Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.10.2015, Az. 3 B 31/15

3. Senat | REWIS RS 2015, 3615

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Gegenstand

Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen Nichtvorlage medizinisch-psychologischen Gutachtens


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des [X.] vom 24. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 17 500 € festgesetzt.

Gründe

1

Die [X.]eschwerde des [X.], der sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis wegen Nichtvorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens wendet (§ 11 [X.]bs. 8 i.V.m. § 13 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.]uchst. [X.]. 2 FeV), hat keinen Erfolg. Weder kommt der Rechtssache die von ihm geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung zu (§ 132 [X.]bs. 2 Nr. 1 VwGO) noch liegt der behauptete Verfahrensfehler vor (§ 132 [X.]bs. 2 Nr. 3 VwGO).

2

1. Im November 2010 teilte der [X.]hefarzt der Klinik für psychische Erkrankungen des [X.] dem [X.]eklagten mit, der Kläger sei dort in den Jahren von 2006 bis 2010 mehrfach nach [X.]türzen in volltrunkenem Zustand (2006: [X.] von 3 Promille; 2007: [X.] von 3,9 Promille; 2010: [X.] von 2,4 Promille) stationär aufgenommen worden. Der Kläger leide nach ihrer [X.]eurteilung an [X.]lkoholabhängigkeit mit Kontrollverlust; [X.]namnese und [X.]efunde begründeten erhebliche Zweifel am sicheren Führen von Kraftfahrzeugen im [X.]traßenverkehr. Der Kläger habe trotz entsprechender Hinweise angekündigt, seine Tätigkeit als Kurierfahrer weiterhin ausüben zu wollen. Deshalb bitte er um Überprüfung der Fahreignung des [X.].

3

Darauf forderte der [X.]eklagte, gestützt auf § 13 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.]uchst. [X.]. 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV), den Kläger nach [X.]nhörung und persönlicher Vorsprache mit [X.]chreiben vom 8. Februar 2011 auf, "ein Gutachten einer amtlich anerkannten [X.]egutachtungsstelle beizubringen". Davon setzte der [X.]eklagte den Prozessbevollmächtigten des [X.] mit einem weiteren [X.]chreiben vom 3. Februar 2011 in Kenntnis und erläuterte [X.]nlass und Gegenstand dieses Gutachtens. Das Gutachten brachte der Kläger nicht bei. Daraufhin entzog ihm der [X.]eklagte mit [X.]escheid vom 29. [X.]eptember 2011 nach erneuter [X.]nhörung unter [X.]nordnung des [X.] die Fahrerlaubnis der Klassen [X.], [X.], [X.], [X.]E, [X.], [X.]1, [X.]1E, [X.]E, M, L, [X.] und [X.] Im Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wurde den [X.]eteiligten vom Oberverwaltungsgericht ein Vergleichsvorschlag unterbreitet. Darin wurde dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt, ungeachtet der [X.] im [X.]escheid vom 29. [X.]eptember 2011 bis zum 22. März 2012 ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu der im [X.]chreiben vom 8. Februar 2011 formulierten Frage beizubringen; der [X.]eklagte werde den [X.]escheid unverzüglich aufheben, wenn sich aus dem Gutachten die uneingeschränkte Fahreignung des [X.] ergebe. Diesem Vergleich stimmten Kläger und [X.]eklagter jeweils schriftlich zu. Mit [X.]chreiben vom 29. Februar 2012 forderte der [X.]eklagte den Kläger erneut zur Vorlage eines Fahreignungsgutachtens auf. [X.]uch dieser [X.]ufforderung kam der Kläger, der sich der [X.]egutachtung unterzogen hatte, nicht nach. Der Widerspruch des [X.] wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2013 zurückgewiesen.

4

Das Verwaltungsgericht hat die [X.]escheide mit Urteil vom 2. [X.]pril 2013 aufgehoben. Die [X.] könne nicht auf § 11 [X.]bs. 8 FeV gestützt werden; die Gutachtensanforderung in den [X.]chreiben vom 8. Februar 2011 genüge nicht den formellen [X.]nforderungen des § 11 [X.]bs. 6 FeV, da dort keine hinreichend konkrete Frage formuliert worden sei. [X.]ußerdem sei dem Kläger nicht mitgeteilt worden, dass er die der [X.]egutachtungsstelle zu übersendenden Unterlagen einsehen könne. [X.]uf die [X.]erufung des [X.]eklagten hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil gemäß § 130a [X.]atz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch [X.]eschluss vom 24. Februar 2015 geändert und die Klage abgewiesen. Die Frage, ob die Gutachtensanforderung materiellrechtlichen [X.]edenken begegne, könne dahingestellt bleiben; denn der Kläger habe sich in einem rechtswirksam zustande gekommenen [X.] verpflichtet, sich einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zum Vorliegen von [X.]lkoholmissbrauch zu unterziehen und dieses Gutachten bis zum 22. März 2012 vorzulegen; er habe das aber nicht getan. [X.]ber auch unabhängig von diesem Vergleich begegne die Gutachtensanforderung keinen materiellrechtlichen [X.]edenken; sie sei anlassbezogen und verhältnismäßig. Gegen die Rechtmäßigkeit der [X.]ufforderung spreche nicht, dass der [X.]eklagte die Zweifel an der Fahrtauglichkeit des [X.] auf die ihm übermittelten ärztlichen Hinweise gestützt habe; sie hätten keinem Verwertungsverbot unterlegen. Die Frage, ob die [X.]ufforderung vom 8. Februar 2011 den formellen [X.]nforderungen des § 11 [X.]bs. 6 FeV genügt habe, stelle sich nicht; der Kläger habe sich in einem rechtswirksamen [X.] zur Untersuchung und [X.]eibringung des in Rede stehenden medizinisch-psychologischen Gutachtens verpflichtet und zwar ungeachtet dessen, ob sich die vorangegangene [X.]nordnung des [X.]eklagten als formell rechtmäßig erweise. [X.]us demselben Grund könne außerdem auf sich beruhen, ob die [X.] trotz eines Mangels in der [X.]ufforderung vom 8. Februar 2011 den [X.]nforderungen des § 11 [X.]bs. 6 FeV deswegen genüge, weil dem Kläger die vom Gutachter zu beantwortende Frage bei einer Vorsprache erläutert worden sei; ob das ausgereicht habe, müsse allerdings bezweifelt werden.

5

2. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche [X.]edeutung im [X.]inne von § 132 [X.]bs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Dabei kann offenbleiben, ob in der [X.]eschwerde die aus [X.]icht des [X.] zu klärende Frage in der nach § 133 [X.]bs. 3 [X.]atz 3 VwGO erforderlichen Weise klar und eindeutig formuliert wurde. [X.] man seiner Darstellung der obergerichtlichen Rechtsprechung sinngemäß, dass geklärt werden solle, ob § 13 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.]uchst. [X.]. 2 FeV in den Fällen [X.]nwendung finde, in denen ein [X.]lkoholmissbrauch in keinerlei Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder der Teilnahme am [X.]traßenverkehr stehe oder eine [X.]lkoholauffälligkeit außerhalb des [X.]traßenverkehrs aufgetreten sei, kann das die Zulassung der Revision schon deshalb nicht rechtfertigen, weil sich diese Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht in entscheidungserheblicher Weise stellen würde und sie somit nicht zu beantworten wäre. Das [X.]erufungsgericht hat die [X.]nwendbarkeit von § 11 [X.]bs. 8 FeV und damit die Rechtmäßigkeit der [X.] selbständig tragend damit begründet, dass sich der Kläger in einem rechtswirksamen [X.] zur [X.]eibringung des von ihm geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens verpflichtet habe, dieser Verpflichtung aber nicht nachgekommen sei. Ist eine gerichtliche Entscheidung nebeneinander auf mehrere jeweils selbständige tragende [X.]egründungen gestützt, so kann eine Revision nur dann zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser [X.]egründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr; vgl. u.a. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 4. [X.]pril 1981 - 8 [X.] 44.81 - [X.]uchholz 310 § 132 VwGO Nr. 197). Ungeachtet weiterer [X.]egründungselemente ist das jedenfalls hinsichtlich der genannten tragenden [X.]egründung nicht der Fall. [X.]bgesehen davon wäre in einem Revisionsverfahren zu berücksichtigen, dass die ärztliche [X.]tellungnahme, auf die der [X.]eklagte seine Zweifel an der Fahreignung des [X.] gestützt hat, sich nicht darauf beschränkt, solche Zweifel zu äußern, sondern den Kläger wegen einer "[X.]lkoholabhängigkeit mit Kontrollverlust" als fahruntauglich beurteilt; eine Einschätzung, die angesichts der bindend festgestellten Vorgeschichte, der wiederholten [X.]lkoholexzesse, ohne Weiteres nachvollziehbar ist und im Einklang mit Nr. 8.3 der [X.]nlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung steht. [X.]ei [X.]lkoholabhängigkeit ist es für die [X.]nnahme fehlender Fahreignung aber von vornherein ohne [X.]elang, ob die Vorfälle im Zusammenhang mit dem [X.]traßenverkehr geschehen sind.

6

3. [X.]uch soweit die [X.]eschwerde die Zulassung der Revision wegen eines [X.] (§ 132 [X.]bs. 2 Nr. 3 VwGO) "anregt", kann das nicht zur Revisionszulassung führen. Der Kläger sieht einen Verfahrensmangel darin, dass das [X.]erufungsgericht ohne mündliche Verhandlung im [X.]eschlusswege entschieden habe, obgleich er "seinen [X.]tandpunkt den [X.]enatsmitgliedern persönlich darlegen" wollte. Ein Verfahrensfehler ist insoweit nicht zu erkennen. Nach § 130a [X.]atz 1 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht über die [X.]erufung durch [X.]eschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen lagen hier vor und das [X.]erufungsgericht hat die Grenzen des ihm zustehenden weiten Ermessens nicht überschritten. Die [X.]ache wies keine außergewöhnlich großen [X.]chwierigkeiten in rechtlicher und/oder tatsächlicher Hinsicht auf und der Verzicht auf mündliche Verhandlung beruht auch sonst nicht auf sachfremden Erwägungen oder grober Fehleinschätzung (vgl. dazu [X.]VerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - 6 [X.] 28.03 - [X.]VerwGE 121, 211 <212 f.> und [X.]eschluss vom 20. Oktober 2011 - 2 [X.] 63.11 - [X.] 2012, 20 m.w.N.). Das [X.]erufungsgericht hatte die [X.]eteiligten gemäß § 130a [X.]atz 2 i.V.m. § 125 [X.]bs. 2 [X.]atz 3 bis 5 VwGO vorab unter dem 24. [X.]eptember 2014 darauf hingewiesen, dass es eine Entscheidung gemäß § 130a [X.]atz 1 VwGO beabsichtige und Gelegenheit zur [X.]tellungnahme bis zum 20. Oktober 2014 gegeben. Innerhalb dieser Frist ist seitens des [X.] keine [X.]tellungnahme erfolgt. Der beim [X.]erufungsgericht am 7. Januar 2015 eingegangene [X.]chriftsatz seines Prozessbevollmächtigten, in dem mitgeteilt wurde, dass der Kläger seinen [X.] persönlich in der mündlichen Verhandlung vortragen wolle, stand einer Entscheidung nach § 130a VwGO nicht entgegen. [X.]uch in der [X.]eschwerdebegründung wird nichts dazu ausgeführt, was der Kläger in einer mündlichen Verhandlung im Einzelnen noch hätte vortragen wollen und inwieweit das von [X.]edeutung für die gerichtliche Entscheidung gewesen wäre.

7

Die in der [X.]eschwerde in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, das [X.]erufungsgericht habe mit der eidesstattlichen Versicherung des zuständigen [X.]achbearbeiters des [X.]eklagten ein unzulässiges [X.]eweismittel verwertet, geht daran vorbei, dass es sich bei dem entsprechenden [X.]bschnitt des angegriffenen [X.]eschlusses um ein (weiteres) obiter dictum des [X.]erufungsgerichts handelt. Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof dort - zugunsten des [X.] - gerade in Frage gestellt, dass der in dieser eidesstattlichen Versicherung mitgeteilte Inhalt des zwischen ihm und dem [X.]achbearbeiter geführten Gesprächs genügt hat, um die [X.]nforderungen des § 11 [X.]bs. 6 FeV zu erfüllen.

8

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 [X.]bs. 2 VwGO; die Festsetzung des [X.]treitwertes beruht auf § 47 [X.]bs. 1 und 3 i.V.m. § 52 [X.]bs. 1 und 2 GKG.

Meta

3 B 31/15

21.10.2015

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 24. Februar 2015, Az: 3 L 166/13, Beschluss

§ 11 Abs 8 FeV 2010, § 13 S 1 Buchst a Alt 2 FeV 2010, Anl 4 Nr 8.3 FeV 2010

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.10.2015, Az. 3 B 31/15 (REWIS RS 2015, 3615)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3615

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11 CS 17.2466

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