Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20.08.2012, Az. I R 3/12

1. Senat | REWIS RS 2012, 3842

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Gegenstand

Ordnungsgemäße Revisionsbegründung


Leitsatz

NV: Eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung muss innerhalb der Begründungsfrist die Angabe der Revisionsgründe enthalten. Dies erfordert eine bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (hier: bei Annahme eines Verstoßes gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit durch den in § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG 2002 enthaltenen Inlandsbezug für die Gewährung einer sog. Reinvestitionsrücklage). Notwendig ist eine sachliche Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils. Anzugeben sind auch die Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art, die nach Auffassung des Revisionsklägers das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erscheinen lassen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Kapitalgesellschaft [X.] Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung in den [X.]. Sie führt ein Unternehmen, dessen Gegenstand der Abbau von Torf auf verschiedenen, von ihr jeweils zu diesem Zweck erworbenen Grundstücken ist; u.a. im Streitjahr 2008 war sie ausschließlich in der [X.] ([X.]) tätig.

2

[X.] erzielte die Klägerin aus der Veräußerung eines in [X.] gelegenen Grundstücks einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 3.643.373 €, den sie im Rahmen ihrer nach § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) i.V.m. § 2 Satz 1 Nr. 1 des [X.] ([X.] 2002) beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte in der Bilanz zum 31. Dezember 2006 in eine Rücklage gemäß § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG 2002 (i.V.m. § 8 Abs. 1 [X.] 2002) einstellte. Da sie mangels geeigneter Torfgrundstücke in [X.] beabsichtigte, ihren Geschäftsbetrieb in der Zukunft wieder in die [X.] zu verlegen, erwarb sie im Streitjahr ein in den [X.] gelegenes unbebautes Grundstück zum Kaufpreis von 176.365 €, das in keinem betriebsfunktionalen Zusammenhang mit den Betriebsstätten in [X.] stand und an einen [X.] Landwirt verpachtet war.

3

Im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2008 erfasste die Klägerin das Grundstück in den [X.] als Zugang im Anlagevermögen bei den [X.] mit seinen Anschaffungskosten. Zugleich löste sie in selbiger Höhe die nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG 2002 gebildete Rücklage auf und zog von den Anschaffungskosten des [X.] Grundstücks einen entsprechenden Betrag nach § 6b Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 2002 ab.

4

Nach Auffassung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt --[X.]--) kam ein Abzug des Rücklagenbetrags von den Anschaffungskosten des Grundstücks nach § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG 2002 hingegen nicht in Betracht, da das Grundstück nicht zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehöre. Das [X.] löste die Rücklage dementsprechend auf und erhöhte den Gewinn überdies um einen Zuschlag gemäß § 6b Abs. 7 EStG 2002. [X.] gegen die hiernach geänderten Steuerbescheide war erfolgreich; das --den Beteiligten ausweislich der [X.] vom 21./22. Dezember 2011 zugestellte-- Urteil des [X.] ([X.]) vom 1. Dezember 2011  6 K 435/09 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1031 abgedruckt.

5

Mit seiner vom [X.] zugelassenen --am 11. Januar 2012 eingelegten und mit beim [X.] ([X.]) am 3. Februar 2012 eingegangenen Schriftsatz vom 1. Februar 2012 begründeten-- Revision rügt das [X.] Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das [X.]-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt in erster Linie sinngemäß, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision genügt nicht den Begründungserfordernissen des § 120 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O); sie ist deswegen zu verwerfen (§ 124 Abs. 1 i.V.m. § 126 Abs. 1 [X.]O).

8

Auch eine vom [X.] zugelassene Revision ist nach § 120 Abs. 2 und 3 [X.]O innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Wendet sich der Revisionskläger gegen die materielle Sicht des [X.], so hat er die Umstände zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a [X.]O). Das umfasst auch Angaben dazu, aus welchen Gründen der Revisionskläger das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erachtet. Demgemäß gehört nach ständiger Rechtsprechung des [X.] zu einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung u.a. die Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen [X.]-Urteils. Der Revisionskläger muss neben der Rüge eines konkreten Rechtsverstoßes die Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art angeben, die nach seiner Auffassung das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erscheinen lassen. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck des § 120 Abs. 2 und 3 [X.]O, das Revisionsgericht zu entlasten und den Revisionskläger zu zwingen, Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsangriffs von vornherein klarzustellen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 8. Mai 1985 I R 108/81, [X.]E 144, 40, [X.] 1985, 523). Zur ordnungsgemäßen Revisionsbegründung bedarf es einer zumindest kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils, aus der zu erkennen ist, dass der Revisionskläger die Begründung dieses Urteils und sein eigenes Vorbringen überprüft hat (ständige Rechtsprechung; s. die Nachweise Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 120 Rz 59; Rüsken in [X.], [X.]O, § 120 Rz 172 f.). Der Revisionskläger muss danach im Einzelnen und in Auseinandersetzung mit der Ar-gumentation des [X.] dartun, welche Ausführungen der Vorinstanz aus welchen Gründen unrichtig sein sollen (z.B. Senatsbe-schluss vom 7. April 2010 I R 34/06, [X.]/NV 2010, 1466; [X.]-Beschluss vom 4. April 1997 [X.], [X.]/NV 1997, 690, mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).

9

Die vom [X.] in dessen ursprünglicher Revisionsbegründungsschrift vom 1. Februar 2012 innerhalb der beschriebenen Begründungsfrist vorgelegten Ausführungen entsprechen diesen Anforderungen nicht. Das [X.] referiert darin lediglich die Kernargumentation der Vorinstanz und bekundet sodann letztlich nur lapidar, dass es anderer Auffassung ist: Wenn das [X.] annehme, der in § 6b EStG 2002 enthaltene Inlandsbezug beschränke die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit, dann seien hierfür ausreichende Rechtfertigungsgründe vorhanden, nämlich insbesondere zwingende Gründe des Allgemeinwohls. Andernfalls würde die Aufteilung der Besteuerungsgrundlagen, wie sie in einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen erfolgt sei, nicht mehr gewahrt bleiben. Wenn das [X.] weiter ausführe, das Besteuerungsrecht verbleibe bei [X.], so sehe das [X.] demgegenüber hier die Gefahr der Steuerflucht. Es ergäben sich auch unter Beachtung der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen nach § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung insoweit erhebliche Probleme, den Verbleib oder Verkauf des Reinvestitionsguts zu überwachen, insbesondere dann, wenn zum Zeitpunkt der Veräußerung des Reinvestitionsguts im übrigen Gemeinschaftsgebiet keine feste Einrichtung mehr im Inland bestehe. Nach allem vertritt das [X.] lediglich seine schon im Klageverfahren bekundete Rechtsauffassung und stützt diese wie schon zuvor mit der Behauptung angeblicher Gründe, die eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen könnten. Jegliche Auseinandersetzung mit der vielschichtigen und durch neuere einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung belegten Argumentation der Vorinstanz fehlt indessen. Eine solche Auseinandersetzung bringen erst die im weiteren Verfahrensverlauf [X.] Mai 2012 bzw. 26. Juli 2012 und damit verspätet-- vorgelegten Schriftsätze vom 30. April 2012 und vom 25. Juli 2012.

Meta

I R 3/12

20.08.2012

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 1. Dezember 2011, Az: 6 K 435/09, Urteil

§ 120 Abs 2 FGO, § 120 Abs 3 Nr 2 Buchst a FGO, § 6b Abs 3 S 1 EStG 2002, § 6b Abs 4 S 1 Nr 3 EStG 2002, § 49 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20.08.2012, Az. I R 3/12 (REWIS RS 2012, 3842)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3842

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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