Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.05.2023, Az. II R 23/20

2. Senat | REWIS RS 2023, 6212

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Prozesszinsen im mehrstufigen Verfahren (Grundsteuer)


Leitsatz

1. Nimmt das Finanzamt nach der rechtskräftigen gerichtlichen Aufhebung eines rechtswidrigen Grundlagenbescheids die nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gebotene Herabsetzung der Steuer im Folgebescheid nicht vor und erlässt es stattdessen einen zweiten rechtswidrigen Grundlagenbescheid, der durch eine weitere rechtskräftige gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird, entstehen Prozesszinsen nach § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 1 AO bereits seit der Rechtshängigkeit des ersten mit rechtskräftigem Urteil abgeschlossenen Verfahrens über die Aufhebung des Grundlagenbescheids, soweit die Zahlung der Steuer nicht zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt ist.

2. Ist das Verhältnis von Grundlagen- zu Folgebescheiden dreistufig ausgebildet, kann eine gerichtliche Entscheidung der ersten Stufe (Wertfeststellung) ausreichen, damit ein Zinsanspruch betreffend die in der dritten Stufe festgesetzte Steuer (Grundsteuerfestsetzung) entsteht. Die Zwischenschaltung der zweiten Stufe (Grundsteuermessbetrag) ist eine Frage der Gesetzgebungstechnik und unterbricht den Kausalzusammenhang nicht.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 22.01.2020 - 3 K 3030/17 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe von [X.] auf [X.] zur Grundsteuer.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist seit dem 01.01.2005 als Rechtsnachfolgerin der [X.] ([X.]) Eigentümerin eines Grundstücks hinsichtlich des Grund und Bodens. Das darauf errichtete Gebäude steht im Eigentum eines Dritten.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) nahm mit [X.]n vom 30.05.2008 unter nachrichtlicher Mitteilung des auf den 01.01.1937 festgestellten [X.] (549.000 [X.] beziehungsweise 549.000 DM) Zurechnungsfortschreibungen auf den Grund und Boden vor, zum einen auf den 01.01.2002 zu ein halb auf [X.] und zu ein halb auf die Mitglieder einer Erbengemeinschaft, zum anderen auf den 01.01.2005 auf die Klägerin und die Erbengemeinschaft. Es wurden Einsprüche eingelegt. Ebenfalls am 30.05.2008 ergingen [X.] sowie [X.].

4

Gegen die zusammengefasste Einspruchsentscheidung vom 03.11.2009 erhob eine Miteigentümerin Klage (3 K 3210/09), die am 13.11.2009 beim [X.] ([X.]) einging. Die Klage einer weiteren Miteigentümerin (3 K 3221/09) ging am 26.11.2009 ein. Die beiden Verfahren wurden unter 3 K 3210/09 verbunden; die erste Miteigentümerin nahm ihre Klage zurück. Mit Beschluss vom 03.09.2014 lud das [X.] für das Klagebegehren "Einheitswert auf den 01.01.2002" [X.], vertreten durch die Klägerin, und für das Klagebegehren "Einheitswert auf den 01.01.2005" die Klägerin selbst notwendig bei. Es erkannte mit Urteil vom 22.10.2014 - 3 K 3210/09, dass beide Zurechnungsfortschreibungen (auf den 01.01.2002 und den 01.01.2005) nichtig seien. Der bisherige Einheitswert des ursprünglich einheitlichen Grundstücks habe sich allein im Gebäude fortgesetzt. Für die neu entstandene wirtschaftliche Einheit "unbebautes Grundstück" (Grund und Boden mit fremdem Gebäude) hätte es zunächst einer Nachfeststellung auf den 01.01.1991 bedurft, bevor das [X.] eine Zurechnungsfortschreibung hätte durchführen können. Das Urteil wurde rechtskräftig.

5

Das [X.] hob die [X.] nicht auf. Am 22.10.2015 erließ es [X.] über den Einheitswert (Nachfeststellung) auf den 01.01.1991, mit denen es den Einheitswert für das unbebaute Grundstück (Grund und Boden mit fremdem Gebäude) auf 280.699 € beziehungsweise 549.000 DM feststellte. Mit [X.]n ebenfalls vom 22.10.2015 nahm das [X.] auf den 01.01.2002 und den 01.01.2005 Zurechnungsfortschreibungen vor, mit denen es das Grundstück zum 01.01.2002 [X.], zum 01.01.2005 der Klägerin zurechnete. Mit [X.] vom 30.09.2016 beziehungsweise 07.10.2016 wies es die Einsprüche der Klägerin gegen die [X.] vom 22.10.2015 zurück. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das [X.] setzte --in dem am 26.10.2016 rechtshängig gewordenen [X.] mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 14.02.2018 - 3 K 3224/16 den Einheitswert auf den 01.01.1991 auf 0 € herab. Die Klage wegen der Zurechnungsfortschreibungen wies es ab, da die Zurechnungen als solche zutreffend gewesen seien. Dem Urteil folgend setzte das [X.] mit [X.]n vom 08./12./14.06.2018 die [X.] und die Grundsteuer auf 0 € herab.

6

Bereits mit am 16.02.2015 beim [X.] eingegangenem Schriftsatz beantragte die Klägerin, unter Hinweis auf das Urteil vom 22.10.2014 - 3 K 3210/09 sämtliche [X.] ab 2003 ([X.] auf den 01.01.2003 und den 01.01.2005, [X.] für die Kalenderjahre ab 2003) im Wege der [X.] aufzuheben sowie [X.] zur Grundsteuer ab 2003 nach § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung ([X.]) beginnend mit der Rechtshängigkeit des Verfahrens 3 K 3210/09 zu zahlen. Das [X.] lehnte dies ab. Der hiergegen erhobene Einspruch wurde hinsichtlich der [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 06.01.2017 zurückgewiesen. Den Einspruch gegen die Versagung der Festsetzung von [X.] wies das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 06.03.2017 zurück. Hiergegen erhob die Klägerin Klage. Im Verfahren vor dem [X.] erklärten die Parteien den Rechtsstreit in Bezug auf die [X.] in der Hauptsache für erledigt. Es erging ein [X.] und Einstellungsbeschluss vom 30.10.2018.

7

Das [X.] setzte mit [X.] vom 23.07.2018 --während des laufenden Klageverfahrens vor dem [X.]-- [X.] in Höhe von 30.096 € fest. Bei der Berechnung stellte es als Beginn des [X.] bis 2014 auf den Tag der Rechtshängigkeit des Verfahrens 3 K 3224/16, den 26.10.2016, ab. Die Klägerin begehrte hingegen, den [X.] ab dem Tag der Rechtshängigkeit des Verfahrens 3 K 3210/09, den 13.11.2009, zu berechnen.

8

Das [X.] wies die Klage ab. Das Urteil vom 22.10.2014 - 3 K 3210/09 sei lediglich mitursächlich für die Herabsetzung des [X.] auf 0 € gewesen. Für die Berechnung von [X.] bedürfe es angesichts der gebotenen engen Auslegung der [X.] eines unmittelbaren Ursachenzusammenhangs zwischen der gerichtlichen Entscheidung und der Aufhebung der zum Erstattungsanspruch führenden Folgesteuer. Erst das Urteil vom 14.02.2018 - 3 K 3224/16 habe tatsächlich zur Herabsetzung der Steuer geführt. Unerheblich sei, ob eine Entscheidung zu einer Herabsetzung hätte führen müssen. Etwaige Versäumnisse des [X.] könnten allenfalls über einen Amtshaftungsanspruch kompensiert werden. Das Urteil des [X.] ist in Entscheidungen der [X.]e 2021, 618 veröffentlicht.

9

Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine Verletzung des § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a [X.] geltend und beruft sich auf Verfahrensfehler. Sie habe als Beigeladene einen Anspruch auf Zahlung von [X.] ab dem Tag der Rechtshängigkeit des Verfahrens 3 K 3210/09. Als Rechtsfolge der in diesem Verfahren durch das Urteil vom 22.10.2014 erkannten Nichtigkeit der Zurechnungsfortschreibungen auf den 01.01.2002 und den 01.01.2005 seien die [X.] nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 des [X.] beziehungsweise § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] zwingend aufzuheben und die Grundsteuer zu erstatten gewesen. Das [X.] sei nicht berechtigt gewesen, die [X.] nach § 155 Abs. 2 [X.] "stehenzulassen". Der Verzicht auf die Aufhebung der [X.] unter Berufung auf neue rechtswidrige Grundlagenbescheide sei ein verfahrensrechtlicher "Trick", um den gesetzlichen Zinsanspruch der Klägerin in Bezug auf die [X.] ab dem Tag der Rechtshängigkeit des Verfahrens 3 K 3210/09 zu Fall zu bringen. Das [X.] sei normativ auszulegen. Der Steuerpflichtige sei so zu stellen, wie er stünde, wenn das [X.] ordnungsgemäß vorgegangen wäre. Ferner habe das [X.] das rechtliche Gehör verletzt (§ 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 der [X.]sordnung --[X.]O--).

Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung, den [X.] vom 30.05.2016 sowie die Einspruchsentscheidung vom 06.03.2017 aufzuheben und das [X.] zu verpflichten, den [X.] vom 23.07.2018 mit der Maßgabe abzuändern, dass als Beginn des [X.] die Rechtshängigkeit des Verfahrens 3 K 3210/09 am 26.11.2009 oder die Zahlungseingänge beim [X.], soweit diese nach dem 26.11.2009 liegen, anzusetzen sind.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es sei zur Anpassung der [X.] nach Erlass des Urteils vom 22.10.2014 - 3 K 3210/09 nicht verpflichtet gewesen, denn die [X.] bestehe nur dann, wenn die [X.] die Feststellungen des Grundlagenbescheids nicht oder unzutreffend berücksichtigten. Neue [X.] hätten zu einer Festsetzung der Grundsteuer in derselben Höhe und nicht zu einer Herabsetzung geführt, denn die Feststellung der Nichtigkeit der angefochtenen [X.] in dem vorausgehenden Verfahren 3 K 3210/09 habe einzig auf verfahrensrechtlichen Gründen beruht und nur die Zurechnungsfortschreibung betroffen, nicht aber den zum 01.01.1991 festgestellten Einheitswert. Die Herabsetzung der Grundsteuern sei zu Recht deshalb erst aufgrund des [X.]-Urteils vom 14.02.2018 - 3 K 3224/16 vorgenommen worden, das die Zurechnungsfortschreibungen auf den 01.01.2002 beziehungsweise 01.01.2005 bestätigt habe. Soweit das [X.]-Urteil vom 22.10.2014 - 3 K 3210/09 eine Mitursache für die spätere Herabsetzung der Grundsteuer gegeben habe, reiche dies bei der gebotenen engen Auslegung der [X.] nicht aus. Wenn im Übrigen die [X.] bereits mit Rechtskraft des Urteils vom 22.10.2014 - 3 K 3210/09 hätten aufgehoben werden müssen, müsse auch der [X.] mit dem dann anzunehmenden Aufhebungsdatum enden. Die gerügten Verfahrensmängel lägen nicht vor.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O). Das [X.] ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der [X.] für die Prozesszinsen gemäß § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a [X.] erst vom Tag der Rechtshängigkeit des Verfahrens 3 K 3224/16 an, am 26.10.2016, begonnen hat. Die maßgebende Rechtshängigkeit ist diejenige des zu 3 K 3210/09 verbundenen Verfahrens 3 K 3221/09, das ab dem [X.] rechtshängig geworden ist. Der erkennende [X.] kann jedoch nicht abschließend in der Sache selbst entscheiden, weil das [X.] --von seinem rechtlichen Standpunkt aus zu [X.] keine Feststellungen über den Tag der jeweiligen Zahlungen der Grundsteuer getroffen hat. Sollten die Steuerbeträge erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit am [X.] entrichtet worden sein, wäre der Beginn des [X.] nach § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 1 Satz 2 [X.] der Tag der jeweiligen Zahlung und nicht der Rechtshängigkeit des Verfahrens 3 K 3221/09.

1. Nach § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a [X.] sind Prozesszinsen zu zahlen, wenn eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung zur Herabsetzung der in einem [X.] festgesetzten Steuer führt. Die Vorschrift verweist auf die Regelung des § 236 Abs. 1 Satz 1 [X.], nach welcher der zu erstattende Betrag vorbehaltlich des § 236 Abs. 3 [X.] vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen ist. Ist der zu erstattende Betrag erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit entrichtet worden, so beginnt gemäß § 236 Abs. 1 Satz 2 [X.] die Verzinsung mit dem [X.]. Der [X.] endet mit der tatsächlichen Erstattung der Steuer.

2. Die Verweisung des § 236 Abs. 2 [X.] auf § 236 Abs. 1 [X.] bezieht sich sowohl auf die Rechtsfolgen als auch auf den Rechtsgrund der Verzinsung, soweit die Tatbestände des § 236 Abs. 2 [X.] hierzu keine eigenen Regeln enthalten (Urteil des [X.] --BFH-- vom 29.08.2012 - II R 49/11, [X.], 499, [X.], 104, Rz 16 f.). § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a [X.] modifiziert das in § 236 Abs. 1 [X.] enthaltene Tatbestandsmerkmal "eine festgesetzte Steuer herabgesetzt" in der Weise, dass die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung sich auf einen Grundlagenbescheid im Sinne von § 171 Abs. 10 Satz 1 [X.] bezieht, der seinerseits zu einer Herabsetzung der Steuer in einem [X.] im Sinne von § 182 Abs. 1 Satz 1 [X.] führt. Die Vorschrift bewirkt eine [X.] so, als wäre die Steuerfestsetzung im [X.] Verfahrensgegenstand gewesen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 236 [X.] Rz 16). § 236 [X.] gewährt dem Gläubiger eines Erstattungsanspruchs für die [X.] ab dem Tag der Rechtshängigkeit eine Entschädigung für entgangene Kapitalnutzungsmöglichkeiten (BFH-Urteil vom 16.05.2013 - II R 20/11, [X.], 320, [X.], 770, Rz 15, m.w.N.).

3. Zinsgläubiger ist jeder am Rechtsstreit Beteiligte, mithin auch der Beigeladene ([X.] in [X.], § 236 [X.] Rz 33), bei [X.] darüber hinaus derjenige, der die Steuer gezahlt hat und zu dessen Gunsten die [X.] vorgenommen wurde (BFH-Urteil vom 17.01.2007 - X R 19/06, [X.], 396, [X.], 506; [X.] in [X.], [X.] § 236 Rz 40).

4. Die Regelung des § 236 [X.] zu den Prozesszinsen auf [X.] ist eng auszulegen.

a) Gemäß § 233 Satz 1 [X.] werden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 [X.]) nur verzinst, soweit dies durch Bundesrecht oder Recht der [X.] vorgeschrieben ist. Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass rückständige Staatsleistungen (angemessen) zu verzinsen sind (BFH-Urteile vom 29.08.2011 - II R 49/11, [X.], 499, [X.], 104, Rz 8, m.w.N. und vom 16.05.2013 - II R 20/11, [X.], 320, [X.], 770, Rz 14). Eine Analogie oder lückenausfüllende Rechtsfortbildung der [X.] wäre zwar unter Beobachtung strenger Anforderungen grundsätzlich denkbar (BFH-Urteile vom 16.12.1987 - I R 350/83, [X.], 401, [X.] 1988, 600, unter [X.] und vom 29.08.2011 - II R 49/11, [X.], 499, [X.], 104, Rz 24). Im Anwendungsbereich des § 236 [X.] ist jedoch wegen der engen Umschreibung des [X.] eine erweiternde Auslegung ausgeschlossen und die Verzinsung nur nach Maßgabe genau umschriebener Tatbestände möglich (BFH-Urteil vom 29.04.1997 - VII R 91/96, [X.], 253, [X.] 1997, 476, unter II.2.b).

b) Die Anwendung des § 236 [X.] setzt in allen Alternativen, somit auch in Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a, voraus, dass der angestrengte Rechtsstreit und die gerichtliche Entscheidung für den zu verzinsenden Erstattungsanspruch ursächlich gewesen sind. Findet die Herabsetzung der Steuer unabhängig von dem betreffenden Klageverfahren statt, fehlt es an der Kausalität (BFH-Urteile vom 15.10.2003 - X R 48/01, [X.], 1, [X.] 2004, 169, unter [X.], c und vom 29.08.2011 - II R 49/11, [X.], 499, [X.], 104, Rz 12, 17).

aa) Zwar ist der Kausalitätsbegriff des § 236 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 [X.] technischer Natur. Eine Steuer wird im Sinne dieser Vorschrift "durch" eine gerichtliche Entscheidung herabgesetzt, wenn das Gericht die Steuer selbst nach § 100 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 [X.]O niedriger festsetzt (BFH-Urteile vom 29.08.2011 - II R 49/11, [X.], 499, [X.], 104, Rz 13 und vom 29.04.2020 - XI R 14/18, Rz 14) oder auch selbst den Steuerbescheid nach § 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]O gänzlich aufhebt (dazu BFH-Urteil vom 16.05.2013 - II R 20/11, [X.], 320, [X.], 770, Rz 17). Auf den Grund der Herabsetzung kommt es nicht an (BFH-Urteile vom 10.11.1983 - V R 13/79, [X.], 240, [X.] 1984, 185 und vom 16.05.2013 - II R 20/11, [X.], 320, [X.], 770, Rz 16). Es müssen diejenigen Steuern rechtshängig gewesen sein, um deren Erstattung es geht (s. z.B. BFH-Urteil vom 30.11.1995 - V R 39/94, [X.], 236, [X.] 1996, 260, unter [X.]; [X.] vom 23.10.2019 - VII B 40/19, Rz 20 f., 24), und die Herabsetzung der Steuer muss auch Inhalt der Entscheidung sein. Allein eine mittelbare Folge genügt nicht. Andernfalls wäre § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a [X.] überflüssig (BFH-Urteile vom 16.12.1987 - I R 350/83, [X.], 401, [X.] 1988, 600, unter II.2. und vom 29.08.2011 - II R 49/11, [X.], 499, [X.], 104, Rz 19 f.).

bb) Bereits die Tatbestandsalternative § 236 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 [X.] enthält jedoch [X.] einen wertend auszufüllenden weiteren Kausalitätsbegriff. Danach entsteht ein Zinsanspruch auch dann, wenn eine Steuer "auf Grund" einer gerichtlichen Entscheidung herabgesetzt wird. Dies setzt einen über den unmittelbaren Kausalitätsbegriff des § 236 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 [X.] hinausgehenden Anwendungsbereich voraus. Andernfalls liefe die Alternative leer. Bei wertender Betrachtung kann eine Entscheidung deshalb auch bei mittelbarem [X.] zu einer Steuererstattung führen (ausdrücklich BFH-Urteil vom 09.10.1985 - I R 193/82). Kausalität liegt vor, wenn der Prozess bestimmungsgemäß zu einer Erstattung führt und deshalb in Wirklichkeit über eine Herabsetzung der festgesetzten Steuer entschieden wird ([X.] in [X.], § 236 [X.] Rz 21). Unerheblich ist, ob die jeweilige Gesetzgebungstechnik für die Umsetzung der Entscheidung einen weiteren Verwaltungsakt oder anderes Verwaltungshandeln fordert (so etwa im Rahmen des körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens, vgl. BFH-Urteil vom 05.04.2006 - I R 80/04; bei Abrechnung von Kapitalertragsteuer, vgl. BFH-Urteil vom 29.04.2020 - XI R 14/18, Rz 19 f. und nach Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne von § 134 [X.]O, vgl. [X.] in [X.], § 236 [X.] Rz 20).

cc) Ebenso ist der Kausalitätsbegriff in § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a [X.] wertender Natur. Die Vorschrift hat schon dem Grunde nach lediglich mittelbare Verursachungszusammenhänge zum Gegenstand, denn die gerichtliche Entscheidung im Grundlagenbescheidsverfahren führt erst über die [X.] nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] und damit über eine Zwischenstufe zu einer Herabsetzung der festgesetzten Steuer.

dd) Ist das Verhältnis von Grundlagen- zu [X.]en dreistufig ausgebildet (zum Verhältnis Einheitswertbescheid - Grundsteuermessbescheid und Grundsteuerbescheid BFH-Urteil vom 25.11.2020 - II R 3/18, [X.], 1, Rz 18), kann eine gerichtliche Entscheidung der ersten Stufe (Wertfeststellung) ausreichen, damit ein Zinsanspruch nach § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a [X.] betreffend die in der dritten Stufe festgesetzte Steuer (Grundsteuerfestsetzung) entstehen kann. Die Zwischenschaltung der zweiten Stufe (Grundsteuermessbetrag) ist eine Frage der Gesetzgebungstechnik und unterbricht den Kausalzusammenhang nicht.

5. Danach besteht bereits seit dem Tag der Rechtshängigkeit der ersten gerichtlichen Entscheidung über die Aufhebung eines rechtswidrigen Grundlagenbescheids ein Anspruch auf Prozesszinsen nach § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 1 [X.], wenn das [X.] die gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] angeordnete Herabsetzung der im [X.] festgesetzten Steuer nicht vornimmt, stattdessen einen zweiten rechtswidrigen Grundlagenbescheid erlässt und erst nach einer weiteren gerichtlichen Entscheidung über diesen zweiten Grundlagenbescheid die zur Herabsetzung der Steuer führende [X.] vornimmt. Auf die Frage, ob das [X.] auf der Grundlage von § 155 Abs. 2 [X.] nach der gerichtlichen Aufhebung eines Grundlagenbescheids einen [X.] mit Rücksicht auf einen zu erwartenden neuerlichen Erlass eines Grundlagenbescheides stehenlassen darf, kommt es nicht an, wenn eine weitere gerichtliche Entscheidung den zweiten Grundlagenbescheid auf denjenigen Inhalt zurücksetzt, der zu einer der ersten gerichtlichen Entscheidung entsprechenden Aufhebung des [X.]s führt. In einem solchen Fall setzt der zweite Grundlagenbescheid keine neue Kausalkette in Gang, sondern stellt einen vergeblichen und erst durch eine weitere Entscheidung des Gerichts unterbundenen Versuch des Finanzamts dar, die durch die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über den ersten Grundlagenbescheid in Gang gesetzte Kausalkette zu unterbrechen und sich so der [X.] zu entledigen.

6. Nach diesen Grundsätzen ist das [X.] im vorliegenden Fall zu Unrecht davon ausgegangen, dass der [X.] der Prozesszinsen erst ab dem Tag der Rechtshängigkeit des gegen die Grundlagenbescheide über den Einheitswert vom 22.10.2015 geführten Prozesses 3 K 3224/16 am 26.10.2016 begonnen hat. Der [X.] begann grundsätzlich bereits am [X.], dem Tag der Rechtshängigkeit der rechtskräftig gewordenen gerichtlichen Entscheidung des [X.] 3 K 3210/09, deren Gegenstand die Bescheide über die Zurechnungsfortschreibungen vom 30.05.2008 waren. Daher ist das [X.]-Urteil aufzuheben. Der [X.] kann nicht abschließend entscheiden, da das [X.] keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die zu erstattenden Beträge erst nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit am [X.] entrichtet worden sind.

a) Das [X.] hat nach dem Urteil vom 22.10.2014 - 3 K 3210/09 die [X.]e nicht aufgehoben, sondern neue, erneut rechtswidrige Grundlagenbescheide erlassen. Das [X.] hat mit seinem Urteil vom 14.02.2018 - 3 K 3224/16 diese so geändert, dass die [X.] eine Steuererstattung in demjenigen Umfang bewirkt hat, wie sie der unterbliebenen [X.] nach dem ersten Urteil 3 K 3210/09 entspricht. Damit ist maßgeblicher [X.] derjenige des Verfahrens 3 K 3210/09, der nach Rücknahme der ersten Klage auf die Erhebung der zweiten Klage, den [X.], datiert. Aufgrund der Beiladung der Klägerin zu diesem Verfahren ist dieser [X.]punkt auch für die Klägerin als Zinsgläubigerin maßgebend (siehe II.3.). Der Einwand des [X.], dass nach dem Urteil vom 22.10.2014 - 3 K 3210/09 ungeachtet des § 155 Abs. 2 [X.] keine Anpassungsverpflichtung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] bestanden habe, weil es nur die Zurechnungsfortschreibungen, nicht aber den Einheitswert betroffen habe, ist unzutreffend, weil die Inanspruchnahme zur Grundsteuer die wirksame Zurechnung des Grundstücks voraussetzt (siehe [X.]b dd).

b) Da das [X.] jedoch keine Feststellungen dazu getroffen hat, wann die zu erstattenden Grundsteuern gezahlt wurden, kann der [X.] keine abschließende Entscheidung darüber treffen, ob der [X.] statt mit dem Tag der Rechtshängigkeit nach § 236 Abs. 1 Satz 2 [X.] erst mit dem [X.] beginnt.

c) Der [X.] endet mit der tatsächlichen Erstattung der Steuer. Entgegen der Auffassung des [X.] ist nicht an den [X.]punkt anzuknüpfen, an dem das [X.] hypothetisch die Steuern erstattet hätte, wenn es nach der Entscheidung im ersten Prozess 3 K 3210/09 die [X.] vorgenommen hätte. Dies widerspräche auch dem Ziel des § 236 [X.], die Klägerin für entgangene Kapitalnutzungsmöglichkeiten zu entschädigen. Bis zur tatsächlichen Erstattung stand der Klägerin die entsprechende Liquidität nicht zur Verfügung.

d) Auf den geltend gemachten Verfahrensfehler kommt es aufgrund der Aufhebung des [X.]-Urteils nicht mehr an.

7. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 23/20

24.05.2023

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 22. Januar 2020, Az: 3 K 3030/17, Urteil

§ 20 Abs 1 Nr 1 GrStG, § 37 AO, § 155 Abs 2 AO, § 171 Abs 10 S 1 AO, § 175 Abs 1 S 1 Nr 1 AO, § 182 Abs 1 S 1 AO, § 233 S 1 AO, § 236 Abs 1 S 1 AO, § 236 Abs 1 S 2 AO, § 236 Abs 2 Nr 2 Buchst a AO, § 236 Abs 3 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.05.2023, Az. II R 23/20 (REWIS RS 2023, 6212)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6212

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VII B 40/19 (Bundesfinanzhof)

Keine Prozesszinsen auf einen Steuererstattungsanspruch bei fehlender Rechtshängigkeit der Steuerfestsetzung


VIII R 9/09 (Bundesfinanzhof)

Prozesszinsen: Körperschaftsteuerbescheid kein Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid eines Gesellschafters hinsichtlich der Erfassung einer vGA


II R 3/18 (Bundesfinanzhof)

Festsetzungsverjährung bei Erstattungsansprüchen im dreistufigen Verfahren (Grundsteuer)


II B 71/13 (Bundesfinanzhof)

Kein berechtigtes Interesse an Aussetzung der Vollziehung eines Einheitswertbescheids wegen der Belastung mit Grundsteuer


II R 38/19 (Bundesfinanzhof)

Inhalt eines Wirkhinweises


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.