
ZR 2/11, [X.]Z 192, 221 Rn.
23 mwN); letzteres dürfte etwa
Mitte August 2006 der Fall gewesen sein. Der [X.]punkt liegt jedenfalls innerhalb des [X.] von zehn Jahren vor dem Eröffnungsantrag.

3. Die Lastschriftzahlungen haben die übrigen Gläubiger der Schuldnerin wegen des damit verbundenen [X.] objektiv benachteiligt (§
129 Abs.
1 [X.]). Ohne Belang ist, ob es bereits gegenwärtig weitere Gläu-biger mit ungedeckten Forderungen gab oder die Schuldnerin zunächst noch alle Gläubiger mit fälligen Forderungen befriedigen konnte. Denn im Rahmen des §
133 Abs.
1 [X.] genügt eine mittelbare, durch das spätere Hinzutreten weiterer Umstände begründete Gläubigerbenachteiligung
(etwa [X.], Urteil vom 26.
April 2012 -
IX
ZR 146/11, [X.], 1131 Rn. 19, 22). Solche Um-stände liegen in der
späteren Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens,
in dem re-gelmäßig [X.] nicht vollständig befriedigt werden (vgl. [X.], Urteil vom 20.
Februar 2014 -
IX
ZR 164/13, [X.]Z 200, 210 Rn. 20).
13
14
-
10
-

4. Die Schuldnerin handelte mit dem Vorsatz, ihre Gläubiger zu benach-teiligen. Hierfür genügt es, wenn der Schuldner die Benachteiligung der [X.] als mutmaßliche Folge seiner Handlung erkennt und billigt. Nach der gefes-tigten Rechtsprechung des Senats stellt nicht nur die bereits eingetretene, son-dern auch die lediglich drohende Zahlungsunfähigkeit ein starkes Beweisanzei-chen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners dar, wenn sie von [X.] zum [X.]punkt der angefochtenen Rechtshandlung erkannt worden ist. Denn der Schuldner muss in diesem Fall damit rechnen, dass er nicht sämtliche Gläubiger befriedigen können wird. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn eine kongruente Leistung angefochten wird ([X.], Urteil vom 8.
Januar 2015
-
IX
ZR 198/13, [X.], 293 Rn. 9 mwN).

Im Streitfall war der Schuldnerin in dem maßgeblichen [X.]raum zwi-schen Mitte Juni und Mitte August 2006 klar, dass die öffentliche Förderung, von der ihre Zahlungsfähigkeit abhing, mit Ablauf des Monats Februar
2007 endete. Damit wusste sie auch, dass sie ab März 2007 schon jetzt bestehende, aber noch nicht fällige Zahlungspflichten, etwa aus Darlehen, nicht mehr voll-ständig erfüllen
konnte, mithin dass ihr die Zahlungsunfähigkeit im Sinne von §
18 Abs. 2 [X.] drohte.
In einem solchen Fall handelt der Schuldner nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn konkrete Umstände nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann ([X.], Urteil vom 8.
Januar 2015, aaO; vom 12.
Februar 2015 -
IX [X.], [X.], 591 Rn.
31 mwN). Solche Um-stände gab es zu dem [X.]punkt, als die Lastschrifteinzüge wirksam wurden -
spätestens Mitte August 2006
-,
nicht. Der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bei
Auslaufen der öffentlichen Förderung konnte nur vermieden werden, wenn die dann
sicher
zu erwartende Unterdeckung
durch Zuführung neuen Kapitals oder durch eine deutliche Verringerung der Verbindlichkeiten, etwa durch einen teil-15
16
-
11
-
weisen Forderungsverzicht
der Hauptgläubiger, beseitigt werden konnte. Hierfür gab es keine
konkreten Anhaltspunkte. Erst am 22.
August 2006 wurde von dem damit beauftragten Unternehmen ein Sanierungskonzept vorgelegt. Auch danach war aber völlig offen, ob es zu der in dem Konzept vorausgesetzten [X.] durch Nachzahlungen der Gesellschafter kommen würde. Die Abwendbarkeit der Zahlungsunfähigkeit lag weiterhin nicht nahe.

Der Sanierungsversuch auf der Grundlage des Konzepts vom 22.
August 2006 erfüllte
im Übrigen auch nicht die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung die drohende Zahlungsunfähigkeit ihre Bedeutung als Beweis-anzeichen für einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners verlieren kann. Ist die angefochtene Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs, kann dies dafür sprechen, dass sich der Schuldner von einem anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen hat leiten lassen. Es muss dann aber zu der [X.] der angefochtenen Handlung ein schlüssiges Sanierungskonzept vorgelegen haben, das mindestens in den An-fängen schon in die Tat umgesetzt
wurde und beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigte ([X.], Urteil vom 21.
Februar 2013 -
IX
ZR 52/10, [X.], 763 Rn. 11). Diese Voraussetzungen waren hier nicht gegeben. Weder lag das Sanierungskonzept zum [X.]punkt der angefoch-tenen Handlungen bereits vor noch war mit seiner Umsetzung begonnen, und im Hinblick auf die erforderliche, aber sehr fragliche Mitwirkung der [X.] bot das Konzept auch keine ausreichende Erfolgsaussicht.

5. Die [X.] kannte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis ist hier gemäß §
133 Abs.
1 Satz 2 [X.] zu vermuten. Wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, wusste die [X.], dass die 17
18
-
12
-
Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin drohte. Bereits im [X.] hatte die Schuldnerin die Rechtsvorgängerin der [X.]n über
den Beschluss des [X.] Senats
informiert, nach dem keine Anschlussförderung gewährt werden würde. Aus den im Mai und November 2005 übersandten Geschäftsberichten der Schuldnerin für die Jahre 2003
und 2004
war der [X.]n bekannt, dass die öffentliche Förderung des Unternehmens der Schuldnerin mit Ablauf des Monats
Februar 2007 endete und die Insolvenz in absehbarer [X.] danach kaum zu vermeiden war. Ob sie zum [X.]punkt des Wirksamwerdens der Last-schrifteinzüge bereits
von dem Urteil des [X.]s vom 11.
Mai 2006 erfahren hatte, durch das die Rechtmäßigkeit des Beschlusses des [X.]er Senats über die Beendigung der Förderung bestätigt worden war, kann dahinstehen. Denn es ist nicht festgestellt, dass der [X.]n überhaupt die gerichtliche Anfechtung dieses Beschlusses bekannt war; dann hatte sie auch keinen Grund, vor der letztinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung am rechtlichen Bestand des angefochtenen Beschlusses zu zweifeln. Ebenso
we-nig ist festgestellt, dass die [X.] zum maßgeblichen [X.]punkt von einem konkreten Sanierungsplan wusste. Selbst wenn sie aber bereits Kenntnis von dem am 22.
August 2006 erstellten Sanierungskonzept gehabt hätte, stellte dies ihr Wissen von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht in Frage, weil die Durchführbarkeit der Sanierung nach dem Konzept von Nach-zahlungen der Gesellschafter abhängig war, mit denen
im Hinblick auf die struk-turelle Unwirtschaftlichkeit des Geschäftsmodells ohne staatliche Subventionen
nicht gerechnet werden konnte.
Im Blick auf die unternehmerische Tätigkeit der Schuldnerin wusste die [X.] auch, dass die Schuldnerin zumindest in der Zukunft weitere Gläubiger haben würde, die durch die [X.] wurden.

19
-
13
-

Die danach zu vermutende Kenntnis der [X.]n vom Vorsatz der Schuldnerin kann nicht aufgrund der Gesamtumstände als widerlegt betrachtet werden. Insbesondere erlaubt der Umstand, dass die Schuldnerin zum [X.]-punkt der angefochtenen Handlungen noch uneingeschränkt zahlungsfähig war und erst zu einem bestimmten in der Zukunft liegenden [X.]punkt aufgrund des Wegfalls der öffentlichen Förderung zahlungsunfähig zu werden drohte, keine andere Beurteilung. In einem solchen Fall kann die Erwartung gerechtfertigt sein, dass der Schuldner auch weiterhin bis zum Eintritt der Zahlungsunfähig-keit
alle Gläubiger befriedigen kann. Es liegt aber auf der Hand, dass der Schuldner danach
die dann fälligen Forderungen nicht mehr vollständig erfüllen kann. Dass der Schuldner diese später
eintretende Gläubigerbenachteiligung zum [X.]punkt seiner Leistung an den [X.] nicht in Kauf nimmt, kann der [X.] nur dann annehmen, wenn ihm Umstände [X.] sind, die
darauf schließen lassen, dass in der verbleibenden [X.] entwe-der die Zahlungsunfähigkeit abgewendet oder auf andere Weise eine [X.]benachteiligung vermieden werden kann, etwa durch die rechtzeitige [X.] des Geschäftsbetriebs unter Befriedigung
aller Gläubiger. Liegt der [X.]punkt, zu dem der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit droht, noch in weiter Fer-ne, mögen an die Darlegung und den Nachweis solcher Umstände geringere Anforderungen zu stellen sein. Im Streitfall
aber gab es für die [X.] keinen Grund anzunehmen, die Schuldnerin gehe davon aus, trotz der an die [X.] geleisteten Zahlungen auch künftig
sämtliche Gläubiger befriedigen zu können. Sie wusste, dass die öffentliche Förderung, die eine kostendeckende Ge-schäftstätigkeit der Schuldnerin erst ermöglichte, auslief. Es blieben bis zu [X.] [X.]punkt nur noch rund acht Monate, und konkrete Maßnahmen für eine

-
14
-
erfolgversprechende Sanierung hatte ihr die Schuldnerin ebenso
wenig mitge-teilt wie Pläne, den
Geschäftsbetrieb rechtzeitig vor dem Ende der Förderungs-dauer zu beenden.

Kayser
Gehrlein
[X.]

[X.]
Schoppmeyer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.04.2012 -
2-24 O 208/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 28.02.2013
-
3 U 122/12 -

Meta

IX ZR 84/13

21.01.2016

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.01.2016, Az. IX ZR 84/13 (REWIS RS 2016, 17333)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17333

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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