Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2006, Az. IV ZR 244/04

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 5572

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04 Verkündet am:

18. Januar 2006

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: ja _____________________ AVB Krankheitskostenversicherung (§§ 4 (1), 5 (1) g MB/KK 94) Die Erstattungsfähigkeit zahnärztlicher Sachkosten kann durch Einführung von Höchstgrenzen unter Anknüpfung an bestimmte Leistungen in einer dem [X.] angehängten so genannten [X.] beschränkt werden. [X.], Urteil vom 18. Januar 2006 - [X.]/04 - [X.] [X.]
- 2 -

[X.] hat durch den [X.] und [X.], [X.], [X.] und Dr. [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2006 für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 23. Zi-vilkammer des Landgerichts [X.] vom 29. September 2004 aufgehoben. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des Amtsge-richts [X.] vom 30. März 2004 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtsmittelzüge. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Erstattung von Sachkosten einer zahnärztlichen Behandlung des [X.]. 1 Der Kläger hält bei der Beklagten eine private Krankheitskosten-versicherung. Dem Versicherungsvertrag liegen seit dem 1. Juli 1998 u.a. die Tarifbedingungen ([X.]) des Tarifes "[X.]" zugrunde. Dieser sieht eine grundsätzliche Erstattung von [X.] in [X.] - 3 -

he von 90% vor. Zur Erstattung von Sachkosten bei zahnärztlicher [X.] heißt es in Nr. 10b (1) [X.]: "Die Erstattung von Sachkosten bei zahnärztlicher und kie-ferorthopädischer Behandlung richtet sich nach den in der [X.] des versicherten Tarifes genannten Leis-tungsinhalten und [X.], soweit nichts anderes vereinbart ist."
Der zweiseitigen - ausdrücklich auch für den Tarif "[X.]" gül-tigen - [X.], die fortlaufend nummeriert einzelne [X.] mit [X.] benennt, sind u.a. folgende "Informationen zur [X.]" vorangestellt: 3 "1. Die Liste bezeichnet abschließend die Leistungen, die von einem Zahnarzt/einer Zahnärztin oder einem zahntech-nischen Labor als Sachkosten gemäß § 9 GOZ erbracht werden und im Rahmen des Versicherungsschutzes erstat-tungsfähig sind. 2. – Leistungen, die nicht in dieser Liste enthalten sind oder Preise, soweit sie über den genannten liegen, sind nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes. –"
2002 unterzog sich der Kläger einer zahnärztlichen Behandlung, für die ihm insgesamt 12.235,46 • in Rechnung gestellt wurden, davon 6.572,22 • Laborkosten. Unter Hinweis auf die Geltung der [X.] verweigerte die Beklagte die Regulierung des [X.] in Höhe von 2.726,85 •. 4 5 Das Amtsgericht hat die auf diesen Betrag gerichtete Zahlungs-klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das Berufungsge-richt, dessen Entscheidung in [X.] 2005, 208 veröffentlicht ist, den Ver-- 4 -

sicherer antragsgemäß verurteilt. Mit seiner Revision erstrebt dieser die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des [X.] und zur Abweisung der Klage. 6 [X.] Das Berufungsgericht hält die [X.] gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.]B für intransparent. Sie beruhe auf der sog. [X.] ([X.] Verzeichnis zahntechnischer Leistungen nach § 88 [X.]), auf deren Grundlage nach seiner ständigen Rechtsprechung nicht abgerechnet werden dürfe. Die Üblichkeit erstattungsfähiger Preise an den Maßstäben der [X.] auszurichten, verkenne die [X.] zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Die mit der [X.] verbundenen erheblichen Erstattungskürzungen würden dem Versicherungsnehmer nicht deutlich. Vielmehr suggeriere ihm Nr. 1 der "Informationen zur [X.]", dass es sich bei den Beträgen der [X.] um die tatsächlichen Ansätze der Labore handele. Dass diese in Wirklichkeit höher sein könnten und insoweit nicht erstattungsfähig seien, bleibe unklar. 7 8 I[X.] Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung bereits im Ansatz nicht stand. - 5 -

1. Das Berufungsgericht verstellt sich durch seinen sogleich vor-genommenen vergleichenden Rückgriff auf die [X.] den Blick auf die im konkreten Fall maßgeblichen Rechtsgrundlagen des zu gewäh-renden Versicherungsschutzes. Dieser ergibt sich allein aus dem zwi-schen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag, den Allgemei-nen Versicherungsbedingungen und den diese ergänzenden Tarifen und Tarifbedingungen (vgl. [X.]Z 154, 154, 166; Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - [X.] - [X.], 1035 unter [X.]). Zwar ist das für die Krankenversicherung des [X.] geltende Bedingungswerk nur rudi-mentär zu den Akten gereicht worden. Gleichwohl ist dem Senat eine abschließende Entscheidung über die Berechtigung des vom Kläger er-hobenen Erstattungsanspruchs auf der insoweit unstreitigen [X.] möglich. Diese enthält keinen Anhalt dafür, dass die [X.] auf den vereinbarten Leistungsumfang in irgendeiner Weise Ein-fluss nehmen könnte. Auch wenn diese Liste möglicherweise als Vorbild für die [X.] der Beklagten gedient haben oder deren [X.] durch die Abschaffung der [X.] zum 1. Januar 1998 motiviert gewesen sein sollte, ist die über den gewählten Tarif geltende [X.] allein für die Erstattungsfähigkeit zahnärztlicher Sachkosten maßgeblich. 9 2. Zutreffend geht das [X.] allerdings davon aus, dass Nr. 10b (1) [X.] zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen zählt, da sie - unabhängig von ihrer Bezeichnung im Einzelfall - eine Bestimmung mit Regelungscharakter ist, die einer Vielzahl von Versicherungsverträgen ohne Rücksicht auf individuelle Verschiedenheiten der einzelnen [X.] zugrunde gelegt wird (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.]. [X.]. I Rdn. 13, 13b). Das gilt gleichermaßen für die [X.]. 10 - 6 -

Auch sie hat insofern Regelungsgehalt, als sie unmittelbar die Erstat-tungsfähigkeit einzelner Rechnungsposten festlegt. Ob dies in gleicher Weise für die vorangestellten "Informationen zur [X.]" gilt, die den Regelungsgehalt des Nr. 10b (1) [X.] nur erläutern, kann dage-gen dahinstehen. Die "Informationen" bestimmen jedenfalls nachhaltig das Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers vom In-halt der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, auf dessen Sicht es bei der Auslegung allein ankommt ([X.]Z 84, 268, 272; 123, 83, 85 und ständig).
3. Vor diesem Hintergrund begegnet die von der Beklagten [X.], wonach die erstattungsfähigen zahnärztli-chen Sachkosten ihrer Art nach abschließend und ihrer Höhe nach [X.] in einer Art Anhang zu dem jeweils gewählten Tarif aufgelistet werden, keinen rechtlichen Bedenken (vgl. zur Zulässigkeit von [X.] in [X.] auf Anlagen [X.], Urteil vom 1. Februar 1996 - [X.] - NJW 1996, 2374 unter [X.]). Der Senat kann die Allgemeinen Versicherungsbedingungen selbständig auslegen, da deren unterschied-liche Auslegung durch verschiedene Berufungsgerichte denkbar ist (vgl. [X.], Urteil vom 5. Juli 2005 - [X.]/04 - zur Veröffentlichung in [X.]Z 163, 321 bestimmt). 11 a) Insbesondere liegt der vom Berufungsgericht angenommene Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.]B nicht vor. § 10b (1) [X.] lässt den durchschnittlichen, um Verständnis [X.] Versicherungsnehmer den ihm mit der [X.] verspro-chenen Sachkostenersatz einschließlich der damit verbundenen wirt-schaftlichen Nachteile und Belastungen klar und durchschaubar [X.] - 7 -

nen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Mai 2005 - [X.]/04 - [X.], 976 unter 1 c aa und [X.]; [X.]Z 141, 137, 143). Sowohl die Geltung der [X.] an sich als auch die mit ihr verbundenen Beschränkun-gen bei Art und Höhe erstattungsfähiger Sachkosten werden mit weni-gen und leicht verständlichen Worten vermittelt. Danach weiß der [X.], dass ihm von den [X.] ohnehin uneingeschränkt 90% erstattet werden. Die [X.] 10 betrifft lediglich den Teilbereich der Sachkosten. Sie will - für den Versicherungsnehmer wie-derum deutlich auszumachen - eine Begrenzung durch Einführung von [X.] herbeiführen. Das setzt die Anknüpfung an bestimmte Sachkosten voraus, die in der Liste dann im Einzelnen abschließend aufgeführt werden. Dieses Verständnis wird durch Nr. 2 der "Informatio-nen zur [X.]" zusätzlich verstärkt, wonach "... Leistungen, die nicht in dieser Liste enthalten sind oder Preise, soweit sie über den genannten liegen, ... nicht Gegenstand des Versicherungsschutzesfi sind. Eine weitergehende Unterrichtung kann und braucht aus [X.] nicht geleistet zu werden. Will der Versicherungs-nehmer vor Vertragsschluss ermessen, wie sich diese Begrenzung bei möglichen prothetischen Versorgungsmaßnahmen im Einzelnen auswir-ken können, liegt es zwar bei ihm, sich vorher sachkundig zu machen. Von dem generellen Umfang des angebotenen Versicherungsschutzes einschließlich seiner Grenzen kann er sich aber - entgegen der [X.] der Revisionserwiderung - ein realistisches Bild machen.
Dem steht die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang herangezogene Nr. 1 der "Informationen" mit ihrem erläuternden Hinweis auf die gemäß § 9 GOZ zu erbringenden Leistungen nicht entgegen. Hieraus wird ein verständiger Versicherungsnehmer auch ohne [X.] - 8 -

[X.] nicht schließen können, dass die in der [X.] enthaltenen Ansätze mit den tatsächlichen Ansätzen der Labors iden-tisch sind. Nr. 1 der "Informationen" spricht nicht von einer Erstattungs-fähigkeit im Rahmen des § 9 GOZ, sondern unmissverständlich von Er-stattungsfähigkeit "im Rahmen des Versicherungsschutzes". Diese Er-stattungsfähigkeit muss mit erbrachten Leistungen nach § 9 GOZ zu-sammentreffen.
b) Auch im Übrigen begegnet die Vereinbarung der Sachkostenlis-te keinen rechtlichen Bedenken. 14 (1) Ein Verstoß gegen das Überraschungsverbot des § 305c Abs. 1 [X.]B liegt nicht vor. Ein Versicherungsnehmer wird in Anbetracht des durch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen grundsätzlich weit gesteckten [X.] der Krankheitskostenversicherung davon ausgehen, dass das allgemeine Leistungsversprechen näherer Ausgestaltung bedarf, die auch Einschränkungen nicht ausschließt (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - [X.] - [X.], 1035 unter [X.]). Darauf wird der Versicherungsnehmer mit Nr. 10b (1) [X.], der die Bedeutung der [X.] des jeweiligen Tarifs für die konkrete Er-stattungsfähigkeit ausdrücklich hervorhebt, deutlich hingewiesen. 15 (2) Ebenso wenig weicht die Geltung der [X.] von we-sentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung ab (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 [X.]B). In diesem Zusammenhang können Regelungen aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, wie etwa insbeson-dere die [X.], nicht herangezogen werden. Private Versicherungen sind nach ihren eigenen privatrechtlichen Regelungen und ihrem eige-16 - 9 -

nen Vertragszweck zu beurteilen. Die Gesetze zur Sozialversicherung geben wegen ihrer Andersartigkeit und ihrer anderen [X.] insoweit keinen tauglichen Maßstab für die Beurteilung, ob der Versicherungsnehmer einer privaten Krankenversicherung unange-messen benachteiligt wird (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2001 - [X.], 576 unter 3 [X.] m.w.N.). Abgesehen davon geht die Beklagte nach ihrem unbestritten gebliebenen Vortrag mit der [X.] im Mittel sogar 20% über das Leistungsniveau der ent-sprechenden sozialversicherungsrechtlichen Regelungen hinaus.
(3) Schließlich ist mit der [X.] keine Vertragszweckge-fährdung verbunden (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 [X.]B). Eine solche wäre erst dann anzunehmen, wenn mit der Leistungseinschränkung der Vertrag ausgehöhlt werden könnte und er so in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos würde (Senatsurteile vom 29. September 2004 - [X.]/03 - [X.], 1449 unter 2 a (2); vom 19. Mai 2004 aaO unter [X.] [X.]). Das ist bei der vorgesehenen bloßen Beteiligung des [X.] an den Sachkosten zahnärztlicher Behandlung nicht der Fall. Im Hinblick auf den auch im Interesse des einzelnen [X.] liegenden Zweck der [X.], dem Versicherer eine sichere, vertretbare Prämiengestaltung zu ermöglichen (vgl. [X.] vom 19. Mai 2004 aaO unter [X.] b [X.] für die eingeschränkte Erstattung von Hilfsmitteln) und so die Prämie niedrig zu halten, werden die Belange des Versicherungsnehmers hinreichend berücksichtigt. 17 - 10 -

II[X.] Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, ist der Senat zu einer eigenen, klageabweisenden Sachentscheidung berufen (§ 563 Abs. 3 ZPO). 18 Terno [X.] [X.]

[X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 30.03.2004 - 146 C 185/03 - LG [X.], Entscheidung vom 29.09.2004 - 23 S 42/04 -

Meta

IV ZR 244/04

18.01.2006

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2006, Az. IV ZR 244/04 (REWIS RS 2006, 5572)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5572

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