Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.12.2016, Az. VIII ZR 70/16

8. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 1265

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Gegenstand

Begründung von Wohnungseigentum an der Mietwohnung: Voraussetzungen für die Entstehung des Vorkaufsrechts des Mieters


Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] ([X.]) vom 24. Februar 2016 aufgehoben und das Urteil des [X.] vom 12. Mai 2015 im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger begehren von der [X.], ihrer ehemaligen Vermieterin, Schadensersatz mit der Behauptung, diese habe ihr Vorkaufsrecht vereitelt.

2

Die Kläger mieteten mit Vertrag vom 23. November 2010 eine Dachgeschosswohnung in einem im Eigentum der [X.] stehenden Zehnfamilienhaus in [X.]                   an. Am vertraglich vereinbarten Mietbeginn (15. Dezember 2010) wurde den Klägern die Wohnung auch überlassen.

3

Bereits vor Abschluss des Mietvertrags mit den Klägern hatte die Beklagte mit notarieller Teilungserklärung vom 28. September 2010 die Umwandlung des Anwesens, in dem sich die angemietete Wohnung befindet, zu Wohnungseigentum erklärt. Am 16. Dezember 2010 veräußerte die Beklagte die künftigen zehn Wohnungen an [X.]und [X.]     . Der Kaufpreis für die Dachgeschosswohnung nebst Stellplatz belief sich auf 207.000 €. Die Anlage des Wohnungsgrundbuchs und die Eintragung der [X.] als Eigentümer der zehn Wohnungen erfolgten kurze [X.] später am 23. Dezember 2010. Am 18. Oktober 2011 wurde [X.]     als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom 28. November 2012 bot die Beklagte, vertreten durch ihren Geschäftsführer [X.]    , dem Kläger zu 1 den Kauf der Dachgeschosswohnung nebst Stellplatz zum Preis von 224.000 € an; dieser nahm das Angebot nicht an. Die Wohnung wurde sodann anderweitig veräußert. Der neue Eigentümer teilte den Klägern auf Anfrage mit, er wolle die Wohnung künftig selbst nutzen. Daraufhin kündigten die Kläger das Mietverhältnis fristgemäß.

4

Mit der Klage haben die Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von 11.422,10 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Sie sind der Auffassung, die Beklagte habe das ihnen als Mieter zustehende Vorkaufsrecht vereitelt; sie sei ihnen deshalb zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet.

5

Das Amtsgericht hat der Klage, unter deren Abweisung im Übrigen, in Höhe von 6.161,60 € nebst Zinsen stattgegeben. Die Berufung der [X.] ist beim [X.] erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr auf vollständige Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat Erfolg.

I.

7

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung vor Erlass des [X.] vom 6. April 2016 ([X.], [X.], 540) ergangen ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

8

Zu Recht habe das Amtsgericht einen Schadensersatzanspruch der Kläger aus § 280 Abs. 1, § 577 Abs. 1, § 469 Abs. 1 Satz 1 BGB bejaht, da die Beklagte ihre gesetzliche Verpflichtung, die Kläger beim Abschluss des Kaufvertrages vom 16. Dezember 2010 über das ihnen zustehende [X.]srecht zu informieren, verletzt habe.

9

Nach § 469 Abs.1 Satz 1 BGB habe der Verpflichtete dem [X.] den Inhalt des mit dem [X.] unverzüglich mitzuteilen. Gemäß § 577 Abs. 1 BGB sei der Mieter zum [X.] berechtigt, wenn vermietete Räume, an denen nach Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden sei oder begründet werden solle, an einen [X.] verkauft würden. Diese gesetzlichen Voraussetzungen lägen im Streitfall vor.

Dem stehe nicht entgegen, dass die Teilungserklärung bereits am 28. September 2010 und damit vor Abschluss des Kaufvertrages (16. Dezember 2010) und Überlassung der Mietsache (15. Dezember 2010) beurkundet worden sei. Denn entscheidend sei der Zeitpunkt des abgeschlossenen Vollzugs der Umwandlung in Wohnungseigentum. Dieser sei mit der Anlage der [X.], also hier mit der Eintragung am 23. Dezember 2010, wirksam erfolgt. Dieser Zeitpunkt liege nach dem Einzug der klagenden Mieter.

Da die Vorschrift des § 577 BGB der Stärkung der Mieterrechte diene, müsse deren Schutzbereich auch diejenigen Fälle erfassen, in denen - wie im Streitfall - bereits ein Teil des Umwandlungsvorgangs, nämlich die Beurkundung der Teilungserklärung, vor der Überlassung der Mietsache erfolge, der maßgebliche Vollzug aber erst danach.

II.

Diese Begründung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Den Klägern steht der geltend gemachte Schadenersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 577 Abs. 1 Satz 1, § 469 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu. Ihnen musste der Verkauf der Dachgeschosswohnung vom 16. Dezember 2010 nicht gemäß § 469 Abs. 1 Satz 1 BGB offen gelegt werden, da ein [X.]srecht an der Wohnung nach § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht bestand. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts ist von Rechtsirrtum beeinflusst.

1. Der Mieter ist nach § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB unter zwei - gleichberechtigt nebeneinander stehenden - Alternativen zum [X.] berechtigt. Voraussetzung der ersten Alternative ist, dass nach der Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist und dieses dann an einen [X.] verkauft wird ([X.]surteil vom 6. April 2016 - [X.], aaO Rn. 23 [zum [X.]srecht an einer in demselben Objekt gelegenen Wohnung]; [X.], Urteil vom 22. November 2013 - [X.], [X.]Z 199, 136 Rn. 5). Nach der zweiten Alternative ist die Entstehung eines [X.]srechts davon abhängig, dass nach der Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet werden soll und das zukünftige Wohnungseigentum an einen [X.] verkauft wird. Gegenstand des [X.]srechts ist in diesem Fall ein sachenrechtlich noch nicht vorhandenes, aber in seiner Entstehung bereits angelegtes Wohnungseigentum. Das [X.]srecht des Mieters entsteht in einem solchen Fall nur dann, wenn sich der Veräußerer beim Verkauf des noch ungeteilten Grundstücks gegenüber dem [X.] zur Durchführung der Aufteilung nach § 8 WEG verpflichtet und ferner die von dem [X.]srecht erfasste künftige Wohneinheit in dem Vertrag bereits hinreichend bestimmt oder bestimmbar ist ([X.]surteil vom 6. April 2016 - [X.], aaO Rn. 24 mwN).

2. Im Streitfall sind die Voraussetzungen beider Alternativen des § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht erfüllt.

a) Das Berufungsgericht hat allerdings im Ansatz richtig gesehen, dass die Entstehung des [X.]srechts nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht daran scheitert, dass die Beklagte bereits am 28. September 2010 und damit vor der am 15. Dezember 2010 erfolgten Überlassung der Mietsache an die Kläger (und sogar schon vor Abschluss des Mietvertrags vom 23. November 2010) die für die Aufteilung in Wohnungseigentum erforderliche Teilungserklärung (§ 8 WEG) hat notariell beurkunden lassen. Dies ändert nichts daran, dass Wohnungseigentum erst nach Überlassung der Wohnräume an die Kläger begründet worden ist. Denn die Teilung ist gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 WEG erst mit dem dinglichen Vollzug, der hier am 23. Dezember 2010 mit der Anlegung der [X.] erfolgte, wirksam geworden ([X.]surteil vom 6. April 2016 - [X.], aaO Rn. 26).

b) Das Berufungsgericht hat jedoch übersehen, dass es für die Entstehung eines [X.]srechts nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht ausreicht, wenn nach der Überlassung der Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass der Abschluss des Kaufvertrags mit dem [X.] der Begründung von Wohnungseigentum zeitlich nachfolgt. Wird dieses erst nach dem Verkauf an den [X.] begründet, scheidet ein [X.]srecht aus ([X.], Urteil vom 22. November 2013 - [X.], aaO Rn. 5; [X.]surteil vom 6. April 2016 - [X.], aaO Rn. 28).

c) So verhält es sich auch im Streitfall. Die notarielle Beurkundung des Kaufvertrags zwischen der Beklagten und den Erwerbern fand am 16. Dezember 2010 statt. Wohnungseigentum wurde erst danach mit der am 23. Dezember 2010 erfolgten Eintragung der Teilungserklärung in das Grundbuch begründet. Es wurde also nicht - wie von § 577 Abs.1 Satz 1 Alt. 1 BGB vorausgesetzt - eine Wohnung verkauft, an der bereits vor Abschluss des Kaufvertrags Wohnungseigentum entstanden war.

d) Auch die Voraussetzungen des § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB sind, wie die Revision zu Recht geltend macht, im Streitfall nicht erfüllt, weil die Absicht, Wohnungseigentum zu begründen, nicht erst nach der Überlassung an den Mieter gefasst und dokumentiert worden ist.

aa) Der [X.] hat in der bereits erwähnten, den Verkauf einer anderen Wohnung desselben Hauses betreffenden Entscheidung vom 6. April 2016 ([X.], aaO Rn. 30 ff.) ausgeführt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers dem Mieter durch die Regelung des § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zwar (auch) ein [X.]srecht an künftig entstehendem Wohnungseigentum gesichert werden soll, das Entstehen des [X.]srechts aber nicht an geringere Voraussetzungen geknüpft sein sollte, als im Falle bereits begründeten Wohnungseigentums nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Das Gesetz gibt in beiden Alternativen des § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB eine zeitliche Abfolge der Geschehnisse vor, die nur bei deren strikter Einhaltung zu der Entstehung eines [X.]srechts führt. Soweit es um die künftige Begründung von Wohnungseigentum geht (§ 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB), muss die Absicht hierzu nach außen dokumentiert werden. Diese Bekundung nach außen ist regelmäßig in der notariellen Beurkundung der Teilungserklärung zu sehen ([X.]surteil vom 6. April 2016 - [X.], aaO Rn. 42 f.). Um ein [X.]srecht des Mieters entstehen zu lassen, muss die Überlassung an den Mieter indes nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zeitlich vor der nach außen dokumentierten Absicht, Wohnungseigentum begründen zu wollen, erfolgt sein. Daran fehlt es im Streitfall. Denn die Beurkundung der Teilungserklärung erfolgte am 28. September 2010, mithin bereits mehrere Monate vor dem Abschluss des Mietvertrags mit den Klägern (23. November 2010) und deren Besitzerlangung am vertraglich vereinbarten Tag des [X.] (15. Dezember 2010).

bb) Soweit die Revisionserwiderung geltend macht, die die Entstehung eines [X.]srechts des Mieters nach § 577 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB betreffenden Ausführungen des [X.]s im Urteil vom 6. April 2016 ([X.], aaO) stünden insoweit in Widerspruch zu den diesbezüglich im Urteil vom 22. November 2013 ([X.], aaO) angestellten Erwägungen des [X.], als der [X.] für die hinreichende Absicht des Vermieters, Wohnungseigentum zu begründen, die notarielle Beurkundung der Teilungserklärung ausreichen lasse, während der [X.] zusätzlich eine aus dem Kaufvertrag mit dem [X.] folgende Verpflichtung des Verkäufers zum Vollzug der Aufteilung verlange, trifft dies nicht zu.

Der [X.] hat in der herangezogenen Entscheidung nicht etwa ausgesprochen, dass die Absicht zur Begründung von Wohnungseigentum erst dann hinreichend manifest sei, wenn ein Kaufvertrag mit dem [X.] geschlossen werde. Er hat vielmehr in Abgrenzung von sogenannten "Erwerbermodellen" ausgesprochen, dass für das Entstehen des [X.]srechts in diesen Fällen die bloße Veräußerung an den [X.] nicht ausreicht, sondern dieses nur dann entstehen kann, wenn sich der veräußernde Vermieter zusätzlich zur Begründung von Wohnungseigentum verpflichtet, nicht jedoch, wenn erst die Erwerber Wohnungseigentum begründen sollen ([X.], Urteil vom 22. November 2013 - [X.], aaO Rn. 17). Dass der Kaufvertrag mit dem [X.] von dem Veräußerer bereits vor der Überlassung an den Mieter erfolgen müsste, um eine hinreichende Absicht, Wohnungseigentum zu begründen, annehmen zu können, lässt sich der Entscheidung hingegen nicht entnehmen (vgl. [X.]surteil vom 6. April 2016 - [X.], aaO Rn. 44) .

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] entscheidet in der Sache selbst, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt auf die Berufung der Beklagten zur Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist. Mangels Bestehen eines [X.]srechts ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Dr. Milger        

       

Dr. Achilles        

       

Dr. Schneider

       

Dr. Fetzer        

       

Dr. Bünger        

       

Meta

VIII ZR 70/16

07.12.2016

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Frankenthal, 24. Februar 2016, Az: 2 S 253/15, Urteil

§ 577 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB, § 577 Abs 1 S 1 Alt 2 BGB, § 8 WoEigG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.12.2016, Az. VIII ZR 70/16 (REWIS RS 2016, 1265)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1265

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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