Bundessozialgericht, Urteil vom 23.10.2014, Az. B 11 AL 7/14 R

11. Senat | REWIS RS 2014, 1909

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosengeldanspruch - Minderung der Leistungsfähigkeit - Anspruchsvoraussetzung der persönlichen Arbeitslosmeldung - Vertretung bei gesundheitlichen Einschränkungen - Notwendigkeit des persönlichen Erscheinens des Vertreters


Leitsatz

Der Vertreter vertritt den an der persönlichen Arbeitslosmeldung aus gesundheitlichen Gründen gehinderten Arbeitslosen bei Vornahme dieser Handlung und muss sich - ebenso wie dieser - persönlich bei der Agentur für Arbeit melden.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 22. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch des [X.] auf Arbeitslosengeld ([X.]) vom 8.3. bis zum 1.4.2007.

2

Der Kläger war ab 1.12.1992 als Bohrer bei der [X.] beschäftigt. Zuletzt bezog er bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer am 5.3.2007 Krankengeld. Am 8.1.2007 beantragte er Erwerbsminderungsrente bei der [X.] ([X.]).

3

Am [X.] beantragte der zum Betreuer des [X.] bestellte [X.] per Telefax für den Kläger [X.]. Mit weiterem Telefax bat der Betreuer, den [X.]-Anspruch nach § [X.] ([X.] aF) zu behandeln. Die Beklagte forderte den Betreuer auf, persönlich zu erscheinen, weil die Arbeitslosmeldung nach § 122 [X.] nur persönlich erfolgen könne. Hierauf antwortete der Betreuer schriftlich und verwies auf den Beschluss des [X.] ([X.]) [X.] vom [X.] (L 1 [X.]/07 AL), wonach eine persönliche Meldung des Betreuers nicht erforderlich sei. Die Gründe für die Notwendigkeit einer persönlichen Arbeitslosmeldung, nämlich die Prüfung der Vermittlungsfähigkeit und der frühzeitige Beginn der Vermittlung lasse sich im Verhältnis zum Vertreter des Arbeitslosen nicht verwirklichen. Auch sei zu erwarten, dass der Kläger wegen einer schweren chronischen Erkrankung eine Rente wegen Erwerbsminderung erhalten werde. Am [X.] erschien der Kläger in Begleitung einer Mitarbeiterin der Tagesklinik des A.-Klinikums [X.] bei der Beklagten und stellte sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Seit [X.] bezieht der Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit von der [X.] (Bescheid vom 21.3.2007).

4

Die beklagte [X.] bewilligte dem Kläger [X.] ab [X.] für 360 Tage in Höhe von 32,77 Euro/täglich (Bescheid vom 11.5.2007). Hiergegen legte der Betreuer des [X.] wegen des Leistungsbeginns Widerspruch ein; [X.] sei schon ab [X.] zu zahlen. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 31.5.2007). Die schriftliche Antragsstellung durch den Betreuer am [X.] reiche nicht aus.

5

Der Kläger hat deswegen Klage zum Sozialgericht ([X.]) erhoben. Der Betreuer habe den Kläger am [X.] bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und Leistungen beantragt. Dem Wortlaut des § 125 Abs 1 S 3 [X.] lasse sich nicht entnehmen, dass die Meldung durch den Vertreter persönlich zu erfolgen habe. Sinn und Zweck der Arbeitslosmeldung stünden dem Erfordernis einer persönlichen Meldung des Vertreters entgegen. Auch sei es einem Betreuer nicht zumutbar, Zeit auf den Fluren der Arbeitsverwaltung zu vergeuden.

6

Das [X.] hat die streitigen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom [X.] bis 1.4.2007 [X.] zu zahlen (Urteil vom [X.]). Der Betreuer habe den Kläger wirksam arbeitslos gemeldet.

7

Gegen das Urteil des [X.] hat die Beklagte Berufung beim [X.] eingelegt und auf dessen Rechtsprechung verwiesen (Urteil vom 4.5.2012 - L 2 AL 33/10). Das [X.] hat das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Sowohl unter Berücksichtigung des Wortlauts sowie des Zwecks des § 125 Abs 1 S 3 [X.] aF als auch vor dem Hintergrund des § 309 [X.] sei eine Arbeitslosmeldung durch den Vertreter persönlich vorzunehmen. Dies sei auch zumutbar und sachgerecht, weil nur in einem persönlichen Gespräch mit dem Vertreter Unklarheiten bei der Antragsstellung oder über die Vermittlungsfähigkeit geklärt werden könnten.

8

Der Kläger hat die vom [X.] zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung von § 125 Abs 1 S 3 [X.] aF. Er verbleibt bei der Auffassung, dass die Arbeitslosmeldung bei der [X.] ([X.]) nicht persönlich erfolgen müsse, wenn ein Vertreter für den verhinderten Arbeitslosen handeln dürfe. Es genüge die schriftliche Meldung, dass der Vertretene arbeitslos sei und Leistungen bei Arbeitslosigkeit beantrage. Eine persönliche Vorsprache sei auch nicht zur Prüfung der Legitimation der Vertreters geboten. Der Wortlaut der Vorschrift sehe keine persönliche Meldung des Vertreters vor und dürfe wegen des Vorbehalts des Gesetzes auch nicht um ein weiteres Tatbestandsmerkmal ergänzt werden.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] Hamburg vom 22. Januar 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 14. September 2010 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision des [X.] zurückzuweisen.

Sie hält an der von ihr vertretenen Auffassung fest. Die streitige Vorschrift stelle auf "die Meldung" ab und beziehe sich damit auf die persönliche Arbeitslosmeldung nach § 122 [X.] aF.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz ).

Die Anfechtungs- und Leistungsklage, mit der der [X.]läger die Bewilligung von [X.] auch für die [X.] vom 8.3. bis [X.] begehrt, ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11.5.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] ist rechtmäßig; denn der [X.]läger hat keinen Anspruch auf Zahlung von [X.] ab [X.], die Voraussetzungen des Anspruchs auf [X.] waren erst ab 2.4.2007 erfüllt.

Gemäß § 118 Abs 1 [X.] in der hier maßgeblichen Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 ([X.]) haben Arbeitnehmer Anspruch auf [X.] bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der [X.] arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 122 Abs 1 S 1 [X.] aF hat sich der Arbeitslose (grundsätzlich) persönlich bei der zuständigen [X.] arbeitslos zu melden. Allerdings kann die Meldung gemäß § 125 Abs 1 [X.] durch einen Vertreter erfolgen, wenn und solange sich der leistungsgeminderte Arbeitslose wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht persönlich bei der [X.] arbeitslos melden kann. Die persönliche Arbeitslosmeldung ist danach eine konstitutive Voraussetzung des Leistungsanspruchs und eine Tatsachenerklärung über den Eintritt der Arbeitslosigkeit ([X.] vom 14.12.1995 - 11 [X.] - [X.], 175 = [X.]-4100 § 105 [X.]; Juris Rd[X.]7).

Vorliegend fehlt es an einer persönlichen Arbeitslosmeldung des [X.] bei der [X.] nach Maßgabe des § 122 Abs 1 S 1 [X.] aF. Ab dem (späteren) [X.]punkt, an dem der [X.]läger sich persönlich bei der [X.] gemeldet hatte, hat die Beklagte ihm [X.] bewilligt.

1. Der [X.]läger hat auch nicht deshalb Anspruch auf [X.], weil er nach Maßgabe des § 125 Abs 1 [X.] (jetzt: § 145 Abs 1 [X.]) durch einen Vertreter wirksam arbeitslos gemeldet worden wäre.

Nur ausnahmsweise, wenn dem Arbeitslosen selbst die persönliche Meldung aus gesundheitlichen Gründen objektiv unmöglich ist, kann der Arbeitslose zur Erfüllung dieser Anspruchsvoraussetzung eine andere Person, einen Vertreter, einsetzen. Die Voraussetzungen für eine Arbeitslosmeldung durch einen Vertreter gemäß § 125 Abs 1 [X.] haben hier vorgelegen; denn der [X.]läger war in der hier streitigen [X.] wegen bestehender gesundheitlicher Einschränkungen gehindert, sich persönlich bei der zuständigen [X.] arbeitslos zu melden.

Ob in einem Fall, in dem die Arbeitslosmeldung durch einen Vertreter erfolgen darf, der Vertreter diese Meldung persönlich vorzunehmen hat, oder ob eine andere Form der Meldung genügt, ist in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt worden. Das [X.] hat den [X.] zu dieser Frage aufgezeigt. Danach wird vielfach die Auffassung vertreten, eine persönliche Meldung des Vertreters bei der [X.] sei nicht erforderlich (so [X.], Urteil vom 27.3.2012 - [X.] 1650/10; [X.] vom [X.] - [X.] [X.] 418/07; in der Tendenz ebenso [X.] Nordrhein-Westfalen vom [X.] - L 1 [X.]/07 [X.] - Juris Rd[X.]0; [X.], [X.], 6. Aufl 2012, § 145 Rd[X.]4; [X.] in Gagel, [X.]/[X.], § 145 Rd[X.]38; [X.] in [X.] [X.], § 145 Rd[X.]8, [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 145 RdNr 46a; [X.] in info also 2012, 123 ff). Andere Teile der Rechtsprechung und des Schrifttums vertreten dagegen die Ansicht, eine persönliche Meldung des Vertreters sei geboten (so [X.], Urteil vom [X.] (20) [X.] 58/06; [X.] Berlin-Brandenburg, Urteil vom [X.] - L 18 [X.] 126/12; [X.] Hamburg vom 4.5.2012 - L 2 [X.] 33/10; [X.], [X.], 5. Aufl 2010, § 125 Rd[X.]4; [X.] in [X.], [X.], Stand 2011, § 125 Rd[X.]0a).

Der [X.] schließt sich der Auffassung an, dass der Vertreter den Arbeitslosen, der aus gesundheitlichen Gründen an der persönlichen Meldung gehindert ist, bei Vornahme der persönlichen Arbeitslosmeldung vertritt, sich also - ebenso wie der Arbeitslose selbst - persönlich bei der [X.] melden muss.

Allerdings lässt sich dem Wortlaut des § 125 Abs 1 [X.] weder mit der gebotenen Sicherheit entnehmen, dass die Meldung persönlich zu erfolgen hat, noch, dass eine andere Art der Meldung ausreichend sein soll. § 125 Abs 1 [X.] und 4 [X.] aF lauteten: "[X.]ann sich der [X.] wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht persönlich arbeitslos melden, so kann die Meldung durch einen Vertreter erfolgen. Der [X.] hat sich unverzüglich persönlich beim Arbeitsamt zu melden, sobald der Grund für die Verhinderung entfallen ist." - Anders als in § 122 Abs 1 S 1 [X.] aF ist in § 125 Abs 1 [X.] eine persönliche Meldung nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Der Vertreter wird nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht ausdrücklich verpflichtet, sich persönlich bei der [X.] zu melden. Die Auslegung nach dem Wortlaut der Vorschrift spricht also eher dafür, dass keine persönliche Meldung des Vertreters erforderlich ist (ähnlich zu § 310 [X.]: [X.], [X.], 6. Aufl 2012, § 310 RdNr 3; Voelzke in [X.]/[X.], [X.] [X.] § 310 RdNr 7; Behrend in [X.], [X.], § 310 Rd[X.]1). Wäre die Vorschrift so zu verstehen, wäre es aber auch nicht geboten, die Meldung schriftlich oder - wie hier - per Telefax vorzunehmen. Vielmehr ergäben sich aus der Vorschrift keine Anforderungen an die Form der Meldung.

Dies hindert aber - entgegen der Auffassung des [X.] - den [X.] nicht, anhand anderer teleologischer, historischer und systematischer Gesichtspunkte den Inhalt der Vorschrift auszulegen. Dabei geht es nicht darum, ungeschriebene Merkmale in den Tatbestand hineinzuinterpretieren. Vielmehr ist durch Auslegung zu ergründen, ob das Tatbestandsmerkmal "die Meldung" wegen des Zusammenhangs mit § 122 Abs 1 S 1 [X.] aF eine persönliche Meldung meint oder ob nach der Vorschrift eine formlose Meldung genügen soll.

Der Entstehungsgeschichte der Norm ist ebenfalls nicht mit der gebotenen Sicherheit zu entnehmen, ob die Meldung durch den Vertreter persönlich zu erfolgen hat oder nicht. Der Gesetzgeber hat § 125 Abs 1 [X.] mit dem [X.] ([X.]) vom [X.] ([X.]) in das [X.] eingefügt. Nach der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs zum [X.] sollen die Regelungen des "Absatzes 1 Satz 3 und 4" verhindern, dass ein Leistungsanspruch nicht entsteht, weil der Betroffene etwa wegen akuter gesundheitlicher Beeinträchtigungen das Arbeitsamt nicht persönlich aufsuchen kann (BT-Drucks 13/4941 [X.]7). Danach soll die gesundheitliche Unmöglichkeit einer persönlichen Meldung dem Versicherten zwar nicht zum Nachteil gereichen. Trotz fehlender persönlicher Arbeitslosmeldung soll der Anspruch auf [X.] entstehen. In welcher Form sich der Vertreter "melden" muss, wenn er einen aus gesundheitlichen Gründen verhinderten Arbeitslosen vertritt, bleibt dabei offen.

Immerhin stellt die Begründung des [X.] einen Zusammenhang zwischen den Regelungen der [X.] und 4 des § 125 Abs 1 [X.] aF her. Beide Regelungen dienen demselben Zweck. Der aus gesundheitlichen Gründen an der Arbeitslosmeldung gehinderte Arbeitslose kann sich nach [X.] bei der Meldung vertreten lassen. [X.] der Vorschrift regelt für den Arbeitslosen die Obliegenheit, sich unverzüglich persönlich bei der [X.] zu melden, sobald die gesundheitlichen Gründe der Verhinderung entfallen sind. Der Arbeitslose hat die ihm vorübergehend nicht mögliche persönliche Arbeitslosmeldung iS des § 122 Abs 1 S 1 [X.] aF "nachzuholen".

Bei systematischer Betrachtung wird durch die Vorschriften also geregelt, unter welchen Voraussetzungen auf die persönliche Meldung des Arbeitslosen verzichtet werden kann. Damit werden einerseits Nachteile für die gesundheitlich an der Meldung gehinderten Arbeitslosen vermieden, indem diese sich nicht persönlich melden müssen. Die Vorschrift regelt diesen Ausnahmefall andererseits erkennbar eng. Die Arbeitslosen können sich bei der Meldung vertreten lassen, müssen die persönliche Meldung aber unverzüglich nach dem Wegfall des [X.] nachholen.

Die Regelungen stehen daher sowohl nach dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks 13/4941 [X.]7) als auch bei systematischer Auslegung in einem [X.] mit der materiellen Anspruchsvoraussetzung der § 118 Abs 1 [X.], § 122 Abs 1 S 1 [X.] aF. Aus dem [X.] wird deutlich, dass es sich bei "der Meldung", bei der der Arbeitslose sich vertreten lässt, um diejenige nach § 122 Abs 1 S 1 [X.] aF handelt. Die Arbeitslosmeldung nach dieser Vorschrift ist aber stets persönlich vorzunehmen.

Auch das Tatbestandsmerkmal "Meldung" dürfte darauf hindeuten, dass eine persönliche Vorsprache bei der [X.] gemeint ist. Denn sowohl für die Arbeitslosmeldung als auch für die allgemeine Meldepflicht nach § 309 [X.] ist ausdrücklich angeordnet, dass die jeweilige Meldung ein persönliches Erscheinen bei der [X.] erfordert (zu § 309 [X.]: [X.], [X.], 6. Aufl 2013, § 309 Rd[X.]8). Allerdings darf nicht übersehen werden, dass ein persönliches Erscheinen für die Meldepflicht nach Wechsel der zuständigen [X.] (§ 310 [X.]) von der [X.] nicht verlangt wird (vgl Voelzke in [X.]/[X.], [X.] [X.] § 310 RdNr 6; [X.], [X.], 6. Aufl 2012, § 310 RdNr 3; [X.] in Mutschler/[X.], [X.] § 310 RdNr 4; [X.] in [X.] [X.] § 310 Rd[X.]3). Dies wird damit begründet, dass ein persönliches Erscheinen bei dieser Art der Meldung nicht ausdrücklich angeordnet sei. Der [X.] lässt deshalb dahingestellt, ob im [X.] auch Meldepflichten geregelt sind, die nicht durch persönliches Erscheinen bei der [X.] erfüllt werden, sondern für die jede Form einer "Meldung" genügt (so [X.] aaO).

Hätte der Gesetzgeber in dem hier maßgeblichen [X.] auf die Erforderlichkeit einer persönlichen Meldung durch den Vertreter verzichten wollen, hätte es nahegelegen, zunächst eine schriftliche Meldung des verhinderten Arbeitslosen genügen zu lassen, und nur dann, wenn dem Arbeitslosen auch diese unmöglich ist, eine schriftliche oder formlose Meldung durch den Vertreter zuzulassen (Mutschler in [X.]/S/W, 3. Aufl 2013, § 145 [X.] Rd[X.]6). Die arbeitslose Person, die aus gesundheitlichen Gründen gehindert ist, sich bei der [X.] persönlich zu melden, muss sich aber unabhängig davon vertreten lassen, ob sie sich schriftlich melden könnte. Wenn aber schon die schriftliche Meldung der arbeitslosen Person nicht genügt, kann hier nicht gemeint sein, dass es genügt, wenn der Vertreter des Arbeitslosen diesen lediglich schriftlich arbeitslos meldet.

Insoweit darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass das [X.] ausdrücklich zwischen der persönlichen Arbeitslosmeldung als materieller Anspruchsvoraussetzung (§ 118 Abs 1 [X.] [X.] aF) einerseits und der Antragstellung andererseits unterscheidet (§ 323 Abs 1 S 1 [X.]). Die Antragstellung ist grundsätzlich formfrei ([X.] in Mutschler/[X.], [X.], 5. Aufl 2013, § 323 RdNr 4 und 6), ihr kommt nur verfahrensrechtliche Bedeutung zu ([X.] in [X.], [X.], Stand Juli 2010 § 323 RdNr 32 mwN; [X.] in [X.]/[X.], [X.] [X.] § 323 Rd[X.]9). Zwar gilt nach § 323 Abs 1 S 2 [X.] das [X.] mit der persönlichen Meldung als beantragt, wenn keine andere Erklärung abgegeben wird. Dennoch handelt es sich aber bei Arbeitslosmeldung und Antragstellung um zwei voneinander zu trennende Institute ([X.] aaO RdNr 35 mwN; [X.] aaO RdNr 8). Würde lediglich eine kurze Mitteilung des Vertreters an die [X.] genügen, dass der leistungsgeminderte [X.]läger nicht erscheinen kann, arbeitslos ist und [X.] beantragt, würde von beiden Voraussetzungen nicht mehr verbleiben als die formlose Antragstellung. Diese reicht aber nach dem [X.] zur Erfüllung der materiellen Anspruchsvoraussetzungen des [X.] nicht aus.

Auch bedürfte es der ausdrücklichen Regelung der Vertretung in § 125 Abs 1 [X.] nicht, wenn diese sich nicht auf eine materielle Anspruchsvoraussetzung bezöge. Denn außerhalb der persönlich zu erfüllenden Anspruchsvoraussetzung nach § 122 [X.] aF kann sich jeder Arbeitslose schon nach allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften in dem Verwaltungsverfahren wegen der Bewilligung von [X.] gegenüber der [X.] vertreten lassen (§ 13 [X.]; vgl nur Roller in von [X.]/Schütze, [X.], 8. Aufl 2014, § 13 RdNr 4). Noch weitergehend wird nach § 38 Sozialgesetzbuch Zweites Buch innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft eine Vertretung der anderen Mitglieder bei der Vornahme von Verfahrenshandlungen, zB der Antragstellung, vermutet. Die hier streitige Regelung verfolgt also nicht das Ziel, die schlichte Vertretung von Arbeitslosen bei der Vornahme von Verfahrenshandlungen im Verwaltungsverfahren zu ermöglichen oder zu erleichtern. Vielmehr ist sie darauf beschränkt, die spezifische Frage der Vertretung von Arbeitslosen zu regeln, die sich nicht persönlich bei der [X.] arbeitslos melden können.

Die Gegenansicht argumentiert, es sei nicht zweckmäßig, in Fällen der Nahtlosigkeit eine Prüfung der Verfügbarkeit vorzunehmen oder mit der Vermittlung zu beginnen. Diese Ansicht übersieht, dass mit dieser Begründung eine persönliche Arbeitslosmeldung in vielen Fällen von Nahtlosigkeit (§ 125 [X.] aF) verzichtbar wäre, weil nicht auszuschließen ist, dass die Verfügbarkeit und Vermittelbarkeit der nach § 125 [X.] aF berechtigten Personen eingeschränkt ist. Ob ein Versicherter mit gesundheitlichen Einschränkungen aber dem System der Arbeitslosenversicherung zuzuordnen und entsprechend seinem gesundheitlichen Restleistungsvermögen zu vermitteln ist oder ob er dem System der gesetzlichen Rentenversicherung zuzuweisen ist, weil er eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung nicht mehr unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt üblich sind, ist im Verfahren nach § 125 Abs 2 und 3 [X.] aF erst noch zu klären.

Bis zu dieser [X.]lärung ist es von Gesetzes wegen nicht gewollt, dass sich leistungsgeminderte Arbeitslose weder bei der [X.] melden müssen noch von ihr betreut werden. Vielmehr ergibt sich bereits aus § 125 Abs 1 [X.] [X.] aF, dass sich auch leistungsgeminderte Personen bei der [X.] persönlich melden müssen, wenn und sobald ihnen dies gesundheitlich möglich ist. Die Meldepflicht besteht also auch in den Fällen, in denen sich (später) herausstellen wird, dass die arbeitslose Person aufgrund der bestehenden Minderung der Leistungsfähigkeit Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.

Die Gegenmeinung beachtet auch nicht, dass die persönliche Meldung andere Funktionen hat, als die bloße Missbrauchskontrolle oder den Beginn der Vermittlungstätigkeit (dazu [X.] vom 14.12.1995 - 11 [X.] - [X.], 175 = [X.]-4100 § 105 [X.]; Juris Rd[X.]7). Durch den persönlichen [X.]ontakt kann zB auch sichergestellt werden, dass die Nahtlosigkeitsregelung Anwendung findet. Es kann geklärt werden, ob eine Begutachtung oder eine Antragstellung bei einem anderen Träger erforderlich ist (§ 2 Abs 2 Sozialgesetzbuch [X.]). Auch weitere offene Fragen lassen sich bei einem persönlichen [X.]ontakt leichter klären als über einen Schriftwechsel oder Ähnliches. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass die [X.] einem Vertreter, der nach § 125 Abs 1 [X.] tätig wird, nicht nur Informationsblätter und das Antragsformular aushändigen darf. Erforderlich ist vielmehr, dass auch mit der Person des Vertreters frühzeitig und einzelfallbezogen darauf hingewirkt wird, die Ziele der Arbeitsförderung (§ 1 [X.]) zu verwirklichen. Zu diesem Zweck ist zB zu klären, ob und ggf welche Maßnahmen in Bezug auf die arbeitslos gemeldete Person zu treffen sind (Begutachtung, Antragstellung bei anderen Trägern, andere Ermittlungen).

Im Ergebnis vertritt ein Vertreter, der nach § 125 Abs 1 [X.] handelt, den Arbeitslosen bei der Meldung, die dieser selbst persönlich vorzunehmen hätte. Er ist verpflichtet, die Meldung namens und im Auftrag des Arbeitslosen, der die [X.] aus gesundheitlichen Gründen nicht aufsuchen kann, persönlich bei der [X.] vorzunehmen.

2. Der [X.]läger kann sein Begehren auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat im Wesentlichen einen dreigliedrigen Tatbestand. Es muss eine Pflichtverletzung vorliegen, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (stRspr; zuletzt [X.] vom 3.4.2014 - B 5 R 5/13 R - [X.] 4-2600 § 137b [X.] RdNr 37).

Hier liegt schon keine Pflichtverletzung der Beklagten vor. Weder der Betreuer noch der [X.]läger haben im Zusammenhang mit der Meldung am [X.] eine Auskunft oder Beratung der [X.] erbeten. Nach der nicht formgerechten Meldung des Betreuers hat die [X.] diesen darauf hingewiesen, dass eine persönliche Meldung erforderlich ist. Der Vertreter hat aber darauf bestanden, dass eine Meldung in der von ihm gewählten Form genüge.

Nach allem ist die Revision des [X.] unbegründet und zurückzuweisen.

3. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

Meta

B 11 AL 7/14 R

23.10.2014

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Hamburg, 14. September 2010, Az: S 17 AL 418/07, Urteil

§ 118 Abs 1 Nr 2 SGB 3 vom 23.12.2003, § 122 Abs 1 S 1 SGB 3, § 125 Abs 1 S 1 SGB 3, § 125 Abs 1 S 3 SGB 3, § 125 Abs 1 S 4 SGB 3

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.10.2014, Az. B 11 AL 7/14 R (REWIS RS 2014, 1909)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1909

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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