Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.11.2014, Az. 4 StR 385/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 1614

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Gegenstand

Strafverfahren wegen schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes: Verkündung eines Ausschließungsbeschlusses in Abwesenheit des Angeklagten


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 13. März 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten „wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und wegen sexuellen Missbrauchs von [X.] in drei Fällen" zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

2

Es liegt der absolute Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 [X.] vor.

3

1. Dem liegt Folgendes zu Grunde:

4

Im Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung am 13. März 2014 beantragte die Nebenklägervertreterin, den Angeklagten für die Dauer der Vernehmung der Geschädigten auszuschließen. Staatsanwaltschaft und Verteidigung stimmten dem zu. Der Angeklagte verließ daraufhin den Sitzungssaal. Die Sitzung wurde kurz unterbrochen und mit der Verkündung folgenden Beschlusses fortgesetzt: „Gemäß § 247 S. 2 [X.] wird der Angeklagte für die Dauer der weiteren Vernehmung der Zeugin      [X.]    ausgeschlossen, um einer Retraumatisierung entgegenzutreten und einen weiteren psychischen Schaden für die Zeugin zu verhindern." Anschließend wurde die Geschädigte ergänzend vernommen.

5

2. Mit Recht rügt der Angeklagte einen Verstoß gegen das Anwesenheitsrecht und die Anwesenheitspflicht des Angeklagten gemäß § 230 Abs. 1 [X.]. Seine Abwesenheit während der Verkündung des [X.] war gesetzwidrig und betraf einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung:

6

Wie von § 247 Satz 2 Fall 1 [X.] vorgegeben, hat das Gericht den Angeklagten (nur) für die Dauer der weiteren Vernehmung der Geschädigten ausgeschlossen (vgl. zur restriktiven Auslegung des Begriffs der Vernehmung [X.] -, Beschluss vom 21. April 2010 - [X.], [X.], 87, 89 f.). Die Verkündung des [X.] selbst gehört nicht zu diesem Verfahrensabschnitt. Er muss vielmehr in Anwesenheit des Angeklagten verkündet werden ([X.], Beschluss vom 20. August 1997 - 3 [X.], [X.], 120; [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26. Aufl., § 247 Rn. 28; vgl. auch [X.], Beschluss vom 25. April 1986 - 2 StR 86/86, [X.], 377; [X.], [X.] 2012, 289, 293 f. bei [X.]/Dreeßen).

7

Der Umstand, dass der Verteidiger des Angeklagten zuvor erklärt hatte, „dass der Angeklagte einverstanden sei, den Sitzungssaal zu verlassen, auch wenn dafür keine Notwendigkeit gesehen wird", steht dem Erfolg der Rüge nicht entgegen; denn das Recht des Angeklagten auf Teilnahme an der Hauptverhandlung ist unverzichtbar und darf nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen eingeschränkt werden ([X.], Beschlüsse vom 6. Februar 1991 - 4 StR 35/91, [X.]R [X.] § 338 Nr. 5 Angeklagter 18, und vom 27. November 1992 - 3 StR 549/92, [X.]R [X.] § 338 Nr. 5 Angeklagter 19).

8

3. Der Fall, dass ein Beruhen des Urteils auf dem [X.] denkgesetzlich ausgeschlossen wäre (vgl. [X.] aaO, § 247 Rn. 55 mwN), liegt hier nicht vor.

[X.][X.]

                           Mutzbauer                             [X.]

Meta

4 StR 385/14

05.11.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Detmold, 13. März 2014, Az: 4 KLs 63/13

§ 247 S 2 StPO, § 230 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.11.2014, Az. 4 StR 385/14 (REWIS RS 2014, 1614)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1614

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