Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.02.2020, Az. XI B 93/19

11. Senat | REWIS RS 2020, 3422

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Kein Rechtsmittel gegen Fristsetzung gemäß § 364b AO)


Leitsatz

NV: Es ist durch die Rechtsprechung des BFH geklärt, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Einspruch oder eine Klage gegen eine Fristsetzung nach § 364b AO nicht besteht.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom [X.] - 6 K 6238/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob gegen eine Fristsetzung i.S. des § 364b der Abgabenordnung ([X.]) ein zulässiges Rechtsmittel gegeben ist.

2

Im Einspruchsverfahren der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer GmbH, wegen Umsatzsteuer, Gewebesteuermessbetrag, Gewerbesteuer, [X.], Körperschaftsteuer, gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags und gesonderter Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 des [X.] setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) der Klägerin mit Schreiben vom 19.04.2017 und 12.06.2017 u.a. Ausschlussfristen nach § 364b [X.] zur Vorlage weiterer Unterlagen. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 10.07.2017).

3

Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg wies die Klage mit Urteil vom 30.07.2019 - 6 K 6238/17 ab. Es nahm an, für einen Einspruch und eine Klage gegen die Fristsetzung gemäß § 364b [X.] bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis.

4

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Revision sei zur Fortbildung des Rechts sowie wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen.

Entscheidungsgründe

II.

5

Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen jedenfalls nicht vor.

6

1. Die Revision ist nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) zuzulassen.

7

a) Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn davon auszugehen ist, dass im Einzelfall Veranlassung besteht, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (z.B. Beschlüsse des [X.] --[X.]-- vom 24.06.2014 - XI B 45/13, [X.], 1584, Rz 35; vom 15.11.2018 - XI B 49/18, [X.], 208, Rz 9). Auch dieser Zulassungsgrund setzt eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage voraus ([X.] vom 24.07.2017 - XI B 25/17, [X.], 1591, Rz 25; vom 23.07.2019 - XI B 29/19, [X.], 1363, Rz 12).

8

b) Die Klägerin hält die Rechtsfrage für klärungsbedürftig, ob und bestehendenfalls welches Rechtsmittel gegen das (wiederholte) Fristsetzen nach § 364b [X.] besteht. Soweit das [X.] ein Rechtsschutzbedürfnis verneint habe, genügten alle dafür angegebenen Gründe nicht. Die Frage bedürfe einer Beantwortung. Sie solle mögliche Rechtsmittel herausarbeiten. Der Rechtsbehelf gegen die [X.] und der Rechtsbehelf gegen die inhaltliche Beurteilung des vorgelegten Belegs müssten getrennt werden. Es bestehe die Möglichkeit der Entlastung der Gerichte und der Beschleunigung der Verfahren. Das Rechtsschutzbedürfnis bestehe in der Notwendigkeit, sich gegen [X.] mit [X.] wehren zu können.

9

c) Diese Rechtsfrage ist jedoch nach der Rechtsprechung des [X.] bereits dahin gehend geklärt, dass sie zu verneinen ist, weil ein Rechtsschutzinteresse für einen Einspruch gegen eine Fristsetzung nach § 364b [X.] nicht besteht (vgl. [X.]-Urteil vom 10.06.1999 - IV R 23/98, [X.]E 189, 3, BStBl II 1999, 664, Rz 28; [X.]-Beschluss vom 24.06.2003 - IX B 139/02, [X.]/NV 2003, 1436, Rz 3; s.a. [X.] zur Abgabenordnung Nr. 4 zu § 364b [X.]; [X.] in [X.], [X.] § 364b Rz 99 f.; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 364b [X.] Rz 96 ff.; [X.] in [X.], § 33 [X.]O Rz 121; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 364b Rz 27; Nacke, Neue Juristische Wochenschrift 1996, 3402; [X.], Betriebs-Berater --[X.]-- 1994, 1679, 1682; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 364b [X.] Rz 38; [X.]. in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., § 22 Rz 41; [X.] in [X.], [X.]O § 76 Rz 83, Fußnote 163; Tiedchen, [X.] 1996, 1033, 1041). Für eine nachfolgende Klage gilt nichts anderes (vgl. zu § 364a [X.] [X.]-Urteil vom 11.04.2012 - I R 63/11, [X.]E 237, 29, BStBl II 2012, 539, Rz 14). Soweit sich die Klägerin damit [X.] gestellt sieht, wird ihr effektiver Rechtsschutz im anschließenden Verfahren gegen die (auf den Einspruch zu erlassende) Einspruchsentscheidung gewährt (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 237, 29, BStBl II 2012, 539, zu § 364a [X.]), sofern ihr Vorbringen nicht --trotz Versäumung der [X.] wegen § 76 Abs. 3 i.V.m. § 79b Abs. 3 [X.]O ohnehin zu berücksichtigen ist. Warum trotz dieser feststehenden Rechtsprechung gleichwohl dazu eine erneute Entscheidung des [X.] zu dieser Frage erforderlich sein soll, ist nicht hinreichend dargetan, zumal die Literatur und die Finanzverwaltung der Rechtsprechung des [X.] zwischenzeitlich folgen.

2. Nachdem ein Rechtsschutzbedürfnis --entgegen der Auffassung der [X.] nicht besteht, greift auch die Verfahrensrüge, die auf einer gegenteiligen Rechtsauffassung beruht, nicht durch.

a) Wird die Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O gerügt, muss u.a. dargelegt werden, weshalb sich auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des [X.] eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen (vgl. [X.]-Beschluss vom 19.12.2018 - IX B 142/17, [X.], 284, Rz 11). Und es ist für die Frage, ob z.B. ein Beweisantrag entscheidungserheblich ist, von dem materiell-rechtlichen Standpunkt des [X.] auszugehen (vgl. [X.]-Beschluss vom 16.03.2016 - V B 98/15, [X.]/NV 2016, 1049, Rz 9).

b) Ausgehend davon hat das [X.] weder seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung verletzt noch [X.] einen Beweisantrag übergangen, weil die Sache nach seiner Rechtsauffassung auch ohne weitere Sachverhaltsaufklärung spruchreif i.S. der Abweisung der Klage war.

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]O).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

XI B 93/19

10.02.2020

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 30. Juli 2019, Az: 6 K 6238/17, Urteil

§ 364b AO, § 76 Abs 3 FGO, § 79b Abs 3 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, Art 19 Abs 4 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.02.2020, Az. XI B 93/19 (REWIS RS 2020, 3422)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3422

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I R 63/11 (Bundesfinanzhof)

(Erörterung im Einspruchsverfahren: Fehlendes Rechtsschutzinteresse einer Verpflichtungsklage - Ablehnung eines Antrags auf Erörterung des Sach- …


XI R 17/18 (Bundesfinanzhof)

Antrag auf "schlichte" Änderung innerhalb der Klagefrist; notwendige Konkretisierung des Antrags in Schätzungsfällen


IX R 2/17 (Bundesfinanzhof)

Schlichter Änderungsantrag nach Einspruchsentscheidung innerhalb der Klagefrist - Zeitpunkt der Überprüfung einer Ermessensentscheidung bei Ermessensreduzierung …


VII B 10/19 (Bundesfinanzhof)

Kein einstweiliger Rechtsschutz gegen Zwangsgeldandrohung bei Bestandskraft der Zwangsgeldfestsetzung


VII B 62/20 (Bundesfinanzhof)

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Verfahrenshandlungen - Verbindung von Einspruchsverfahren nicht isoliert angreifbar - Steuergeheimnis bei der …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.