Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.12.2021, Az. 8 C 24/19

8. Senat | REWIS RS 2021, 238

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Gegenstand

Anwendbarkeit des Arbeitszeitrechts auf Fahrpersonal im Bereich der Entsorgung tierischer Nebenprodukte


Leitsatz

1. § 21a Abs. 4 ArbZG regelt die Höchstarbeitszeit für Fahrer und Beifahrer im Sinne des Absatzes 1 der Norm nicht abschließend. Ergänzend ist gemäß § 21a Abs. 1 Satz 1 ArbZG auf diese Personen § 3 ArbZG nach Maßgabe der in § 21a Abs. 2 bis 8 ArbZG geregelten Abweichungen anzuwenden.

2. Diese Ergänzung der Beschränkung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit um eine Begrenzung der werktäglichen Höchstarbeitszeit stellt eine unionsrechtskonforme besser schützende Vorschrift im Sinne des Art. 10 der Richtlinie 2002/15/EG dar.

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Anwendbarkeit des [X.]es auf die bei der Klägerin als LKW-Fahrer beschäftigten Arbeitnehmer. Die Klägerin betreibt eine Einrichtung zur Entsorgung und Verarbeitung von Tierkörpern und anderen tierischen Nebenprodukten. Ihre Fahrer führen den Transport von den Anfallstellen zur Fabrik der Klägerin durch.

2

Mit Bußgeldbescheid vom 11. Juni 2013 setzte der Beklagte gegen den Geschäftsführer der Klägerin eine Geldbuße wegen Verstoßes gegen §§ 3 und 4 [X.] ([X.]) fest. Im Rechtsbeschwerdeverfahren stellte das [X.] das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG ein.

3

Im Dezember 2015 hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt festzustellen, dass die Arbeitszeiten ihrer Fahrer im Bereich der Entsorgung tierischer Nebenprodukte im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 14 Fahrpersonalverordnung ([X.]) nicht unter die Bestimmungen des [X.]es fallen. Der Beklagte hat widerklagend beantragt festzustellen, dass hinsichtlich des Fahrpersonals der Klägerin § 3 [X.] nicht durch § 21a Abs. 4 [X.] - soweit der Anwendungsbereich der letztgenannten Vorschrift eröffnet ist - verdrängt wird. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Das [X.] sei nach § 21a Abs. 1 Satz 1 [X.] auf die im Bereich der Entsorgung tierischer Nebenprodukte beschäftigten Fahrer der Klägerin anzuwenden. § 3 [X.] werde durch § 21a Abs. 4 [X.] nicht verdrängt, sondern ergänze dessen Regelungen.

4

Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, das Berufungsurteil verletze § 18 Abs. 1 Nr. 14 [X.] i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Buchst. n der Verordnung ([X.]) Nr. 561/2006 sowie §§ 21a und 3 [X.].

5

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des [X.] für das [X.] vom 10. Oktober 2019 und das Urteil des [X.] vom 3. Mai 2017 zu ändern und festzustellen, dass die Arbeitszeiten der Fahrer der Klägerin im Bereich der Entsorgung tierischer Nebenprodukte im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 14 [X.] nicht unter die Bestimmungen des [X.]es fallen,

sowie

die Widerklage abzuweisen.

6

Der Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Der Vertreter des [X.] beim [X.] hält das Berufungsurteil für zutreffend. § 18 Abs. 1 Nr. 14 [X.] beziehe sich nicht auf die gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeit, sondern nur auf die Lenk- und Ruhezeiten. § 3 [X.] finde neben § 21a Abs. 4 [X.] Anwendung.

Entscheidungsgründe

8

Der Senat kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

9

Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsurteil steht mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Feststellungsklage ist zulässig, aber unbegründet (1), die Widerklage ist zulässig und begründet (2).

1. a) Das Berufungsgericht hat die Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO zu Recht für zulässig gehalten. Zwischen den Beteiligten besteht ein hinreichend konkretes Rechtsverhältnis. Das berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung ergibt sich aus der Wiederholungsgefahr wegen drohender weiterer Bußgeldverfahren.

b) Das Berufungsgericht ist ohne Verstoß gegen Bundesrecht davon ausgegangen, dass das [X.] auf die Fahrer der Klägerin im Bereich der Entsorgung tierischer Nebenprodukte im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 14 der Verordnung zur Durchführung des Fahrpersonalgesetzes (Fahrpersonalverordnung - FPersV) vom 27. Juni 2005 ([X.]), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 8. August 2017 ([X.]), Anwendung findet.

aa) Nach § 21a Abs. 1 Satz 1 des [X.]es ([X.]) vom 6. Juni 1994 ([X.] I S. 1170, 1171), zuletzt geändert durch Art. 6 des [X.] vom 22. Dezember 2020 ([X.] I S. 3334), gelten für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten im Sinne der Verordnung ([X.]) Nr. 561/2006 des [X.] und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen ([X.]) Nr. 3821/85 und ([X.]) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 3820/85 des Rates ([X.] [X.]), die Vorschriften dieses Gesetzes, soweit nicht die folgenden Absätze abweichende Regelungen enthalten. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsurteils üben die Fahrer der Klägerin eine Straßenverkehrstätigkeit im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung ([X.]) Nr. 561/2006 aus. Ihre Tätigkeit ist nicht nach Art. 3 der Verordnung von deren Anwendungsbereich ausgenommen. Auch § 21a Abs. 2 bis 8 [X.] schließen eine Anwendung des [X.]es auf Fahrer und Beifahrer im Sinne von Absatz 1 Satz 1 der Vorschrift nicht aus; die in ihnen für dessen Anwendungsbereich getroffenen Spezialregelungen verdrängen sonstige Vorschriften des Gesetzes lediglich, soweit sie jeweils von diesen abweichen.

bb) § 21a Abs. 1 Satz 2 [X.] steht der Anwendung des [X.]es auf solche Fahrer und Beifahrer ebenfalls nicht entgegen. Nach seinem Wortlaut bleiben die Vorschriften der Verordnung ([X.]) Nr. 561/2006 und des [X.] unberührt. Daraus, aus dem systematischen Zusammenhang und aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt sich, dass dem Arbeitszeitrecht neben den Regelungen über Lenk- und Ruhezeiten eine eigenständige Bedeutung zukommt.

Das Arbeitszeitrecht regelt die gesamte Zeitspanne zwischen Arbeitsbeginn und Arbeitsende ohne die Ruhepausen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.]; Art. 3 Buchst. a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 2002/15/[X.] des [X.] und des Rates vom 11. März 2002 zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des [X.] ausüben - [X.] [X.] - nachfolgend: [X.]). Dagegen begrenzen die Vorschriften der Verordnung ([X.]) Nr. 561/2006 über die Lenk- und Ruhezeiten die in die Arbeitszeit fallende, sie aber nicht zwangsläufig völlig ausfüllende Fahrtätigkeit (vgl. die auf die Arbeitszeit im Sinne der [X.] Bezug nehmende Definition "anderer Arbeiten" in Art. 4 Buchst. e der Verordnung).

§ 21a [X.] dient der Umsetzung der [X.] in nationales Recht und nimmt den in Art. 2 Abs. 4 dieser Richtlinie festgelegten Vorrang der Regelung über die Lenk- und Ruhezeiten ausdrücklich in das Gesetz auf, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des [X.], Bau und Stadtentwicklung vom 31. Mai 2006, [X.]. 16/1685 S. 12, zur entsprechenden Vorgängerverordnung <[X.]> Nr. 3820/85). Danach gehen die Vorschriften über die Lenk- und Ruhezeiten in ihrem Geltungsbereich den arbeitszeitrechtlichen Regelungen vor, ohne deren ergänzende Anwendung auf Fahrer im Sinne des § 21a Abs. 1 Satz 1 [X.] auszuschließen. Dies wird durch teleologische Erwägungen bestätigt. Das Arbeitszeitrecht dient der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer (§ 1 Nr. 1 [X.]). Die [X.] verfolgt neben dem Zweck, die Sicherheit und Gesundheit des Fahrpersonals zu schützen, auch das Ziel, die Straßenverkehrssicherheit zu gewährleisten sowie die Wettbewerbsbedingungen anzugleichen (Erwägungsgründe 4 und 10 sowie Art. 1 der [X.]). Diese Ziele verfolgt auch die Verordnung ([X.]) Nr. 561/2006 (Erwägungsgründe 17 und 22 sowie Art. 1 der Verordnung). Die parallele unionsrechtliche Zielsetzung beider Regelungsbereiche berücksichtigt, dass nicht nur die [X.], sondern auch die darüber hinausgehende Arbeitszeit des Fahrpersonals (beispielsweise das Be- und Entladen des Fahrzeugs) Einfluss auf dessen Gesundheit und die Straßenverkehrssicherheit hat. Dem widerspräche es, auf das Fahrpersonal nur die Regelungen über die Lenk- und Ruhezeiten, nicht aber die Bestimmungen über die höchstzulässige Arbeitszeit anzuwenden.

cc) Die Annahme des Berufungsgerichts, das Fahrpersonal der Klägerin sei von der Anwendung des [X.]es nicht schon wegen der Privilegierung nach § 2 Nr. 3 Buchst. a des Gesetzes über das Fahrpersonal von Kraftfahrzeugen und Straßenbahnen (Fahrpersonalgesetz - [X.]) i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 ([X.] I S. 640) zuletzt geändert durch Art. 138 des Gesetzes vom 20. November 2019 ([X.] I S. 1626), § 18 Abs. 1 Nr. 14 FPersV ausgenommen, ist revisionsrechtlich fehlerfrei. Die Ausnahmebestimmung des § 18 Abs. 1 Nr. 14 FPersV erstreckt sich nicht auf die Arbeitszeit der Fahrer.

Nach § 18 Abs. 1 Nr. 14 FPersV sind Fahrzeuge, die in einem Umkreis von 250 km vom Standort des Unternehmens zum Transport tierischer Nebenprodukte verwendet werden, von der Anwendung der Art. 5 bis 9 der Verordnung ([X.]) Nr. 561/2006 ausgenommen. Diese Ausnahmeregelung macht von der gesetzlichen Ermächtigung in § 2 Nr. 3 Buchst. a und b [X.] nicht durch Modifizierungen der Arbeitszeitgrenzen, sondern nur in Bezug auf die [X.]en, Ruhezeiten und [X.] Gebrauch. Nur darauf erstreckt sich auch die den Mitgliedstaaten in Art. 13 Abs. 1 Buchst. n der Verordnung ([X.]) Nr. 561/2006 eingeräumte Befugnis, für Fahrzeuge, die zur Beförderung von tierischen Abfällen oder von nicht für den menschlichen Verzehr bestimmten Tierkörpern verwendet werden, Abweichungen von den Art. 5 bis 9 der Verordnung zuzulassen. Die Ausnahme von den [X.]en des Art. 6 der Verordnung ([X.]) Nr. 561/2006 ist ebenfalls auf diesen Regelungsgegenstand beschränkt. Aus der Bezugnahme des Art. 6 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 561/2006 auf die [X.] folgt nichts Anderes. Nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 561/2006 darf die wöchentliche [X.] 56 Stunden nicht überschreiten und nicht dazu führen, dass die in der [X.] festgelegte wöchentliche Höchstarbeitszeit überschritten wird. Diese Bestimmung unterstreicht, dass Lenk- und Arbeitszeitregelungen nebeneinander anzuwenden sind.

dd) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage:

Ist Art. 13 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 561/2006 so auszulegen, dass eine nach dieser Vorschrift durch den Mitgliedstaat zugelassene Abweichung des Inhalts, bestimmte Fahrtätigkeiten von den Vorgaben über [X.]en des Art. 6 der Verordnung ([X.]) Nr. 561/2006 auszunehmen, zugleich zur Folge hat, dass die Regelungen über die Arbeitszeit der Personen, die diese Fahrtätigkeiten ausüben, insbesondere die Vorgaben der Richtlinie 2002/15/[X.] bzw. der zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechtsvorschriften für diese Fahrtätigkeiten nicht gelten,

gibt keinen Anlass, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] einzuholen, weil die Voraussetzungen des Art. 267 A[X.]V nicht erfüllt sind. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Art. 6 und 13 Abs. 1 der zitierten Verordnung sowie dem in Art. 2 Abs. 4 der [X.] klargestellten systematischen Verhältnis der unionsrechtlichen Lenk- und Arbeitszeitregelungen ist die aufgeworfene Frage derart offenkundig zu verneinen, dass - auch unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender mitgliedstaatlicher Gerichtsentscheidungen - keinerlei Raum für vernünftige Zweifel bleibt (acte clair, vgl. [X.], Urteile vom 6. Oktober 1982 - [X.]/81 [[X.]:[X.]:C:1982:335], [X.] - Rn. 16 ff., vom 15. September 2005 - [X.]/03 [[X.]:[X.]:C:2005:552], [X.] - Rn. 33 und vom 6. Oktober 2021 - [X.]/19 [[X.]:[X.]:C:2021:799], [X.] Rn. 39). Wie bereits dargelegt, betreffen die [X.] und die Verordnung ([X.]) Nr. 561/2006 verschiedene Regelungsgegenstände. Die in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung enthaltene Ermächtigung zu Abweichungen von Art. 6 der Verordnung deckt nur abweichende [X.] und nicht auch Arbeitszeitregelungen. Zulässige Abweichungen bezüglich der [X.] können deshalb keine Arbeitszeitvorschriften suspendieren. Diese Auslegung steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs. Danach betrifft die [X.]regelung der - inzwischen durch die Verordnung ([X.]) Nr. 561/2006 abgelösten - Verordnung ([X.]) Nr. 3820/85 nur eine der Gefahrenquellen für die Sicherheit des Straßenverkehrs, nämlich zu lange [X.]en des Fahrpersonals; sie wird durch die Richtlinie 2002/15/[X.] über die Arbeitszeit des Fahrpersonals mit Blick auf Gefahren wegen der übermäßigen Häufung anderer Tätigkeiten "sachgerecht ergänzt" ([X.], Urteil vom 9. September 2004 - [X.]/02 und [X.]/02 [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] und [X.] - [X.] und Rn. 36).

2. a) Die Widerklage ist gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 VwGO zulässig, weil der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch zusammenhängt. Beide resultieren aus demselben zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnis und finden ihren Ursprung in demselben Lebenssachverhalt. Die Widerklage ist auch als Feststellungsklage zulässig. Der Beklagte kann sich wegen der nach wie vor streitigen Befugnis, gegenüber der Klägerin die werktägliche Begrenzung der Höchstarbeitszeit durchzusetzen, auf ein berechtigtes Feststellungsinteresse berufen und ist insoweit entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Er kann nicht darauf verwiesen werden, zur Klärung des Rechtsverhältnisses einen Feststellungsbescheid zu erlassen, weil die Klägerin für diesen Fall eine weitere gerichtliche Auseinandersetzung angekündigt hat.

b) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass für Fahrer im Sinne des § 21a Abs. 1 [X.] neben der wöchentlichen Höchstarbeitszeit des § 21a Abs. 4 [X.] ergänzend auch die Begrenzung der werktäglichen Arbeitszeit gemäß § 3 [X.] gilt. § 21a Abs. 4 [X.] regelt die Höchstarbeitszeit für Fahrer und Beifahrer im Sinne des Absatzes 1 der Norm nicht abschließend, sondern trifft eine Spezialregelung, die gemäß § 21a Abs. 1 Satz 1 [X.] eine ergänzende Anwendung des § 3 [X.] unter Berücksichtigung der in § 21a Abs. 2 bis 8 [X.] geregelten Abweichungen (etwa bezüglich der Arbeitszeitdefinition gemäß § 21a Abs. 3 [X.]) zulässt. Soweit das [X.] mit Urteil vom 18. April 2012 - 5 [X.] - ([X.], 796 Rn. 21) die Auffassung vertreten hat, für Fahrer und Beifahrer im Sinne des § 21a Abs. 1 [X.] gelte nur die wöchentliche Höchstarbeitszeit des § 21a Abs. 4 [X.], nicht aber die Begrenzung der werktäglichen Arbeitszeit auf höchstens zehn Stunden gemäß § 3 Satz 2 [X.], hat der zuständige Fünfte Senat des [X.]s auf Anfrage des erkennenden Senats (BVerwG, Beschluss vom 11. November 2020 - 8 C 24.19 - [X.] 2021, 1131) gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 i.[X.]. § 4 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) vom 19. Juni 1968 ([X.] [X.]), zuletzt geändert durch Art. 144 der Verordnung vom 31. August 2015 ([X.] I S. 1474) mitgeteilt, dass er daran nicht festhält ([X.], Beschluss vom 19. Mai 2021 - 5 AS 2/21 - [X.] 2021, 1134).

aa) Der Wortlaut der Regelungen steht einem Verständnis des § 21a Abs. 4 [X.] als Spezialregelung, die gemäß § 21a Abs. 1 Satz 1 [X.] durch § 3 [X.] mit den in § 21a Abs. 2 bis 8 [X.] geregelten Abweichungen ergänzt wird, nicht entgegen. § 3 Satz 1 [X.] begrenzt die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf acht Stunden. Sie kann nach Satz 2 der Vorschrift auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. § 21a Abs. 4 Satz 1 [X.] bestimmt, dass die Arbeitszeit von Fahrern und Beifahrern im Sinne des § 21a Abs. 1 Satz 1 [X.] 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten darf. Sie kann nach § 21a Abs. 4 Satz 2 [X.] auf bis zu 60 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von vier Kalendermonaten oder 16 Wochen im Durchschnitt 48 Stunden wöchentlich nicht überschritten werden. Nach § 21a Abs. 1 Satz 1 [X.] verdrängt die in § 21a Abs. 4 [X.] getroffene Spezialregelung für Fahrer und Beifahrer andere Vorschriften des Gesetzes nur, soweit sie von diesen abweicht. Das trifft jedenfalls auf die [X.] zu, die durch § 21a Abs. 4 i.[X.]. Abs. 2 [X.] gegenüber § 3 Satz 2 [X.] modifiziert, nämlich nach Kalender- statt [X.] berechnet und verkürzt werden. Dagegen lässt sich der Formulierung des § 21a Abs. 4 [X.] nicht entnehmen, dass damit zugleich jede werktägliche Begrenzung der Höchstarbeitszeit gemäß § 3 [X.] ausgeschlossen werden soll.

bb) Die Entstehungsgeschichte des § 21a [X.] spricht gegen einen abschließenden Charakter der Regelung. Sie dient der Umsetzung der [X.], die laut Art. 1 nur Mindestvorschriften für die Gestaltung der Arbeitszeit des Fahrpersonals festlegt. Nach Art. 10 Satz 1 der Richtlinie bleibt die Befugnis der Mitgliedstaaten unberührt, günstigere Vorschriften für das Fahrpersonal zu erlassen und ein im Vergleich zur Richtlinie höheres Schutzniveau der Arbeitnehmer zu gewähren. Art. 10 Satz 2 der Richtlinie verbietet ausdrücklich, deren Umsetzung als Begründung für ein Absenken des generellen Schutzniveaus der Arbeitnehmer heranzuziehen.

Dementsprechend ging der nationale Gesetzgeber bei Erlass des § 21a [X.] davon aus, dass dessen Absatz 4 die wöchentliche Höchstarbeitszeit des Fahrpersonals "ergänzend zu § 3" des Gesetzes regele. "Neben" der dort normierten werktäglichen Höchstarbeitszeit dürfe die Höchstarbeitszeit pro Woche 48 Stunden nicht übersteigen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des [X.], Bau und Stadtentwicklung vom 31. Mai 2006, [X.]. 16/1685 S. 13). Auch im Übrigen hielt er nur einige Anpassungen - etwa bei der Definition der Woche (vgl. § 21a Abs. 2 [X.]; Art. 3 Buchst. g der [X.]) - für erforderlich, weil das [X.] im Wesentlichen bereits den Vorgaben der [X.] entspreche ([X.]. 16/1685 S. 12). Er ließ damit deutlich erkennen, dass er den bislang durch das [X.] gewährten Schutz für die von der [X.] erfassten Arbeitnehmer nicht aus Anlass der [X.] absenken, sondern die über das Schutzniveau der Richtlinie hinausgehende Höchstarbeitszeitregelung auch für diese [X.] beibehalten wollte. Andernfalls würde die werktägliche zeitliche Inanspruchnahme solcher Arbeitnehmer nur durch die Lenk- und Ruhezeitenregelungen begrenzt. Danach dürfte die tägliche [X.] bis zu zweimal wöchentlich von höchstens neun auf höchstens zehn Stunden verlängert werden, ohne dass am selben Tag eine Beschäftigung mit außerhalb der [X.] zu erbringenden, nach § 2 Abs. 1 i.[X.]. § 21a Abs. 3 [X.] ebenfalls als Arbeitszeit anzurechnenden anderen Arbeiten ausgeschlossen wäre (vgl. § 1 Abs. 1 [X.] i.[X.]. Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 561/2006).

cc) Der systematische Zusammenhang spricht ebenfalls für eine ergänzende Anwendbarkeit des § 3 [X.]. Nach § 21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 [X.] kann in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung zugelassen werden, die Arbeitszeit abweichend von Absatz 4 sowie den §§ 3 und 6 Abs. 2 festzulegen, wenn objektive, technische oder arbeitszeitorganisatorische Gründe vorliegen. Das setzt voraus, dass § 3 [X.] für die in den Anwendungsbereich des § 21a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 [X.] fallenden Fahrer und Beifahrer gilt.

Dies führt nicht zu systematischen Widersprüchen. Die Begrenzung der werktäglichen Höchstarbeitszeit auf zehn Stunden gemäß § 3 Satz 2 [X.] vermittelt den Fahrern auch, wenn die Modifizierung des Arbeitszeitbegriffs durch § 21a Abs. 3 [X.] berücksichtigt wird, einen über die Begrenzung der kalenderwöchentlichen Höchstarbeitszeit gemäß § 21a Abs. 4 [X.] hinausgehenden Schutz.

dd) Für die ergänzende Anwendbarkeit des § 3 [X.] und gegen dessen völlige Verdrängung durch § 21a Abs. 4 [X.] sprechen schließlich Sinn und Zweck der Regelungen. Die im [X.] eingeführte werktägliche Regelarbeitszeit von acht Stunden dient dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. Bei Erlass des [X.]es 1994 hielt der Gesetzgeber an dem Grundsatz des [X.] ausdrücklich fest, weil er nach den bisherigen arbeitswissenschaftlichen und arbeitsmedizinischen Erkenntnissen und Erfahrungen eine gesetzliche Regelung der täglichen Höchstarbeitszeit zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer für erforderlich hielt (vgl. den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung und Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts - Arbeitszeitrechtsgesetz - vom 13. Oktober 1993 - [X.]. 12/5888 S. 20, 22, insbesondere [X.]). Diese Überlegungen trafen und treffen auch auf das Fahrpersonal zu. Dessen Gesundheit wird - ebenso wie die anderer Arbeitnehmer - durch eine über die Grenzen des § 3 [X.] hinausgehende werktägliche Arbeitszeit beeinträchtigt. Außerdem wirkt sich eine Überbeanspruchung bei Übermüdung auch auf die Straßenverkehrssicherheit aus. Dass die [X.] unter anderem bezweckt, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden (vgl. Erwägungsgrund 10 und Art. 1 der Richtlinie), steht der ergänzenden Anwendung des § 3 [X.] nicht entgegen. Art. 1 und 10 der [X.] lassen keinen Zweifel daran, dass Wettbewerbsverzerrungen nicht durch ein Absenken des Schutzstandards beseitigt werden sollen, sondern durch die Gewährleistung unionsweit gleicher Mindeststandards ohne Reduzierung des mitgliedstaatlich bereits erreichten Schutzniveaus.

ee) Die ergänzende Anwendbarkeit der Regelung der werktäglichen Höchstarbeitszeit gemäß § 3 [X.] nach Maßgabe der in § 21a Abs. 2 bis 8 [X.] normierten Abweichungen auf Fahrer und Beifahrer im Sinne des § 21a Abs. 1 [X.] steht mit [X.]srecht im Einklang. Die Hinweise des [X.]s auf mögliche Bedenken ([X.], Beschluss vom 19. Mai 2021 - 5 AS 2/21 - [X.] 2021, 1134 Rn. 17 f.) und die von der Klägerin aufgeworfene, diese Hinweise aufnehmende Frage:

Kann eine nationale Regelung wie § 21[a] Abs. 1, Abs. 4 des [X.]es ([X.]), die für Arbeitnehmer, die Fahrtätigkeiten im Bereich des [X.] ausüben, neben der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nach Art. 4 der Richtlinie 2002/15/[X.] des [X.] und des Rates vom 11. März 2002 eine tägliche Höchstarbeitszeit von 8 Stunden (unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 10 Stunden) vorgibt, eine besser schützende Rechtsvorschrift im Sinne des Art. 10 S. 1 der Richtlinie 2002/15/[X.] sein, angesichts des Umstands, dass

1. keine Belege (z.B. medizinische Untersuchungen) existieren, die tatsächliche Verbesserungen des Gesundheitsschutzes belegen; und

2. es für selbstständige Kraftfahrer an einer entsprechenden Regelung fehlt und insoweit - wie durch § 3 des [X.] von selbständigen Kraftfahrern geschehen - nur die wöchentliche Höchstarbeitszeit entsprechend des Art. 4 der Richtlinie 2002/15/[X.] gilt?

geben nach der aktuellen, teils erst nach der Entscheidung des [X.]s ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] keinen Anlass, eine Vorabentscheidung gemäß Art. 267 A[X.]V einzuholen.

Danach ist das in letzter Instanz entscheidende einzelstaatliche Gericht nicht zur Vorlage verpflichtet, wenn die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, die Vorschrift des [X.]srechts bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder die richtige Auslegung des [X.]srechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (stRspr, vgl. zuletzt [X.], Urteil vom 6. Oktober 2021 - [X.]/19, [X.] - Rn. 33 m.w.N.). Dabei sind die Eigenheiten des [X.]srechts, die besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und die Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der [X.] zu berücksichtigen. Wird dem in letzter Instanz entscheidenden einzelstaatlichen Gericht das Vorliegen voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen - von Gerichten ein und desselben Mitgliedstaats oder zwischen Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten - zur Auslegung einer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Vorschrift des [X.]srechts zur Kenntnis gebracht, muss es bei seiner Beurteilung zwar besonders sorgfältig vorgehen und dabei insbesondere das mit dem Vorabentscheidungsverfahren angestrebte Ziel, die einheitliche Auslegung des [X.]srechts zu gewährleisten, berücksichtigen ([X.], Urteil vom 6. Oktober 2021 - [X.]/19, [X.] - Rn. 49). Die Verpflichtung zur Vorlage gemäß Art. 267 Abs. 3 A[X.]V kann hingegen entfallen, wenn eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs vorliegt, durch die die betreffende Rechtsfrage gelöst ist, gleich in welcher Art von Verfahren sich diese Rechtsprechung gebildet hat, und selbst dann, wenn die strittigen Fragen nicht vollkommen identisch sind ([X.], Urteil vom 6. Oktober 2021 - [X.]/19, [X.] - Rn. 36 m.w.N.). So liegt es hier.

Nach Art. 10 der [X.] ("Günstigere Vorschriften") berührt diese Richtlinie nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, die Sicherheit und Gesundheit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des [X.] ausüben, besser schützende Rechts- oder Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder einzuführen. Die Vorschrift lässt über die in der Richtlinie festgelegten Mindestvorschriften für die Gestaltung der Arbeitszeit (vgl. Art. 1 [X.]) hinaus günstigere Regelungen durch den nationalen Gesetzgeber zu. Im Bereich der Sozialpolitik besteht nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. b A[X.]V eine geteilte Zuständigkeit zwischen der [X.] und den Mitgliedstaaten. Beide können in diesem Bereich gemäß Art. 2 Abs. 2 A[X.]V gesetzgeberisch tätig werden und zu diesem Zweck durch Richtlinien Mindestvorschriften erlassen, welche die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu treffen, die mit den Verträgen vereinbar sind (Art. 153 Abs. 2 Buchst. b i.[X.]. Abs. 1 Buchst. a, Abs. 4 A[X.]V).

Der Gerichtshof der [X.] hat zu Art. 15 der Richtlinie 2003/88/[X.] des [X.] und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, wonach das Recht der Mitgliedstaaten unberührt bleibt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere nationale Vorschriften anzuwenden, bereits entschieden, dass diese Vorschrift den Mitgliedstaaten keine im Recht der [X.] begründete [X.] verleiht, sondern sich darauf beschränkt, ihre nach nationalem Recht bestehende Befugnis anzuerkennen, solche günstigeren Bestimmungen außerhalb des durch die Richtlinie geschaffenen Regelungsrahmens vorzusehen ([X.], Urteil vom 19. November 2019 - [X.]/17 und [X.]/17 [[X.]:[X.]:C:2019:981], [X.], [X.] - Rn. 49, unter Hinweis auf das Urteil vom 10. Juli 2014 - [X.]/13 [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] u.a. - Rn. 44). Entsprechendes gilt für die weitgehend identische Bestimmung des Art. 10 der [X.]. Sie erkennt die nach nationalem Recht bestehende Befugnis der Mitgliedstaaten an, besser schützende Bestimmungen außerhalb des durch die Richtlinie geschaffenen Regelungsrahmens vorzusehen.

Als solche Regelungen sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Arbeitszeit- und Arbeitsschutzrecht alle Vorschriften einzuordnen, die strengere - und deshalb für den Arbeitenden günstigere, ihn besser schützende - Anforderungen stellen als die unionsrechtlichen Mindestvorschriften, ohne sonstige Bestimmungen der Richtlinie oder deren Kohärenz und Ziele zu beeinträchtigen ([X.], Urteil vom 19. November 2019 - [X.]/17 und [X.]/17, [X.], [X.] - Rn. 50 f. u. 53). Dies trifft auf § 3 [X.] bei ergänzender Anwendung auf Fahrer und Beifahrer im Sinne des § 21a Abs. 1 [X.] nach Maßgabe der in § 21a Abs. 2 bis 8 [X.] geregelten Abweichungen zu. Damit wird die Regelung der kalenderwöchentlichen Höchstarbeitszeit durch eine Regelung der werktäglichen Höchstarbeitszeit vervollständigt, die das Fahrpersonal im Sinne des § 21a Abs. 1 Satz 1 [X.] bei abhängiger Beschäftigung davor schützt, dass ihm innerhalb des kalenderwöchentlichen Arbeitszeitrahmens an einzelnen Werktagen - vorbehaltlich im [X.] zugelassener Ausnahmen - mehr als zehn Stunden werktäglicher Arbeitszeit abverlangt werden. Unabhängig von der arbeitsmedizinischen Begründung dieser Verstärkung des [X.] liegt in der Erhöhung der Schutzanforderungen gegenüber den unionsrechtlichen, nur die Wochenarbeitszeit begrenzenden Richtlinienvorgaben eine günstigere Regelung, die sich oberhalb des von Art. 4 der [X.] festgelegten Mindestschutzes und damit außerhalb des Regelungsrahmens der Richtlinie bewegt. Danach bedarf keiner Aufklärung, ob - wie die Klägerin behauptet - arbeitsmedizinische Belege für eine tatsächlich bessere Schutzwirkung fehlten (zu gegenteiligen, im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigten und späteren arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen vgl. etwa Kohte, AuR 2019, 402, 406). Ebenso wenig muss der Frage nachgegangen werden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die [X.] des mitgliedstaatlichen Gesetzgebers beim Erlass von Regelungen unionsrechtlich begrenzt sein könnte, wenn die mitgliedstaatliche Regelung - anders als hier - in den Anwendungsbereich einer einschlägigen unionsrechtlichen Richtlinie fiele.

Die Beschränkung der ergänzenden Anwendbarkeit des § 3 [X.] auf Fahrer und Beifahrer im Sinne des § 21a Abs. 1 Satz 1 [X.], die als Arbeitnehmer tätig sind, verletzt nicht den unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 20 der Grundrechtecharta (GRC). Art. 10 Satz 1 der [X.] erfasst zwar mit der Formulierung "Personen, die Fahrtätigkeiten ... ausüben" nach Art. 3 Buchst. f der Richtlinie nicht nur die als Arbeitnehmer tätigen, sondern auch die selbständigen Kraftfahrer, für die das nationale Recht eine Anwendbarkeit der werktäglichen Höchstarbeitszeit des § 3 [X.] nicht vorsieht. [X.] gilt die [X.] nach deren Art. 51 Abs. 1 für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der [X.]. Sie dehnt nach ihrem Art. 51 Abs. 2 GRC den Geltungsbereich des [X.]srechts nicht über die Zuständigkeiten der [X.] hinaus aus und begründet weder neue Zuständigkeiten oder neue Aufgaben für die [X.], noch ändert sie die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben. Der bloße Umstand, dass nationale Maßnahmen zu einem Bereich gehören, in dem die [X.] über Zuständigkeiten verfügt, führt nicht dazu, dass sie in den Anwendungsbereich des [X.]srechts fallen und die [X.] anwendbar wird ([X.], Urteil vom 19. November 2019 - [X.]/17 und [X.]/17, [X.], [X.] - Rn. 42 und 46). Die über den Mindestschutz des Art. 4 der [X.] hinausgehende ergänzende Anwendbarkeit des § 3 [X.] auf Kraftfahrer, die als Arbeitnehmer tätig sind, fällt nach der oben erläuterten Rechtsprechung des Gerichtshofs als "besser schützende Regelung" nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie und stellt keine Durchführung des [X.]srechts dar, sondern beruht auf der den Mitgliedstaaten verbliebenen originären Zuständigkeit. Sie wird daher auch nicht vom Anwendungsbereich der [X.] umfasst, so dass deren Bestimmungen nicht zur rechtlichen Beurteilung herangezogen werden können (vgl. [X.], Urteil vom 19. November 2019 - [X.]/17 und [X.]/17, [X.], [X.] - Rn. 52 f.). Dass Art. 10 der [X.] die mitgliedstaatliche Befugnis zur Gestattung oder Förderung der Anwendung tariflicher, die Sicherheit und Gesundheit des (nach der Legaldefinition in Art. 3 Buchst. d der Richtlinie abhängig beschäftigten) Fahrpersonals besser schützender Regelungen hervorhebt und Art. 15 der Richtlinie 2003/88/[X.] nur von günstigeren Vorschriften zum Schutz von Arbeitnehmern spricht, deutet im Übrigen darauf hin, dass eine völlige arbeitszeitrechtliche Gleichbehandlung von abhängig beschäftigten und selbständigen Kraftfahrern unionsrechtlich nicht geboten ist. Sachlich zu rechtfertigen ist dies und die bislang auch im nationalen Recht unvollständige Gleichbehandlung beider Kraftfahrergruppen mit der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers gegenüber abhängig Beschäftigten, die weitergehende Einschränkungen ihrer Zeitgestaltung ermöglicht als diejenigen, denen - de jure - selbständige Kraftfahrer unterliegen.

Der ergänzenden Anwendung des § 3 [X.] auf die Fahrer und Beifahrer der Klägerin im Sinne des § 21a Abs. 1 Satz 1 [X.] nach Maßgabe der in Absatz 2 bis 8 dieser Vorschrift geregelten Abweichungen steht die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 A[X.]V) nicht entgegen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Klägerin nicht grenzüberschreitend tätig und weist die Streitsache auch keine anderen grenzüberschreitenden Bezüge auf, so dass eine Anwendung der mitgliedstaatlichen Regelung hier nicht an den Grundfreiheiten zu messen ist. Unabhängig davon bestehen keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit und Kohärenz einer Ergänzung der arbeitnehmerschützenden Regelung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit durch eine Begrenzung der werktäglichen Arbeitszeit.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

8 C 24/19

16.12.2021

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 10. Oktober 2019, Az: 4 A 1334/17, Urteil

Art 20 EUGrdRCh, Art 51 Abs 2 EUGrdRCh, Art 2 Abs 2 AEUV, Art 4 Abs 2 Buchst b AEUV, Art 2 Abs 1 Buchst a EGV 561/2006, Art 2 Abs 4 EGV 561/2006, Art 3 EGV 561/2006, Art 6 Abs 2 EGV 561/2006, Art 13 Abs 1 Buchst n EGV 561/2006, Art 2 Abs 4 EGRL 15/2002, Art 3 Buchst a Abs 1 Nr 1 EGRL 15/2002, Art 3 Buchst a Abs 2 EGRL 15/2002, § 2 Abs 1 S 1 ArbZG, § 3 S 1 ArbZG, § 3 S 2 ArbZG, § 21a Abs 1 S 1 ArbZG, § 21a Abs 1 S 2 ArbZG, § 21a Abs 4 ArbZG, § 21a Abs 6 S 1 Nr 2 S 1 ArbZG, Art 10 EGRL 15/2002, § 2 Nr 3 Buchst a FahrpersStG, § 2 Nr 3 Buchst b FahrpersStG, § 18 Abs 1 Nr 14 FPersV, § 89 Abs 1 S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.12.2021, Az. 8 C 24/19 (REWIS RS 2021, 238)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 238

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