Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.06.2016, Az. IV ZR 346/15

4. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 10373

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Gegenstand

Betriebliche Altersversorgung: Inanspruchnahme des Rückkaufswerts der Lebensversicherung durch den ausgeschiedenen Arbeitnehmer bei Kündigung der Versicherung noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses


Leitsatz

§ 2 Abs. 2 Satz 5 BetrAVG schließt die Inanspruchnahme des Rückkaufswerts einer Lebensversicherung durch den ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht aus, wenn die Kündigungserklärung des Versicherungsnehmers und Arbeitgebers dem Versicherer noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses zugegangen ist. Allerdings ist die Kündigung des Versicherungsvertrages unwirksam, wenn sie auf einer nach § 3 Abs. 1 BetrAVG unzulässigen Abfindungsvereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber beruht.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 12. Juni 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Auszahlung des [X.] einer Lebensversicherung.

2

Im Jahr 1994 schloss die damalige Arbeitgeberin des [X.] für diesen bei der Beklagten eine Lebensversicherung als Direktversicherung zur betrieblichen Altersversorgung ab. Der Kläger wurde als unwiderruflich [X.] bestimmt. Als Versicherungsbeginn war der 1. Dezember 1994, als Versicherungsablauf der 30. November 2017 vereinbart.

3

Mit Schreiben vom 30. Juli 2013 bat der Kläger die Beklagte wegen langjähriger Krankheit und einer daraus resultierenden wirtschaftlichen Notlage um die Auszahlung der Versicherungssumme zum 1. Dezember 2013; die Arbeitgeberin erklärte im selben Schreiben, sie sei "[m]it der Kündigung einverstanden". Die Beklagte bestätigte die Kündigung zunächst mit Schreiben an die Arbeitgeberin vom 2. August 2013 zum 1. September 2013 und sodann mit Schreiben vom 14. August 2013 zum 1. Dezember 2013. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2013 erklärte die Arbeitgeberin, sie widerspreche der Kündigung, woraufhin die Beklagte ihr und dem Kläger mit Schreiben vom 8. November 2013 mitteilte, dass die Versicherung fortgeführt werde.

4

Die Arbeitgeberin erklärte mit Schreiben vom 30. Dezember 2013/7. Januar 2014 erneut die Kündigung des Versicherungsvertrages. Durch Urteil des [X.] vom 8. Januar 2014 wurde sie auf Antrag des [X.] zur Kündigung des Lebensversicherungsvertrages verurteilt.

5

Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 7. Januar 2014 fristlos zum 31. Januar 2014. Nachdem die Arbeitgeberin die Beklagte über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses informiert hatte, verweigerte diese die Auszahlung des [X.].

6

Das [X.] hat die Klage auf Zahlung des [X.] abgewiesen; das [X.] hat ihr auf die Berufung des [X.] stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger ein Anspruch auf den Rückkaufswert der Lebensversicherung bereits aufgrund der ersten Kündigung des Versicherungsvertrages zu. Die Arbeitgeberin habe darin zwar die Kündigung nicht ausdrücklich selbst ausgesprochen, doch ihre Einverständniserklärung zeige ihren eindeutigen [X.]en zur Beendigung des Vertrages. Den durch diese Kündigung ausgelösten Anspruch des [X.] auf Auszahlung des [X.] habe ihm die Arbeitgeberin weder einseitig noch gemeinschaftlich mit der Beklagten wieder entziehen können. Vereinbarten Versicherungsnehmer und Versicherer ohne Einbeziehung des bezugsberechtigten [X.] nach einer Kündigungserklärung die Fortsetzung des Versicherungsvertrages mit der Folge, dass der Auszahlungsanspruch des Bezugsberechtigten wieder entfiele, so liege darin ein Vertrag zulasten Dritter, der dem geltenden Vertragsrecht grundsätzlich fremd sei.

9

Doch auch wenn man die einvernehmliche Aufhebung der ersten Kündigung als wirksam ansähe, wäre der Anspruch als Folge der zweiten Kündigung zum 1. Dezember 2014 entstanden. Dem stehe nicht entgegen, dass nach § 2 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Satz 4 [X.] der Rückkaufswert aufgrund einer Kündigung des Versicherungsvertrages vom ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht in Anspruch genommen werden könne. Sinn und Zweck dieser Regelung sprächen dagegen, deren Rechtsfolgen auch dann eintreten zu lassen, wenn die Kündigung des Versicherungsvertrages noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer ausgesprochen werde. Die [X.] verfolge den Zweck, den ausgeschiedenen Arbeitnehmer, dem anstelle der arbeitsrechtlichen Versorgungszusage die Versicherungsleistung zugewandt worden sei, an der alsbaldigen Realisierung des [X.] zu hindern. Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses sei der Arbeitgeber dagegen grundsätzlich nicht gehindert, die Versicherung zu kündigen. Dies gelte auch dann, wenn die Kündigung im Zuge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen werde und der Rückkaufswert erst nach dessen Ende fällig werde.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Anspruch auf Auszahlung des [X.] nicht bereits aufgrund der Kündigung vom 30. Juli 2013 entstanden.

a) In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht allerdings das Schreiben vom 30. Juli 2013 als Kündigungserklärung der Arbeitgeberin als Versicherungsnehmerin, die auch bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung eines [X.] allein zur Kündigung berechtigt ist (vgl. Senatsurteil vom 2. Dezember 2009 - [X.], [X.], 385 Rn. 14), ausgelegt. Das Berufungsgericht hat sich mit der Erklärung der Versicherungsnehmerin, sie sei mit der Kündigung einverstanden, befasst. [X.], die es dabei übersehen haben könnte, zeigt die Revision nicht auf; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Eine eigene [X.]enserklärung setzt voraus, dass der Erklärende durch seine Äußerung einen Rechtsfolgewillen zum Ausdruck bringt, der auf die Begründung, Änderung oder Beendigung eines privaten Rechtsverhältnisses abzielt (vgl. [X.], Urteil vom 17. Oktober 2000 - [X.], [X.]Z 145, 343 unter [X.]). Er muss dabei entgegen der Ansicht der Revision weder aufgrund eigener Initiative handeln noch persönliche Zwecke verfolgen. Es steht dem [X.]en der Arbeitgeberin zur Beendigung des Versicherungsvertrages, den das Berufungsgericht der Erklärung entnommen hat, daher nicht entgegen, wenn sie ihre Erklärung ausschließlich auf Wunsch des [X.] abgegeben und kein eigenes Interesse daran gehabt haben sollte.

b) Die Arbeitgeberin hat das Versicherungsverhältnis jedoch nach dieser Kündigungserklärung durch eine Vereinbarung mit der Beklagten fortgesetzt.

aa) Zwar konnte die Arbeitgeberin die Rechtswirkungen der Kündigung nicht durch eine einseitige Erklärung beseitigen. Die Kündigung hat als rechtsgestaltende empfangsbedürftige [X.]enserklärung die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt zur Folge. Eine Kündigung kann daher nicht einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden (Senatsurteile vom 22. Juni 1988 - [X.], [X.], 1013 unter [X.]; vom 3. Oktober 1984 - [X.], [X.], 54 unter III). Die Parteien haben aber im Rahmen der Vertragsfreiheit die Möglichkeit, den Eintritt der Rechtsfolgen einer bereits wirksam gewordenen Kündigung durch - einverständliche - Vereinbarung aufzuheben ([X.], Urteil vom 24. Juni 1998 - [X.], [X.]Z 139, 123 unter 3 c; vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 1988 aaO). Eine entsprechende Vereinbarung führt indessen nicht ohne weiteres und unterschiedslos zur Fortsetzung des gekündigten Vertrages. Bei der Beurteilung der Wirkungen, die einer Vereinbarung über die Aufhebung der [X.] zukommt, ist danach zu unterscheiden, ob die Vereinbarung vor Ablauf der Kündigungsfrist oder erst danach getroffen wird, denn bis zum Ablauf der Kündigungsfrist besteht das Vertragsverhältnis der Parteien fort. Jedenfalls dann, wenn die einverständliche Aufhebung der Kündigung noch vor Ablauf der Kündigungsfrist, also während der Geltung des Vertrages vereinbart wird, bleibt der gekündigte Vertrag unverändert in [X.] ([X.], Urteile vom 24. Juni 1998 aaO; vom 6. Oktober 1983 - [X.], [X.], 138 unter [X.]; vom 20. März 1974 - [X.], [X.] 1974, 750 unter [X.]). Das wirksam gekündigte Versicherungsverhältnis lebt dann aufgrund der Vereinbarung beider Vertragspartner wieder auf (vgl. Senatsurteile vom 22. Juni 1988 aaO; vom 3. Oktober 1984 aaO). In der Erklärung der Rücknahme oder des Widerrufs der Kündigung durch den Versicherungsnehmer während der laufenden Kündigungsfrist ist daher ein Angebot zur Fortsetzung des ursprünglichen Vertragsverhältnisses zu sehen (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 11 Rn. 154; Rixecker in [X.]/Langheid, [X.]. § 11 Rn. 12).

So liegt es hier. Die Beklagte nahm das entsprechende Angebot der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 8. November 2013 und damit während der laufenden Kündigungsfrist an. Die Arbeitgeberin hatte die Kündigung zum 1. Dezember 2013, d.h. zum Schluss des laufenden Versicherungsjahres, der nach § 4 Abs. 1 Spiegelstrich 1 der dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung ([X.]) das Ende der Kündigungsfrist darstellt, erklärt. Ein früherer Beendigungszeitpunkt ergab sich nicht aus der zunächst erfolgten Bestätigung der Kündigung durch die Beklagte zum 1. September 2013, da die Arbeitgeberin einer solchen abweichenden Vereinbarung zum Vertragsende nicht zugestimmt hatte, bevor die Beklagte mit ihrem weiteren Schreiben die Kündigung zum 1. Dezember 2013 bestätigte.

bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bedurfte die Vereinbarung zur Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses während der laufenden Kündigungsfrist nicht der Zustimmung des [X.]. Sein unwiderrufliches Bezugsrecht stand der Vereinbarung nicht entgegen.

Solange das Versicherungsverhältnis besteht, bleibt der Versicherungsnehmer und nicht der Bezugsberechtigte befugt, über eine Beendigung oder Fortsetzung des Vertrages zu entscheiden. Bei der Direktversicherung zur betrieblichen Altersversorgung ist im versicherungsrechtlichen Deckungsverhältnis der Arbeitgeber gegenüber dem Versicherer Inhaber aller Rechte und Pflichten aus dem Vertrag, insbesondere aller Verfügungs- und Gestaltungsrechte ([X.], Beschluss vom 10. Februar 1993 - [X.], [X.], 728 unter 2 [X.]; vgl. [X.] in [X.]/Matusche-[X.], [X.] 3. Aufl. § 42 Rn. 222). Auch bei Vereinbarung eines unwiderruflichen Bezugsrechts kann der Versicherungsnehmer über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit unterschiedlich verfügen (Senatsurteil vom 18. Juni 2003 - [X.], NJW 2003, 2679 unter [X.] b).

Die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses greift nicht in eine geschützte Rechtsposition des [X.] ein. Zwar erwirbt der Bezugsberechtigte mit der Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts die Ansprüche auf die Versicherungsleistungen regelmäßig sofort (Senatsurteil vom 18. Juni 2003 aaO unter II 1 a). Dies schließt den Rückkaufswert nach Kündigung des Vertrages ein (Senatsurteile vom 2. Dezember 2009 aaO Rn. 11; vom 18. Juni 2003 aaO unter [X.] b). Das bedeutet jedoch nur, dass so der mit dem Verzicht auf das Widerrufsrecht verfolgte Zweck erreicht wird, die Ansprüche auf die Versicherungsleistungen aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers auszusondern und sie damit dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen (vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 2003 aaO unter II 1 a). Ohne das Einverständnis des Begünstigten kann daher über das Bezugsrecht, das mit der Unwiderruflichkeit sofort zu dessen Vermögen gehört ([X.], Urteil vom 9. Oktober 2014 - [X.], NJW 2015, 341 Rn. 14), nicht verfügt werden. Sein Recht ist darauf gerichtet, dass ihm seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nicht mehr zugunsten eines anderen entzogen werden können. Diese Vermögenszuordnung wird aber durch die Vereinbarung einer Fortsetzung des Versicherungsvertrages nicht beeinträchtigt, da das Bezugsrecht des Begünstigten unverändert bestehen bleibt. Das Recht des Bezugsberechtigten soll nach dem regelmäßigen Verständnis der Begünstigungserklärung sämtliche aus dem Versicherungsvertrag fällig werdenden Ansprüche umfassen (Senatsurteile vom 2. Dezember 2009 aaO; vom 18. Juni 2003 aaO unter [X.] b). Ob solche Ansprüche fällig werden, unterliegt dagegen während des bestehenden Vertragsverhältnisses der Disposition von Versicherungsnehmer und Versicherer. Der Kläger erwarb daher auch durch die zunächst erfolgte Kündigungserklärung keine Rechtsposition, die über sein unverändert fortbestehendes Bezugsrecht hinausging. Eine vorzeitige Beendigung des Versicherungsvertrages und damit die Auszahlung des [X.] konnte er nicht beanspruchen.

2. Ob die Arbeitgeberin als Versicherungsnehmerin das so fortgesetzte Versicherungsverhältnis mit ihrer Erklärung vom 30. Dezember 2013/7. Januar 2014 wirksam gekündigt hat, so dass die rechtlichen Wirkungen der Kündigung nach § 4 Abs. 1 Spiegelstrich 1 [X.] zum Schluss des laufenden Versicherungsjahres, d.h. zum 1. Dezember 2014, eintraten, kann nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.

a) Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings zu dem Ergebnis gelangt, dass § 2 Abs. 2 Satz 5 [X.] einer Auszahlung des [X.] aufgrund dieser Kündigung nicht entgegensteht. Diese Vorschrift verbietet innerhalb ihres Anwendungsbereiches für die zur betrieblichen Altersversorgung abgeschlossene Direktversicherung eine Inanspruchnahme des nach § 169 Abs. 3 und 4 [X.] berechneten [X.] oder - bei älteren Versicherungsverträgen - des durch Beitragszahlungen des Arbeitgebers gebildeten geschäftsplanmäßigen [X.] auf Grund einer Kündigung des Versicherungsvertrages und bestimmt, dass im Falle einer Kündigung die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt wird. § 169 Abs. 1 [X.] (§ 176 Abs. 1 [X.] a.F.) findet dann insoweit keine Anwendung, § 2 Abs. 2 Satz 6 [X.].

§ 2 Abs. 2 Satz 5 [X.] schließt eine Inanspruchnahme des [X.] jedoch nur dann aus, wenn die Kündigungserklärung dem Versicherer erst nach dem Ausscheiden des versicherten Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis zugeht. Erhält der Versicherer die vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer erklärte Kündigung dagegen während des bestehenden Arbeitsverhältnisses, steht die Vorschrift einer späteren Auszahlung des [X.] auch an den inzwischen ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht im Wege. Dieses Verständnis der Vorschrift, das auch das Berufungsgericht zutreffend seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, folgt aus einer Auslegung des Gesetzes.

aa) Die Vorschrift lässt nur bei isolierter Betrachtung ihres Wortlauts offen, unter welchen Voraussetzungen die Versicherung durch eine Kündigung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt wird und der Rückkaufswert nicht in Anspruch genommen werden kann. Aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung innerhalb des § 2 Abs. 2 [X.] folgt jedoch, dass sie von vornherein nur die Inanspruchnahme des [X.] durch den vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmer erfasst. § 2 Abs. 2 Satz 5 [X.] ergänzt seinem Wortlaut zufolge § 2 Abs. 2 Satz 4 [X.]. Dieser verbietet ausdrücklich, dass "der ausgeschiedene Arbeitnehmer" die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in der dort bestimmten Höhe abtritt oder [X.]. Daran unmittelbar anknüpfend schließt Satz 5 die Inanspruchnahme des [X.] "in dieser Höhe", d.h. der in Satz 4 geregelten, aus. Aus diesem Zusammenhang folgt, dass beide Regelungen gleichermaßen nur Verfügungen über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis erfassen.

Dies entspricht auch der Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 2 Satz 5 [X.]. Der Entwurf des § 2 Abs. 2 [X.] sah zunächst nur die Beschränkungen in Satz 4 vor. Die Einfügung von § 2 Abs. 2 Satz 5 und 6 [X.] begründete der Gesetzgeber damit, dass Satz 4 dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer Verfügungen, die den [X.] gefährden könnten, verbiete, solche Verfügungen jedoch auch durch Geltendmachung des [X.] aufgrund einer Kündigung des Versicherungsvertrages möglich seien (BT-Drucks. 7/2843 [X.]). Durch die Einbeziehung der Geltendmachung des [X.] in das Verfügungsverbot werde die Sicherung des [X.]es lückenlos verwirklicht (aaO).

bb) Die Inanspruchnahme des [X.] durch den ausgeschiedenen Arbeitnehmer, d.h. die Auszahlung oder anderweitige Verwertung (vgl. [X.]/[X.], 16. Aufl. § 2 [X.] Rn. 33) nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ist jedoch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Versicherungsvertrag noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer gekündigt wurde.

Wie der Senat bereits in seinem nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Urteil vom 22. Juli 2015 ([X.], NJW 2015, 3303) ausgeführt hat, stellt § 2 Abs. 2 Satz 4 bis 6 [X.] für den Fall Schranken auf, dass der Arbeitgeber den ausscheidenden Arbeitnehmer auf die Versicherungsleistung verwiesen hat (aaO Rn. 23). Danach wird zwar das Recht des Arbeitnehmers eingeschränkt, die Lebensversicherung zu kündigen, zu beleihen oder abzutreten (aaO). Hieraus ergibt sich aber nur, dass die Verfügungsmacht des Arbeitnehmers, wenn die Versicherung auf ihn übergeht, in ihrem sachlichen Umfang in bestimmter Hinsicht beschränkt ist (aaO; vgl. [X.]/Kisters-Kölkes/Berenz/[X.], [X.] 6. Aufl. § 2 Rn. 164; [X.] in Förster/[X.]Karst, [X.]. § 2 Rn. 31; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.] Band I Stand März 2013 § 2 Rn. 1; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]. § 2 Rn. 257). Die [X.] in § 2 Abs. 2 Satz 4 bis 6 [X.] erfassen daher nur die Fälle, in denen die Versicherung auf den ausgeschiedenen Arbeitnehmer übertragen wurde. Diese Übertragung vollzieht sich nach § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 [X.], der dem Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit gibt, den vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmer hinsichtlich seiner unverfallbaren Anwartschaft auf Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung auf die vom Versicherer zu erbringende Leistung zu verweisen und damit die eigene Einstandspflicht zu begrenzen. Der ausgeschiedene Arbeitnehmer kann in diesen Fällen die Versicherung als eigene weiterführen (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Februar 1993 - [X.], [X.], 728 unter [X.] d). An diese Regelung knüpfen die [X.] des § 2 Abs. 2 Satz 4 bis 6 [X.] an. Der systematische Zusammenhang schließt nicht nur die Inanspruchnahme des [X.] nach § 2 Abs. 2 Satz 5 Halbsatz 1 [X.], sondern auch die im zweiten Halbsatz geregelte Kündigung ein. Die Verweisung des Arbeitnehmers auf die Versicherung, durch die er regelmäßig auch Versicherungsnehmer wird ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.] 6. Aufl. § 2 Rn. 227; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO Rn. 257), erfolgt erst nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, § 2 Abs. 2 Satz 3 [X.].

Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich auch nichts anderes aus § 17 Abs. 1 Satz 2 [X.], nach dem § 2 [X.] für Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, entsprechend anwendbar ist, wenn ihnen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind. Der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Satz 5 [X.] in der hier vorgenommenen Auslegung ist für diese Personen eindeutig bestimmt. Auch in diesen Fällen gibt es einen bestimmten "Zeitpunkt des Ausscheidens" aus dem Vertragsverhältnis mit dem Unternehmen (vgl. [X.], Urteil vom 15. Juli 2002 - [X.], NJW 2002, 3632 unter II 1).

cc) Diese Beschränkung der Vorschrift auf die Kündigung nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers entspricht auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes sowie dem [X.]en des Gesetzgebers.

Durch die [X.] des § 2 [X.] soll im Rahmen des rechtlich Möglichen die bestehende Anwartschaft für den [X.] erhalten bleiben (BT-Drucks. 7/1281 S. 26). Nach dem [X.]en des Gesetzgebers sollen dabei aber durch § 2 Abs. 2 Satz 5 [X.] in Ergänzung von § 2 Abs. 2 Satz 4 [X.] gerade dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer Verfügungen, die den [X.] gefährden können, untersagt werden (vgl. BT-Drucks. 7/2843 [X.]). Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass der Arbeitnehmer die Anwartschaft liquidiert und für andere Zwecke verwendet ([X.], Beschluss vom 5. Dezember 2013 - [X.], [X.], 189 Rn. 2; vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.] 6. Aufl. § 2 Rn. 260; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO Rn. 256).

Diesem Gesetzeszweck dienen die [X.] jedoch nur dann, wenn die Kündigung durch den Arbeitnehmer als neuen Versicherungsnehmer nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ausgesprochen wird. [X.] der Arbeitnehmer dagegen während des bestehenden Arbeitsverhältnisses seine Anwartschaft liquidieren und veranlasst er daher den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer, den Versicherungsvertrag zu kündigen, treffen die Parteien des Arbeitsverhältnisses damit eine entsprechende Vereinbarung zur Änderung oder Aufhebung der arbeitsvertraglichen Versorgungszusage.

Solche Vereinbarungen beschränkt das [X.] nur durch § 3 Abs. 1 [X.], nach dem unverfallbare Anwartschaften im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur unter den dort geregelten Voraussetzungen abgefunden werden dürfen. Nach dem [X.]en des Gesetzgebers bleibt die Abfindung von Anwartschaften während des bestehenden Arbeitsverhältnisses dagegen zulässig, wenn die Abfindung nicht im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt (vgl. BT-Drucks. 15/2150 [X.]). § 3 Abs. 1 [X.] ist danach auf Vereinbarungen, durch die unverfallbare [X.]en mit oder ohne Zahlung einer Abfindung eingeschränkt oder aufgehoben werden, nur anzuwenden, wenn diese Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen werden ([X.], Urteil vom 21. Mai 2003 - [X.], NJW 2003, 3350 unter II 1; vgl. [X.], 341 unter [X.]; [X.] in [X.]/Matusche-[X.], [X.] 3. Aufl. § 43 Rn. 117). Die Vorschrift setzt einen sowohl zeitlichen als auch sachlichen Zusammenhang zwischen dem Ausscheiden des Arbeitnehmers und der Abfindungsvereinbarung voraus (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.] 6. Aufl. § 3 Rn. 23; [X.]/Molkenbuhr, Stand 1. Dezember 2015 § 3 [X.] Rn. 2).

Eine einvernehmliche Abfindung von [X.]en im bestehenden Arbeitsverhältnis, die nicht in den Anwendungsbereich des § 3 [X.] fällt, wird dann aber auch nicht durch § 2 Abs. 2 Satz 5 [X.] ausgeschlossen. Vielmehr bestimmt § 2 Abs. 2 Satz 7 [X.], dass § 2 Abs. 2 Satz 5 [X.] sogar eine Abfindung des Anspruchs nach § 3 [X.] - soweit dessen Ausnahmeregelungen reichen - nicht verbietet. § 2 Abs. 2 Satz 5 [X.] setzt daher einer Kündigung des Versicherungsvertrages während des bestehenden Arbeitsverhältnisses keine engeren Schranken, als dies § 3 [X.] für die der Kündigung zugrundeliegende Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer tut, falls diese im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht. Ob ein solcher Zusammenhang vorliegt, betrifft allein die Abfindungsregelung des § 3 [X.].

b) Die Kündigung des Versicherungsvertrages wäre danach allerdings dann unwirksam und der Anspruch des [X.] auf Auszahlung des [X.] ausgeschlossen, wenn die Kündigung des Versicherungsvertrages auf einer nach § 3 Abs. 1 [X.] unzulässigen Abfindungsvereinbarung zwischen dem Kläger und der Arbeitgeberin beruhte.

Nach § 3 Abs. 1 [X.] darf eine unverfallbare [X.] nur unter den Voraussetzungen der - vorliegend nicht einschlägigen - weiteren Absätze dieser Vorschrift abgefunden werden. Eine hiervon abweichende Abfindungsregelung ist gemäß § 134 BGB nichtig ([X.], Urteil vom 15. Juli 2002 aaO unter [X.]; [X.], [X.], 218). Das Verbot erfasst nicht nur die Vereinbarung der Abfindung als Grundgeschäft, sondern auch das Erfüllungsgeschäft ([X.]/[X.]/[X.] aaO Stand Juni 2011 § 3 Rn. 79; [X.]/[X.]/[X.] aaO § 3 Rn. 42). Bei der betrieblichen Altersversorgung im Wege der Direktversicherung ist daher der Versicherer zur Auszahlung des [X.] nicht verpflichtet, wenn die Inanspruchnahme der Leistung auf einer verbotswidrigen Abfindungsvereinbarung beruht (vgl. [X.]/[X.]/[X.] aaO Stand Juni 2011 Rn. 85).

III. Das Berufungsgericht hat sich bisher nicht damit befasst, ob die Kündigung des Versicherungsvertrages auf einer Abfindungsvereinbarung zwischen dem Kläger und dem Arbeitgeber, die im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stand, beruhte. Aufgrund der zeitlichen Nähe zwischen der Kündigung des Versicherungsvertrages und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt dies aber zumindest in Betracht. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, ergänzende Feststellungen zu treffen.

[X.]                                  [X.]                                 [X.]

                Dr. Karczewski                       Dr. Bußmann

Meta

IV ZR 346/15

08.06.2016

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 12. Juni 2015, Az: I-20 U 199/14, Urteil

§ 2 Abs 2 S 5 BetrAVG, § 3 Abs 1 BetrAVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.06.2016, Az. IV ZR 346/15 (REWIS RS 2016, 10373)

Papier­fundstellen: WM 2016, 1362 REWIS RS 2016, 10373

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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