Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.08.2006, Az. 1 StR 327/06

1. Strafsenat | REWIS RS 2006, 2108

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[X.] vom 23. August 2006 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 23. August 2006 beschlos-sen: 1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag gegen die Versäu-mung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 16. Februar 2006 Wiederein-setzung in den vorigen Stand gewährt. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Ur-teil wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten der Wiedereinsetzung und seines Rechtsmittels zu tragen. Gründe: (zu 2.) Der Angeklagte hat zwischen 2000 und 2004 —von Mitgliedern einer Ban-de von [X.] in 41 Fällen Kokain in [X.] zwischen 50 g und 100 g gekauft. Den überwiegenden Teil jeder Lieferung hat er selbst verbraucht, mit dem Rest Handel getrieben. 1 Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte unter Einbeziehung der in einem Strafbefehl des Amtsgerichts [X.] wegen fünf Fällen der Hehlerei verhängten Strafen bei Auflösung der dort gebildeten, zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten zu einer (nachträglichen) Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten ver-urteilt. 2 - 3 - Seine Revision ist auf die Sachrüge gestützt, die zum Strafausspruch näher ausgeführt ist. Sie ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 [X.]). 3 1. [X.] ist ohne Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklag-ten. 4 2. Die Revision legt ein Konvolut von Internetausdrucken und Pressebe-richten vor, die sich, so ihr Vortrag, auf die Verfahren gegen Mitglieder der ge-nannten Bande beziehen. Obwohl deren Taten wesentlich schwerer wiegen würden als die des Angeklagten, seien die meisten von ihnen sogar niedriger als der Angeklagte bestraft worden. Wegen dieser rechtswidrigen Ungleichbe-handlung könne der Strafausspruch gegen den Angeklagten keinen Bestand haben. Weitgehend, wenn auch nicht ausschließlich, beschäftigt sich das hier-auf bezogene Vorbringen mit dem Zeugen [X.] , der einer der Hauptlie-feranten des Angeklagten war und der ihn in der Hauptverhandlung als Zeuge massiv belastet hat. 5 3. Mit alledem kann die Revision keinen Erfolg haben. 6 a) Nach der Rechtsprechung des [X.] ist die Strafe für jeden Mittäter, Teilnehmer oder sonst an einem Tatkomplex Beteiligten grund-sätzlich nach dem Maß der jeweiligen individuellen Schuld zu bestimmen. Es wäre rechtsfehlerhaft, wenn das Gericht die Strafe allein im Hinblick auf die Strafen bemessen würde, die in anderen Urteilen - sei es desselben Gerichts, sei es eines anderen Gerichts - verhängt wurden (st. Rspr., vgl. nur [X.] bei [X.] 1979, 986; [X.]St 28, 318, 323; [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Wertungs-fehler 23; [X.] NStZ-RR 1997, 196 f.; vgl. auch zusammenfassend [X.], Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. [X.]. 477 ff. m. w. N.). Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens fest. In anderen Urteilen 7 - 4 - verhängte Strafen führen zu keiner, wie auch immer beschaffenen, rechtlichen Bindung des Gerichts bei der Strafzumessung. b) Dies hindert das Gericht freilich nicht, die Höhe anderweit verhängter Strafen mit in die Strafzumessungserwägungen einfließen zu lassen (vgl. [X.] aaO; [X.]). Daraus folgt jedoch nicht, dass dieser mögliche Strafzu-messungsgesichtspunkt aus Rechtsgründen als bestimmend (§ 267 Abs. 3 Satz 1 [X.]) anzusehen und daher ausdrücklich zu erörtern wäre. Die Erörterung sämtlicher vorstellbarer Strafzumessungsgesichtspunkte ist nicht möglich und daher auch nicht geboten (st. Rspr., vgl. [X.]/[X.] 53. Aufl. § 46 [X.]. 106). 8 c) [X.] hat in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit hingewiesen, eine auf die Behauptung der Verletzung der [X.] gestützte Verfahrensrüge zu erheben, wobei zumindest die anderweit ergangenen Urteile und deren Gründe vorzutragen seien. Zum Beleg hat sie sich auf [X.] wistra 2001, 57, 58 berufen, wo freilich zugleich hervorgehoben ist, dass —primär ... für jeden die Strafe aus der Sache selbst gefunden werdenfi muss. Ob eine solche Verfahrensrüge über-haupt Erfolg haben könnte, und unter welchen jedenfalls ungewöhnlichen Um-ständen des Einzelfalls dies gegebenenfalls (allenfalls ausnahmsweise) der Fall sein könnte, braucht der Senat aber nicht zu prüfen, da es hier selbst an dem Vortrag der Gründe der anderweitigen Urteile fehlt. 9 d) Auf den dementsprechend zutreffenden Hinweis der Generalbundes-anwältin hat die Revision erwidert (§ 349 Abs. 3 Satz 2 [X.]), damit werde ihr Unmögliches abverlangt. Die in Rede stehenden Bandenmitglieder seien keine Mittäter des Angeklagten [X.] § 25 Abs. 2 StGB und auch nicht in demselben 10 - 5 - Verfahren wie der Angeklagte verfolgt und abgeurteilt worden. Deshalb könne sie aus Rechtsgründen die Akten jener Verfahren nicht einsehen. Dies trifft nicht zu, wie sich aus § 475 [X.] ergibt. Die Annahme eines berechtigten Interesses [X.] § 475 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann sich im Einzelfall auch aus Notwendigkeiten (der Vorbereitung) einer Strafverteidigung ergeben (vgl. [X.] in Löwe/[X.] [X.] 25. Aufl. § 475 [X.]. 5), zumal bei einem inneren Zusammenhang zwischen den in Rede stehenden Verfahren. 11 Die von der Revision zum Beleg ihrer Auffassung herangezogene Ent-scheidung [X.], 299 ff. ergibt nichts anderes. Abgesehen da-von, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung §§ 474 ff. [X.] noch nicht galten - das Achte Buch der [X.] beruht auf einem Gesetz vom 2. August 2000 ([X.]) -, heißt es auch dort schon, es komme —auch für einen Nicht-verfahrensbeteiligten die Möglichkeit einer Akteneinsicht in [X.] ([X.] aaO, 301). 12 e) Im Übrigen bemerkt der Senat, dass selbst dann, wenn der rechtliche Ausgangspunkt der Revision zuträfe - was nicht der Fall ist -, hier keine [X.] für eine unvertretbare Relation zwischen der gegen den Angeklag-ten verhängten Strafe einerseits und den von der Revision genannten übrigen Strafen erkennbar sind. 13 (1) [X.] hat sich in den Urteilsgründen eingehend mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen [X.]befasst. Aus den in diesem Zu-sammenhang getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass er über rund sieben Jahre und in weit größerem Umfang als der Angeklagte mit Rauschgift Handel getrieben hat; dies untermauert der [X.], soweit er hierzu aus den Akten des vorliegenden Verfahrens referiert. Die Urteilsgründe ergeben jedoch auch, dass [X.] ohne sein eigenes, für die Behörden überraschendes 14 - 6 - Geständnis nur Rauschgifthandel über einen Zeitraum von weniger als drei [X.] nachzuweisen gewesen wäre, also nur ein geringer Bruchteil der tatsäch-lich von ihm begangenen Taten. Er hat zahlreiche weitere Tatbeteiligte genannt, deren Verstrickung in Rauschgiftkriminalität den Behörden nicht oder jedenfalls nicht in diesem Umfang bekannt war. Sämtliche seiner Angaben haben sich als zutreffend erwiesen. In die gleiche Richtung deutet auch ein von der Revision vorgelegter Zeitungsartikel. Danach sei es nur durch die detaillierten Angaben möglich gewesen, —in das weitere Dickicht [X.] Insgesamt habe das Verfahren —ein riesiges Ausmaßfi angenommen, es seien fast 40 Haftbefehle ergangen. Demgegenüber hat der Angeklagte die von ihm begangenen Taten nur zum Teil eingeräumt, seine Angaben waren teilweise —widersprüchlich und in-konstantfi und der —jeweiligen Beweissituation angepasstfi. Soweit er Abnehmer belastet hat, waren seine Angaben überwiegend —vagefi und —unzu- reichendfi, und nur in Teilen wenigstens als —Aufklärungsbemühenfi zu werten. [X.] waren letztlich nur Angaben über den Verkauf von (insgesamt) 50 g Kokain an einen Abnehmer im Lauf des Jahres 2003, die schon vorhandene polizeiliche Erkenntnisse —[X.] machten. 15 Angesichts der großen Bedeutung von Geständnissen und tragfähigen Angaben über andere Tatbeteiligte für die Bekämpfung von [X.] erscheint es daher nachvollziehbar und jedenfalls nicht sachwidrig, dass der Angeklagte einerseits und [X.]

(5 Jahre Gesamtfreiheitsstrafe) anderer-seits hinsichtlich der Rauschgiftdelikte in etwa ähnlich bestraft wurden. 16 (2) Mit den anderen von der Revision aufgeführten Bandenmitgliedern, z. B. mit [X.]. [X.], dem Bruder des [X.] , befasst sich das ange-fochtene Urteil entsprechend ihrer jeweiligen Bedeutung für die Verurteilung 17 - 7 - des Angeklagten nicht oder nicht so intensiv wie mit [X.] . Es liegt aber nahe, dass für sie Ähnliches gilt wie bezüglich H. [X.], jedenfalls werden in dem bereits genannten Artikel die Angaben des Kopfs der Bande, die seines Bruders und die eines anderen Bandenmitglieds als gleichartig geschil-dert. In einem anderen von der Revision vorgelegten Artikel heißt es, dass —etli-che ... Mitglieder der Drogenbande mit recht niedrigen Strafen davongekommen (waren), weil sie Mittäter verraten hattenfi. 4. Auch im Übrigen ist der Strafausspruch ohne durchgreifenden Rechts-fehler zum Nachteil des Angeklagten. Dies gilt auch hinsichtlich der nachträgli-chen Gesamtstrafe. [X.] hielt ausweislich der Urteilsgründe an sich eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten für angemessen. Diese Strafe hat sie dann im Hinblick auf den gebotenen Aus-gleich für die vom Angeklagten in der einbezogenen Sache erbrachten [X.] (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 2, § 56f Abs. 3 StGB) um drei Monate ermäßigt. Dabei hat sie - wie sie selbst in den Urteilsgründen ausführt, in Folge eines Versehens - nicht berücksichtigt, dass dieser Ausgleich nicht durch eine Herabsetzung der Gesamtstrafe vorzunehmen ist, sondern durch eine (in den [X.] aufzunehmende) die Strafvollstreckung verkürzende 18 - 8 - Anrechnung auf die Gesamtfreiheitsstrafe (st. Rspr. seit [X.]St 36, 378). Es ist hier jedoch ausgeschlossen, dass der Angeklagte durch den aufgezeigten Mangel beschwert ist (vgl. [X.], Beschluss vom 13. November 2002 - 2 [X.]). [X.]Wahl Kolz Hebenstreit Elf

Meta

1 StR 327/06

23.08.2006

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.08.2006, Az. 1 StR 327/06 (REWIS RS 2006, 2108)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2108

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