Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.05.2021, Az. B 1 KR 5/20 B

1. Senat | REWIS RS 2021, 10561

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Divergenz - keine formgerechte Bezeichnung einer Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG)


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 5. Dezember 2019 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin beantragte erfolglos bei der Beklagten und vor dem [X.] die Versorgung mit [X.] der Beine und Arme (Bescheid vom 16.1.2018, Widerspruchsbescheid vom 21.3.2018, Urteil vom 14.11.2018). Während des Berufungsverfahrens ließ die Klägerin [X.] durchführen (4.3. und [X.]). Der Chirurg B (Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Katholische Kliniken Ruhrhalbinsel gGmbH) berechnete der Klägerin aufgrund zweier jeweils am [X.]stag getroffener "[X.]" jeweils 4004,40 Euro unter Angabe von Ziffern der Gebührenordnung für Ärzte ([X.]). Entsprechend berechnete der Anästhesist nach [X.] 780 Euro und 420 Euro. Das L[X.] hat die Berufung der Klägerin, die zuletzt mit ihrer Klage die Erstattung von 9208,80 Euro begehrt hat, zurückgewiesen: Der Kostenerstattungsanspruch reiche nicht weiter als der Sachleistungsanspruch. Versicherte hätten keinen Anspruch auf [X.] als ambulante Leistungen, da insoweit noch keine positive Empfehlung des Gemeinsamen [X.] vorliege. Die Klägerin gehe zu Unrecht davon aus, dass die [X.] unter stationären Bedingungen durchgeführt worden seien. Die [X.] sei in der Station für ambulante Behandlungen durchgeführt worden. [X.] dazu hätten die behandelnden Ärzte durch den wirtschaftlichen Behandlungsweg ([X.], Anästhesierechnung mit Zuschlag für ambulante Behandlung) zu erkennen gegeben, dass es sich um ambulante Behandlungen gehandelt habe (Urteil vom 5.12.2019).

2

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im L[X.]-Urteil.

3

II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.]G zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der hier geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G, dazu 1.) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G, dazu 2.).

4

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des B[X.], des [X.] oder des [X.] andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl zB B[X.] vom 19.9.2007 - B 1 KR 52/07 B - juris RdNr 6; B[X.] vom 9.5.2018 - B 1 KR 55/17 B - juris RdNr 8; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Darlegungsanforderungen vgl [X.] vom 8.9.1982 - 2 BvR 676/81 - juris RdNr 8). Eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G ist auch dann nicht formgerecht bezeichnet, wenn trotz naheliegender rechtlicher Gestaltung die schlüssige Darlegung fehlt, dass die Entscheidung des L[X.] nicht mit einer anderen als der vom L[X.] angeführten rechtlichen Begründung bestätigt werden kann, die Divergenzfrage mithin auch für das B[X.] entscheidungserheblich ist (vgl Leitsatz des B[X.] vom 12.7.1985 - 7 [X.]/84 - [X.] 1500 § 160a [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], 13. Aufl 2020, § 160 Rd[X.]5a). An einer hiernach gebotenen schlüssigen Darlegung fehlt es.

5

Die Klägerin formuliert als Rechtssatz des B[X.]: Ein chirurgischer Eingriff findet nur ambulant im Sinne des § 115b [X.]B V statt, wenn der Patient die Nacht vor und die Nacht nach dem Eingriff nicht im Krankenhaus verbringt (Hinweis auf B[X.] vom 4.3.2004 - B 3 KR 4/03 R - B[X.]E 92, 223 = [X.] 4-2500 § 39 [X.]). Sie stellt diesem den von ihr formulierten Rechtssatz des L[X.] gegenüber, dass es für die Frage, ob eine Leistungserbringung ambulant oder stationär erfolge, allein auf den Blickwinkel der Abrechnung aus Sicht des Leistungserbringers abstelle.

6

Ungeachtet dessen, ob das L[X.] einen solchen Rechtssatz überhaupt formuliert hat, legt die Klägerin nicht hinreichend dar, dass das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht und die Entscheidung des L[X.] nicht mit einer anderen als der vom L[X.] angeführten rechtlichen Begründung bestätigt werden kann. Ausführungen dazu wären aber erforderlich gewesen. Denn der vom L[X.] nur unzulänglich aufgeklärte Sachverhalt lässt die naheliegende Möglichkeit zu, dass die Klägerin die [X.] trotz vorausgegangener Ablehnung der Beklagten von einem nach § 108 [X.]B V zugelassenen Krankenhaus im Wege der Sachleistungen erhalten hat.

7

Die vom L[X.] in Bezug genommenen Rechnungen nach [X.] betreffen die reinen [X.]sleistungen einschließlich der damit zusammenhängenden Anästhesieleistungen. Rechnungen über die Leistungen des Krankenhauses insgesamt hat die Klägerin nicht vorgelegt. Es liegt aber fern, dass die Klägerin stationäre Aufnahme in einem Krankenhaus gefunden hat, ohne dass das Krankenhaus dafür eine Vergütung gefordert hat. Von den dann denkbaren Vertragsvarianten, nach denen ärztliche Leistungen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung gesondert abgerechnet werden können, ist der Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung (totaler Krankenhausvertrag mit Arztzusatzvertrag) die wahrscheinlichste; es liegt nahe, dass ein Versicherter besondere ärztliche Leistungen "hinzukaufen", nicht aber den Krankenhausträger aus der Verpflichtung entlassen will, ihm diese Leistungen gleichfalls zu schulden (vgl zu [X.] iS des § 17 KHEntgG und zu den verschiedenen Vertragsformen des totalen Krankenhausvertrags, des gespaltenen [X.] und des totalen Krankenhausvertrags mit [X.] vom [X.], 3027, Rd[X.]2 - 25).

8

Zu dieser naheliegenden Möglichkeit, dass das Krankenhaus den von der Klägerin behaupteten Leistungsanspruch zu Lasten der Beklagten bereits erfüllt und die von der Klägerin eingeklagten Kosten nur zusätzlich entstandene sind, verhält sich die Beschwerdebegründung nicht. Damit zeigt die Klägerin ein Beruhen der Entscheidung des L[X.] auf einer möglichen Divergenz nicht auf.

9

2. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB B[X.] vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - [X.] 4-2600 § 72 [X.] Rd[X.]7 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs [X.] vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - [X.] 4-1500 § 160a [X.]4 Rd[X.] ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

Die Klägerin stellt die Rechtsfrage, "ob die rechtliche Einordnung einer [X.] als ambulant oder stationär allein aus der Perspektive des Leistungserbringers oder nach den faktischen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist."

Die Klägerin legt die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage nicht dar. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl B[X.] vom [X.] KR 73/16 B - juris RdNr 8 mwN; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines entsprechenden Maßstabs [X.] vom 12.9.1991 - 1 BvR 765/91 - [X.] 3-1500 § 160a [X.] f = juris RdNr 4).

Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin führt selbst an, dass sich die Rechtsprechung des B[X.] bereits "intensiv mit der Frage auseinander" gesetzt habe, wie eine ambulante von einer stationären Behandlung abzugrenzen sei (unter Verweis auf B[X.] vom 4.3.2004 - B 3 KR 4/03 R). Inwieweit gleichwohl noch Klärungsbedarf bestehe, zeigt sie nicht auf.

3. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 1 KR 5/20 B

17.05.2021

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Aachen, 14. November 2018, Az: S 1 KR 130/18, Urteil

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.05.2021, Az. B 1 KR 5/20 B (REWIS RS 2021, 10561)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 10561

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Zitiert

1 BvR 2856/07

III ZR 107/15

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