Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.10.2012, Az. 9 AZR 63/11

9. Senat | REWIS RS 2012, 2280

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Gegenstand

Urlaubsanspruch - Verfall der gesetzlichen Urlaubsansprüche trotz Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 30. November 2010 - 6 [X.] - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 20. Mai 2010 - 9 Ca 3991/09 - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Abgeltung von Urlaub aus dem [X.].

2

Der seit dem 14. Juni 2005 als schwerbehindert anerkannte Kläger war vom 27. August 2001 bis zum 28. Februar 2009 bei der [X.] beschäftigt und vom 28. Oktober 2004 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchgehend arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 3. Februar 2009 machte der Kläger gegenüber der [X.] die Abgeltung offener Urlaubsansprüche aus den Jahren 2004 bis 2006 geltend. Die Beklagte zahlte ihm Urlaubsabgeltung für den Urlaub ab dem Jahr 2006. Mit seiner am 14. Dezember 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger zuletzt noch die Abgeltung von 20 Tagen gesetzlichen Mindesturlaub und drei Tagen anteiligen Zusatzurlaub für Schwerbehinderte aus dem [X.] verlangt.

3

Der Kläger hat gemeint, aufgrund seiner durchgängig bestehenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit sei der Urlaub aus dem [X.] nicht verfallen. Verfall- und Verjährungsvorschriften fänden auf den Urlaubsanspruch keine Anwendung.

4

Er hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.303,22 Euro brutto zuzüglich fünf Prozent Zinsen hieraus über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Dezember 2009 zu zahlen.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, der Urlaubsanspruch des [X.] aus dem [X.] sei vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen, jedenfalls aber verjährt.

6

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat - abgesehen von einer Änderung in der Kostenentscheidung - die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abgeltung von Urlaub aus dem [X.].

8

I. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 28. Februar 2009 bestanden die im [X.] gemäß §§ 13 Abs. 1 [X.] und § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX entstandenen Urlaubsansprüche nicht mehr, sodass die Beklagte nicht gemäß § 7 Abs. 4 [X.] zur Abgeltung des Urlaubs aus dem [X.] verpflichtet ist. Der gesetzliche Mindesturlaub und der anteilige Zusatzurlaub für Schwerbehinderte aus dem [X.] sind mit Ablauf des 31. März 2007 verfallen.

9

1. Aufgrund der Vorgaben des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/[X.] und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ( Arbeitszeitrichtlinie) ist § 7 Abs. 3 [X.] zwar unionsrechtskonform dahin gehend auszulegen, dass der gesetzliche Urlaub nicht erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist ([X.] 24. März 2009 - 9 [X.] - Rn. 47 ff., [X.]E 130, 119). Die unionsrechtskonforme Auslegung hat jedoch nur zur Folge, dass der aufrechterhaltene Urlaubsanspruch zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsanspruch hinzutritt und damit erneut dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 [X.] unterfällt (vgl. [X.] 9. August 2011 - 9 [X.] - Rn. 19, [X.] [X.] § 7 Nr. 52 = EzA [X.] § 7 Nr. 125). Besteht die Arbeitsunfähigkeit auch am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres fort, so gebietet auch das Unionsrecht keine weitere Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruchs (vgl. [X.] 22. November 2011 - [X.]/10 - [KHS] Rn. 38, [X.] Richtlinie 2003/88/[X.] Nr. 6 = EzA [X.]-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7). Der zunächst aufrechterhaltene Urlaubsanspruch erlischt somit zu diesem Zeitpunkt (vgl. [X.] 7. August 2012 - 9 [X.] - Rn.  32 ff. , [X.], 1216).

2. Die vom Kläger geäußerte Kritik gibt keine Veranlassung, diese Rechtsprechung aufzugeben.

a) Der Senat hat sich in der Entscheidung vom 7. August 2012 bereits mit den Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung auseinandergesetzt (- 9 [X.] - Rn.  28, 31 , aaO). Die Annahme eines Verfalls des Urlaubsanspruchs bei [X.] Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres stellt keinen Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung dar, sondern setzt den gesetzgeberischen Willen, den Urlaub eng an das Urlaubsjahr zu binden (vgl. zum Gebot zeitnaher Erfüllung des Urlaubsanspruchs: [X.] 18. Oktober 2011 - 9 [X.] - Rn. 23 mwN, [X.] [X.] § 7 Nr. 54 = EzA [X.] § 7 Nr. 126), in unionsrechtskonformer Weise um.

b) Die Rechtsprechung des Senats steht auch im Einklang mit der Regelung in Art. 31 Abs. 2 [X.]. Dies folgt für den vorliegenden Fall bereits daraus, dass der [X.] erst seit dem 1. Dezember 2009 in [X.] ist (vgl. [X.] 7. August 2012 - 9 [X.] - Rn.  29 , aaO). Der Kläger schied jedoch bereits am 28. Februar 2009 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Im Übrigen zwingt das Unionsrecht - entgegen der Rechtsauffassung des Klägers - nationale Gerichte nicht dazu, § 7 Abs. 3 [X.] unangewendet zu lassen. Der [X.] hat vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die Frage, ob eine nationale Bestimmung wegen Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht unangewendet bleiben muss, nur stellt, wenn keine unionsrechtskonforme Auslegung dieser Bestimmung möglich ist ([X.] 24. Januar 2012 - [X.]/10 - [[X.]] Rn. 23, [X.] Richtlinie 2003/88/[X.] Nr. 7 = EzA [X.]-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 8). Deshalb ist es auch unerheblich, dass die urlaubsrechtlichen Bestimmungen der Arbeitszeitrichtlinie zwischen dem Kläger und der Beklagten als staatlicher Einrichtung unmittelbar zur Anwendung kommen könnten (vgl. [X.] 24. Januar 2012 - [X.]/10 - [[X.]] Rn. 38 f. mwN, aaO).

II. [X.] beruht auf § 91 Abs. 1 und § 269 Abs. 3 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Die ehrenamtliche Richterin Merte
ist infolge des Endes ihrer Amtszeit
mit Ablauf des 31. Oktober 2012 an
der Unterschriftsleistung verhindert.
Brühler    

        

    [X.]    

                 

Meta

9 AZR 63/11

16.10.2012

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Regensburg, 20. Mai 2010, Az: 9 Ca 3991/09, Urteil

§ 1 BUrlG, § 3 Abs 1 BUrlG, § 7 Abs 4 BUrlG, Art 7 EGRL 88/2003

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.10.2012, Az. 9 AZR 63/11 (REWIS RS 2012, 2280)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2280

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

2 Sa 213/15

2 Ca 1602/18

12 Sa 80/13

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