Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.01.2014, Az. V R 26/13

5. Senat | REWIS RS 2014, 8697

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Gegenstand

Für Klauenpflege kein ermäßigter Steuersatz


Leitsatz

Klauenpflege ist keine Leistung, die unmittelbar der Förderung der Tierzucht dient.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erbringt Leistungen als Klauenpfleger. In seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (2007) versteuerte er diese Umsätze nach dem ermäßigten Steuersatz.

2

Demgegenüber ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) davon aus, dass die Leistungen bei der Klauenpflege dem Regelsteuersatz unterlägen und erließ am 27. Oktober 2008 einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

3

Das Finanzgericht (FG) begründete dies in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1179 veröffentlichten Urteil damit, dass § 12 Abs. 2 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) nicht anwendbar sei. Die Klauenpflege diene nicht unmittelbar den dort bezeichneten Zwecken. Dass es sich um eine Maßnahme zur Erhaltung und Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Tiere handele, reiche nicht aus. Es handele sich nur um eine allgemeine Gesundheitsmaßnahme im Rahmen der Nutztierhaltung. Auch eine Berufung auf das Unionsrecht führe nicht zu einem anderen Ergebnis.

4

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Ein Antrag auf Beweiserhebung sei zu Unrecht abgelehnt und nicht einmal protokolliert worden. Die Klauenpflege diene unmittelbar der Milchwirtschaft und der Tierzucht. Zudem gelte in [X.] eine günstigere Beurteilung. Anwendbar sei auch § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG, da auch eine Leistung zur Tierpflege vorliege. Ziel der Tierzucht sei die Leistungssteigerung in Bezug auf Milch- und Fleischertrag. Hierfür sei eine umfassende Tierpflege und dabei auch die Klauenpflege unerlässlich. Ohne Klauenpflege vermindere sich der Bestand. Für die Tierzucht sei auch die Leistungsprüfung Klaue unerlässlich, um die sog. Klauentracht und damit die Höhe der Klauen festzustellen. Die Leistungsprüfung Klaue diene der genetischen Auslese. Ohne die Klauenpflege könne diese Leistungsprüfung nicht durchgeführt werden. [X.] zu besteuern seien auch die Leistungen an Tieren, die an dieser Leistungsprüfung nicht teilnehmen.

5

Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

6

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Die Klauenpflege fördere anders als die Leistungsprüfung Klaue nur mittelbar die Tierzucht.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Klauenpflege unterliegt nicht dem ermäßigten Steuersatz.

9

1. § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG ist nicht anwendbar. Danach unterliegt "die Aufzucht und das Halten von Vieh, die Anzucht von Pflanzen und die Teilnahme an Leistungsprüfungen für Tiere" dem ermäßigten Steuersatz. Die Klauenpflege gehört als Leistung zur allgemeinen Tierpflege entgegen der Auffassung des [X.] nicht zu den in dieser Vorschrift benannten Leistungen.

2. Die Leistungen sind auch nicht gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 4 UStG ermäßigt zu besteuern.

a) [X.] zu besteuern sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 UStG die Leistungen, die unmittelbar der Vatertierhaltung, der Förderung der Tierzucht, der künstlichen Tierbesamung oder der Leistungs- und Qualitätsprüfung in der Tierzucht und in der Milchwirtschaft dienen.

Wie der [X.] ([X.]) mit Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 19/96 ([X.]E 181, 544, [X.] 1997, 334, unter [X.]) entschieden hat, bezieht § 12 Abs. 2 Nr. 4 UStG die Voraussetzung "unmittelbar ... dienen" auf alle Tatbestände dieser Vorschrift.

Die Unmittelbarkeit setzt dabei nach diesem Urteil voraus, dass die von der Vorschrift begünstigten Zwecke durch die jeweilige Leistung selbst gefördert oder begünstigt werden. Leistungen, die demgegenüber nicht selbst den begünstigten Zweck erreichen, sondern eine hierauf gerichtete Leistung erst vorbereiten oder lediglich begünstigen, reichen nicht aus, da sie nicht zwingend zur Erfüllung des begünstigten Zwecks erforderlich sind und den begünstigten Zweck nur indirekt und mittelbar fördern. Entscheidend ist, dass derartige Leistungen zwar dem [X.] zugutekommen, aber der [X.] gleichwohl nicht im Vordergrund steht.

b) Im Streitfall hat das [X.] unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das [X.]-Urteil in [X.]E 181, 544, [X.] 1997, 334 zu Recht entschieden, dass die Klauenpflege nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 UStG ermäßigt zu besteuern ist.

Die Leistung dient nicht unmittelbar der Förderung der Tierzucht, sondern als allgemeine Gesundheitsmaßnahme --wie im Übrigen auch eine hinreichende Ernährung-- der Nutztierhaltung. Tierhaltung ist aber nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 UStG, sondern nur nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG begünstigt.

Die hiergegen gerichteten Einwendungen des [X.] greifen nicht durch. Auch wenn die Leistungsprüfung Klaue unmittelbar der Förderung der Tierzucht dient, ermöglicht es die Klauenpflege demgegenüber nur, diese Leistungsprüfung vorzunehmen, so dass von einer bloß mittelbaren Förderung der Tierzucht auszugehen ist. Überdies werden auch die Klauen der nicht für die Tierzucht vorgesehenen Tiere gepflegt.

Es handelt sich auch nicht um eine Leistung zur Vatertierhaltung, zur künstlichen Tierbesamung oder zur Leistungs- und Qualitätsprüfung in der Tierzucht und in der Milchwirtschaft.

3. Der Kläger kann sich auch nicht auf einen Anwendungsvorrang des Unionsrechts berufen.

a) [X.] beruht § 12 Abs. 2 Nr. 4 UStG auf Art. 98 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) in Verbindung mit Anhang [X.] Nr. 11 zu dieser Richtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten einen ermäßigten Steuersatz auf die "Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die in der Regel für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt sind, mit Ausnahme von Investitionsgütern wie Maschinen oder Gebäuden" anwenden.

b) Zwar steht es dem nationalen Gesetzgeber danach frei, weiter gehend als nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 UStG einen ermäßigten Steuersatz für (fast) alle sonstigen Leistungen i.S. von § 3 Abs. 9 UStG und damit für alle Dienstleistungen (Art. 24 Abs. 1 MwStSystRL) "die in der Regel für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt sind", anzuordnen, wozu auch die Klauenpflege gehört.

Zu beachten ist aber, dass für die Mitgliedstaaten keine Verpflichtung, sondern nur das Recht besteht, auf die im Anhang [X.] zur MwStSystRL genannten Leistungen einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden und dass für die Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des ermäßigten Steuersatzes zudem die Befugnis besteht, die in Anhang [X.] zur MwStSystRL aufgeführten Ermächtigungen auch nur selektiv auszuüben und auf einzelne konkrete und spezifische Aspekte der jeweiligen Kategorie von Dienstleistungen zu beschränken, sofern dabei der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird ([X.]-Urteil vom 6. Mai 2010 [X.]/09, [X.]/ [X.], Slg. 2010, [X.]. 28 ff.).

c) Den sich aus der [X.]-Rechtsprechung ergebenden Anforderungen für eine nur selektive Ausübung der Befugnis zur Schaffung eines ermäßigten Steuersatzes genügt § 12 Abs. 2 Nr. 4 UStG, indem er die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nur auf bestimmte Leistungen anordnet, die für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt sind und dabei den Kreis der begünstigten Leistungen nach eindeutigen Kriterien umschreibt.

d) Entgegen der Auffassung des [X.] liegt auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der steuerrechtlichen Neutralität darin, dass im grenznahen [X.] für dieselbe Leistung der dort geltende ermäßigte Steuersatz anzuwenden sein soll. Zum einen richtet sich der [X.] bei der Gesetzgebung nur an den jeweiligen Mitgliedstaat, so dass unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Regelungen, die auf in der Richtlinie vorgesehenen Ermächtigungen für die Mitgliedstaaten beruhen, keinen Neutralitätsverstoß bewirken.

Zum anderen kann es entgegen der Auffassung des [X.] auch nicht durch die Tätigkeit in [X.] ansässiger Klauenpfleger für Landwirte im Inland zu einer Wettbewerbsgefährdung kommen. Denn nach der im Streitjahr geltenden Fassung von § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c UStG wurden Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen am Ort der Tätigkeit erbracht. Zu diesen körperlichen Gegenständen gehören auch Tiere (Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3a [X.] 413). Leistungen, die [X.] Klauenpfleger an im Inland ansässige Landwirte auf deren Höfen erbringen, unterliegen daher dem Regelsteuersatz des [X.] UStG. Im Hinblick auf derartige Leistungen sind auch keine Vollzugsdefizite zu befürchten, da gemäß § 13b Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 UStG in seiner im Streitjahr geltenden Fassung der inländische Landwirt Steuerschuldner für derartige Leistungen ausländischer Klauenpfleger ist. Der Übergang der Steuerschuld setzt in der Person des Leistungsempfängers nur dessen Unternehmereigenschaft voraus, so dass auch Landwirte, die für ihre Umsätze § 24 UStG anwenden, Steuerschuldner sind (zutreffend Abschn. 182a Abs. 1 Satz 3 der [X.] 2005 und Abschn. 13b.1 Abs. 1 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses).

4. Es liegt auch kein hinreichend dargelegter Verfahrensfehler vor. Das Vorbringen des [X.] genügt nicht den Anforderungen an die Geltendmachung eines [X.]. § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O ist eine Verfahrensvorschrift, auf deren Einhaltung der Prozessbeteiligte verzichten kann. Der Kläger hätte vortragen müssen, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt worden oder weshalb die Rüge nicht möglich gewesen sei. Aus dem Protokoll des [X.] vom 16. April 2013 ergibt sich weder, dass der Kläger das Übergehen des Beweisantrags gerügt hätte, noch, dass er eine Protokollierung der Rüge verlangt und --im Falle der Weigerung des Gerichts, die Protokollierung vorzunehmen-- eine Protokollberichtigung gemäß § 94 [X.]O i.V.m. den §§ 160 Abs. 4, 164 der Zivilprozessordnung beantragt hätte ([X.]-Beschlüsse vom 11. August 2006 V[X.] B 322/04, [X.]/NV 2006, 2280; vom 20. April 2006 V[X.] B 33/05, [X.]/NV 2006, 1338, und vom 19. Dezember 2012 V B 71/12, nicht veröffentlicht).

Meta

V R 26/13

16.01.2014

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 16. April 2013, Az: 2 K 990/10, Urteil

§ 12 Abs 2 Nr 3 UStG 2005, § 12 Abs 2 Nr 4 UStG 2005, Art 98 Anh 3 Nr 11 EGRL 112/2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.01.2014, Az. V R 26/13 (REWIS RS 2014, 8697)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8697

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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