Bundessozialgericht, Beschluss vom 15.12.2015, Az. B 13 R 9/15 B

13. Senat | REWIS RS 2015, 683

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Gegenstand

(Sozialgerichtsverfahren - Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht bei einer Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde - höhere Gewalt iS von § 67 Abs 3 SGG)


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2014 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im vorstehend genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Das [X.] hat mit Urteil vom 17.12.2014 die vom Kläger am 22.8.2014 erhobene Berufung gegen den seinen damaligen Prozessbevollmächtigten am [X.] zugestellten Gerichtsbescheid des [X.] vom [X.] als unzulässig - weil verspätet - verworfen. Die Voraussetzungen für eine Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Den darauf gerichteten Antrag habe der Kläger mehr als fünf Jahre nach Ablauf der versäumten Frist gestellt, obgleich er von seinen damaligen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom [X.] ausdrücklich auf den Fristablauf am [X.] hingewiesen worden sei.

2

Der Kläger hat beim B[X.] Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil des [X.] erhoben. Er macht geltend, das [X.] habe rechtsfehlerhaft in der Sache bereits entschieden, noch bevor es über seine Beschwerde gegen den Beschluss des [X.] vom 3.11.2014 hinsichtlich der Ablehnung der beantragten Prozesskostenhilfe ([X.]) befunden habe. Außerdem hätte ihm das [X.] Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist gewähren müssen, denn er habe erst jetzt Kenntnis von dieser Möglichkeit erlangt. Das [X.] habe seine Klage auf Auszahlung einer Rentennachzahlung, die vom beklagten Rentenversicherungsträger unter Hinweis auf einen befriedigten Erstattungsanspruch der Krankenkasse wegen überzahlten Krankengelds (§ 50 Abs 2 [X.] [X.]B V iVm §§ 103, 107 [X.]B X) verweigert worden sei, zu Unrecht abgewiesen, denn sowohl die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit als auch das Krankengeld seien Versicherungsleistungen, für die er Pflichtbeiträge gezahlt habe und die deshalb nicht aufeinander angerechnet werden dürften.

3

Zudem hat der Kläger für das Beschwerdeverfahren [X.] beantragt.

4

II. 1. Der [X.] ist abzulehnen.

5

Nach § 73a [X.] [X.]G iVm § 114 [X.] ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem B[X.] nur dann [X.] bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Das ist hier nicht der Fall.

6

Dabei kann offenbleiben, ob im Fall des [X.] die strengen Voraussetzungen für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] (§§ 160, 160a [X.]G) etwa im Hinblick auf den vom Kläger behaupteten Verfahrensmangel (fehlende Entscheidung des [X.] über den von ihm mit Schreiben vom 8.11.2014 auch gegen den [X.] ablehnenden Beschluss vom 3.11.2014 erhobenen Rechtsbehelf "Beschwerde laut §§ 160, 160a und 178a sowie ZPO § 127" vor Erlass des Urteils in der Hauptsache) überhaupt erfüllbar sind. Denn die hinreichende Erfolgsaussicht ist bei einer Entscheidung über die Bewilligung von [X.] für ein Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht allein danach zu beurteilen, ob die Beschwerde Aussicht auf Erfolg hat, dh ob möglicherweise aufgrund von Verfahrensfehlern die Revision zuzulassen wäre. Vielmehr ist [X.] auch dann zu versagen, wenn klar auf der Hand liegt, dass der Antragsteller letztlich nicht erreichen kann, was er mit dem Prozess erreichen möchte. [X.] hat nicht den Zweck, Bedürftigen die Durchführung von Verfahren zu ermöglichen, die im Ergebnis nicht zu ihrem Vorteil ausgehen können und die daher ein vernünftiger Rechtsuchender auf eigene Kosten nicht führen würde (stRspr, vgl [X.] Beschluss vom [X.] - [X.]-1500 § 73a [X.] Rd[X.]0 ff; B[X.] Beschluss vom 5.9.2005 - B 1 KR 9/05 BH - [X.]-1500 § 73a [X.] Rd[X.] mwN; B[X.] Beschluss vom 22.7.2014 - [X.] R 56/14 B - BeckRS 2014, 71432 Rd[X.] ff).

7

So verhält es sich mit dem vom Kläger mit diesem Verfahren verfolgten Rechtsmittel gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom [X.]. Dieser wurde seinen damaligen Prozessbevollmächtigten am [X.] zugestellt, sodass die einmonatige Berufungsfrist (§ 151 Abs 1 [X.]G) am Montag, dem [X.] ablief (§ 64 Abs 2 S 1 iVm Abs 3 [X.]G). Der erst mehr als fünf Jahre nach Fristablauf mit Schreiben vom 18.8.2014 (beim [X.] eingegangen am 22.8.2014) vom Kläger angebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist war, wie im Beschluss des [X.] vom 3.11.2014 (gesonderte Entscheidung über die Wiedereinsetzung) zutreffend ausgeführt ist, gemäß § 67 Abs 3 [X.]G unzulässig. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Kläger ein solcher Antrag vor Ablauf der in dieser Vorschrift für [X.] grundsätzlich vorgesehenen Jahresfrist ausnahmsweise "infolge höherer Gewalt" unmöglich gewesen sein könnte.

8

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, er habe den Antrag nicht früher stellen können, weil er "erst jetzt" (Schreiben vom 18.8.2014) Kenntnis von dieser prozessualen Möglichkeit erlangt habe, hilft ihm das nicht weiter. Denn unter höherer Gewalt iS von § 67 Abs 3 [X.]G ist auch unter Berücksichtigung des Grundrechts auf effektiven Zugang zu den Gerichten (Art 19 Abs 4 S 1 GG) nur ein Ereignis zu verstehen, das auch durch die größte nach den Umständen des gegebenen Falles vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe - also unter Berücksichtigung seiner Lage, Erfahrung und Bildung - zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (vgl [X.] Beschluss vom 16.10.2007 - 2 BvR 51/05 - [X.]K 12, 303, 306 mwN). Allein die fehlende Kenntnis über das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung - ihr Vorliegen beim Kläger unterstellt - erfüllt ebenso wenig wie ein bloßer Rechtsirrtum diese Merkmale der höheren Gewalt (vgl [X.] Urteil vom 9.6.2015 - [X.] - [X.]E 250, 19 = Juris Rd[X.]8). Zudem ist weder vom Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass dieser durch ein dem Gericht oder der Verwaltungsbehörde zuzurechnendes Verhalten von der rechtzeitigen Anbringung eines Wiedereinsetzungsantrags abgehalten worden wäre (zu solchen Konstellationen vgl B[X.] Beschluss vom 6.10.2011 - [X.] [X.]/11 B - [X.]-1500 § 67 [X.] Rd[X.]0).

9

Erfolgsaussichten ergeben sich auch dann nicht, wenn das ursprünglich gegenüber dem [X.] als "Wiedereinsetzungsantrag laut [X.]B X § 44" bezeichnete Begehren des [X.] (vgl Berufungsschrift vom 18.8.2014 - [X.]) als Überprüfungsantrag nach § 44 [X.]B X hinsichtlich der Entscheidung über die [X.] der errechneten Rentennachzahlung im Bescheid der Beklagten vom 30.3.2007 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.1.2008) gedeutet wird (zum [X.] der Mitteilung über die [X.] vgl B[X.] Urteil vom [X.] RJ 39/02 R - B[X.]E 91, 68 = [X.]-1300 § 31 [X.], Rd[X.]; B[X.] Urteil vom 24.10.2013 - [X.] R 31/12 R - Juris Rd[X.]5). Über einen solchen Überprüfungsantrag hätte zunächst der beklagte Rentenversicherungsträger in einem neuen Verwaltungsverfahren entscheiden müssen; ein entsprechender Antrag kann nicht unmittelbar zur Eröffnung eines Berufungsverfahrens gegen die bestandskräftig gewordene erstinstanzliche Entscheidung zur Rechtmäßigkeit der [X.]s-Bescheide führen (zur Möglichkeit der Durchbrechung der Bindungswirkung eines rechtskräftigen Urteils auf der Grundlage von § 44 [X.]B X siehe B[X.] Urteil vom 10.12.2013 - [X.] R 91/11 R - [X.]-2600 § 249b [X.] Rd[X.]8). Schon deshalb kann der Kläger auch auf der Grundlage des § 44 [X.]B X in Bezug auf das von ihm - gleichsam als "Abkürzung" - erstrebte Rechtsmittelverfahren keinen Erfolg haben. Ungeachtet dessen besteht jedoch von vornherein kein Anspruch auf Überprüfung durch die Behörde nach § 44 [X.]B X, wenn schon wegen Ablaufs der in § 44 Abs 4 [X.]B X geregelten [X.] eine Erbringung von Sozialleistungen für die Vergangenheit nicht in Betracht kommt (B[X.] Beschluss vom 26.10.1994 - 8 BH ([X.]) 1/94 - [X.] 3-6610 Art 5 [X.] S 4). Aus diesem Grund kann der Kläger auch mit seinem materiellen Begehren auf Auszahlung der für den Zeitraum Februar 2005 bis September 2006 zunächst im [X.] vom [X.] errechneten, im [X.] vom 30.3.2007 aber versagten Rentennachzahlung letztlich keinen Erfolg haben.

Nach alledem kann der Kläger sein Rechtsschutzziel über eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des [X.] vom 17.12.2014 keinesfalls erreichen. Deshalb kann ihm aufgrund fehlender Erfolgsaussichten [X.] für dieses Verfahren nicht gewährt werden; ebenso entfällt die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der [X.] (§ 73a [X.] [X.]G iVm § 121 Abs 1 ZPO).

2. Die von dem Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften, weil sie nicht durch einen vor dem B[X.] zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 [X.]G zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein.

Die nicht formgerecht erhobene Beschwerde ist durch Beschluss ohne Zuziehung [X.] als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 [X.]G).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 13 R 9/15 B

15.12.2015

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Dessau-Roßlau, 14. April 2009, Az: S 1 R 62/08, Gerichtsbescheid

§ 67 Abs 3 SGG, § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a SGG, § 114 Abs 1 S 1 ZPO, § 121 Abs 1 ZPO, Art 19 Abs 4 S 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 15.12.2015, Az. B 13 R 9/15 B (REWIS RS 2015, 683)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 683

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