Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2016, Az. VIII ZR 19/16

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 11674

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2016:100516BVIIIZR19.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 19/16
vom

10. Mai 2016

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 Fa
Es gehört zu den nicht auf sein Büropersonal übertragbaren Aufgaben eines Rechtsanwalts, Art und Umfang des gegen eine gerichtliche Entscheidung ein-zulegenden Rechtsmittels zu bestimmen. Zugleich ist es seine ebenfalls nicht auf sein Büropersonal abwälzbare Aufgabe, alle gesetzlichen Anforderungen an die Zulässigkeit des danach bestimmten Rechtsmittels in eigener Verantwor-tung zu prüfen und dafür Sorge zu tragen, dass dieses Rechtsmittel innerhalb der jeweils gegebenen Rechtsmittelfrist bei dem zuständigen Gericht eingeht.

[X.], Beschluss vom 10. Mai 2016 -
VIII ZR 19/16 -
LG [X.]

AG [X.]-Charlottenburg

-
2
-

Der VIII. Zivilsenat des [X.] hat am 10. Mai 2016 durch die
Vorsitzende Richterin Dr.
Milger, [X.]
Achilles, die Richterin Dr.
Fetzer sowie [X.]
Bünger und Kosziol

beschlossen:

Der Antrag der Beklagten, ihnen gegen die Versäumung der [X.] zur Einlegung und Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss der Zivilkammer 18 des [X.] vom 21. September 2015 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird zurückgewiesen.
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Re-vision im vorgenannten Beschluss wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagten haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

festgesetzt.

Gründe:
I.
Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung der Klägerin in [X.]. Die [X.] auf Räumung und Herausgabe dieser Wohnung in Anspruch genom-men. Das Amtsgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten durch [X.]
-
3
-

schluss vom 21. September 2015 zurückgewiesen und den Streitwert auf [X.] der Beklagten am 25. September 2015 zugestellte [X.] nur hinsichtlich der Festsetzung des Streitwerts.
In der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten war eine Rechtsanwaltsfachangestellte neben der selbständigen Fristenkontrolle mit der Prüfung und Notierung von Rechtsmitteln einschließlich der dafür geltenden Fristen sowie der Vorbereitung der jeweiligen fristwahrenden Schriftsätze [X.].
Diese ging davon aus, dass angesichts des vom Berufungsgericht im [X.] vom 21. September 2015 festgesetzten Streitwerts die für eine [X.] erforderliche Beschwer von 20.000

nicht erreicht sei und nur eine Anhörungsrüge in Betracht komme. Dies teilte sie dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten so mit, der diese Sichtweise über-nahm und daraufhin mit Schriftsatz vom 7.
Oktober 2015 eine Anhörungsrüge bei dem Berufungsgericht erhob.
Das Berufungsgericht hat die Rüge mit Beschluss vom 9. Dezember 2015 unter Hinweis darauf als unzulässig verworfen, dass die Nichtzulassungs-beschwerde gemäß §
522 Abs.
3, §
544 Abs. 1 ZPO, §
26 Nr. 8 EGZPO eröff-net und die Anhörungsrüge deshalb gemäß § 321a Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 ZPO unstatthaft sei. Denn die nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Mietbezugs zu bemessende Beschwer der Beklagten überschreite angesichts e

8 EGZPO. Daraufhin haben die Beklagten unter dem 29. Januar 2016 bei dem [X.] Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt sowie Wiedereinset-zung in den vorigen Stand gegen die
Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt und die [X.] unter dem 15. Februar 2016 begründet.
2
3
-
4
-

II.
Das Wiedereinsetzungsgesuch hat keinen Erfolg. Die Beklagten waren nicht, wie von § 233 Satz 1 ZPO vorausgesetzt, ohne ihr Verschulden gehin-dert, die Fristen zur Einlegung und Begründung der [X.] einzuhalten. Das Fristversäumnis beruht auf einem den Beklagten gemäß §
85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, der bei der ihm obliegenden Prüfung des gegen den angefochtenen Beschluss gegebenen Rechtsmittels die Statthaftigkeitsvoraussetzungen der in Betracht zu ziehenden Nichtzulassungsbeschwerde verkannt hat. Dadurch hat er die rechtzeitige Einlegung und Begründung der nur innerhalb der Fristen des § 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz
1 ZPO möglichen Nichtzulassungsbeschwerde ver-säumt, so dass mit der Zurückweisung des [X.] zugleich dieser Rechtsbehelf als unzulässig zu verwerfen ist (§
552 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
1. Die Beklagten haben, ohne dass es auf den von ihnen in den [X.] gerückten Irrtum der Kanzleimitarbeiterin ihres Prozessbevollmächtigten über die Statthaftigkeit der in Rede stehenden Nichtzulassungsbeschwerde an-kommt, die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung dieses Rechtsbehelfs schon deshalb in einer die Wiedereinsetzung gemäß § 233 Satz
1 ZPO ausschließenden Weise zu vertreten, weil die Fristversäumung ent-scheidend auf einem schuldhaften Rechtsirrtum ihres Prozessbevollmächtigten beruht. Dieser hat mit der Anhörungsrüge den falschen Rechtsbehelf ergriffen, nachdem er bereits die Bestimmung des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs in ohnehin nicht zulässiger Weise auf seine Kanzleimitarbeiterin delegiert hatte.
Es gehört zu den nicht auf sein Büropersonal übertragbaren Aufgaben eines Rechtsanwalts, Art und Umfang des gegen eine gerichtliche Entschei-dung einzulegenden Rechtsmittels zu bestimmen (Senatsurteil vom 24. Juni 1992 -
VIII ZR 203/91, [X.], 2413 unter [X.], insoweit in [X.]Z
119, 35 4
5
6
-
5
-

nicht abgedruckt). Zugleich ist es seine ebenfalls nicht auf das Büropersonal abwälzbare Aufgabe, alle gesetzlichen Anforderungen an die Zulässigkeit des danach bestimmten Rechtsmittels in eigener Verantwortung zu prüfen und dafür Sorge zu tragen, dass dieses Rechtsmittel innerhalb der jeweils gegebenen Rechtsmittelfrist bei dem zuständigen Gericht eingeht ([X.], Beschlüsse vom 17. März 2004 -
IV ZB 41/03, NJW-RR 2004, 1150 unter II; vom 5. Juni 2013
-
XII ZB
47/10, NJW-RR 2013, 1393 Rn. 9; vom 22. Juli 2015 -
XII ZB 583/14, [X.], 142 Rn. 12). Dem ist der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht gerecht geworden.
Er hätte im Streitfall spätestens zu dem Zeitpunkt, als ihm seine Kanz-leimitarbeiterin die Akten zur Bearbeitung der aus ihrer Sicht einzulegenden Anhörungsrüge vorgelegt hat, die Art des gegen die angefochtene Entschei-dung einzulegenden Rechtsbehelfs eigenverantwortlich auf Richtigkeit und Zweckmäßigkeit überprüfen müssen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. März 2004 -
IV ZB 41/03, aaO; vom 2.
November 2011 -
XII ZB 317/11, NJW-RR 2012, 293 Rn. 11; vom 5. Juni 2013 -
XII ZB 47/10, aaO Rn. 11; vom 13. Januar 2015 -
VI [X.], NJW-RR 2015, 441 Rn. 8; vom 22. Juli 2015 -
XII ZB 583/14, aaO). Bei dieser
Überprüfung hätte ihm angesichts des vom Berufungsgericht nach dem Jahreswert der Miete auf 14.514,84

entgehen dürfen, dass die durch den Räumungsausspruch bedingte Beschwer den gemäß §
26 Nr. 8 EGZPO zur Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbe-schwerde erforderlichen Wert von men-dere hätte ihm die dazu seit langem bestehende Rechtsprechung des Senats bekannt sein müssen, wonach sich bei dem Streit über das Bestehen eines Mietverhältnisses, dessen Dauer -
wie hier -
unbestimmt ist, der Beschwerde-wert nicht nach dem gemäß § 41 Abs. 2 GKG auf das [X.] begrenzten Gebührenstreitwert, sondern gemäß §§ 8, 9 ZPO nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der Nettomiete bemisst (zuletzt Senatsbeschlüsse vom 23. März 7
-
6
-

2016 -
VIII ZR 26/16, juris Rn. 7; vom 3.
November 2015 -
VIII ZR 108/15, [X.], 43 Rn. 2; vom 16.
September 2015 -
VIII ZR 135/15, [X.], 681 Rn.
3; Senatsurteil vom 15.
April 2015 -
VIII ZR 281/13, [X.], 536 Rn. 31; jeweils mwN).
Hätte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten dies berücksichtigt, [X.] er die rechtsirrige Ansicht seiner Kanzleimitarbeiterin nicht übernehmen [X.], ein Rechtsbehelf gegen den angefochtenen Beschluss sei nicht gegeben, und dementsprechend auch nicht die gemäß §
321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO unzulässige Anhörungsrüge bei dem Berufungsgericht einlegen dürfen. Er hätte vielmehr die rechtzeitige Beauftragung eines bei dem [X.] zuge-lassenen Rechtsanwalts zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde veran-lassen müssen, um unter Wahrung der in § 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz
1
ZPO geregelten Fristen auf diese Weise das angefochtene Urteil unter anderem wegen der vermeintlichen Gehörsverletzungen zur revisionsrechtli-chen Überprüfung zu stellen (vgl. BT-Drucks. 15/3705, S.
15; ferner etwa [X.], NJW 2007, 3418 Rn. 26).
2. Ein Verschulden der Beklagten ist auch nicht entsprechend der in §
233 Satz 2 ZPO aufgestellten Vermutung ausgeschlossen, weil eine Rechts-behelfsbelehrung über die im Streitfall gegebene Nichtzulassungsbeschwerde unterblieben ist. Denn dieser hat es gemäß §
232 Satz
2 Alt. 1, § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht bedurft, da es sich bei dem Berufungsverfahren vor dem [X.] um einen Anwaltsprozess gehandelt hat, für den der Gesetzgeber eine Belehrung durch das Gericht als nicht erforderlich erachtet hat (BT-Drucks. 17/10490, [X.]) und in dem eine anwaltliche Beratung auch hier nach der Ver-

8
9
-
7
-

fahrenssituation sichergestellt war (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Januar 2016
-
V [X.], juris Rn. 6 f.).
Dr. Milger
Dr. Achilles
Dr. Fetzer

Dr. Bünger
Kosziol

Vorinstanzen:
AG [X.]-Charlottenburg, Entscheidung vom 24.02.2015 -
225 C 121/14 -

LG [X.], Entscheidung vom 21.09.2015 -
18 [X.]/15 -

Meta

VIII ZR 19/16

10.05.2016

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2016, Az. VIII ZR 19/16 (REWIS RS 2016, 11674)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 11674

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII ZR 19/16 (Bundesgerichtshof)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Nicht übertragbare Aufgaben des Rechtsanwalts bei der Bestimmung des einzulegenden …


VIII ZB 37/21 (Bundesgerichtshof)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Verschulden des Prozessbevollmächtigten bei Einlegung eines unstatthaften Rechtsbehelfs; Pflicht zur …


15 B 18.1087, 15 ZB 18.1233 (VGH München)

Keine Umdeutung eines als Berufung ausdrücklich bezeichneten Rechtsmittels in einen Antrag auf Zulassung der Berufung


VIII ZB 5/16 (Bundesgerichtshof)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Rechtsanwaltliche Überprüfungspflicht der Fristeneintragung bei zuverlässigem Kanzleimitarbeiter


VIII ZB 5/16 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.