Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.03.2015, Az. IX ZB 85/13

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 14183

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX [X.]/13

vom

12. März 2015

in dem Insolvenzverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 290 Abs. 1 aF
[X.] können alle Gläubiger stellen, die Forderungen im Insolvenzver-fahren angemeldet haben; dass die angemeldete Forderung bestritten worden ist oder der Schuldner ihr widersprochen hat, hindert die Antragsbefugnis nicht (Ergän-zung zu [X.], Beschluss vom 8.
Oktober 2009 -
IX ZB 257/08, [X.], 2234).

[X.], Beschluss vom 12. März 2015 -
IX [X.]/13 -
LG Flensburg

[X.]

-
2
-

Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Dr.
Kayser, den
Richter [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Fischer
und Dr. Pape

am
12. März 2015
beschlossen:

Auf die
Rechtsbeschwerde
der weiteren Beteiligten zu 1
wird der
Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg
vom 31.
Oktober
2013
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der sofortigen Beschwerde des Schuldners stattgegeben worden ist.

Die sofortige Beschwerde des Schuldners
gegen den Beschluss des [X.] vom 28. Februar 2013 wird [X.].

Die Kosten des Verfahrens der sofortigen
Beschwerde werden wie folgt verteilt: Die Gerichtskosten tragen der Schuldner und die wei-tere Beteiligte zu 2 zu je [X.] Die außergerichtlichen Kosten des Schuldners trägt die weitere Beteiligte zu 2 zu [X.] Die außerge-richtlichen
Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 trägt der [X.]. Im Übrigen trägt jede [X.] ihre
außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Kosten des Verfahrens der Rechtsbeschwerde trägt der
Schuldner.
-

3

-

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
5.000

fest-gesetzt.

Gründe:

I.

Am 23.
Mai 2006 beantragte
der Schuldner die Eröffnung des [X.] über sein Vermögen verbunden mit einem Antrag auf [X.]. Mit Beschluss vom 20.
Juni 2006
wurde das Verfahren eröffnet. Am
10.
Februar 2009 meldete die weitere Beteiligte zu 1 eine Forderung zur Insol-venztabelle
nachträglich an und benannte als Rechtsgrund eine
vorsätzlich be-gangene
unerlaubte
Handlung.
Der Schuldner widersprach der Forderung ins-gesamt; vom Insolvenzverwalter wurde sie in voller Höhe bestritten.
Mit [X.] vom 15.
Juni 2010
verhängte das Amtsgericht Flensburg
gegen
den Schuldner eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 100
Tagessätzen wegen [X.] in zwei Fällen (§
283 Abs.
1 Nr.
7
Buchst.
b StGB) und
Insolvenzver-schleppung. Der Strafbefehl, der für die Straftaten nach §
283 Abs.
1 Nr.
7
Buchst.
b StGB Einzelstrafen von 15 und 30 Tagessätzen festsetzte, wurde am 2.
Juli 2010 rechtskräftig.

Nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung, aber noch vor [X.] des Insolvenzverfahrens
beabsichtigte das
Insolvenzgericht, über den Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners zu entscheiden,
und gab
dem In-solvenzverwalter und den Gläubigern Gelegenheit zur Stellungnahme. Die wei-tere Beteiligte zu
1
beantragte, die Restschuldbefreiung zu versagen,
und berief 1
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-

4

-
sich auf die strafrechtliche Verurteilung wegen Bankrotts. Die gerichtliche Fest-stellung der von ihr angemeldeten Forderung betrieb sie zu diesem Zeitpunkt und auch in der Folge nicht.

Auf den Antrag der weiteren Beteiligten zu 1 hat das Insolvenzgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. Einen Versagungsantrag der weiteren Beteiligten zu 2 hat es als unzulässig behandelt. Auf die sofortige Be-schwerde des Schuldners
hat das Beschwerdegericht den Versagungsantrag der weiteren Beteiligten zu 1 als unzulässig verworfen, die sofortige Beschwer-de der weiteren Beteiligten zu 2 hatte keinen
Erfolg.
Mit ihrer vom Beschwerde-gericht zugelassenen Rechtsbeschwerde
will die weitere Beteiligte zu 1
die Wiederherstellung der insolvenzgerichtlichen Entscheidung erreichen.

II.

Die statthafte

574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 ZPO) und auch im Übrigen zu-lässige

575 ZPO)
Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit der sofortigen Beschwerde des Schuldners stattgegeben worden ist, und zur Wiederherstellung der Entschei-dung des [X.].

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die weitere
Beteiligte zu 1 sei nicht antragsbefugt. [X.] könnten nur die Gläubiger stellen, die Forderungen im Insolvenzverfahren angemeldet hätten und deren Forderungen zur Tabelle festgestellt
seien. Im Fall des Bestreitens einer nicht titulierten [X.] müsse zumindest die Erhebung der Feststellungsklage nach §
189 Abs.
1 [X.] nachgewiesen werden können. Andernfalls könnte jeder eine nicht 3
4
5
-

5

-
titulierte Forderung Anmeldende das Verfahrensziel der Restschuldbefreiung zum Scheitern bringen, auch wenn die Forderung vom Insolvenzverwalter zur Tabelle nicht anerkannt worden sei.

2. Dies hält
rechtlicher Prüfung nicht
stand.

a) Auf den Streitfall finden die Vorschriften der [X.] in der bis zum 1.
Juli 2014 geltenden Fassung Anwendung (Art.
103h EG[X.]). [X.] ist über den Antrag auf Restschuldbefreiung nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung von Amts wegen zu entscheiden, auch wenn das Insol-venzverfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht
abgeschlossen werden kann. Den Beteiligten muss wie bei einem Schlusstermin Gelegenheit zu Versa-gungsanträgen nach §
290 [X.] und zur Stellungnahme gegeben werden ([X.], Beschluss vom
3.
Dezember 2009 -
IX
ZB 247/08, [X.]Z 183, 258
Rn.
28; vom 22.
April 2010 -
IX
ZB 196/09, [X.], 1082 Rn. 9; vom 11.
Oktober 2012 -
IX
ZB 230/09, [X.], 2161 Rn.
8).

b)
Nach §
290 Abs.
1 [X.]
in der bis zum 1.
Juli 2014 geltenden Fassung ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn dies im Schlusstermin von ei-nem Insolvenzgläubiger beantragt worden ist und ein
Versagungsgrund
vorliegt.
Wer "Insolvenzgläubiger"
ist, regelt die Vorschrift
nicht näher.

aa) Das Insolvenzgericht hat
nicht darüber zu befinden, ob dem [X.] die angemeldete Forderung zusteht. Diese Aufgabe obliegt vielmehr dem Insolvenzverwalter und den übrigen Gläubigern (§§
176, 178 f [X.]) und dem für die Feststellung der Forderung zuständigen Prozessgericht (§
180 [X.]; [X.], Beschluss 14.
Oktober 2004 -
IX
ZB 114/04, [X.], 2446, 2447; vom 7.
Dezember 2006 -
IX
ZB 1/04, [X.], 241 Rn.
7). Die Prüfung der An-6
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-

6

-
tragsbefugnis durch das Insolvenzgericht erstreckt sich deshalb nur
auf die for-male Gläubigerstellung und nicht auf die materielle Berechtigung. Dem ent-spricht
§
290 Abs.
1 [X.] nF, der mit Blick auf das Antragsrecht die bisherige Senatsrechtsprechung nachzeichnen soll (BT-Drucks. 17/11268 S. 26). Nach dieser Rechtsprechung
können [X.] von Gläubigern gestellt werden, die ihre Forderung angemeldet haben ([X.], Beschluss vom 22.
Februar 2007 -
IX
ZB 120/05, [X.], 839 Rn.
2 f; vom 8.
Oktober 2009 -
IX
ZB 257/08, [X.], 2234 Rn.
3; vom 11.
Oktober 2012, aaO Rn.
10). Ob
die Forderung nach Prüfung im Schlusstermin an den Verteilungen
teilnimmt, ist für die Antragsbefugnis unerheblich
([X.], Beschluss vom 8.
Oktober 2009, aaO).

bb)
Dies gilt auch für bestrittene Forderungen. Es gibt keinen Grund,
die zur Stellung eines [X.] berechtigende formale Gläubigerstellung in diesem Fall von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen. Entgegen der Ansicht des [X.] bedarf es nicht des Nachweises
der [X.] nach §
189 Abs.
1 [X.] (so aber
AG [X.], Z[X.] 2005, 1060; HmbKomm-[X.]/Streck,
5.
Aufl., §
290 Rn.
2; [X.]/[X.], [X.],
18.
Aufl., §
290 Rn.
17). Erst Recht nicht erforderlich ist der Erfolg der Feststellungsklage oder der Nachweis der Beseitigung des Widerspruchs des Schuldners (so aber FK-[X.]/[X.], 8.
Aufl., §
290 Rn.
189 f; vgl. auch LG [X.], Z[X.] 2009, 2163, 2164
f).

(1) Nach §
1 Satz 2 [X.] soll
der redliche Schuldner Gelegenheit erhal-ten, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Daraus folgt zwei-erlei: Einerseits
darf nur der redliche Schuldner auf die Erlangung der Rest-schuldbefreiung vertrauen. Andererseits bedarf
es zum Schutz der von einer Restschuldbefreiung betroffenen Gläubiger
eines wirkungsvollen Verfahrens, in 10
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-

7

-
dem die Unredlichkeit des Schuldners
geltend gemacht werden kann. Be-schränkungen dieses
Gläubigerschutzes dienen der Verfahrensökonomie, nicht
aber dem
Schutz des
Schuldners. Dieser ist nur
mittelbar in seinem Vertrauen
auf ein gesetzmäßiges
Verfahren
geschützt. Das Erfordernis des [X.] ist deshalb nicht nur Ausdruck der Gläubigerautonomie, sondern führt auch zu einer
Entlastung des [X.], das anderenfalls auch
ohne Antrag
zur Amtsermittlung verpflichtet wäre

5 Abs.
1 Satz 1 [X.]).
Die nach §
290 Abs.
2 [X.] erforderliche Glaubhaftmachung soll verhindern, dass durch das Insolvenzgericht aufwendige Ermittlungen geführt werden müssen, die auf bloße Vermutungen gestützt sind ([X.], Beschluss vom 14.
Mai 2009 -
IX
ZB 33/07, [X.], 523 Rn.
5). Der Beschleunigung des Verfahrens dient schließ-lich, dass nach der hier maßgeblichen Rechtslage die Geltendmachung eines [X.]
nach §
290 [X.]
([X.], Beschluss vom 23.
Oktober 2008
-
IX
ZB 53/08, [X.], 64 Rn.
9 ff) oder auch nur dessen Glaubhaftmachung ([X.],
Beschluss vom 14.
Mai 2009 aaO) nach dem Schlusstermin nicht mehr möglich sind.

(2) Ob die zur Stellung eines [X.] berechtigende formale Gläubigerstellung schon
aus
der Forderungsanmeldung folgt oder von weiteren Voraussetzungen abhängig ist, beurteilt sich demnach nicht nach dem [X.] an der Erlangung der Restschuldbefreiung.
Maßgeblich ist vielmehr, ob weitere
Voraussetzungen notwendig sind, um eine schnelle und zugleich wirkungsvolle Überprüfung der Redlichkeit des Schuldners herbeizu-führen, ohne die Gerichte übermäßig zu belasten.
Dies ist auch für bestrittene Forderungen nicht der Fall.

Anhand der Forderungsanmeldung lässt sich die Befugnis zur Stellung eines [X.] für das Insolvenzgericht einfach und sicher beurtei-12
13
-

8

-
len. Die Beschränkung des Antragsrechts auf die am Verfahren teilnehmenden Gläubiger trägt dazu bei, dass die im [X.] erforderli-chen Entscheidungen zeitnah getroffen werden können, ohne den
Schutz der von der Restschuldbefreiung betroffenen Gläubiger übermäßig [X.]. Eine schnelle und zugleich wirkungsvolle Überprüfung der Redlichkeit des Schuldners ist hingegen nicht möglich, wenn
der
Nachweis der Beseitigung des Widerspruchs für erforderlich gehalten wird. Der rechtskräftige Abschluss des Feststellungsprozesses müsste jeweils abgewartet werden. Insbesondere in massearmen
Verfahren ist es dem
Gläubiger auch
nicht zumutbar,
die gerichtli-che Feststellung der bestrittenen Forderung unter Kostenaufwand zu betreiben, wenn und solange
es noch zur Restschuldbefreiung kommen kann. Letzteres gilt
auch für den vom Beschwerdegericht geforderten Nachweis der Klageerhe-bung nach §
189 Abs.
1 [X.].

III.

Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Grün-den als richtig dar (§
577 Abs.
3 ZPO). Für eine rechtsmissbräuchliche Antrag-stellung, etwa der Fall einer offensichtlich bereits erfüllten oder frei erfundenen

14
-

9

-
Forderung,
gibt es hier keinen zureichenden Anhaltspunkt. Der vom Insolvenz-gericht mit Recht festgestellte Versagungsgrund folgt aus §
290 Abs.
1 Nr.
1 [X.].

Kayser
[X.]
[X.]

Fischer
Pape

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.02.2013 -
56 IN 15/06 -

LG Flensburg, Entscheidung vom 31.10.2013 -
5 [X.] -

Meta

IX ZB 85/13

12.03.2015

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.03.2015, Az. IX ZB 85/13 (REWIS RS 2015, 14183)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14183

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