Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.08.2013, Az. V R 18/12

5. Senat | REWIS RS 2013, 3293

STEUERRECHT BUNDESFINANZHOF (BFH) UMSATZSTEUER PROSTITUTION

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Gegenstand

Zimmervermietung an Prostituierte - Kein ermäßigter Umsatzsteuertarif


Leitsatz

Die Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG setzt ebenso wie § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG eine Vermietung von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristigen Beherbergung voraus. Hieran fehlt es bei einer Vermietung in einem "Bordell" .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) eröffnete am 1. Dezember 2007 in gemieteten Räumen ein sog. [X.] mit 13 "Erotikzimmern", die mit Doppelbett, Waschbecken, WC, Bidet, Whirlpool und Spiegeln ausgestattet waren. Die Klägerin vermietete [X.] in dem Gebäude tage- und wochenweise an Prostituierte. Der Tagespreis belief sich nach Art und Ausstattung des jeweiligen Zimmers auf 110 € bis 170 € und umfasste Vollpension mit Heißgetränken und eine Flasche eines alkoholfreien Getränks pro Tag. Die Klägerin stellte auch Bettwäsche und Handtücher zur Verfügung. Die Flure zu den Zimmern wurden videoüberwacht. Zudem nahm die Klägerin als Bordellbetreiberin am sog. "[X.] Verfahren" teil, in dem sie je [X.] einen Tagessatz einbehielt und diesen monatsweise als besonderen [X.] auf die Einkommen- und Umsatzsteuer der Prostituierten an das zuständige Finanzamt abführte.

2

Erstmals in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen Januar und Februar 2010 versteuerte die Klägerin ihre Umsätze aus den Leistungen an die Prostituierten nach dem ermäßigten Steuersatz. Im [X.] an eine [X.] ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) demgegenüber davon aus, dass die Leistungen dem Regelsteuersatz unterlägen und erließ entsprechend geänderte [X.] für die Monate Januar bis März 2010, gegen die die Klägerin Einspruch einlegte und die das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2010 als unbegründet zurückwies.

3

Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Finanzgericht ([X.]). Während des Klageverfahrens erging der [X.] vom 30. November 2011, der nach § 68 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) Gegenstand des Klageverfahrens wurde.

4

Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach dem Urteil des [X.] unterliegen die Leistungen der Klägerin nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG), da es an der hierfür erforderlichen Überlassung als Wohn- oder Schlafraum fehle. Die von der Klägerin überlassenen Zimmer seien nicht für Wohn- oder Schlafzwecke, sondern für gewerbliche Zwecke zur Erbringung sexueller Dienstleistungen genutzt worden. Im Gegensatz hierzu würden Hotelzimmer als Wohn- und Schlafräume und nicht als Gewerberäume überlassen. Die Prostituierten hätten zudem nicht für eine Beherbergungsleistung, sondern für die zur Ausübung der Prostitution erforderliche Infrastruktur, wie z.B. die Videoüberwachung zur Gewährleistung der Sicherheit gezahlt. § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG sei als Ausnahmetatbestand eng auszulegen. Die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution sei keine Beherbergung. Auch sei ein Bordellbetrieb keine einem Hotel ähnliche Einrichtung, wie dies das Unionsrecht voraussetze. Eine teilweise Anwendung des ermäßigten Steuersatzes komme nicht in Betracht, da die teilweise Nutzung zur Beherbergung hinter der Nutzung für gewerbliche Zwecke der Prostitution zurücktrete. Ob die Leistung als Vermietung nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfrei sei oder eine steuerpflichtige sonstige Leistung eigener Art vorliege, könne offen bleiben, da die Klägerin zumindest auf die Steuerfreiheit nach § 9 Abs. 1 UStG verzichtet habe.

5

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision, für die sie Verletzung materiellen Rechts anführt. Die Einrichtungen des von ihr betriebenen Hauses hätten dem üblichen Standard eines Hotels entsprochen. Die Räumlichkeiten seien nicht speziell für die "Verrichtung von sexuellen Leistungen" hergerichtet worden, sondern hätten in vollem Umfang denen eines Hotelbetriebs entsprochen. Die Räumlichkeiten seien in den meisten Fällen tageweise vermietet worden und für die kurzfristige Beherbergung von Fremden geeignet gewesen. Ein Teil der Mieter und Mieterinnen habe in dem Haus auch übernachtet. Die Gewerblichkeit der Zimmervermietung stehe der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht entgegen. Sie habe im Übrigen eine gewerbliche Zimmervermietung, nicht aber ein Bordell betrieben. Sie habe mit den Prostituierten lediglich [X.] über Fremdenzimmer abgeschlossen und sei an den Einnahmen der Prostituierten nicht beteiligt gewesen. [X.] seien wie Hotelzimmer mit Schlafraum und separatem Bad ausgestattet gewesen und täglich gesäubert und aufgeräumt worden. Lediglich die Dienstleistungen der Prostituierten unterlägen dem Regelsteuersatz. Die Leistungen der Prostituierten seien ihr nicht zuzurechnen.

6

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des [X.] aufzuheben und den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid vom 30. November 2011 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer auf ... € herabgesetzt wird.

7

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes lägen nicht vor. Die erforderliche Beherbergung setze die Überlassung an einen Gast als Unterkunft voraus. Die Raumüberlassung dürfe nicht anderen Zwecken dienen. Bereits aus der Lage des Grundstücks in einem Rotlichtviertel ergebe sich, dass Gewerberäume zur Ausübung der Prostitution überlassen worden seien. Dass auch Hotelzimmer vereinzelt gewerblich genutzt werden, sei unerheblich. Eine andere Auslegung sei mit dem Unionsrecht nicht vereinbar. Eine Aufteilung der einheitlichen Leistung komme nicht in Betracht. Für die Steuersatzermäßigung sei von entscheidender Bedeutung, mit welcher Intention der Vermieter die Wohn- und Schlafräume bereithalte. Aus der Lage des Gebäudes in einem Rotlichtviertel und aus den Mietverträgen ergebe sich, dass die Klägerin die Räumlichkeiten nicht zur Beherbergung, sondern zur Ausübung der Prostitution bereitgehalten habe. Die Klägerin habe die hierfür erforderliche Infrastruktur zur Verfügung gestellt. Zwar könnten auch Hotelgäste in einem Hotel vergleichbaren Tätigkeiten nachgehen. Eine hierauf gerichtete "Intention" liege beim normalen Hotelbetreiber aber nicht vor. § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG sei enger als § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG auszulegen. Eine einschränkende Auslegung ergebe sich auch aus dem Unionsrecht.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Wie das [X.] zu Recht entschieden hat, unterliegen die Leistungen der Klägerin dem Regelsteuersatz, da die Voraussetzungen für eine Vermietung von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG nicht vorliegen.

1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG gilt der ermäßigte Steuersatz insbesondere für "die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält". [X.] Grundlage hierfür ist Art. 98 Abs. 2 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/[X.]. Anhang III Nr. 12. Danach sind die Mitgliedstaaten berechtigt, auf die "Beherbergung in Hotels und ähnlichen Einrichtungen, einschließlich der Beherbergung in Ferienunterkünften" einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden.

2. § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG ordnet im [X.] mit § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a und Satz 2 UStG für die gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfreie, aber nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtige Vermietung die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes an. Dabei ist das von § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG und § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG wortlautidentisch verwendete Tatbestandsmerkmal der "Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält" einheitlich auszulegen.

§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG unterscheidet sich vom Grundtatbestand des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG durch die an den Mietgegenstand zu stellenden Anforderungen, bei dem es sich um zur kurzfristigen Beherbergung bereitgehaltene Wohn- und Schlafräume handeln muss. Systematisch ist § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG ein Ausnahmetatbestand zu § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG. So ist z.B. die auf Dauer angelegte Vermietung möblierter Wohn- und Schlafräume nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei, da dann im Hinblick auf das zeitliche Element der Ausnahmetatbestand nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG nicht vorliegt (Urteil des [X.] --BFH-- vom 20. August 2009 V R 21/08, [X.], 473, unter [X.]). Damit folgt der erkennende Senat der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]). Nach dessen Urteil vom 12. Februar 1998 [X.]/95, [X.] ([X.]. 1998, [X.]) ist die Dauer der Beherbergung --bei der Überlassung "vollständig möblierter und mit Kochgelegenheiten [X.]", bei der der Vermieter "für die Gestellung und Reinigung der Bettwäsche sowie für die Reinigung der Flure, Treppenhäuser, Bäder und WCs" zu sorgen hatte-- ein geeignetes Kriterium für die Unterscheidung zwischen der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe (als steuerpflichtigem Umsatz) einerseits und der Vermietung von Wohnräumen (als befreitem Umsatz) andererseits, da sich die Beherbergung im Hotel u.a. gerade bezüglich der Verweildauer von der Vermietung eines Wohnraumes unterscheidet.

3. Im Streitfall hat das [X.] zu Recht die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die aufgrund des Verzichts (§ 9 UStG) steuerpflichtige Leistung verneint. Wie das [X.] zutreffend entschieden hat, fehlt es an der nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG und § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG gleichermaßen erforderlichen Vermietung von zur kurzfristigen Beherbergung bereitgehaltenen Wohn- und Schlafräumen. Die von der Klägerin überlassenen Räumlichkeiten dienten nicht wie in der dem [X.]-Urteil [X.] in [X.]. 1998, [X.] zugrunde liegenden Fallgestaltung der Beherbergung von Personen, sondern wurden für die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten ([X.] vom 15. März 2012 III R 30/10, [X.], 421, [X.], 661, Rz 14 ff.) und dem folgend [X.] vom 20. Februar 2013 GrS 1/12 ([X.], 282, [X.], 441) überlassen.

Meta

V R 18/12

22.08.2013

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 1. Juni 2012, Az: 1 K 2816/10 U, Urteil

§ 4 Nr 12 S 1 Buchst a UStG 2005, § 4 Nr 12 S 2 UStG 2005, § 12 Abs 2 Nr 11 UStG 2005, Art 135 Abs 1 Buchst 1 EGRL 112/2006, Art 135 Abs 2 Buchst a EGRL 112/2006, Art 98 EGRL 112/2006, Anh 3 Nr 12 EGRL 112/2006, UStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.08.2013, Az. V R 18/12 (REWIS RS 2013, 3293)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3293

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