Bundessozialgericht, Urteil vom 14.02.2013, Az. B 14 AS 198/11 R

14. Senat | REWIS RS 2013, 8177

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Verletztenrente aufgrund Wehrdienstbeschädigung als Wehrpflichtiger der Nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR - Änderung des § 1 Abs 6 AlgIIV 2008 ab 1.7.2011 nur für die Zukunft - Verfassungsmäßigkeit)


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 10. August 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem [X.] ([X.]) für Februar 2006, weil bei der Verletztenrente, die er aufgrund einer in der [X.] erlittenen Wehrdienstbeschädigung bezieht, der Grundfreibetrag iS des § 31 Abs 1 [X.] ([X.]) in Höhe von 275 [X.] von der Einkommensberücksichtigung ausgenommen werden müsse.

2

Der im Jahre 1947 geborene, alleinstehende Kläger erlitt im Jahre 1971 bei der [X.] ([X.]) der [X.] als Wehrpflichtiger eine Wehrdienstbeschädigung und erhielt vom Träger der Sozialversicherung der [X.] bis zum Jahre 1990 deshalb eine Rente in Höhe von [X.], ab dem [X.] in Höhe von 526 DM nebst Kinderzuschlag in Höhe von 91,20 DM. Nach Überführung der Rente in die gesetzliche Unfallversicherung bezog er bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von [X.] von der nunmehr zuständigen [X.] eine Verletztenrente, die im streitigen Zeitraum 647,35 [X.] betrug. Er bezog daneben bis zum [X.] [X.]) in Höhe von 19,45 [X.] täglich und seit Mai 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.].

3

Der Kläger lebte im Februar 2006 in einer 51,70 m² großen Wohnung, für die er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] ([X.]) eine Miete in Höhe von insgesamt 305,21 [X.] monatlich zuzüglich einer Vorauszahlung von Heizkosten in Höhe von 15,56 [X.] monatlich schuldete. Neben der Verletztenrente bezog er kein weiteres Einkommen. Für den Zeitraum vom [X.] bis 31.7.2006 bewilligte die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden: Beklagter) dem Kläger Leistungen nach dem [X.] in Höhe von 239,39 [X.] monatlich und berücksichtigte dabei nach Abzügen für Beiträge zu einer Rentenversicherung in Höhe von 15 [X.] sowie den Ausgaben zur Kfz-Haftpflichtversicherung und der [X.] (insgesamt 77,77 [X.]) die Rente des [X.] aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von 569,58 [X.] als Einkommen (Bescheid vom 14.2.2006; Widerspruchsbescheid vom 17.8.2006). Die (ursprünglich gegen weitere Bescheide gerichtete und wegen der Zeit vom [X.] bis zum 31.1.2007 geführte) Klage zum Sozialgericht ([X.]) [X.] blieb ohne Erfolg (Urteil vom 14.1.2008). Auf die Sprungrevision des [X.] zum [X.] ([X.]) hat der Senat dieses Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Thüringer [X.] zurückverwiesen. Aufgrund der fehlenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] sei der Senat nicht in der Lage, über die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 ff [X.] zu entscheiden. Jedenfalls sei aber die Verletztenrente aufgrund einer Wehrdienstbeschädigung als Wehrpflichtiger der [X.] bei der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in vollem Umfang als Einkommen zu berücksichtigen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen dieses Ergebnis teile der Senat nicht (Urteil vom 17.3.2009 - B 14 AS 15/08 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.]).

4

Die auf den Monat Februar 2006 beschränkte Berufung hat das [X.] zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Ein Anspruch auf höhere Leistungen bestehe in diesem Monat nicht. Einem Gesamtbedarf in Höhe von 808,97 [X.] (Regelbedarf für einen Alleinstehenden in Höhe von 331 [X.], befristeter Zuschlag in Höhe von 160 [X.] monatlich sowie Kosten der Unterkunft in Höhe von 305,21 [X.] und Heizung in Höhe von 15,56 [X.] abzüglich eines Warmwasseranteils von 2,80 [X.]) stehe ein Einkommen von mindestens 569,58 [X.] entgegen. Es könne offen bleiben, ob der Abzug der Beiträge für die Rentenversicherung, zutreffend erfolgt sei. Weitergehende Absetzungen von der Verletztenrente in entsprechender Anwendung des § 31 [X.] seien nicht vorzunehmen. Daran ändere auch § 1 Abs 6 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim [X.]/Sozialgeld ([X.]/[X.] <[X.] II-VO>) in der zum 1.7.2011 in [X.] getretenen Fassung des Art 1 der Fünften Verordnung zur Änderung der [X.] II-VO ([X.]) nichts, wonach nunmehr ein Betrag in Höhe der Grundrente nach § 31 [X.] abzusetzen ist, die für den Grad der Schädigungsfolgen zu zahlen ist, der der jeweiligen Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung habe der Senat nicht.

5

Hiergegen richtet sich die Revision des [X.]. Er macht geltend, es liege ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) vor. Die gesetzgeberische Entscheidung, im Dienst der [X.] erlittene Wehrdienstbeschädigungen im [X.] auszugleichen und damit im [X.] nicht zu privilegieren, sei nicht durch sachliche Gesichtspunkte gerechtfertigt. Dies mache auch die zwischenzeitlich erfolgte Änderung der [X.] II-VO deutlich.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Thüringer [X.]s vom 10. August 2011 und des Sozialgerichts [X.] vom 14. Januar 2008 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 14. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2006 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Februar 2006 zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist unbegründet.

9

Streitgegenstand sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Februar 2006. Der Kläger hat den Streitgegenstand in zeitlicher Hinsicht zulässigerweise entsprechend beschränkt, nachdem wegen der übrigen noch streitig gewesenen [X.]räume vor dem [X.] ein sog "Überprüfungsvergleich" geschlossen worden war. Damit ist - anders als noch zum [X.]punkt der ersten zwischen den Beteiligten in derselben Angelegenheit ergangenen Entscheidung des [X.]s - lediglich noch der Bescheid vom 14.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.8.2006 Gegenstand des Revisionsverfahrens.

In der Sache ist die Revision unbegründet. Zutreffend hat das [X.] einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] verneint.

Leistungen nach dem [X.] erhalten gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 [X.] (idF der Norm durch das Kommunale Optionsgesetz vom 30.7.2004 - [X.] 2014) Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben ([X.]), die erwerbsfähig ([X.]) und hilfebedürftig ([X.]) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der [X.] haben ([X.]). Das [X.] hat diese Voraussetzungen nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen zutreffend bejaht.

Der Kläger war insbesondere hilfebedürftig gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 9 Abs 1 [X.]. Nach § 9 Abs 1 [X.] ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, ua nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Bei Prüfung der Hilfebedürftigkeit ist von einem durch die Regelleistung nach § 20 Abs 2 letzter Halbsatz [X.] (hier in der Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.], [X.] 2954) für einen Alleinstehenden abgedeckten Bedarf in Höhe von 331 [X.] sowie einem Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe von 320,77 [X.] auszugehen. Das Vorbringen der Beteiligten bietet insoweit keinen Anhalt an der Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung, wie sie das [X.] zugrunde gelegt hat, zu zweifeln. Schließlich war dem Bedarf des [X.] wegen des vorangegangenen Bezuges von [X.] ein befristeter Zuschlag in Höhe von 160 [X.] monatlich hinzuzurechnen (vgl § 24 Abs 1, 3 [X.] ebenfalls in der Fassung des genannten Gesetzes).

Diesem Gesamtbedarf des [X.] in Höhe von 808,97 [X.] steht zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von (jedenfalls) 569,58 [X.] gegenüber. Zutreffend und von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen ist das [X.] davon ausgegangen, dass es sich bei der Verletztenrente dem Grunde nach um Einkommen iS des § 11 Abs 1 [X.] (in der Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt; alte Fassung ) handelt. Dieses Einkommen ist - von den vom [X.] festgestellten Absetzbeträgen in Höhe von allenfalls 77,77 [X.] abgesehen (neben der [X.] von 30 [X.] die tatsächlich aufgewandten Beträge für eine Kfz-Haftpflichtversicherung iS des § 11 Abs 2 [X.] [X.] aF sowie - ihre Förderfähigkeit zugunsten des [X.] unterstellt - die Beiträge zur Altersvorsorge in Höhe von 15 [X.]) - entgegen der Auffassung des [X.] nicht um einen Betrag zu vermindern, der dem Betrag der Grundrente nach § 31 [X.] entspricht.

Die gesetzgeberische Grundentscheidung, eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung als Einkommen iS des § 11 [X.] aF von der Berücksichtigung auch nicht in Teilen freizustellen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Wie das [X.] zwischenzeitlich mit Beschluss vom 16.3.2011 (1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 - NZS 2011, 895 = [X.] 2011, 702) entschieden hat, besteht eine ausreichende sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung der Empfänger einer bei der Berechnung von Leistungen nach dem [X.] in vollem Umfang als Einkommen zu berücksichtigenden Verletztenrente gegenüber den Empfängern der nach § 11 Abs 1 Satz 1, § 11 Abs 3 [X.] aF (nunmehr § 11a [X.]) privilegierten Leistungen, insbesondere der Grundrente nach § 31 [X.] und dieser Rente gesetzlich gleichgestellten Renten.

Der [X.] hat in der zwischen den Beteiligten ergangenen Entscheidung vom [X.] ([X.] 4-4200 § 11 [X.]0) zudem ausgeführt, dass sich auch im Hinblick auf die Behandlung von solchen Verletztenrenten, die auf einer Schädigung als Wehrdienstleistender der [X.] beruhen, keine verfassungswidrige Schlechterstellung im Vergleich mit demjenigen Personenkreis ergibt, der eine gleichartige Dienstbeschädigung als Wehrdienstleistender der [X.] erlitten hat und folglich nach § 80 Soldatenversorgungsgesetz iVm dem [X.] versorgt wird. Diese Entscheidung hat in der Folge in Rechtsprechung und Literatur keinen durchgreifenden Widerspruch erfahren (zweifelnd im Hinblick auf einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG nur [X.], [X.] 2011, 691, 693). Weitergehende Argumente, mit denen sich der [X.] nicht bereits auseinandergesetzt hat, trägt auch der Kläger nicht vor. An seiner Einschätzung hält der [X.] daher fest, sodass zur Vermeidung von Wiederholungen im Einzelnen auf die Ausführungen dort (aaO, Rd[X.]4 ff) Bezug genommen wird.

Schließlich hat zwar der Verordnungsgeber in Ausfüllung der Verordnungsermächtigung in § 13 Abs 1 [X.] [X.] mit der Fünften Verordnung zur Änderung der [X.] II-VO ([X.] 1175) zum 1.7.2011 neu bestimmt, dass in Fällen wie dem vorliegenden die Verletztenrente teilweise nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist, wobei sich die Höhe des nicht zu berücksichtigenden Betrages nach der Höhe der Grundrente nach § 31 [X.] bestimmt, die für den Grad der Schädigungsfolgen zu zahlen ist, der der jeweiligen Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht (vgl § 1 Abs 6 [X.] II-VO in der seither geltenden Fassung). Es ist aber erkennbar, dass dabei die Beseitigung eines als unbillig empfundenen Ergebnisses für die Zukunft Ziel der Änderung war. Der Verordnungsgeber wollte die zwischenzeitliche Änderung ausdrücklich nur für die Zukunft bezogen verstanden wissen (vgl die nichtamtliche Begründung des [X.] vom 16.6.2011, [X.] f, abrufbar unter www.bmas.de sowie BT-Drucks 17/6658 [X.]). Aus der Änderung der Rechtslage für die Zukunft lassen sich keine weitergehenden Schlüsse für die Auslegung des Rechts für die [X.] vor Inkrafttreten ziehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Meta

B 14 AS 198/11 R

14.02.2013

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Altenburg, 14. Januar 2008, Az: S 37 AS 2447/06, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 SGB 2, § 11 Abs 3 SGB 2, § 1 Abs 6 AlgIIV 2008 vom 21.06.2011, § 220 AGB DDR, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 14.02.2013, Az. B 14 AS 198/11 R (REWIS RS 2013, 8177)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8177

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