Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.06.2014, Az. B 14 AS 72/13 B

14. Senat | REWIS RS 2014, 5086

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Revisionszulassung - Verfahrensmangel - Prozessurteil - Verwerfung der Berufung als unzulässig wegen Versäumung der Berufungsfrist


Tenor

Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in die Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 7. Februar 2013 - L 5 AS 626/12 - gewährt.

Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 7. Februar 2013 - L 5 AS 626/12 - wird dieser Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der im dauernden Leistungsbezug nach dem [X.] ([X.]) stehende Kläger, der schon mehrere Verfahren vor dem [X.] ([X.]) geführt und anhängig hatte, beantragte mit Schreiben vom [X.], eingegangen beim [X.] am 2.5.2012, das beklagte Jobcenter zur Zahlung von 5000 Euro für eine Wohnungsgrundausstattung entsprechend seinem Antrag vom 10.11.2011 an den Beklagten zu verurteilen, zumal sich dieser in Untätigkeit übe. Nach Anhörung der Beteiligten hat das [X.] durch Gerichtsbescheid vom 16.5.2012, dem Kläger zugestellt am 18.5.2012, die Klage abgewiesen, weil diese mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig sei; der Antrag des [X.] vom 10.11.2011 habe sich durch seinen nachfolgenden Antrag vom 15.11.2011 auf Zahlung von 7500 Euro erledigt, der zu dem Verfahren mit dem Aktenzeichen - [X.] A[X.]800/11 - vor dem [X.] geführt habe. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet.

2

In der Folgezeit hat der Kläger sich in mehreren Schreiben an das [X.] zu diesem und auch anderen Aktenzeichen geäußert. Mit an das [X.] Magdeburg adressiertem Schreiben vom 20.5.2012, nach dem [X.] beim [X.] am [X.] eingegangen, hat der Kläger sich [X.] zu dem vorliegenden Aktenzeichen geäußert und bemängelt, dass ihm das in dem Gerichtsbescheid genannte Verfahren mit dem Aktenzeichen - "[X.] A[X.]800/12" - unbekannt sei, die Entscheidung sei "aufzuheben" und an die 1. Instanz "zurückzuverweisen". Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 13.6.2012, adressiert an [X.] Magdeburg, dort eingegangen am 19.6.2012 - einem Dienstag - [X.] zum Aktenzeichen - "[X.] AS 1511/12" - [X.] "Sachbeschwerde" erhoben hat, ist dieses Schreiben mit den übrigen Akten an das [X.] (L[X.]) weitergeleitet und dort als Berufung eingetragen worden.

3

Nach Anhörung des [X.] zu einer möglichen Verfristung der Berufung hat das L[X.] durch Beschluss vom [X.] die Berufung des [X.] gegen den Gerichtsbescheid vom 16.5.2012 nach § 158 Sozialgerichtsgesetz ([X.]G) als unzulässig verworfen, weil die Berufungsfrist von einem Monat (§ 151 Abs 1 [X.]G) versäumt sei, da ihm der Gerichtsbescheid am 18.5.2012 zugestellt worden und die Berufung erst am Dienstag, den 19.6.2012 beim [X.] eingegangen sei.

4

Gegen diesen Beschluss hat der Kläger persönlich fristgemäß Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt, die ihm vom Senat bewilligt wurde. In der von seinem Prozessbevollmächtigten eingelegten und begründeten Nichtzulassungsbeschwerde wird als Verfahrensmangel [X.] gerügt, das L[X.] habe durch Prozessurteil entschieden, obwohl es in der Sache hätte entscheiden müssen, weil der Kläger schon mit Schreiben vom 18.5.2012 ([X.] 41 [X.]-Akte), 19.5.2012 ([X.] 42, 43 [X.]-Akte), [X.] ([X.] 46 [X.]-Akte) und 13.6.2012 ([X.] 52 [X.]-Akte) Rechtsmittel gegen die Entscheidung des [X.] eingelegt habe, die allesamt als Berufungseinlegung zu werten seien. Insbesondere im Schreiben vom 20.5.2012 ([X.] 46, Seite 3, dritter Absatz) bittet der Kläger ausdrücklich zu dem Aktenzeichen - [X.] AS 1511/12 - um die Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung an die 1. Instanz.

5

II. [X.] ist zulässig und begründet. Der angefochtene Beschluss des L[X.] Sachsen-Anhalt vom [X.] ist aufzuheben und die Sache an das L[X.] gemäß § 160a Abs 5 [X.]G zurückzuverweisen, weil diese Entscheidung des L[X.] auf einem Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G beruht.

6

Dass dem Kläger Wiedereinsetzung in die Beschwerde- und Beschwerdebegründungsfrist zu gewähren ist (vgl § 67 [X.]G), folgt aus seiner fristgerechten Stellung eines [X.] und der fristgerechten Beschwerdeeinlegung und -begründung seines Prozessbevollmächtigten nach der Bewilligung der PKH.

7

Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist [X.] begründet, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§§ 160a, 160 Abs 2 [X.] [X.]G). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil es sich bei der angefochtenen Entscheidung des L[X.] um ein Prozessurteil handelt, das nicht ergehen darf, wenn seine Voraussetzungen nicht vorliegen, da es sich bei einem Prozessurteil um eine q[X.]litativ andere Entscheidung gegenüber dem sonst erforderlichen Sachurteil handelt (seit B[X.]E 1, 283; B[X.]E 2, 245, 252 ff; B[X.]E 15, 169, 172; B[X.] SozR 1500 § 160a [X.] 55).

8

Hiergegen hat das L[X.] verstoßen, weil es die Berufung des [X.] nicht wegen Versäumung der einmonatigen Berufungsfrist nach § 151 Abs 1 [X.]G als unzulässig hätte verwerfen dürfen, da er schon vor Ablauf dieser Frist erkennbar Berufung gegen den Gerichtsbescheid des [X.] eingelegt hat. Zumindest die im Schreiben des [X.] vom [X.] von ihm geäußerte Auffassung zu dem Aktenzeichen des [X.], die Entscheidung sei aufzuheben und die Sache an die 1. Instanz zurückzuverweisen, kann nicht anders verstanden werden. Auch wenn der damals nicht rechtskundig vertretene Kläger die Begriffe "Berufung" oder "Rechtsmittel" nicht gebraucht, kann seinen gegen den Gerichtsbescheid als instanzbeendende Entscheidung erhobenen Eingaben keine andere Zielrichtung oder anderes Begehren entnommen werden, zumal das Gericht nach § 123 [X.]G über die vom Kläger erhobenen Ansprüche zu entscheiden hat, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

9

Der Senat verkennt nicht, dass durch die zahlreichen Schreiben des [X.], die sich zudem ausweislich der angegebenen Aktenzeichen zumeist auf mehrere Verfahren beziehen, ein Erkennen des wahren Begehrens des [X.] nach § 123 [X.]G zum Teil erschwert ist. Dass das Anliegen des § 123 [X.]G von [X.] und L[X.] nicht dem Grunde nach verkannt wird, zeigt die Auslegung des Schreibens des [X.] vom 13.6.2012, in dem dieser "Sachbeschwerde" erhoben hat und das als Berufung angesehen wurde.

Angesichts dessen kann eine Entscheidung über die vom Kläger außerdem erhobenen [X.] dahingestellt bleiben.

Der Senat macht von der durch § 160a Abs 5 [X.]G eröffneten Möglichkeit Gebrauch, den angefochtenen Beschluss wegen des festgestellten Verfahrensfehlers aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das L[X.] zurückzuverweisen, weil für eine abschließende Entscheidung in der Sache Tatsachenfeststellungen notwendig sind.

Das L[X.] wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 14 AS 72/13 B

04.06.2014

Bundessozialgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Magdeburg, 16. Mai 2012, Az: S 22 AS 1511/12, Gerichtsbescheid

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 158 SGG, § 151 Abs 1 SGG, § 123 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.06.2014, Az. B 14 AS 72/13 B (REWIS RS 2014, 5086)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5086

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