Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.02.2016, Az. XII ZB 498/15

12. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 16126

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Gegenstand

Betreuungssache: Erforderlichkeit der Bestellung eines Betreuers trotz Vorsorgevollmacht


Leitsatz

Zur Frage, wann die Einrichtung einer Betreuung trotz bestehender Vorsorgevollmacht erforderlich sein kann.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 4 und zu 5 wird der Beschluss der 23. Zivilkammer des [X.] vom 5. Oktober 2015 in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses vom 13. Oktober 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Kammer des [X.] zurückverwiesen.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Der im Jahre 1925 geborene Betroffene und seine rund fünf Jahre jüngere Ehefrau lebten zusammen mit den Beteiligten zu 4 und 5, ihrem [X.] und ihrer Tochter, in einem Hausanwesen. Dieses hatte die Ehefrau des Betroffenen dem [X.] im Dezember 2012 übereignet und sich sowie dem Betroffenen dabei ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsrecht an sämtlichen Räumen im [X.]- und Erdgeschoss einräumen lassen. Tatsächlich bewohnten der Betroffene und seine Ehefrau im [X.] gelegene [X.] und die Beteiligte zu 5 das Erdgeschoss. Bereits im April 2012 hatte der Betroffene - ebenso wie seine Ehefrau - den Beteiligten zu 4 und 5 (im Folgenden: Vorsorgebevollmächtigte) als jeweils [X.] eine umfassende notarielle General- und Vorsorgevollmacht erteilt.

2

Im März 2014 regte eine weitere Tochter, die Beteiligte zu 3, beim Amtsgericht die Bestellung eines Berufsbetreuers für ihre Eltern an. Das Amtsgericht kam dieser Anregung im Juni 2014 nach und bestellte im Wege der einstweiligen Anordnung den Beteiligten zu 1, einen Rechtsanwalt, zum vorläufigen Betreuer des Betroffenen mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Regelung des Postverkehrs, Vermögensangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie Wohnungsangelegenheiten. Diese vorläufige Betreuung verlängerte das Amtsgericht im Dezember 2014 um weitere sechs Monate. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der [X.] wies das [X.] mit Beschluss vom 15. April 2015 zurück.

3

Mit Beschluss vom 12. Juni 2015 hat das Amtsgericht angeordnet, dass die "vorläufige Betreuung als längerfristige Betreuung fortgeführt" werde, und als Zeitpunkt, bis zu dem über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung entschieden werden sollte, den 12. Juni 2022 bestimmt. Die hiergegen von den beiden [X.] eingelegte Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Das [X.] hat den amtsgerichtlichen Beschluss lediglich insoweit abgeändert, als es anstelle des Beteiligten zu 1 den Beteiligten zu 6, einen Berufsbetreuer, zum Betreuer bestellt hat.

4

Mit ihrer Rechtsbeschwerde wenden sich die [X.] nach wie vor gegen die Betreuungserrichtung.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ohne Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere sind die [X.] rechtsbeschwerdeberechtigt, weil ihre Beschwerde zurückgewiesen worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2015 - [X.] 695/14 - FamRZ 2016, 120 Rn. 12 [X.]).

6

Sie hat auch Erfolg.

7

1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung lägen weiterhin vor. Zur Begründung werde auf den Beschluss vom 15. April 2015 Bezug genommen. Dort hatte das Beschwerdegericht dargelegt, bei dem Betroffenen liege eine demenzielle Entwicklung vom vaskulären Typ mit kognitiven Defiziten in Form von Kurz- und Langzeitgedächtnisstörungen vor. Er bedürfe einer rechtlichen Betreuung im vom Amtsgericht bestimmten Aufgabenkreis. Im Übrigen sei er mit der Einrichtung einer Betreuung einverstanden.

8

Die Bestellung eines Betreuers für den Betroffenen sei nicht wegen der Vorsorgevollmacht entbehrlich. Zwar könne die Unwirksamkeit der [X.]erteilung nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden. Die Ausübung der Vorsorgevollmacht durch die [X.] anstelle einer Betreuung widerspreche jedoch zum einen dem wiederholt geäußerten, jedenfalls natürlichen Willen des Betroffenen. Zum anderen könnten die Angelegenheiten des Betroffenen durch die [X.] nicht ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden. Dies folge aus den ausführlichen und übereinstimmenden Angaben des Sachverständigen und der Verfahrenspflegerin. Es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass die [X.] ungeeignet seien, die ihnen erteilte [X.] im Sinne und allein zum Wohl des Betroffenen wahrzunehmen, weil sie sich einerseits nicht regelmäßig und hinreichend um die tatsächliche Betreuung des Betroffenen bemühten. Andererseits hätten sie sich - was noch deutlich schwerer wiege - durch das ihrer Schwester erteilte Hausverbot als ungeeignet erwiesen. Die emotionale Bindung des Betroffenen zu dieser sei sehr stark. Die [X.] hätten wegen ihrer Differenzen mit der Schwester ihre eigenen Interessen weit vor diejenigen des Betroffenen gestellt.

9

Der Betreuer habe nunmehr zu überprüfen, ob er für den Betroffenen den Widerruf der General- und Vorsorgevollmacht sowie eine Anfechtung oder einen Widerruf des Grundstücksübertragungsvertrags vornehme, nachdem der Betroffene mehrfach geäußert habe, keinesfalls von den [X.] betreut werden zu wollen.

Der Beschluss des Amtsgerichts sei allerdings insoweit abzuändern, als der Betroffene zwischenzeitlich einen - wie sich aus der Stellungnahme der Verfahrenspflegerin ergebe - seinem natürlichen Willen entsprechenden Wunsch auf [X.] gestellt habe. Diesem sei zu entsprechen, weil er dem Wohl des Betroffenen nicht zuwider laufe.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die bislang getroffenen Feststellungen tragen nicht den Schluss, eine Betreuung sei trotz der Vorsorgevollmacht erforderlich im Sinne des § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB.

a) Ein Betreuer darf nur bestellt werden, soweit die Betreuerbestellung erforderlich ist (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB). An der Erforderlichkeit fehlt es, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB). Eine Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen. Anders kann es zum einen liegen, wenn Zweifel an der Wirksamkeit der [X.]erteilung oder am Fortbestand der [X.] bestehen, die geeignet sind, die Akzeptanz der [X.] im Rechtsverkehr und damit die Wahrnehmung von Rechten des Betroffenen durch den Bevollmächtigten zu beeinträchtigen (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - [X.] 425/14 - [X.], zur [X.] bestimmt). Eine Betreuung kann trotz Vorsorgevollmacht zum anderen dann erforderlich sein, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet. Letzteres ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte wegen erheblicher Bedenken an seiner Geeignetheit oder Redlichkeit als ungeeignet erscheint (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2014 - [X.] 301/13 - FamRZ 2014, 738 Rn. 17 [X.] und vom 13. April 2011 - [X.] 584/10 - FamRZ 2011, 964 Rn. 15 [X.]).

Dabei entscheidet der Tatrichter über Art und Umfang seiner Ermittlungen nach pflichtgemäßem Ermessen. Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2014 - [X.] 301/13 - FamRZ 2014, 738 Rn. 18 [X.] und vom 13. April 2011 - [X.] 584/10 - FamRZ 2011, 964 Rn. 16 [X.]).

b) Gemessen hieran kann die angegriffene Entscheidung keinen Bestand haben.

aa) Die den Erwägungen des [X.] erkennbar zugrunde liegende Annahme, die hier erteilte Vorsorgevollmacht sei im Grundsatz geeignet, eine Betreuung zu hindern, beruht nicht auf ausreichenden Feststellungen.

In dem in der angefochtenen Entscheidung in Bezug genommenen Beschluss vom 15. April 2015 ist ausgeführt, ausweislich der Angaben des Sachverständigen habe im Dezember 2014 nicht mehr mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden können, ob der Betroffene bereits im April 2012 in einer Weise dement gewesen sei, dass die [X.]erteilung unwirksam sei. Dies deutet auf Bedenken gegen die Wirksamkeit hin. Festgestellt ist jedoch nicht, dass auch nach Ausschöpfung aller im Rahmen des § 26 FamFG gebotenen Ermittlungsmöglichkeiten solche Zweifel verbleiben. Würde es sich dabei aber - was ebenfalls tragfähige Feststellungen erfordern würde - um Zweifel handeln, die zu relevanten Problemen für die Akzeptanz der [X.] im Rechtsverkehr und damit in der Rechtswahrnehmung durch den Bevollmächtigten führen können, könnten die [X.] schon aus diesem Grunde die Angelegenheiten des Betroffenen nicht ebenso gut wie ein Betreuer besorgen (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - [X.] 425/14 - [X.], zur [X.] bestimmt).

bb) Soweit das Beschwerdegericht darauf abstellt, dass die rechtliche Vertretung durch die [X.] nicht dem wiederholt geäußerten natürlichen Willen des Betroffenen entspreche, kann das für sich genommen nicht dazu führen, die Erforderlichkeit einer Betreuung zu bejahen.

Mit der [X.]erteilung in gesunden Tagen kann der Bevollmächtigende regeln, wer seine rechtlichen Angelegenheiten besorgen soll, wenn er krankheitsbedingt hierzu nicht mehr selbst in der Lage ist. Diese Möglichkeit der vorsorgenden Bevollmächtigung ist Ausfluss des von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015 - [X.] 674/14 - FamRZ 2015, 1702 Rn. 11). Mit ihr kann eine - wenn auch fürsorgende - staatliche Einflussnahme mittels Betreuung vermieden werden. Die Bestimmung des § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB bringt zum Ausdruck, dass dieses Selbstbestimmungsrecht aus den Gründen des dem Staat obliegenden Erwachsenenschutzes und damit zum Wohle des Betroffenen im Einzelfall erst dann endet, wenn die rechtliche Fürsorge durch einen Betreuer derjenigen durch den Bevollmächtigten überlegen ist. Eine - gegebenenfalls krankheitsbedingte - schlichte Meinungsänderung des nicht mehr geschäftsfähigen Betroffenen kann die in gesunden Tagen geschaffene rechtliche Bindungswirkung der [X.]erteilung hingegen nicht beseitigen.

Ob und inwieweit der einer Ausübung der [X.] durch die [X.] mittlerweile entgegenstehende natürliche Wille des Betroffenen dazu führt, dass seine Angelegenheiten von den [X.] nicht (mehr) ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden könnten, lässt sich der Beschwerdeentscheidung nicht entnehmen.

cc) Die bislang getroffenen Feststellungen rechtfertigen auch nicht die Annahme, die [X.] seien nicht geeignet, die Angelegenheiten des Betroffenen zu dessen Wohl zu besorgen.

(1) Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, legt das Beschwerdegericht nicht offen, auf welche Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen und der Verfahrenspflegerin es sich zur Begründung seiner Einschätzung stützt, die Betreuung sei trotz der Vorsorgevollmacht erforderlich im Sinne des § 1896 Abs. 2 BGB. Die [X.] erschöpfen sich vielmehr in dem nicht weiter spezifizierten Hinweis auf die "ausführlichen und übereinstimmenden Angaben". Eine Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren, ob dieser rechtliche Schluss gerechtfertigt ist, kann daher nicht erfolgen, weshalb die Beschwerdeentscheidung nicht von dieser Erwägung getragen wird.

(2) Das Gleiche gilt, soweit das Beschwerdegericht Anhaltspunkte für eine Ungeeignetheit der [X.] darin zu erkennen meint, dass diese sich nicht regelmäßig und hinreichend um die tatsächliche Betreuung des Betroffenen bemühten. Anhaltspunkte weisen bereits begrifflich allenfalls in eine bestimmte Richtung, können aber die notwendige Überzeugung des Gerichts von einem Umstand - hier der Ungeeignetheit der [X.] - nicht begründen.

Darüber hinaus verweist die Rechtsbeschwerde mit Recht zum einen darauf, dass das Beschwerdegericht allein auf Verhalten der [X.] nach der Bestellung des [X.]) Betreuers abstellt. Dass die [X.] dem Betroffenen bis zur Einrichtung der Betreuung nicht die erforderliche tatsächliche Betreuung hätten zukommen lassen, ist nicht ersichtlich. Zum anderen macht die Rechtsbeschwerde zutreffend geltend, dass die [X.] im Laufe des Verfahrens in mehreren Schriftsätzen ihrer Rechtsanwältin eine Reihe tatsächlicher Unterstützungsmaßnahmen für den Betroffenen auch nach der ersten Betreuerbestellung vorgetragen hatten. Hiermit setzt sich die angegriffene Entscheidung nicht auseinander.

Die in diesem Zusammenhang angestellte Überlegung des [X.], den [X.] habe klar sein müssen, dass sie aufgrund der [X.] für tatsächliche Betreuungsleistungen wie Fahrten oder deren Organisation zuständig seien, ist zudem rechtsfehlerhaft. Die Vorsorgevollmacht begründet gerade keine Verpflichtung zu tatsächlichen Pflegeleistungen, sondern soll eine rechtliche Betreuung überflüssig machen. Es lässt sich der Beschwerdeentscheidung nicht entnehmen, inwieweit die [X.] rechtliche Aufgaben unerfüllt gelassen hätten, die nicht dem Aufgabenkreis des [X.]) Betreuers unterfielen.

(3) Schließlich kann auch das vom Beteiligten zu 4 seiner Schwester, der Beteiligten zu 3, erteilte Hausverbot die Annahme einer Ungeeignetheit nicht rechtfertigen. Zwar kann es gegebenenfalls die Besorgnis begründen, die [X.] werde nicht zum Wohl des Betroffenen ausgeübt, wenn der Bevollmächtigte eigene Interessen über die des Betroffenen stellt, indem er aus eigensüchtigen Motiven den persönlichen Kontakt des Betroffenen mit für diesen wichtigen Bezugspersonen unterbindet. Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt, liegt ein solcher Fall hier aber nicht vor. In dem von den [X.] zur Akte gereichten Schreiben vom 27. April 2013 sind von dem Hausverbot Besuche bei den gemeinsamen Eltern ausdrücklich ausgenommen. Hierauf hatten die [X.] zudem im Betreuungsverfahren schriftsätzlich hingewiesen. Diesen entscheidenden Umstand hat das Beschwerdegericht nicht berücksichtigt.

Im Übrigen zeigt das Schreiben, dass der Beteiligte zu 4 trotz der mit der Schwester bestehenden Spannungen zwischen seinen eigenen und den Interessen des Betroffenen zu differenzieren weiß. Das Hausverbot spricht mithin entgegen der Annahme des [X.] nicht gegen die Eignung des Beteiligten zu 4.

3. Die angefochtene Entscheidung ist somit schon deshalb aufzuheben, weil die nach § 1896 Abs. 2 BGB notwendige Erforderlichkeit der Betreuung nicht feststeht. Mangels ausreichender Feststellungen kann der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden. Die Sache ist daher an das [X.] zurückzuverweisen, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 74 Abs. 6 Satz 3 FamFG Gebrauch macht.

a) Das [X.] wird nunmehr die erforderlichen Feststellungen dazu zu treffen haben, ob eine Betreuung trotz der Vorsorgevollmacht erforderlich ist. Dabei wird es zu ermitteln haben, ob die [X.]erteilung wirksam oder der Betroffene zum damaligen Zeitpunkt bereits geschäftsunfähig war. Sollten trotz Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten Zweifel an der Wirksamkeit der [X.] verbleiben, ist zu klären, ob diese Zweifel die Rechtswahrnehmung der [X.] für den Betroffenen in einer die Erforderlichkeit einer Betreuung begründenden Weise behindern können.

Kommt das [X.] zu dem Ergebnis, dass die [X.] im Grundsatz geeignet ist, der Einrichtung einer Betreuung nach § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB entgegenzustehen, wird es sich mit der Frage der Eignung der [X.] zu befassen haben. Dabei dürfte nahe liegen, die [X.] zu Zweifeln ihre Geeignetheit - oder auch Redlichkeit - betreffend persönlich anzuhören, um der aus § 26 FamFG folgenden Amtsermittlungspflicht zu genügen (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2010 - [X.] 165/10 - FamRZ 2011, 285 Rn. 17 f. zur Geeignetheit und Redlichkeit eines vom Betroffenen als Betreuer Vorgeschlagenen).

Außerdem gibt die Zurückverweisung dem [X.] Gelegenheit, die erforderliche persönliche Anhörung des Betroffenen (§ 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG) durchzuführen. Zwar kann das Beschwerdegericht gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG hiervon absehen, wenn sie bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurde und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Diese Annahme scheidet aus, wenn das Beschwerdegericht - wie hier - einen [X.] vornimmt. Die Person des Betreuers gehört zum elementaren Entscheidungsgehalt des die Betreuung errichtenden Beschlusses, zu dem ein Betroffener sowohl mit Blick auf seine Verfahrensrechte als auch zur im Rahmen des § 26 FamFG gebotenen Amtsermittlung persönlich anzuhören ist. Eine - wie hier - vom Beschwerdegericht vorgenommene "Delegierung" etwa auf die Verfahrenspflegerin kommt nicht in Betracht.

b) Dass das Beschwerdegericht dem Betreuer die Überprüfung aufgegeben hat, ob die General- und Vorsorgevollmacht zu widerrufen sei, gibt zu dem Hinweis Anlass, dass die Rechtsmacht des Betreuers zu einem solchen Widerruf die ausdrückliche Zuweisung dieser Befugnis durch gerichtlichen Beschluss erfordert (Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015 - [X.] 674/14 - FamRZ 2015, 1702 Rn. 10 ff. [X.]). Diese Zuweisung setzt tragfähige Feststellungen voraus, dass das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt. Sind behebbare Mängel bei der [X.]ausübung festzustellen, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz grundsätzlich zunächst den Versuch, durch einen ([X.] auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken, insbesondere durch Verlangen nach Auskunft und Rechenschaftslegung (§ 666 BGB) sowie durch die Ausübung bestehender Weisungsrechte. Nur wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder aufgrund feststehender Tatsachen mit hinreichender Sicherheit als ungeeignet erscheinen, ist die Ermächtigung zum Widerruf der [X.] - als ultima ratio - verhältnismäßig (Senatsbeschlüsse vom 14. Oktober 2015 - [X.] 177/15 - FamRZ 2016, 117 Rn. 16; vom 23. September 2015 - [X.] 624/14 - FamRZ 2015, 2163 Rn. 17 und vom 28. Juli 2015 - [X.] 674/14 - FamRZ 2015, 1702 Rn. 33 ff. [X.]).

Soweit das Beschwerdegericht meint, der Betreuer müsse prüfen, ob er eine Anfechtung oder einen Widerruf des [X.] vornehme, ist im Übrigen anzumerken, dass der Betroffene nicht Vertragspartei war, sondern dem Geschäft lediglich als Ehegatte zugestimmt hatte.

Dose                                 Weber-Monecke                           Schilling

             [X.]                                     [X.]

Meta

XII ZB 498/15

17.02.2016

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Bielefeld, 5. Oktober 2015, Az: 23 T 466/15

§ 1896 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.02.2016, Az. XII ZB 498/15 (REWIS RS 2016, 16126)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16126

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