Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.08.2014, Az. XII ZB 179/14

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 3379

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]/14

vom

20. August 2014

in der [X.]

Na[X.]hs[X.]hlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 280
Der Sa[X.]hverständige hat den Betroffenen vor der Erstellung des Guta[X.]htens persön-li[X.]h zu untersu[X.]hen; eine
Beguta[X.]htung na[X.]h Aktenlage ist grundsätzli[X.]h ni[X.]ht zuläs-sig.

[X.], Bes[X.]hluss vom 20. August 2014 -
XII [X.]/14 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des Bundesgeri[X.]htshofs hat am 20.
August 2014 dur[X.]h
die [X.] Dr.
Klinkhammer, S[X.]hilling, Dr.
Nedden-Boeger, Dr. Botur
und Guhling
bes[X.]hlossen:
Auf die Re[X.]htsbes[X.]hwerde des Betroffenen wird der Bes[X.]hluss der 25.
Zivilkammer des [X.] vom 26.
März 2014 aufgehoben.
Die Sa[X.]he wird zur erneuten Behandlung und Ents[X.]heidung, au[X.]h über die Kosten des Re[X.]htsbes[X.]hwerdeverfahrens, an das Land-geri[X.]ht zurü[X.]kverwiesen.
[X.]: 5.000

Gründe:
I.
Der Betroffene begehrt die Aufhebung seiner Betreuung.
Für den Betroffenen besteht eine Betreuung für die Aufgabenberei[X.]he Besorgung der Re[X.]htsangelegenheiten vor Geri[X.]hten, Vertretung vor Behörden (eins[X.]hließli[X.]h der Beantragung von [X.]), Wohnungsangelegen-heiten und Eröffnung eines Bankkontos. Für sämtli[X.]he [X.] ist ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet.

1
2
-
3
-
Das Amtsgeri[X.]ht hat den Antrag des Betroffenen, die Betreuung aufzu-heben, zurü[X.]kgewiesen und die Betreuung zuglei[X.]h um den Aufgabenkreis Ver-fügungen

r-weitert. Das [X.] hat die Bes[X.]hwerde des Betroffenen zurü[X.]kgewiesen. Hiergegen wendet si[X.]h dieser mit seiner Re[X.]htsbes[X.]hwerde.

II.
Die Re[X.]htsbes[X.]hwerde ist begründet.
1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Ents[X.]heidung ausgeführt, der Sa[X.]hverständige habe in seinem Guta[X.]hten überzeugend dargelegt, dass der Betroffene an einer paranoiden Psy[X.]hose leide und in den angeordneten [X.]n einer Betreuung bedürfe, die au[X.]h gegen den Willen des Be-troffenen angeordnet werden könne, da eine Bestimmbarkeit des Willens dur[X.]h vernünftige Erwägungen
bei dem Betroffenen krankheitsbedingt ausges[X.]hlos-sen sei. Zudem belegten die zahlrei[X.]hen und überwiegend unverständli[X.]hen Eingaben des Betroffenen eindru[X.]ksvoll dessen Betreuungsbedürftigkeit.
Ebenso habe das Amtsgeri[X.]ht zu Re[X.]ht den Aufgabenkreis erweitert und dem
Betreuer die Befugnis eingeräumt, Verfügungen über das Bankkonto des Betroffenen zu treffen.
2. Die
angegriffene Ents[X.]heidung hält der
Verfahrensrüge der Re[X.]htsbe-s[X.]hwerde ni[X.]ht stand. Das [X.] hätte das Guta[X.]hten seiner Ents[X.]hei-dung ni[X.]ht zugrunde legen dürfen, weil der Sa[X.]hverständige den
Betroffenen ni[X.]ht persönli[X.]h untersu[X.]ht hat.

3
4
5
6
7
-
4
-
a) Für das Aufhebungsverfahren gelten die §§
278 Abs. 1, 280 FamFG,
die die persönli[X.]he Anhörung des Betroffenen und die Einholung eines Sa[X.]h-verständigenguta[X.]htens vors[X.]hreiben, ni[X.]ht. Es verbleibt insoweit bei den [X.] Verfahrensregeln und damit bei den Grundsätzen der Amtsermittlung (Senatsbes[X.]hluss vom 2.
Februar 2011

XII
ZB 467/10

FamRZ 2011, 556 Rn.
9 f.).
Zwar ist dana[X.]h die Einholung eines Sa[X.]hverständigenguta[X.]htens im Aufhebungsverfahren ni[X.]ht obligatoris[X.]h. Wenn aber ein Sa[X.]hverständigengut-a[X.]hten

wie hier

eingeholt wird und das Geri[X.]ht seine Ents[X.]heidung darauf stützt, so muss dieses den formalen Anforderungen des §
280 FamFG genügen
(Senatsbes[X.]hluss vom 9.
November 2011

XII
ZB 286/11

FamRZ 2012, 104 Rn.
15
f.).
Gemäß §
280 Abs.
2 Satz
1 FamFG hat der Sa[X.]hverständige den
Be-troffenen vor der Erstattung des Guta[X.]htens persönli[X.]h zu untersu[X.]hen oder zu befragen
(s. au[X.]h BT-Dru[X.]ks. 16/6308 S. 267). Ein ohne die erforderli[X.]he per-sönli[X.]he Untersu[X.]hung erstattetes
Sa[X.]hverständigenguta[X.]hten ist grundsätzli[X.]h ni[X.]ht verwertbar ([X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
280 Rn.
16
mwN).
Die Weigerung des Betroffenen, einen Kontakt mit dem Sa[X.]hverständi-gen zuzulassen, ist kein hinrei[X.]hender Grund, von einer persönli[X.]hen Untersu-[X.]hung dur[X.]h den Sa[X.]hverständigen abzusehen ([X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
280 Rn.
18
mwN). Wirkt der Betroffene an einer Beguta[X.]htung ni[X.]ht mit, so kann das Geri[X.]ht gemäß §
283 Abs.
1 und Abs.
3 FamFG seine Vorführung anordnen (Senatsbes[X.]hluss vom 17.
Oktober 2012
-
XII
ZB 181/12
-
FamRZ 2013, 31 Rn.
18; BT-Dru[X.]ks. 16/6308 S. 268).
b) Diesen Anforderungen wird die Ents[X.]heidung des [X.]s ni[X.]ht gere[X.]ht.
8
9
10
11
12
-
5
-
Wie das Amtsgeri[X.]ht im Einzelnen dargelegt hat, hat der Sa[X.]hverständi-ge den Betroffenen ni[X.]ht persönli[X.]h untersu[X.]ht. Zwar führt das Amtsgeri[X.]ht aus, na[X.]h den Darlegungen
des Sa[X.]hverständigen böten die Vielzahl der zur Akte gelangten S[X.]hreiben des Betroffenen eine ausrei[X.]hende Basis für die Diagnose und zur Erstellung eines psy[X.]hiatris[X.]hen Guta[X.]htens. Dies vermag glei[X.]hwohl die persönli[X.]he Untersu[X.]hung des Betroffenen ni[X.]ht zu ersetzen. Das Amtsge-ri[X.]ht hätte deswegen erwägen müssen, den
Betroffenen zur guta[X.]hterli[X.]hen Untersu[X.]hung vorführen zu lassen. Dabei hängt die Erstattung des Guta[X.]htens im Ergebnis ni[X.]ht davon ab, dass ein verbaler Kontakt zwis[X.]hen dem [X.] und dem Sa[X.]hverständigen hergestellt werden kann. Der Sa[X.]hverständige ist ni[X.]ht gehindert, im Fall einer dur[X.]h den Betroffenen verweigerten Kommuni-kation aus dessen Gesamtverhalten in Verbindung mit anderen Erkenntnissen S[X.]hlüsse auf ein bestimmtes Krankheitsbild zu ziehen ([X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
280 Rn.
19).
[X.]) Soweit es die vom Amtsgeri[X.]ht vorgenommene und vom [X.] bestätigte Erweiterung der Betreuung gemäß §
293 FamFG anbelangt, kann diese s[X.]hon deshalb keinen Bestand haben, weil die Instanzgeri[X.]hte den [X.] auf Aufhebung der Betreuung auf [X.]e Weise zurü[X.]kgewiesen haben
und damit no[X.]h ni[X.]ht abs[X.]hließend darüber be-funden ist, ob die Betreuung dem Grunde na[X.]h überhaupt bestehen bleiben kann. Unbes[X.]hadet der Fragen, ob es si[X.]h um eine wesentli[X.]he Erweiterung des [X.]s des Betreuers im Sinne von §
293 FamFG handelt
und
ob deshalb die Einholung eines Sa[X.]hverständigenguta[X.]htens gemäß §
293 Abs.
1 FamFG obligatoris[X.]h ist, hat das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht seine Ents[X.]heidung hin-si[X.]htli[X.]h der Betreuungserweiterung überdies ersi[X.]htli[X.]h au[X.]h auf das

[X.] zustande gekommene

Sa[X.]hverständigenguta[X.]hten ge-stützt, weshalb sie au[X.]h deshalb keinen Bestand haben kann.
13
14
-
6
-
3. Der Senat kann ni[X.]ht abs[X.]hließend in der Sa[X.]he ents[X.]heiden, weil no[X.]h weitere Ermittlungen anzustellen sind. Deshalb ist der Bes[X.]hluss aufzu-heben und die Sa[X.]he zur weiteren Behandlung und Ents[X.]heidung an das Be-s[X.]hwerdegeri[X.]ht zurü[X.]kzuverweisen, §
74 Abs.
6 Satz
2 FamFG.
Na[X.]h Zurü[X.]kverweisung und der gebotenen Einholung eines weiteren Sa[X.]hverständigenguta[X.]htens wird das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht au[X.]h unter Berü[X.]k-si[X.]htigung des Zeitablaufs die Notwendigkeit einer persönli[X.]hen Anhörung des Betroffenen zu überprüfen haben.
Sollte der Betroffene ni[X.]ht zu
einem anbe-raumten Anhörungstermin ers[X.]heinen, kann das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht
dessen Vorführung anordnen, vorausgesetzt sie steht ni[X.]ht außer Verhältnis zum [X.] (Senatsbes[X.]hluss vom 2.
Juli 2014

XII
ZB 120/14

juris Rn.
15
f.).
15
16
-
7
-
Von einer weiteren Begründung der Ents[X.]heidung wird abgesehen, weil sie ni[X.]ht geeignet wäre, zur Klärung von Re[X.]htsfragen grundsätzli[X.]her Bedeu-tung, zur Fortbildung des Re[X.]hts oder zur Si[X.]herung einer einheitli[X.]hen Re[X.]ht-spre[X.]hung beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).
Klinkhammer S[X.]hilling Nedden-Boeger

Botur Guhling

Vorinstanzen:
[X.], Ents[X.]heidung vom 20.01.2014 -
97 [X.] 853 -

LG [X.], Ents[X.]heidung vom 26.03.2014 -
25 [X.]/14 -

17

Meta

XII ZB 179/14

20.08.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.08.2014, Az. XII ZB 179/14 (REWIS RS 2014, 3379)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3379

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 179/14 (Bundesgerichtshof)

Aufhebungsverfahren für eine Betreuung: Begutachtung des Betroffenen nach Aktenlage


XII ZB 355/14 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 141/12 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 536/16 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 467/10 (Bundesgerichtshof)

Verfahren auf Aufhebung einer Betreuung: Veranlassung der Durchführung tatsächlicher Ermittlungen; Umfang des Amtsermittlungsgrundsatzes


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XII ZB 179/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.