Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 20.05.2014, Az. X ZR 134/13

10. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5456

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Gegenstand

Reisevertrag: Anwendbarkeit von Reiserecht auf Hotelbuchung; Umfang der Informationspflichten im Hinblick auf Pass- und Visumerfordernisse


Leitsatz

1. Reiserecht ist auf einen Vertrag, der allein eine Hotelbuchung betrifft, entsprechend anzuwenden, wenn der Veranstalter diese Leistung in eigener Verantwortung und mit gleichen oder ähnlichen Organisationspflichten wie bei einer Reise erbringen soll, zu der eine weitere Reiseleistung gehört.

2. Soweit der Reisende über Pass- und Visumerfordernisse zu informieren ist, betrifft dies die Anforderungen, die sich aus den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen am Reiseziel sowie bei Transitaufenthalten ergeben. Zur geschuldeten Information gehören nicht Umstände, die die Gültigkeit des eigenen Reisepasses betreffen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkammer des [X.] aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt ist.

Die Berufung der Klägerin wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits und der Streithilfe hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht Minderung und Schadensersatz aus einem Reisevertrag.

2

Der Ehemann der Klägerin buchte Anfang Dezember 2009 im Reisebüro der Streithelferin für sich und die Klägerin einen von der Beklagten angebotenen Hotelaufenthalt in [X.] ([X.]) mit vier Übernachtungen im Februar 2010 zum Gesamtpreis von 880 €. Weiterhin buchte er für sich und die Klägerin von einem anderen Anbieter angebotene Flüge nach [X.] und zurück zum Preis von 821,16 €. Die Klägerin ist [X.] und erhielt unter Verwendung ihres Reisepasses von den [X.] Behörden eine ESTA-Genehmigung ([X.]), die sie von dem Erfordernis befreite, für die Einreise ein Visum zu beantragen. Ihr [X.] Reisepass enthielt (in italienisch, [X.] und französisch) die Angabe, der Pass sei gültig für die Mitgliedsstaaten der [X.] und zum [X.] durch Nicht-[X.]-Staaten. Die Fluggesellschaft der Klägerin verweigerte am [X.] bei Prüfung des Passes die Beförderung. Daraufhin trat auch der Ehemann der Klägerin die Reise nicht an. Als Kulanzzahlung erhielt die Klägerin von der Beklagten 1.022,62 €.

3

Die Klägerin verlangt unter Anrechnung der Kulanzzahlung die Rückzahlung der Reisekosten sowie Schadensersatz für Aufwendungen am [X.] und die Rückreise zum Wohnort sowie eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von insgesamt 2.398,18 € und stützt dies darauf, dass die Beklagte sie nicht über die für sie geltenden Pass- und [X.] für die Einreise in die [X.] informiert habe. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben ([X.], [X.] 2014, 19). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das Ziel einer Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

4

I. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Trotz der Säumnis der Klägerin und [X.] in der Revisionsinstanz beruht das Urteil auf einer vollständigen rechtlichen Nachprüfung im Umfang der Anfechtung (vgl. nur [X.], Urteil vom 13. September 2005 - [X.], [X.], 223 mwN).

5

II. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte habe durch die Verletzung von Informationspflichten die Reise der Eheleute vereitelt und schulde die Rückzahlung des Reisepreises für die Hotelbuchung

6

Es könne offen bleiben, ob Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen eine richtlinienkonforme Auslegung der §§ 4 Nr. 6, 5 Nr. 1 [X.] gebiete, nach der der Reiseveranstalter auch nicht [X.] Unionsbürger über die Reise betreffenden Pass- und [X.] informieren müsse. Der Reiseveranstalter sei bereits nach allgemeinen reisevertraglichen Grundsätzen auch gegenüber solchen Reisenden zu einer Information über Pass- und [X.] verpflichtet, wenn die ausländische Staatsangehörigkeit des Reisenden bei Vertragsschluss erkennbar gewesen sei. Da für die Mitarbeiterin der Streithelferin die Staatsangehörigkeit der Klägerin im Hinblick auf die ihr vorgelegten Unterlagen klar erkennbar gewesen sei, hätte die Beklagte ungefragt über die bestehenden Pass- und [X.] für eine Einreise der Klägerin als [X.] informieren müssen. Sie hätte dabei darauf hinweisen müssen, dass die Klägerin einen [X.] Reisepass benötige, der weltweit für die Einreise in alle Länder gültig sein müsse und hierfür eine Erweiterung des Reisepasses durch einen entsprechenden Stempel der [X.] Behörden erforderlich sei. Es handele sich um ein offensichtlich gängiges Problem mit [X.] Reisepässen, das einem großen Reiseveranstalter wie der Beklagten geläufig sein müsse und einem [X.] Reisekunden im Rahmen der ihm gegenüber bestehenden Informationspflichten darzulegen sei.

7

III. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

8

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht die für einen Reisevertrag geltenden Vorschriften der §§ 651a bis 651m [X.] entsprechend angewendet, auch wenn die Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann mit der Unterkunft in einem Hotel in [X.] nur eine einzige Reiseleistung schuldete.

9

Eine unmittelbare Anwendung der §§ 651a ff. [X.] scheidet damit zwar wegen des Fehlens einer Gesamtheit von mehreren Reiseleistungen aus. Wegen einer erkennbar planwidrigen Lücke im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz über den [X.] vom 4. Mai 1979 (vgl. BT-Drucks. 8/786; 8/2343) sind die §§ 651a ff. [X.] gleichwohl auf einen Vertrag entsprechend anzuwenden, der nur die Buchung einer Ferienunterkunft bei einem Reiseveranstalter zum Gegenstand hat, wenn der Veranstalter diese Leistung erkennbar in eigener Verantwortung erbringen soll und aus der Sicht eines durchschnittlichen Reisekunden sowie nach dem ihm unterbreiteten Angebot diese einzelne Reiseleistung mit gleichen oder ähnlichen Organisationspflichten wie bei einer Reise erbracht werden soll, bei der neben der Ferienunterkunft noch eine zweite Leistung wie zum Beispiel der Transport zum Reiseziel vereinbart worden ist (vgl. [X.], Urteile vom 9. Juli 1992 - [X.], [X.]Z 119, 152 unter [X.]; vom 23. Oktober 2012 - [X.], [X.], 308 Rn. 12, 25; vom 28. Mai 2013 - [X.], [X.], 222 Rn. 8, 10).

Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte die Hotelunterkunft in [X.] als eine eigene Leistung angeboten, die sich in ihr Gesamtangebot für Reiseleistungen verschiedener Art einfügt und genauso gut auch in Kombination mit einer zweiten Leistung bei ihr hätte gebucht werden können. Der Vertrag unterliegt damit der entsprechenden Anwendung der §§ 651a ff. [X.].

2. Ob die Beklagte die Klägerin über die für sie geltenden Pass- und [X.] für eine Einreise in die [X.] informieren musste, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn es beruht nicht auf einer fehlenden, von der Beklagten geschuldeten Information, dass die Klägerin nicht in die [X.] einreisen konnte.

a) Die den Reiseveranstalter treffenden Informationspflichten sollen den Reisekunden auf Umstände hinweisen, die ihm möglicherweise unbekannt sind, weil der Reisende mit der Reise auch und gerade unbekanntes Terrain erkunden möchte. Der Reiseveranstalter hat die hierfür erforderliche Organisation übernommen und somit ein Informationsgefälle gegenüber dem Reisenden auszugleichen. Mit den reiserechtlichen Informationspflichten soll der Reisekunde deshalb vornehmlich über Umstände informiert werden, die ihm unbekannte Gegebenheiten am Reiseziel sowie den Transport dorthin betreffen und für das Gelingen der Reise erforderlich sind. Hierzu gehören auch die aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen, ohne deren Beachtung der Reisende das Reiseziel nicht betreten darf. Demnach bezieht sich die Pflicht zur Information über Pass- und [X.] nur auf solche Erfordernisse, die sich aus dem Reise- oder Transitland ergeben, das der Reisende betreten möchte.

b) Nach dem unbestrittenen und von der Revision hervorgehobenen Vortrag der Beklagten genügte für die Einreise der Klägerin in die [X.] als [X.] ein Reisepass und eine im [X.] beantragte Befreiung von der Beantragung eines Visums. Weitere Informationen musste die Beklagte der Klägerin nicht geben. Dass eine Prüfung seitens der Grenzbehörden der [X.] vorbehalten blieb, war eine Information, die für den Streitfall keine Bedeutung hatte.

c) Entgegen den Ausführungen im Berufungsurteil musste die Beklagte weder darüber informieren, dass Inhaber von [X.] Reisepässen sich über dessen mitunter nur beschränkte Gültigkeit irren können, noch welche Maßnahmen in diesen Fällen zu ergreifen sind, um einen weltweit gültigen [X.] Reisepass zu erhalten. Dass ein Reisepass für die Einreise gültig sein muss, ist eine Selbstverständlichkeit, die keines Hinweises an den Reisenden bedarf.

Ob ein Reisepass gültig ist, ergibt sich aus den passrechtlichen Bestimmungen des Staates, dem der Reisende angehört. Irrtümer und mangelnde Kenntnisse über die Gültigkeit des Reisepasses ergeben sich deshalb nicht aus einer Unkenntnis über die Reise, das Reiseziel oder über die Bestimmungen der Transitländer. Die Gültigkeit des eigenen Reisepasses ist eine eigene rechtliche Angelegenheit des Reisenden, die keinen Bezug zu den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen des Reiseziels oder eines Transitlandes aufweist. Hierüber muss der Reiseveranstalter sich daher weder selbst noch den Reisenden informieren. Insofern macht es für den Reisenden keinen Unterschied, zu prüfen, ob die Gültigkeit seines Reisepass nicht schon abgelaufen ist oder nur für eine beschränkte Anzahl von Ländern gültig ist. Wenn ein weltweit unbeschränkt gültiger [X.] Reisepass nur nach Zahlung eines weiteren Betrages an die ausstellende Behörde erhältlich ist, wie es von der Beklagten als ein Grund für die Nichtbeförderung der Klägerin unbestritten vorgetragen wurde und die Revision geltend gemacht hat, obliegt es deshalb auch insoweit dem Reisenden in eigener Verantwortung dafür Sorge zu tragen. Da es sich dabei nicht um einen Umstand handelt, der sich aus den aufenthaltsrechtlichen oder anderen Gegebenheiten am Reiseziel oder eines Transitlandes ergibt, schuldet die Beklagte als Reiseveranstalter insoweit keine Überwachung.

d) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hätten demnach eine der Klägerin gegebene Information, dass sie für eine Einreise in die [X.] einen Reisepass und eine [X.] benötige, zu keinem anderen Kausalverlauf geführt, denn die Klägerin ist mit ihrem Reisepass zur Anreise am [X.] erschienen, nachdem sie eine [X.] erhalten hatte.

IV. Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Die Sache ist zur Endentscheidung reif, so dass der Senat die Klage insgesamt abweisen und das erstinstanzliche Urteil wiederherstellen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist beim [X.] in [X.] von einem an diesem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Meier-Beck                      Grabinski                           Hoffmann

                    Schuster                       Kober-Dehm

Meta

X ZR 134/13

20.05.2014

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Frankfurt, 26. September 2013, Az: 2-24 S 181/12, Urteil

§ 651a BGB, § 4 Nr 6 BGB-InfoV, § 5 Nr 1 BGB-InfoV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 20.05.2014, Az. X ZR 134/13 (REWIS RS 2014, 5456)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5456

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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