Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.05.2012, Az. 2 B 67/11

2. Senat | REWIS RS 2012, 6357

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Gegenstand

Soldatenversorgung: Zulassungsschein; Übergangsbeihilfe


Gründe

1

Die [X.]eschwerde des [X.] hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO unter Aufhebung der [X.]erufungsentscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. Die [X.]erufungsentscheidung beruht auf einem Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, weil das Oberverwaltungsgericht den Anspruch des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt hat.

2

1. Der Kläger war bis zum 4. August 2007 Soldat auf [X.]. Zur Vorbereitung der beruflichen Eingliederung nach Ablauf seiner zwölfjährigen Dienstzeit erhielt er eine Vorbehaltsstelle als Verwaltungsfachangestellter bei der Wehrbereichsverwaltung [X.]. Die laufbahnrechtliche [X.]efähigung erwarb der Kläger durch eine dreijährige Ausbildung am Standort [X.]. Das anschließende Angebot einer Stelle im [X.]ereich des [X.] lehnte der Kläger ab.

3

Seinen Antrag auf Herausgabe des ihm erteilten [X.] lehnte die [X.]eklagte ab. Der Kläger habe die Unterbringung aus persönlichen Gründen verweigert und den Anspruch auf den Zulassungsschein damit verwirkt. Die Klage ist erfolglos geblieben. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, aufgrund der Ablehnung der Stelle müsse das Recht aus dem Zulassungssein in entsprechender Anwendung des § 9 Abs. 6 SVG als erloschen betrachtet werden. Hierauf hat das Oberverwaltungsgericht verwiesen. Auch müsse der Kläger den [X.] Zulassungsschein in jedem Falle sofort wieder an die [X.]eklagte herausgeben.

4

2. Die [X.]erufungsentscheidung beruht auf einem Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, weil das Oberverwaltungsgericht über die [X.]erufung des [X.] ohne mündliche Verhandlung durch [X.]eschluss nach § 130a Satz 1 VwGO entschieden hat, ohne den Ablauf der hierzu gegebenen Äußerungsfrist (§ 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO) abzuwarten. Damit hat es den Anspruch des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt.

5

Nach den tatsächlichen Feststellungen in der [X.]erufungsentscheidung ist die dem Kläger eingeräumte Stellungnahmefrist letztmalig bis 6. Februar 2011 verlängert worden. Da das Fristende somit auf einen Sonntag fiel, endete die Frist gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO mit Ablauf des nächsten Werktages. Diese, der generellen Regelung in § 193 [X.]G[X.] entsprechende Anordnung zur [X.]erechnung des [X.] gilt "als Ausdruck allgemeiner Rechtsgrundsätze" (Urteil vom 19. Dezember 1995 - [X.]VerwG 10 A 1.94 - [X.]VerwGE 100, 206 <209> = [X.] 232.3 § 16 EUrlV Nr. 1, [X.]) nicht nur für gesetzliche Fristen, sondern auch für richterlich bestimmte Äußerungsfristen (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 16. Februar 1965 - 2 [X.]vR 114/60 - [X.]E 18, 380 <383 f.>). Der am 7. Februar 2011 beim Oberverwaltungsgericht eingegangene Schriftsatz vom selben Tage war daher noch fristgerecht und hätte vom Oberverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt werden müssen. Der Kläger durfte darauf vertrauen, dass die vom Gericht selbst eröffnete Möglichkeit, bis zu einem bestimmten [X.]punkt "gehört" zu werden, nicht unzulässig verkürzt wird.

6

Auch inhaltlich sind die vom Kläger im Schriftsatz vom 7. Februar 2011 vorgetragenen Gesichtspunkte nicht berücksichtigt. Das Oberverwaltungsgericht hat weder die vorgetragene Möglichkeit der Inanspruchnahme des [X.] für eine [X.]ewerbung bei einer anderen [X.]ehörde noch die geltend gemachte Überlegungsfrist gewürdigt. Die [X.]erufungsentscheidung kann auf dem Gehörsverstoß beruhen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Oberverwaltungsgericht bei Würdigung der vorgetragenen Argumente anders entschieden hätte.

7

Der Rechtsstreit ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 133 Abs. 6 VwGO an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. Über den vom Kläger darüber hinaus geltend gemachten Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kann nicht entschieden werden, weil es an nachvollziehbaren Tatsachenfeststellungen des [X.] fehlt (vgl. hierzu auch [X.]eschlüsse vom 31. August 1999 - [X.]VerwG 3 [X.] - NVwZ-RR 2000, 259 und vom 3. Februar 1993 - [X.]VerwG 11 [X.] 12.92 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 10). Die vom Oberverwaltungsgericht praktizierte pauschale [X.]ezugnahme auf die Gründe der vorinstanzlichen Entscheidung entspricht nicht den Vorgaben des § 130b VwGO (vgl. zuletzt [X.]eschluss vom 20. Oktober 2011 - [X.]VerwG 2 [X.] 86.11 - juris). Unklar ist aber insbesondere auch, ob der Kläger bereits mit Aufnahme seiner Ausbildung die ihm zugewiesene Vorbehaltsstelle als Verwaltungsfachangestellter in Anspruch genommen hat (vgl. zur Verbindlichkeit der Inanspruchnahme des [X.] bereits für eine Ausbildungsstelle nach § 10 Abs. 1 Satz 2 SVG etwa [X.], Urteil vom 10. März 2009 - 12 K 2181/08 - juris). Denn die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen hierfür hat er erst mit erfolgreichem Ausbildungsabschluss erlangt.

8

Für die erneute Verhandlung wird das Oberverwaltungsgericht zu berücksichtigen haben, dass der Gesetzgeber dem Inhaber eines [X.] in § 12 Abs. 5 Satz 1 SVG einen [X.]raum von acht Jahren zur Ausübung des Wahlrechts eingeräumt hat (vgl. zum Erfordernis der Ausübung des Wahlrechts [X.]eschluss vom 19. April 1990 - [X.]VerwG 6 [X.] 42.89 - [X.] 239.2 § 12 SVG Nr. 8). Der Kläger ist daher nicht verpflichtet, den Zulassungsschein sofort wieder an die [X.]eklagte herauszugeben, sodass der Anknüpfungspunkt für die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Treuwidrigkeit entfällt. Dass der Kläger die letztlich erstrebte Auszahlung der ungeschmälerten Überbrückungsbeihilfe auch ohne "Rückgabe" des [X.] begehren könnte, hat das Oberverwaltungsgericht aber offenkundig nicht angenommen.

9

Ausgeschlossen ist die Wahl der ungeschmälerten Übergangsbeihilfe gemäß § 12 Abs. 5 Satz 1 SVG neben dem Ablauf der [X.] nur, wenn das Recht aus dem Zulassungsschein nach § 9 Abs. 6 SVG erloschen ist. Hierfür reicht es aber nicht bereits aus, dass der Kläger eine nach § 10 SVG den Inhabern eines [X.] oder [X.] vorbehaltene Ausbildungsstelle in Anspruch genommen hat. [X.]ereits aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 6 Satz 1 SVG folgt, dass der Erlöschenstatbestand zeitlich an das Stadium nach Abschluss der Ausbildung anknüpft. Für Angestellten- und Arbeitsverhältnisse ergibt sich dies aus der Klarstellung, dass in Fällen ohne vorgeschaltete Ausbildung erst auf den [X.]punkt "nach Ablauf der Probezeit" abgestellt wird. Der Erlöschenstatbestand knüpft daher an das Stadium einer nach Abschluss der Ausbildung aufgenommenen [X.]eschäftigung an, sodass die Inanspruchnahme einer vorbehaltenen Ausbildungsstelle noch nicht in den Anwendungsbereich der Norm fällt.

Deutlicher wird diese zeitliche Abstufung in der bis zum 31. Mai 2005 gültigen Gesetzesfassung. Ein eigenständiger Erlöschenstatbestand für den Zulassungsschein war damals - anders als für den [X.], der unmittelbare Wirkungen auf die [X.] entfalten kann (vgl. hierzu Urteil vom 28. November 2002 - [X.]VerwG 2 C 30.01 - [X.] 239.2 § 9 SVG Nr. 2) - in § 9 SVG nicht geregelt; § 12 Abs. 5 Satz 1 SVG a.F. stellte aber klar, dass die volle Übergangsbeilhilfe nicht mehr gewählt werden konnte, wenn der ehemalige Soldat als Angestellter "in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte [X.]" übernommen worden war. Allein die Inanspruchnahme der Rechte aus dem Zulassungsschein zur Ableistung des Vorbereitungsdiensts auf einer Vorbehaltsstelle erfüllte den Erlöschenstatbestand folglich nicht. Erforderlich hierfür war vielmehr das Fortwirken bis zur Anstellung als [X.]eamter auf Probe oder als Angestellter in einem Arbeitsverhältnis auf unbestimmte [X.]. Vor diesem [X.]punkt konnte der ehemalige Soldat - durch freiwillige Aufgabe oder aufgrund endgültigen Scheiterns der angestrebten Eingliederung - den Zulassungssein zurückgeben und stattdessen die ungekürzte Übergangsbeihilfe wählen (vgl. Urteil vom 26. März 1992 - [X.]VerwG 2 C 9.91 - [X.] 239.2 § 12 SVG Nr. 10).

Dass die Neufassung des Soldatenversorgungsgesetzes hieran - trotz des entgegenstehenden Wortlauts - etwas hätte ändern sollen, kann den Gesetzesmaterialien nicht entnommen werden. Vielmehr sollte mit der Einfügung des § 9 Abs. 5 SVG n.F. lediglich ein eigenständiger Erlöschenstatbestand auch für das Recht aus dem Zulassungsschein eingeführt werden (vgl. [X.]RDrucks 877/04, [X.]0). Dass hiermit inhaltlich eine Veränderung der hieraus folgenden Einschränkung des Rechts zur Inanspruchnahme der ungekürzten Übergangsbeihilfe verbunden sein sollte, ist nicht ersichtlich (vgl. hierzu auch die Gesetzesbegründung zu § 12 SVG in [X.]RDrucks 877/04, [X.]3).

Ein Ausschluss der Gewährung ungekürzter Übergangsbeihilfe ist schließlich auch durch Sinn und Zweck der Unterstützungsleistung nicht vorgegeben. Die Übergangsbeihilfe bezweckt in erster Linie die Erleichterung eines in späteren Lebensjahren verbundenen [X.]erufswechsels, hier also des Übergangs eines Soldaten auf [X.] in das zivile [X.]erufsleben (vgl. [X.]eschluss vom 19. April 1990 - [X.]VerwG 6 [X.] 42.89 - [X.] 239.2 § 12 SVG Nr. 8). Erfolgt die Eingliederung durch Anstellung auf eine Vorbehaltsstelle nach § 10 SVG, ist eine Kürzung der finanziellen Übergangsbeihilfe berechtigt. Denn der Übergang wird hier durch andere Förderinstrumente erleichtert. Findet eine dauerhafte Eingliederung im öffentlichen Dienst unter Inanspruchnahme eines [X.] dagegen nicht statt, so stellt sich für den ehemaligen Soldaten noch die Schwierigkeit eines Übertritts in ein anderes [X.]eschäftigungsverhältnis, die mit der Gewährung einer Übergangsbeihilfe abgemildert werden soll.

Angesichts dieser Gesetzeslage verbietet sich auch die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, aus § 9 Abs. 6 Satz 2 SVG lasse sich der allgemeine Grundgedanke entnehmen, bei einem Fehlschlagen der Eingliederung aufgrund des Verhaltens des Soldaten erlösche die Rechtsstellung aus dem Zulassungsschein. Diese Fallkonstellationen sind vom Gesetzgeber gesehen und für den Fall des [X.]s in § 9 Abs. 5 SVG einer ausdrücklichen Regelung zugeführt worden. Die Fälle, in denen die endgültige Eingliederung aus einem von dem ehemaligen Soldaten zu vertretenden Grund vor der Ernennung zum [X.]eamtenverhältnis auf Lebenszeit geendet hat (§ 9 Abs. 5 Nr. 4 SVG), die Einstellung nicht mehr angestrebt wird (§ 9 Abs. 5 Nr. 2 SVG) oder der Inhaber des [X.]s einer Aufforderung zur Mitwirkung im [X.] schuldhaft nicht Folge geleistet hat (§ 9 Abs. 5 Nr. 1 SVG), sind dort als eigenständige Erlöschenstatbestände ausgestaltet. Entsprechendes gilt für den Zulassungsschein aber gerade nicht. § 9 Abs. 6 SVG hat hierfür vielmehr ein eigenständiges Regelungssystem geschaffen, das vergleichbare Verlustregelungen nicht enthält.

Schließlich liegt auch keine vergleichbare Lage zu den in § 9 Abs. 6 Satz 2 SVG normierten Tatbeständen vor. Unabhängig von der allgemeinen Frage einer analogen Erstreckung auf dort nicht geregelte Fallgruppen (vgl. zum abschließenden Charakter der gesetzlichen Erlöschenstatbestände Urteil vom 28. November 2002 - [X.]VerwG 2 C 30.01 - [X.] 239.2 § 9 SVG Nr. 2) umfasst § 9 Abs. 6 Satz 2 SVG jedenfalls nur Konstellationen, in denen "das [X.]eamtenverhältnis aus disziplinarischen Gründen endet oder das Arbeitsverhältnis aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt wird". Ausreichend ist daher nicht bereits ein vom ehemaligen Soldaten zu vertretender Umstand; erforderlich ist vielmehr ein Fehlverhalten, dessen Schwere bei einem [X.]eamten die Entfernung aus dem Dienst sowie bei einem Angestellten die Kündigung des Vertragsverhältnisses rechtfertigen würde. Nach der Rechtsprechung des [X.]undesarbeitsgerichts setzt dies aber voraus, dass der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsverhältnisse angemessen erscheint (vgl. zuletzt etwa [X.]AG, Urteil vom 3. November 2011 - 2 [X.] - juris). Ein entsprechendes Verhalten des [X.] ist von den [X.] bislang nicht festgestellt worden.

Meta

2 B 67/11

16.05.2012

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 7. Februar 2011, Az: 3 LB 17/10, Beschluss

§ 12 Abs 5 SVG, § 9 Abs 6 SVG, § 9 Abs 5 SVG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.05.2012, Az. 2 B 67/11 (REWIS RS 2012, 6357)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6357

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2 AZR 748/10

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