Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.03.2015, Az. IX ZB 85/13

9. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 14138

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Restschuldbefreiungsverfahren: Antragsberechtigung für Versagungsanträge


Leitsatz

Versagungsanträge können alle Gläubiger stellen, die Forderungen im Insolvenzverfahren angemeldet haben; dass die angemeldete Forderung bestritten worden ist oder der Schuldner ihr widersprochen hat, hindert die Antragsbefugnis nicht (Ergänzung zu BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2009, IX ZB 257/08, WM 2009, 2234).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 31. Oktober 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der sofortigen Beschwerde des Schuldners stattgegeben worden ist.

Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des [X.] vom 28. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde werden wie folgt verteilt: Die Gerichtskosten tragen der Schuldner und die weitere Beteiligte zu 2 zu je [X.] Die außergerichtlichen Kosten des Schuldners trägt die weitere Beteiligte zu 2 zu [X.] Die außergerichtlichen Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 trägt der Schuldner. Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Kosten des Verfahrens der Rechtsbeschwerde trägt der Schuldner.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Am 23. Mai 2006 beantragte der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung. Mit Beschluss vom 20. Juni 2006 wurde das Verfahren eröffnet. Am 10. Februar 2009 meldete die weitere Beteiligte zu 1 eine Forderung zur Insolvenztabelle nachträglich an und benannte als Rechtsgrund eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung. Der Schuldner widersprach der Forderung insgesamt; vom Insolvenzverwalter wurde sie in voller Höhe bestritten. Mit Strafbefehl vom 15. Juni 2010 verhängte das [X.] gegen den Schuldner eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen wegen Bankrotts in zwei Fällen (§ 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. [X.]) und Insolvenzverschleppung. Der Strafbefehl, der für die Straftaten nach § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. [X.] Einzelstrafen von 15 und 30 Tagessätzen festsetzte, wurde am 2. Juli 2010 rechtskräftig.

2

Nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung, aber noch vor Abschluss des Insolvenzverfahrens beabsichtigte das Insolvenzgericht, über den Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners zu entscheiden, und gab dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern Gelegenheit zur Stellungnahme. Die weitere Beteiligte zu 1 beantragte, die Restschuldbefreiung zu versagen, und berief sich auf die strafrechtliche Verurteilung wegen Bankrotts. Die gerichtliche Feststellung der von ihr angemeldeten Forderung betrieb sie zu diesem Zeitpunkt und auch in der Folge nicht.

3

Auf den Antrag der weiteren Beteiligten zu 1 hat das Insolvenzgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. Einen Versagungsantrag der weiteren Beteiligten zu 2 hat es als unzulässig behandelt. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht den Versagungsantrag der weiteren Beteiligten zu 1 als unzulässig verworfen, die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will die weitere Beteiligte zu 1 die Wiederherstellung der insolvenzgerichtlichen Entscheidung erreichen.

II.

4

Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit der sofortigen Beschwerde des Schuldners stattgegeben worden ist, und zur Wiederherstellung der Entscheidung des Insolvenzgerichts.

5

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die weitere Beteiligte zu 1 sei nicht antragsbefugt. [X.] könnten nur die Gläubiger stellen, die Forderungen im Insolvenzverfahren angemeldet hätten und deren Forderungen zur Tabelle festgestellt seien. Im Fall des Bestreitens einer nicht titulierten Forderung müsse zumindest die Erhebung der Feststellungsklage nach § 189 Abs. 1 [X.] nachgewiesen werden können. Andernfalls könnte jeder eine nicht titulierte Forderung Anmeldende das Verfahrensziel der Restschuldbefreiung zum Scheitern bringen, auch wenn die Forderung vom Insolvenzverwalter zur Tabelle nicht anerkannt worden sei.

6

2. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

7

a) Auf den Streitfall finden die Vorschriften der [X.] in der bis zum 1. Juli 2014 geltenden Fassung Anwendung (Art. 103h EG[X.]). Danach ist über den Antrag auf Restschuldbefreiung nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung von Amts wegen zu entscheiden, auch wenn das Insolvenzverfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen werden kann. Den Beteiligten muss wie bei einem Schlusstermin Gelegenheit zu [X.]n nach § 290 [X.] und zur Stellungnahme gegeben werden ([X.], Beschluss vom 3. Dezember 2009 - [X.], [X.]Z 183, 258 Rn. 28; vom 22. April 2010 - [X.], [X.], 1082 Rn. 9; vom 11. Oktober 2012 - [X.], [X.], 2161 Rn. 8).

8

b) Nach § 290 Abs. 1 [X.] in der bis zum 1. Juli 2014 geltenden Fassung ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn dies im Schlusstermin von einem Insolvenzgläubiger beantragt worden ist und ein Versagungsgrund vorliegt. Wer "Insolvenzgläubiger" ist, regelt die Vorschrift nicht näher.

9

aa) Das Insolvenzgericht hat nicht darüber zu befinden, ob dem Gläubiger die angemeldete Forderung zusteht. Diese Aufgabe obliegt vielmehr dem Insolvenzverwalter und den übrigen Gläubigern (§§ 176, 178 f [X.]) und dem für die Feststellung der Forderung zuständigen Prozessgericht (§ 180 [X.]; [X.], Beschluss 14. Oktober 2004 - [X.] 114/04, [X.], 2446, 2447; vom 7. Dezember 2006 - [X.] 1/04, [X.], 241 Rn. 7). Die Prüfung der Antragsbefugnis durch das Insolvenzgericht erstreckt sich deshalb nur auf die formale Gläubigerstellung und nicht auf die materielle Berechtigung. Dem entspricht § 290 Abs. 1 [X.] nF, der mit Blick auf das Antragsrecht die bisherige Senatsrechtsprechung nachzeichnen soll (BT-Drucks. 17/11268 S. 26). Nach dieser Rechtsprechung können [X.] von Gläubigern gestellt werden, die ihre Forderung angemeldet haben ([X.], Beschluss vom 22. Februar 2007 - [X.] 120/05, [X.], 839 Rn. 2 f; vom 8. Oktober 2009 - [X.] 257/08, [X.], 2234 Rn. 3; vom 11. Oktober 2012, aaO Rn. 10). Ob die Forderung nach Prüfung im Schlusstermin an den Verteilungen teilnimmt, ist für die Antragsbefugnis unerheblich ([X.], Beschluss vom 8. Oktober 2009, aaO).

bb) Dies gilt auch für bestrittene Forderungen. Es gibt keinen Grund, die zur Stellung eines [X.] berechtigende formale Gläubigerstellung in diesem Fall von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen. Entgegen der Ansicht des [X.] bedarf es nicht des Nachweises der Klageerhebung nach § 189 Abs. 1 [X.] (so aber [X.], Z[X.] 2005, 1060; HmbKomm-[X.]/[X.], 5. Aufl., § 290 Rn. 2; [X.]/[X.], [X.], 18. Aufl., § 290 Rn. 17). Erst Recht nicht erforderlich ist der Erfolg der Feststellungsklage oder der Nachweis der Beseitigung des Widerspruchs des Schuldners (so aber FK-[X.]/[X.], 8. Aufl., § 290 Rn. 189 f; vgl. auch [X.], Z[X.] 2009, 2163, 2164 f).

(1) Nach § 1 Satz 2 [X.] soll der redliche Schuldner Gelegenheit erhalten, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Daraus folgt zweierlei: Einerseits darf nur der redliche Schuldner auf die Erlangung der Restschuldbefreiung vertrauen. Andererseits bedarf es zum Schutz der von einer Restschuldbefreiung betroffenen Gläubiger eines wirkungsvollen Verfahrens, in dem die Unredlichkeit des Schuldners geltend gemacht werden kann. Beschränkungen dieses Gläubigerschutzes dienen der Verfahrensökonomie, nicht aber dem Schutz des Schuldners. Dieser ist nur mittelbar in seinem Vertrauen auf ein gesetzmäßiges Verfahren geschützt. Das Erfordernis des [X.] ist deshalb nicht nur Ausdruck der Gläubigerautonomie, sondern führt auch zu einer Entlastung des Insolvenzgerichts, das anderenfalls auch ohne Antrag zur Amtsermittlung verpflichtet wäre (§ 5 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Die nach § 290 Abs. 2 [X.] erforderliche Glaubhaftmachung soll verhindern, dass durch das Insolvenzgericht aufwendige Ermittlungen geführt werden müssen, die auf bloße Vermutungen gestützt sind ([X.], Beschluss vom 14. Mai 2009 - [X.] 33/07, [X.], 523 Rn. 5). Der Beschleunigung des Verfahrens dient schließlich, dass nach der hier maßgeblichen Rechtslage die Geltendmachung eines [X.] nach § 290 [X.] ([X.], Beschluss vom 23. Oktober 2008 - [X.] 53/08, [X.], 64 Rn. 9 ff) oder auch nur dessen Glaubhaftmachung ([X.], Beschluss vom 14. Mai 2009 aaO) nach dem Schlusstermin nicht mehr möglich sind.

(2) Ob die zur Stellung eines [X.] berechtigende formale Gläubigerstellung schon aus der Forderungsanmeldung folgt oder von weiteren Voraussetzungen abhängig ist, beurteilt sich demnach nicht nach dem Interesse des Schuldners an der Erlangung der Restschuldbefreiung. Maßgeblich ist vielmehr, ob weitere Voraussetzungen notwendig sind, um eine schnelle und zugleich wirkungsvolle Überprüfung der Redlichkeit des Schuldners herbeizuführen, ohne die Gerichte übermäßig zu belasten. Dies ist auch für bestrittene Forderungen nicht der Fall.

Anhand der Forderungsanmeldung lässt sich die Befugnis zur Stellung eines [X.] für das Insolvenzgericht einfach und sicher beurteilen. Die Beschränkung des Antragsrechts auf die am Verfahren teilnehmenden Gläubiger trägt dazu bei, dass die im [X.] erforderlichen Entscheidungen zeitnah getroffen werden können, ohne den Schutz der von der Restschuldbefreiung betroffenen Gläubiger übermäßig zurückzudrängen. Eine schnelle und zugleich wirkungsvolle Überprüfung der Redlichkeit des Schuldners ist hingegen nicht möglich, wenn der Nachweis der Beseitigung des Widerspruchs für erforderlich gehalten wird. Der rechtskräftige Abschluss des Feststellungsprozesses müsste jeweils abgewartet werden. Insbesondere in massearmen Verfahren ist es dem Gläubiger auch nicht zumutbar, die gerichtliche Feststellung der bestrittenen Forderung unter Kostenaufwand zu betreiben, wenn und solange es noch zur Restschuldbefreiung kommen kann. Letzteres gilt auch für den vom Beschwerdegericht geforderten Nachweis der Klageerhebung nach § 189 Abs. 1 [X.].

III.

Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 577 Abs. 3 ZPO). Für eine rechtsmissbräuchliche Antragstellung, etwa der Fall einer offensichtlich bereits erfüllten oder frei erfundenen Forderung, gibt es hier keinen zureichenden Anhaltspunkt. Der vom Insolvenzgericht mit Recht festgestellte Versagungsgrund folgt aus § 290 Abs. 1 Nr. 1 [X.].

Kayser                      Vill                     Lohmann

               Fischer                   Pape

Meta

IX ZB 85/13

12.03.2015

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Flensburg, 31. Oktober 2013, Az: 5 T 89/13, Beschluss

§ 290 Abs 1 InsO vom 05.10.1994

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.03.2015, Az. IX ZB 85/13 (REWIS RS 2015, 14138)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14138

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZB 85/13 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 9/15 (Bundesgerichtshof)

Restschuldbefreiungsverfahren: Antragsberechtigung für Versagungsanträge


IX ZB 33/20 (Bundesgerichtshof)

Restschuldbefreiungsverfahren: Rücknahme des Antrags auf Restschuldbefreiung nach zulässigem Versagungsantrag eines Gläubigers


IX ZB 9/15 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 237/09 (Bundesgerichtshof)

Restschuldbefreiung: Zurückweisung von nach dem Schlusstermin gehaltenem Vortrag des Schuldners


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.