Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.04.2013, Az. 1 StR 11/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2013, 6820

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Gegenstand

Strafverfahren: Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungssaal während der Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. September 2012 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung, sexuellen Missbrauchs von Kindern und Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt; zudem hat es zum Nachteil des Angeklagten eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Wegen eines weiteren Vorwurfs der sexuellen Nötigung hat es den Angeklagten freigesprochen. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts; der Teilfreispruch ist erkennbar vom Revisionsangriff ausgenommen.

2

Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

3

1. Mit Recht rügt die Verteidigung die Verletzung des § 338 Nr. 5 [X.], weil der Angeklagte bei der Entscheidung über die Entlassung der Zeugin    B.      , der Geschädigten im Fall 1 der Urteilsgründe, nicht im Sitzungssaal anwesend war. Zwar hatte das [X.] gemäß § 247 Satz 1 [X.] angeordnet, dass sich der Angeklagte für die Dauer der Vernehmung aus dem Sitzungssaal zu entfernen hat. Die Entscheidung über die Entlassung der Zeugin war indes nicht mehr Teil der Vernehmung, sondern bildete einen eigenständigen wesentlichen Bestandteil der Hauptverhandlung (vgl. [X.], Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 21. April 2010 - [X.], [X.]St 55, 87, 92), während dessen der Angeklagte nicht im Sitzungssaal anwesend war. Besondere Umstände, etwa eine [X.] in einen Nebenraum mit Gegensprechanlage, die dem Angeklagten während seiner Abwesenheit vom Sitzungssaal ermöglicht hätten, entweder seine Zustimmung zur Entlassung der Zeugin zu erklären oder sein Fragerecht weiter auszuüben (vgl. dazu [X.], Urteil vom 9. Februar 2011 - 5 StR 387/10, [X.], 534), lagen hier nicht vor. Auch ist der Fehler, der vom [X.] unbemerkt blieb, nicht im Laufe des weiteren Verfahrens geheilt worden (vgl. zur Möglichkeit einer Heilung [X.], Großer Senat für Strafsachen aaO S. 94).

4

2. Der Rechtsfehler führt - mit Ausnahme zum freisprechenden Teil - zur Aufhebung des Urteils insgesamt, also auch, soweit der Angeklagte in den Fällen 2. und 3. der Urteilsgründe wegen Taten zum Nachteil der Geschädigten       [X.]verurteilt worden ist.

5

Zwar darf auch bei einem absoluten Revisionsgrund von einer [X.] abgesehen werden, wenn und soweit ausnahmsweise das Beruhen des Urteils denkgesetzlich ausgeschlossen ist (vgl. hierzu [X.], [X.], 55. Aufl., § 338 Rn. 2 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des [X.]). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Das [X.] hat die [X.]und [X.]zwar zu unterschiedlichen Tatvorwürfen vernommen; diese Vorwürfe konnten jedoch nicht völlig isoliert voneinander beurteilt werden. Das zeigt sich hier bereits darin, dass das [X.] bei der Würdigung der Glaubhaftigkeit der Angaben beider Zeuginnen ausdrücklich in den Blick genommen hat, dass deren Aussagen bemerkenswerte Ähnlichkeiten hinsichtlich des Verhaltens des Angeklagten aufwiesen, obwohl sich die Zeuginnen nicht absprechen konnten (UA S.10).

Rothfuß                          Jäger                       Cirener

                   [X.]

Meta

1 StR 11/13

10.04.2013

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Konstanz, 24. September 2012, Az: 2 KLs 41 Js 18354/11

§ 247 StPO, § 338 Nr 5 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.04.2013, Az. 1 StR 11/13 (REWIS RS 2013, 6820)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6820

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5 StR 387/10

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