Bundessozialgericht, Urteil vom 12.12.2018, Az. B 12 R 1/18 R

12. Senat | REWIS RS 2018, 548

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Gegenstand

Sozialversicherung - Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens - frühere Entscheidung der Künstlersozialkasse zur Versicherungspflicht hat keine Sperrwirkung


Leitsatz

Die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens ist nicht wegen einer früheren Entscheidung der Künstlersozialkasse zur Versicherungspflicht nach dem Recht der Künstlersozialversicherung ausgeschlossen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des [X.] auch im Revisionsverfahren zu tragen.

Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Pflicht der beklagten [X.], ein Statusfeststellungsverfahren durchzuführen.

2

Mit Bescheid vom [X.] stellte die Landesversicherungsanstalt [X.] als Künstlersozialkasse ([X.]) fest, dass der Kläger ab [X.] nach § 1 [X.] als selbstständiger Künstler und Publizist der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten und der gesetzlichen Krankenversicherung unterliege. Seinen im Mai 2011 gestellten Antrag, als Status der für die Beigeladene zu 1. ab 1992 ausgeübten Tätigkeit als Reporter, Redakteur und Autor eine Beschäftigung festzustellen, lehnte die Beklagte ab. Das Statusfeststellungsverfahren nach § 7a [X.] sei ausgeschlossen, weil bereits die [X.] über den sozialversicherungsrechtlichen Status des zu beurteilenden Vertragsverhältnisses entschieden habe (Bescheid vom 14.7.2011; Widerspruchsbescheid vom 14.5.2012).

3

Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom [X.]). Das [X.] hat den Gerichtsbescheid des [X.] sowie die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Bei dem Verfahren auf Feststellung der Versicherungspflicht durch die [X.] handele es sich nicht um ein Verfahren eines anderen Versicherungsträgers zur Feststellung einer Beschäftigung im Sinn des § 7a Abs 1 S 1 [X.], weil die Prüfungsgegenstände nicht kongruent seien. Auch treffe die [X.] keine Entscheidung zur Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung (Urteil vom 13.12.2017).

4

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 7a Abs 1 S 1 [X.]. Mit der Feststellung der Künstlereigenschaft und Versicherungspflicht nach dem [X.] werde auch (mittelbar) über eine Beschäftigung entschieden. Die zur Überprüfung gestellte Tätigkeit sei nicht erst nach der Entscheidung der [X.] aufgenommen worden und daher von ihr umfasst.

5

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 13. Dezember 2017 aufzuheben und die Berufung des [X.] gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 11. Juli 2013 zurückzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

7

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

8

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der beklagten [X.] Bund ist unbegründet. Zu Recht hat das [X.] auf die Berufung des [X.] den Gerichtsbescheid des [X.] sowie die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Die Weigerung der Beklagten, ein Statusfeststellungsverfahren durchzuführen, ist rechtswidrig und verletzt den [X.]läger in seinen Rechten.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein die Aufhebung des Bescheids vom 14.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.5.2012, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, ein Statusfeststellungsverfahren durchzuführen. Zwar hat der [X.]läger vor dem [X.] und in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] neben dieser Aufhebung auch beantragt, die Beklagte zu verurteilen, das Statusfeststellungsverfahren durchzuführen und seinen sozialversicherungsrechtlichen Status zu bestimmen. Insoweit kann aber dahinstehen, ob damit zulässigerweise eine Verpflichtungs- oder Leistungsklage erhoben war und das [X.] hierüber eine Entscheidung hätte treffen müssen. Da nicht der [X.]läger, sondern allein die Beklagte Revision eingelegt hat, war vom [X.] nur über den Urteilsausspruch des [X.] zu befinden.

2. Die Beklagte hat in Übereinstimmung mit dem [X.] das Statusfeststellungsverfahren durchzuführen. Dem steht die frühere Feststellung der beigeladenen [X.] durch Bescheid vom [X.] über die Renten- und [X.]rankenversicherungspflicht des [X.] als selbstständiger [X.]ünstler und Publizist nicht entgegen.

Nach § 7a Abs 1 S 1 [X.]B IV in seiner seit Einfügung zum [X.] bis 4.4.2017 unveränderten Fassung ([X.] vom 20.12.1999, [X.], 2) können die Beteiligten schriftlich (ab 5.4.2017 auch elektronisch, Gesetz zum Abbau verzichtbarer Anordnungen der Schriftform im Verwaltungsrecht des [X.], [X.]) eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Gemäß § 7a Abs 2 [X.]B IV (in der Fassung des [X.] in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9.12.2004 - BGBl I 3242) hat die [X.] über das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung im Zusammenhang mit der Beurteilung der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung (vgl hierzu B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] R 11/07 R - B[X.]E 103, 17 = [X.]-2400 § 7a [X.], Rd[X.]7) zu entscheiden.

Es kann dahinstehen, ob § 7a Abs 1 S 1 [X.]B IV angesichts seines Wortlauts, wonach im Zeitpunkt der Antragstellung ein konkurrierendes Verfahren bereits "eingeleitet" sein muss (zum [X.]riterium der zeitlichen Vorrangigkeit B[X.] Urteil vom 4.6.2009 - [X.] [X.]R 31/07 R - [X.]-2400 § 7a [X.] Rd[X.]3), nur zeitgleich laufende Verwaltungsverfahren erfasst, oder ob die Vorschrift darüber hinaus wegen des Zwecks der Regelung, divergierende Entscheidungen unterschiedlicher Versicherungsträger zu vermeiden, auch bereits durchgeführten, durch Erlass eines Verwaltungsakts über das Vorliegen einer Beschäftigung abgeschlossenen Verwaltungsverfahren eine verdrängende Wirkung beimisst (hierzu [X.]nospe in [X.]/[X.], [X.]B IV, Stand: 07/08, [X.] § 7a Rd[X.]5; [X.] in jurisP[X.]-[X.]B IV, 3. Aufl 2016, § 7a RdNr 80; [X.], [X.] 2000, 393, 396).

Der Ausnahmetatbestand ("es sei denn") einer vorrangigen Feststellung ist vorliegend jedenfalls deshalb nicht erfüllt, weil die [X.] weder Einzugsstelle noch ein "anderer Versicherungsträger" im Sinn des § 7a Abs 1 S 1 [X.]B IV ist. Das ergibt sich aus der Funktion der [X.] (dazu a), systematischen Erwägungen (dazu b) und der Gesetzeshistorie (dazu c).

a) Der für die [X.]ünstlersozialversicherung zuständige 3. [X.] des B[X.] hat entschieden, dass die [X.] eine andere Stellung innehabe als eine Einzugsstelle und bei der Feststellung von Versicherungspflicht keine eigenständigen Interessen als Versicherungsträger wahrnehme. Die [X.] übe nicht selbst die Funktion als Sozialversicherungsträger aus, sondern sei als [X.] vielmehr den eigentlichen Versicherungsträgern ([X.]rankenkassen, Pflegekassen, [X.]) vorgeschaltet. Im Verhältnis zu den Trägern der gesetzlichen [X.]ranken-, Pflege- und Rentenversicherung entscheide sie allein darüber, ob ein selbstständiger [X.]ünstler oder Publizist zum [X.]reis der nach dem [X.]SVG versicherungspflichtigen Personen zählt oder nicht (B[X.] Beschluss vom [X.] [X.]S 1/09 B - [X.]-5425 § 8 [X.] Rd[X.]6; B[X.] Urteil vom 28.1.1999 - B 3 [X.]R 2/98 R - B[X.]E 83, 246, 249 = [X.] 3-5425 § 1 [X.]; [X.]/[X.]/[X.], [X.]SVG, 4. Aufl 2009, Einführung Rd[X.]5). Dem schließt sich der erkennende [X.] an, der bereits in einem Urteil vom 1.7.1999 ([X.] [X.]R 2/99 R - B[X.]E 84, 136 = [X.] 3-2400 § 28h [X.]) auf die besondere Stellung der [X.] hingewiesen hat.

b) Dass die [X.] nicht als "anderer Versicherungsträger" anzusehen ist, wird durch die Systematik des [X.]B IV bestätigt. Der [X.] hat wiederholt darauf hingewiesen, dass unter die konkurrierenden Verfahren im Sinn des § 7a Abs 1 S 1 [X.]B IV das Einzugsstellenverfahren nach § 28h Abs 2 S 1 [X.]B IV und das Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p Abs 1 S 5 [X.]B IV fallen (B[X.] Urteil vom 29.6.2016 - [X.] R 5/14 R - Juris Rd[X.]7; B[X.] Urteil vom 4.6.2009 - [X.] [X.]R 31/07 R - [X.]-2400 § 7a [X.] Rd[X.]3). Nach diesen Regelungen sind die Einzugsstelle bzw der Rentenversicherungsträger berechtigt und verpflichtet, Feststellungen über die Versicherungspflicht in der [X.]ranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung zu treffen. Die Feststellung von Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung ist auch Gegenstand eines Statusfeststellungsverfahrens. Hinter diesen drei Verfahrensalternativen (Einzugsstellen-, Betriebsprüfungs- und Statusfeststellungsverfahren) bleibt das Verfahren der [X.] zur Feststellung der Versicherungspflicht allein in der gesetzlichen [X.]ranken- und Rentenversicherung sowie der [X.] Pflegeversicherung systematisch zurück. Die [X.] trifft keine Entscheidung nach dem Recht der Arbeitsförderung. Damit stellt sich im Verhältnis zur [X.] die Gefahr divergierender Statusentscheidungen, die durch die [X.]onkurrenzregelung gerade vermieden werden sollen (BT-Drucks 14/1855 [X.] zu [X.] § 7a Abs 1), nicht in demselben Maß wie im Verhältnis zu den Einzugsstellen und betriebsprüfenden Rentenversicherungsträgern.

c) Das Auslegungsergebnis des [X.]s entspricht auch dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers. Danach wurde bei Einführung des Statusfeststellungsverfahrens davon ausgegangen, dass "die Träger der Sozialversicherung" Entscheidungen der [X.], nach denen eine selbstständige Tätigkeit nicht vorliegt, anerkennen (BT-Drucks aaO [X.] zu [X.] § 7a Abs 5). Dieser Überlegung hätte es nicht bedurft, wenn die Feststellung der [X.] Sperrwirkung gegenüber der Beklagten erzeugen würde.

3. Mangels vorrangiger Entscheidung der [X.] ist von der Beklagten das Verfahren nach § 7a [X.]B IV durchzuführen und der versicherungsrechtliche Status des [X.] in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. festzustellen. Dabei wird sie eine Beteiligung der [X.] (vgl § 12 Abs 2 [X.]B X) zu prüfen haben.

4. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 [X.]G.

Meta

B 12 R 1/18 R

12.12.2018

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 11. Juli 2013, Az: S 4 R 2991/12, Gerichtsbescheid

§ 7a Abs 1 S 1 SGB 4, KSVG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 12.12.2018, Az. B 12 R 1/18 R (REWIS RS 2018, 548)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 548

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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