Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.11.2008, Az. KRB 47/08

Kartellsenat | REWIS RS 2008, 940

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[X.][X.] vom 11. November 2008 in der [X.]

- 2 - [X.] hat am 11. November 2008 durch den Präsidenten des [X.] Prof. Dr. [X.] und [X.] Raum, Prof. [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Die Rechtsbeschwerden der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des 2. Kartellsenats des [X.] vom 11. Oktober 2007 werden verworfen. Die Staatskasse trägt die Kosten des [X.] und die dem Betroffenen und der [X.]n entstan-denen notwendigen Auslagen.
Gründe: Das [X.] hat den Betroffenen und die [X.] vom Vorwurf des fahrlässigen Verstoßes gegen das Vollzugsverbot gemäß § 81 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V.m. § 41 Abs. 1 [X.] 1999 freigesprochen. Die hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerden der Staatsanwaltschaft, die vom [X.] vertreten werden, bleiben erfolglos. 1 I. Dem Betroffenen liegt zur Last, als deren Vorstandsmitglied den Erwerb der alleinigen Kontrolle der [X.]n an der [X.] ohne vorherige Anmeldung und Freigabe durch das [X.] vollzogen zu haben. Das [X.] hat gegen ihn eine Geldbuße 2 - 3 - in Höhe von 40.000 • verhängt; die [X.] hat es wegen dieser Ord-nungswidrigkeit als Nebenfolge mit einer Geldbuße von 110.000 • belegt. Das [X.] hat auf ihre Einsprüche hin den Betroffenen und die Neben-betroffene freigesprochen, weil der objektive Tatbestand der [X.] nicht erfüllt sei. 1. Nach den Feststellungen des [X.]s ist die Nebenbetrof-fene ein zum [X.] gehörendes international tätiges Verlags-haus mit Sitz in [X.]. Der Betroffene war bis Ende 2003 Vorstandsmitglied der [X.]n und verantwortlich für das Zeitschriftengeschäft im [X.]. Die [X.] und die [X.] (künftig: [X.]) sind die beiden beherrschenden Gesellschafter des paritätischen Gemeinschaftsunter-nehmens [X.]/[X.] GmbH & Co. KG, das die [X.] Ausgabe der Zeitschrift "[X.]" herausgab. Das [X.] verfügte über einen Beirat (§ 8 des [X.]), der aus vier Mitgliedern zusammengesetzt war, von denen je zwei von den beiden Partnern bestellt wurden. Der Beirat kontrollierte die Geschäftsfüh-rung und musste bei in § 9 dieses Vertrags näher ausgeführten wichtigen [X.] mit einfacher Mehrheit zustimmen. Ab 2001 trat der Beirat nicht mehr zusammen, da seine Aufgabe von der Gesellschafterversammlung mit über-nommen wurde. 3 Im Verlauf des Jahres 2003 nahmen die beiden Gesellschafter des [X.] Verhandlungen auf, weil sich die [X.] aus dem Gemeinschaftsunternehmen zurückziehen und ihre Anteile an die [X.] übertragen wollte. Sie schlossen einen von der [X.] am 19. November 2003 unterzeichneten Vertrag, wonach diese unter der aufschiebenden Bedingung der Freigabe durch das [X.] die [X.] übernahm. Zugleich war vorgesehen und nicht unter eine entsprechende aufschiebende Bedingung gestellt, dass die von der [X.] ernannten Mitglieder 4 - 4 - des [X.] zurücktraten; an ihre Stelle sollten zwei (allerdings nicht leitende) Mitarbeiter der [X.]n treten. Die beiden von [X.] benannten Bei-ratsmitglieder hatten ihren Rücktritt bereits erklärt. Die unterzeichneten Erklä-rungen über den Rücktritt aus dem Beirat wurden dem Vertrag angefügt. Von diesem Zeitpunkt an bestand der Beirat aus den für die [X.] tätigen Angestellten [X.]und [X.]sowie dem bereits vorher von ihrer [X.] benannten Vorstandsmitglied [X.] und dem Betroffenen selbst. In der [X.] gezeit trat der Beirat jedoch nicht mehr zusammen. Das [X.] untersagte das im April 2004 angemeldete [X.]. Die Untersagung wurde durch den [X.] bestätigt ([X.], [X.]. v. 16.1.2007 - KVR 12/06, [X.]/[X.] 1995 - [X.]). 5 2. Das [X.] sieht den objektiven Tatbestand des § 81 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 41 Abs. 1 Satz 1 [X.] 1999 nicht als erfüllt an. Ein [X.] gegen das Vollzugsverbot nach § 41 Abs. 1 [X.] liege nicht vor, weil kein Kontrollerwerb stattgefunden habe. Der Rückzug der Mitglieder von [X.] unter gleichzeitiger Neubestellung von Mitarbeitern der [X.]n stelle kei-nen Kontrollerwerb im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 2 [X.] dar. Ein Kontrollerwerb setze voraus, dass ein bestimmender Einfluss des herrschenden Unterneh-mens langfristig ausgeübt werden könne. Hieran fehle es im vorliegenden Fall. Bis zur Freigabe des Zusammenschlusses hätte die [X.] nämlich jederzeit wieder eine paritätische Besetzung durchsetzen können. 6 II. Die Rechtsbeschwerden der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg. 7 - 5 - 1. Das [X.] hat mit zutreffender Begründung die Voraus-setzungen eines Kontrollerwerbs verneint. Die [X.] hätte - so die rechtsfehler-freie Auslegung des [X.]s zum Vertrag über den Anteilserwerb - bis zu dessen Freigabe aufgrund ihrer Gesellschafterstellung jederzeit die Mög-lichkeit gehabt, erneut eine paritätische Besetzung des [X.] durchzusetzen. Aus diesem der [X.] verbliebenen Recht zur Neubesetzung des [X.] wird deutlich, dass die Möglichkeit zur Beherrschung nicht auf Dauer angelegt war. Dies ist aber für die Annahme eines Zusammenschlusses gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 2 [X.] erforderlich, weil der bestimmende Einfluss nicht von vorübergehen-den Umständen abhängen darf (Mestmäcker/Veelken in [X.]/Mestmäcker, [X.], 4. Aufl., § 37 Rdn. 22). 8 2. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft unterliegt das ange-fochtene Urteil auch nicht deshalb der Aufhebung, weil das [X.] weitere Möglichkeiten eines Verstoßes gegen das Vollzugsverbot unerörtert gelassen hat. Die Staatsanwaltschaft vertritt die Auffassung, das [X.] hätte prüfen müssen, ob nicht schon der Austausch der [X.]mitglie-der als Vollzug des (nicht freigegebenen) Zusammenschlusses anzusehen sei und unter diesem Gesichtspunkt eine Ordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 [X.] 1999 vorliege. Sie meint, auch solche Vollzugshandlungen, die un-terhalb der Schwelle eines Zusammenschlusses lägen, könnten einen Verstoß gegen das Vollzugsverbot nach § 41 Abs. 1 [X.] darstellen und damit den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllen. 9 Der Senat kann diese in der Literatur umstrittene Frage (vgl. einerseits Rieger in [X.], [X.], 63. Lfg., § 41 Rdn. 7; andererseits [X.] in [X.]/ Bunte, [X.], 10. Aufl., § 41 Rdn. 1) offenlassen. Es kommt bei dem hier gege-benen Sachverhalt hierauf nicht an, weil eine bußgeldbewehrte Handlung des Betroffenen nicht ersichtlich ist und damit auch die Grundlage für eine Geldbu-ße gegen die [X.] fehlt. 10 - 6 - 11 a) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]s hat der Betroffene weder den [X.] selbst ausgearbeitet noch die Umbesetzung im Beirat veranlasst. Er hat lediglich die Verhandlungen über den Anteilserwerb maßgeblich geführt. Auch im Blick auf die kartellrechtli-chen Probleme des Anteilserwerbs hat der Betroffene Juristen aus dem Unter-nehmen mit der Ausarbeitung der Vertragsregelungen betraut. Zudem wurde eine in [X.] spezialisierte Anwaltskanzlei beauftragt, die zu den kar-tellrechtlichen Fragen Stellungnahmen ausgearbeitet, Kontakt mit dem Bundes-kartellamt aufgenommen und den Anteilserwerb speziell unter dem Gesichts-punkt der kartellrechtlichen Fragen begleitet hat. Die Unterzeichnung des [X.], den die Anwaltskanzlei maßgeblich entworfen hatte, erfolgte durch Rechtsanwalt [X.]als den Bevollmächtigten der Nebenbetrof- fenen. Rechtsanwalt [X.] , ein in der Rechtsabteilung der [X.]n tätiger Jurist, entschied auch - unter Einbindung des Repräsentanten der [X.] - kurzfristig, dass der Beirat umbesetzt werden und wer nachrücken sollte. b) Bei dieser Sachlage kommt eine täterschaftliche Verletzung der Buß-geldnorm des § 81 Abs. 1 Nr. 1 [X.] 1999 durch den Betroffenen nicht in [X.], weil er im Hinblick auf die Umbesetzung des [X.] nicht selbst gehan-delt hat. Er hatte auch hinsichtlich der Besetzung des [X.] keine Vorgaben gemacht. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass er Rechtsanwalt [X.]hierzu ver- anlasst oder in irgendeiner Form unterstützt haben könnte (§ 14 Abs. 1 [X.]G). Vielmehr spricht nach den festgestellten Umständen alles dafür, dass er von der Umbesetzung keine Kenntnis hatte. 12 c) Eine Ahndung des Betroffenen wäre deshalb nur bei einer schuldhaf-ten Verletzung seiner Aufsichtspflichten möglich, die er als Organ der [X.] wahrzunehmen hatte (§ 130 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.]G). Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflichten ist jedoch nicht erkennbar. Der 13 - 7 - Betroffene hat die kartellrechtliche Behandlung des [X.] einer [X.] Anwaltskanzlei übertragen. Auf deren Sachkunde konnte er sich grundsätzlich verlassen (vgl. [X.]St 21, 18, 22 f.). Er durfte insbesondere [X.] vertrauen, dass durch die auf kartellrechtliche Fragen spezialisierte An-waltskanzlei kartellbehördliche Genehmigungserfordernisse gewahrt werden. Zum einen war das [X.] bereits mit dem Entwurf einer Anmeldung befasst worden. Zum anderen sah der Vertrag ausdrücklich eine Freigabe durch das [X.] als aufschiebende Bedingung des Anteilserwerbs vor. Der Betroffene musste mit einer Neubesetzung des [X.] nicht rech-nen. Eine solche war nach den Feststellungen des [X.]s auch nicht Verhandlungsergebnis zwischen den Parteien des [X.], bevor der Betroffene die nähere Ausarbeitung an die Rechtsabteilung übergab. Da der Beirat zum damaligen Zeitpunkt praktisch ohne Bedeutung war, weil seine Aufgaben im Wesentlichen von der Gesellschafterversammlung wahrgenom-men wurden, stand diese Frage für den Betroffenen nicht im [X.]. Er hatte deshalb keinen Anlass, auf die Besetzung dieses für die Leitung des Gemein-schaftsunternehmens eher unwichtigen Gremiums besondere Sorgfalt zu [X.]. Hinzu kommt, dass die Organstellung des Betroffenen bereits wenige Wochen nach der Umbesetzung des [X.] endete und er deshalb [X.] sein Augenmerk mehr auf die Veräußerung an sich als auf die zukünftige Besetzung der Gremien legte. 14 d) Obwohl das [X.] den Gesichtspunkt einer persönlichen Schuld des Betroffenen im Sinne des [X.] nicht erörtert hat, sieht der Senat angesichts dieser Sachlage davon ab, die Sache an das [X.] zurückzuverweisen. Es erscheint - auch im Hinblick auf den Zeitablauf - ausgeschlossen, dass sich noch Feststellungen treffen lassen, die einen Schuldvorwurf gegen den Betroffenen begründen könnten. Damit entfällt 15 - 8 - auch die Möglichkeit einer Ahndung der [X.]n, weil nicht erkennbar ist, dass möglicherweise andere Personen, welche die besonderen Zurech-nungsanforderungen des § 30 [X.]G erfüllen, vorwerfbar gehandelt haben könnten. [X.] Raum Meier-Beck
Strohn Grüneberg Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 11.10.2007 - [X.] 10/05 ([X.]) -

Meta

KRB 47/08

11.11.2008

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.11.2008, Az. KRB 47/08 (REWIS RS 2008, 940)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 940

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