Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.06.2023, Az. 6 StR 261/23

6. Strafsenat | REWIS RS 2023, 4405

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags und wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt sowie bei Anordnung eines [X.] seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Schuld- und Strafausspruch halten revisionsgerichtlicher Prüfung stand. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

3

Den Tatbestand der Körperverletzung hat der Angeklagte unabhängig davon erfüllt, dass das [X.] keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen hat, ob das Anspucken eines Polizeibeamten als körperliche Misshandlung zu werten ist (vgl. [X.], Beschluss vom 18. August 2015 – 3 [X.], [X.], 2). Denn der Angeklagte verletzte einen anderen Polizeibeamten durch Tritte.

4

Auch der Strafausspruch bleibt unberührt. Soweit die [X.] die Verletzung von zwei Menschen strafschärfend berücksichtigt hat, schließt der Senat im Hinblick auf das konkrete Tatbild aus, dass sie eine niedrigere Strafe verhängt hätte, wenn sie von der Verletzung nur einer Person ausgegangen wäre.

5

2. Die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB begegnet durchgreifenden Bedenken.

6

Es kann dahingestellt bleiben, ob die [X.] einen Hang im Sinne von § 64 StGB (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Februar 2022 – 6 StR 15/22, [X.], 237) sowie den erforderlichen symptomatischen Zusammenhang (vgl. [X.], Urteil vom 22. März 2023 – 6 StR 398/22, NStZ-RR 2023, 172) rechtsfehlerfrei festgestellt hat. Jedenfalls hält die Bejahung einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) rechtlicher Überprüfung nicht stand.

7

Für deren Beurteilung bedarf es einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgeblichen Umstände. Dabei sind neben der [X.] auch etwaige prognoseungünstige Faktoren einzubeziehen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 13. April 2021 – 4 StR 506/20; vom 17. Januar 2023 – 5 [X.]/22).

8

Diesen Anforderungen wird die Entscheidung des [X.]s nicht gerecht. Es hat sich darauf beschränkt mitzuteilen, warum die [X.] des Angeklagten geweckt werden könne. Hingegen ist gänzlich unerörtert geblieben, ob seine festgestellte „cholerische Persönlichkeitsakzentuierung mit niedriger Impulskontrolle“, die dazu führt, dass er „in alltäglichen Konfliktsitationen völlig überreagiert und dadurch unberechenbar wird“ ([X.]), einem Therapieerfolg entgegensteht.

9

3. Die Sache bedarf daher – wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) – insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.

Sander     

  

Feilcke     

  

Tiemann

  

von Schmettau     

  

Arnoldi     

  

Meta

6 StR 261/23

29.06.2023

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Saarbrücken, 18. Januar 2023, Az: 1 Ks 20/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.06.2023, Az. 6 StR 261/23 (REWIS RS 2023, 4405)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4405

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