Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.10.2016, Az. VI R 23/15

6. Senat | REWIS RS 2016, 3735

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Gegenstand

(Keine Abzugsfähigkeit der die steuerfreie Reisekostenvergütung übersteigenden Reisekosten als Werbungskosten, wenn der Steuerpflichtige daneben eine Dienstaufwandsentschädigung nach §§ 10 Abs. 1, 11 Abs. 1 LKomBesVO erhält)


Leitsatz

1. Erhält ein hauptamtlicher Bürgermeister in Baden-Württemberg eine Dienstaufwandsentschädigung steuerfrei ausbezahlt, die nach der Auslegung durch das FG seine gesamten beruflich veranlassten Aufwendungen ersetzen soll, so kann er nur insoweit Werbungskosten geltend machen, als die Aufwendungen die Entschädigung übersteigen (Bestätigung des Senatsurteils vom 9. Juni 1989 VI R 33/86, BFHE 157, 526, BStBl II 1990, 119).

2. Infolge eines unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs zu § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG fallen auch die nicht durch die steuerfreie Reisekostenvergütung i.S. des § 3 Nr. 13 EStG abgegoltenen Reisekosten unter das Abzugsverbot des § 3c EStG, wenn die Dienstaufwandsentschädigung auch diese Aufwendungen abgelten soll.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. März 2015  6 K 1433/12 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Anschlussrevision des Klägers wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger, Revisionsbeklagte und [X.]skläger (Kläger) erzielte im Streitjahr (2009) als hauptamtlicher Bürgermeister des [X.] der Stadt [X.] Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er bezog vom Arbeitgeber als steuerfrei behandelte Aufwandsentschädigungen in Höhe von 4.116 € (Reisekosten) sowie zusätzlich in Höhe von 7.993 € gemäß der im Streitjahr geltenden §§ 10 Abs. 1, 11 Abs. 1 der Landeskommunalbesoldungsverordnung des [X.] ([X.]). Danach wurde einem [X.] als Entschädigung für den durch das Amt allgemein verursachten erhöhten persönlichen Aufwand, dessen Bestreitung aus den Dienstbezügen dem Beamten nicht zugemutet werden kann, eine Dienstaufwandsentschädigung in Höhe von 9 % des festgesetzten Grundgehalts gewährt.

2

In der Einkommensteuererklärung des [X.] machte der Kläger folgende Werbungskosten geltend:

Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte

245 €

Arbeitsmittel

142 €

Fortbildungskosten

150 €

sonstige Werbungskosten (Telefonkosten etc.)

220 €

Reisekosten (12.578 km x 0,68 €/km =)

8.553,04 €

        

Nebenkosten

132,00 €

        
        

8.685,04 €

        

./. Erstattungen

./. 4.116,00 €

        
        

4.569,04 €

4.569 €

Verpflegungsmehraufwand

72,00 €

        

./. Erstattungen

./.    15,00 €

        
        

57,00 €

    57 €

        

5.383 €

3

Im Einkommensteuerbescheid 2009 vom 4. März 2011 berücksichtigte der Beklagte, Revisionskläger und [X.] (das Finanzamt --[X.]--) lediglich den [X.] in Höhe von 920 €. Die Summe der geltend gemachten Aufwendungen liege unterhalb der steuerfreien Dienstaufwandsentschädigung, mit der grundsätzlich alle durch das Amt entstandenen Aufwendungen abgegolten seien.

4

Den Einspruch wies das [X.] als unbegründet zurück. Die dagegen erhobene Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2015, 1249 veröffentlichten Gründen teilweise Erfolg. Zwar bezwecke die nach § 3 Nr. 12 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfreie Dienstaufwandsentschädigung nicht nur die Abgeltung des Aufwands für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, Arbeitsmittel, Fortbildungen und der sonstigen Werbungskosten, sondern auch der nicht durch Reisekostenvergütungen abgegoltenen Reisekosten. Aufgrund der spezielleren Vorschrift des § 3 Nr. 13 EStG greife das Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG hinsichtlich der Reisekosten jedoch nicht.

5

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

6

Mit der [X.] begehrt der Kläger die Berücksichtigung der weiteren vom Finanzgericht ([X.]) nicht anerkannten Werbungskosten.

7

Das [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] Baden-Württemberg aufzuheben, die Klage insgesamt abzuweisen und die [X.] zurückzuweisen.

8

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen und im Wege der [X.] das [X.]-Urteil aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen wurde, sowie den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 4. März 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. März 2012 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten in Höhe von 4.463 € berücksichtigt werden.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Unrecht weitere Werbungskosten des [X.] in Höhe von 2.837 € berücksichtigt. Die Anschlussrevision des [X.] ist demzufolge unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O).

1. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass es sich bei den geltend gemachten Aufwendungen des [X.] dem Grunde nach um Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 EStG handelt.

2. Die Aufwendungen einschließlich der nicht erstatteten Reisekosten sind jedoch nach § 3c EStG vom Abzug ausgeschlossen, da die betreffenden Aufwendungen mit der steuerfreien [X.] (§ 3 Nr. 12 Satz 2 EStG) in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.

a) Die Antwort auf die Frage, wofür eine Aufwandsentschädigung gezahlt wird, ist dem jeweiligen Bundes- oder Landesgesetz zu entnehmen, in welchem die Zahlung der betreffenden Aufwandsentschädigung vorgesehen ist (Senatsurteile vom 9. Juni 1989 VI R 33/86, [X.], 526, [X.] 1990, 119; vom 9. Juni 1989 VI R 154/86, [X.], 530, [X.] 1990, 121; vom 9. Juni 1989 VI R 27/88, [X.], 535, [X.] 1990, 123). Demnach ist im Streitfall auf § 10 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 LKomBesVO abzustellen. Gemäß § 10 Abs. 1 LKomBesVO wird eine [X.] gewährt "als Entschädigung für den durch das Amt allgemein verursachten erhöhten persönlichen Aufwand, dessen Bestreitung aus den Dienstbezügen dem Beamten nicht zugemutet werden kann". Nach der vom [X.] vorgenommenen Auslegung ist die Aufwandsentschädigung dazu bestimmt, alle mit dem Dienstverhältnis des Beamten zusammenhängenden Aufwendungen abzugelten, also nicht nur seine Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, Arbeitsmittel, Fortbildungen und sonstigen Werbungskosten, sondern auch die nicht durch die zusätzlich gewährten steuerfreien [X.] (§ 3 Nr. 13 EStG) abgegoltenen Reisekosten. Soweit das [X.] Bestand und Inhalt, also auch die Zweckbestimmung des § 10 Abs. 1 LKomBesVO, festgestellt hat, ist der Senat hieran wie an tatsächliche Feststellungen des [X.] gebunden (§ 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O; Senatsurteile in [X.], 526, [X.] 1990, 119; in [X.], 530, [X.] 1990, 121; in [X.], 535, [X.] 1990, 123, jeweils m.w.[X.]). Denn bei § 10 Abs. 1 LKomBesVO handelt es sich um Landesrecht. Die Einwände des [X.] gegen die Auslegung des § 10 Abs. 1 LKomBesVO durch das [X.] können daher keine Beachtung finden.

b) Hiernach ist im Streitfall ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang (auch) zwischen den von dem Kläger geltend gemachten Reisekosten und der [X.] zu bejahen.

Da die steuerfreien Einnahmen des [X.] nach den den Senat bindenden Feststellungen der Vorinstanz dazu bestimmt sind, alle mit dem Dienstverhältnis des [X.] zusammenhängenden Aufwendungen abzugelten, stehen die geltend gemachten Werbungskosten dazu in einer klar erkennbaren Beziehung (vgl. Senatsurteile vom 14. November 1986 VI R 209/82, [X.] 148, 460, [X.] 1989, 351; in [X.], 526, [X.] 1990, 119). Die Ausgaben des [X.] für seine Berufsausübung als Bürgermeister (wie Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, Arbeitsmittel, Fortbildungskosten und sonstige Kosten) einschließlich der Aufwendungen für dienstlich veranlasste Fahrten und seine Einnahmen gemäß §§ 10 Abs. 1, 11 Abs. 1 LKomBesVO sind nach Entstehung und Zweckbestimmung so verbunden, dass die Ausgaben ursächlich und unmittelbar auf Vorgänge zurückzuführen sind, die die Einnahmen betreffen. Einerseits ist die [X.] dem Kläger nur seiner Aufwendungen als Bürgermeister wegen ausgezahlt worden. Andererseits sind ihm nur dieser Tätigkeit wegen die geltend gemachten Aufwendungen einschließlich der nicht erstatteten Reisekosten entstanden.

Die Steuerfreiheit der Aufwandsentschädigung hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer nur diejenigen Aufwendungen als Werbungskosten geltend machen kann, die diese Entschädigung übersteigen (Senatsurteil in [X.], 526, [X.] 1990, 119). Dies folgt aus dem Grundgedanken des § 3c EStG, wonach bei steuerfreien Einnahmen kein doppelter steuerlicher Vorteil durch Abzug der damit unmittelbar zusammenhängenden Ausgaben erzielt werden soll (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 28. Januar 1988 IV R 186/85, [X.] 153, 11, [X.] 1988, 635).

Da die beruflich veranlassten Gesamtausgaben des [X.] im Streitfall die steuerfrei ausgezahlte [X.] nicht übersteigen, konnte die Klage keinen Erfolg haben (im Ergebnis ebenso Senatsurteil in [X.], 526, [X.] 1990, 119; [X.] Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Juli 1998  1 K 128/96, juris; [X.] vom 18. Februar 2009 bzw. 11. März 2014  3-S233.7/61; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 3 Nr. 12 EStG Rz 22 "Umfang der Abgeltungswirkung"; Handzik in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 3 Rz 472; [X.]/Meeßen/Wolf, [X.] Lohnsteuer, "Aufwandsentschädigungen" Rz 57/1; [X.]/Altehoefer, Kommentar zum Lohnsteuerrecht, § 3 Nr. 12 Rz 62; [X.] in [X.], EStG, [X.] 2011, § 3 Nr. 12 Rz 4, 27; [X.], Die steuerliche Betriebsprüfung 1989, 291; [X.] 1990, 70; a.[X.]/ [X.], EStG, 35. Aufl., § 3 Rz 50).

c) Entgegen der Ansicht des [X.] ergibt sich aus § 3 Nr. 13 EStG nichts Abweichendes. Soweit § 3 Nr. 13 EStG als speziellere Vorschrift dem weiteren Anwendungsbereich des § 3 Nr. 12 EStG vorgeht, bedeutet dies zunächst nur, dass sich die Steuerfreiheit von Aufwandsentschädigungen, die aus öffentlichen Kassen als Reisekosten gezahlt werden, (vorrangig) nach § 3 Nr. 13 EStG richtet ([X.]/[X.], § 3 Nr. 12 EStG Rz 7; [X.]/ [X.], § 3 Nr. 12 EStG Rz 1). Jedenfalls in Bezug auf die Reisekosten, die die nach § 3 Nr. 13 EStG steuerfreien Erstattungen übersteigen, ist § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG ergänzend anzuwenden ([X.] Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Juli 1998  1 K 128/96, juris; im Ergebnis so schon Senatsurteil in [X.], 526, [X.] 1990, 119; s. auch Senatsurteile vom 26. März 2002 VI R 45/00, [X.] 198, 554, [X.] 2002, 827, unter [X.], und in [X.], 535, [X.] 1990, 123, unter 2.c; im Ergebnis ebenso Handzik in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 3 Rz 491; [X.]/[X.], § 3 Nr. 13 EStG Rz 2; a.[X.]/[X.], a.a.[X.], § 3 Rz 50 und 54).

Dient die [X.] des § 10 Abs. 1 LKomBesVO --wie das [X.] bindend festgestellt hat-- der Abgeltung des gesamten durch das Amt verursachten persönlichen Aufwands einschließlich der Reisekosten, die nicht durch die nach § 3 Nr. 13 EStG steuerfreie Reisekostenvergütung abgegolten werden, fällt hierunter auch der aufgrund der [X.] des [X.] entstandene erhöhte Reisekostenaufwand für seine dienstlichen Fahrten im Rahmen seiner Bürgermeistertätigkeit.

d) Auch das [X.]-Urteil vom 8. Oktober 2008 [X.] R 58/06 ([X.] 223, 139, [X.] 2009, 405) steht dem nicht entgegen. Denn der [X.]. Senat des [X.] hatte dort lediglich über die Frage zu entscheiden, ob nach einer öffentlich-rechtlichen Satzung geleistete pauschale [X.] unter die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 13 EStG fallen. Nicht streitig war, ob eventuell höhere tatsächliche Reisekosten als Werbungskosten abzugsfähig gewesen wären. Solche hatte der dortige Kläger nicht geltend gemacht.

3. Die Anschlussrevision ist zurückzuweisen, weil im Streitfall ein über den Ansatz des [X.] hinausgehender Werbungskostenabzug nicht in Betracht kommt. Folglich konnte das Begehren des [X.] nach einer weitergehenden Berücksichtigung der geltend gemachten Werbungskosten keinen Erfolg haben.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 und Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 23/15

19.10.2016

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 10. März 2015, Az: 6 K 1433/12, Urteil

§ 118 Abs 1 S 1 FGO, § 3 Nr 12 S 2 EStG 2009, § 3 Nr 13 EStG 2009, § 3c EStG 2009, § 9 Abs 1 EStG 2009, § 10 Abs 1 KomBesV BW, § 11 Abs 1 KomBesV BW, EStG VZ 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.10.2016, Az. VI R 23/15 (REWIS RS 2016, 3735)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 3735

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