Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.01.2018, Az. XI ZR 402/16

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 15986

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[X.]:[X.]:BGH:2018:090118UXIZR402.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
XI ZR 402/16
Verkündet am:
9.
Januar 2018
Herrwerth
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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2
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Der XI. Zivilsenat des [X.] hat gemäß §
128 Abs.
2 ZPO im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 12.
Dezember 2017 eingereicht werden konnten, durch den Vizepräsidenten Prof.
Dr.
Ellenberger, die Richter Dr.
Joeres und Dr.
Matthias sowie die Richterinnen Dr.
Menges und Dr.
Dauber
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 13.
Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 22.
Juni 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob sich ein zwischen ihnen bestehender Verbraucherdarlehensvertrag aufgrund des von den Klägern erklärten Widerrufs ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat.
Die Parteien schlossen am 26.
Juni 2006 einen grundpfandrechtlich ge-sicherten Darlehensvertrag über 225.000

zum 28.
Februar 2009. Der bis zum 28.
Februar 2019 festgeschriebene [X.] lag bei 4,68% p.a. Die Beklagte belehrte die Kläger auf zwei aufeinan-der folgenden Seiten über ihr Widerrufsrecht wie folgt:
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Die Kläger nahmen das Darlehen in Anspruch. Unter dem 26.
Juni 2014 widerriefen sie ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenser-klärungen.
Ihrem Antrag festzustellen, dass der Darlehensvertrag der Parteien "[X.] wirksamen Widerrufes der Kläger" gemäß Schreiben vom 26.
Juni 2014 "rückabzuwickeln" sei, hat das [X.] entsprochen. Den Antrag der Klä-ger, die Beklagte außerdem zur Erstattung vorgerichtlich verauslagter Rechts-anwaltskosten zu verurteilen, hat es abgewiesen. Zugleich hat es die Kläger auf die Hilfswiderklage der Beklagten, die die Beklagte nach [X.] mit eigenen, aus einem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Ansprüchen unter die aufschiebende Bedingung gestellt hat, "dass das Gericht den Widerruf der Kläger hinsichtlich ihrer auf den Abschluss des streitgegenständlichen [X.] gerichteten Willenserklärung für wirksam" erachte, verurteilt, an die Beklagte 200.549,15

o-zentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.
März 2015 zu zahlen. Die wei-tergehende Hilfswiderklage der Beklagten hat das [X.] abgewiesen.
Auf die Berufung nur der Beklagten hat das Berufungsgericht das land-gerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Kläger, mit der sie ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Beklagten weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe:
Die Revision
der Kläger hat Erfolg.

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I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Es könne dahinstehen, ob die von den Klägern erhobene Feststellungs-klage zulässig sei. Jedenfalls sei sie unbegründet. Zwar habe die Beklagte die Kläger undeutlich über das ihnen zustehende Widerrufsrecht belehrt. Der Aus-übung des Widerrufsrechts stehe aber der Einwand der unzulässigen
Rechts-ausübung entgegen. Zwar seien für die Ausübung des Widerrufsrechts die Mo-tive des [X.] grundsätzlich ohne Bedeutung. Ausnahmsweise greife aber der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ein, wenn die objektiv zu ermittelnden Zwecke der Ausübung des Rechts in keinem Zusammenhang mit dem Telos der Norm stünden, die dem Verbraucher dieses Widerrufsrecht [X.], und der betroffene Unternehmer schutzwürdig sei. Der Widerruf habe hier dem Zweck gedient, den Klägern eine günstigere Anschlussfinanzierung nach Maßgabe des heutigen Zinsniveaus zu ermöglichen. Es gehe mithin um einen Fall sehr später Vertragsreue aufgrund gewandelter wirtschaftlicher [X.]. Damit liege ein besonders eindeutiger Fall des Rechtsmissbrauchs vor. Dass die Ausübung des Widerrufsrechts rechtsmissbräuchlich sei, werde dadurch bestätigt, dass die sonstigen, vom Bürgerlichen Gesetzbuch zur Verfü-gung gestellten Instrumentarien zur Lösung von einem Vertrag oder zu dessen Anpassung an gewandelte Verhältnisse hier eindeutig nicht zur Anwendung kämen. Die bei Vertragsschluss offenbar falsche Erwartung der Kläger zur [X.] Entwicklung des Zinsniveaus trage eine Anfechtung zweifelsfrei nicht, da es sich um einen Motivirrtum handele. §§
313, 314 BGB seien nicht anwendbar. Das Verwendungs-
und Prognoserisiko sei vertraglich eindeutig dem Darle-hensnehmer zugewiesen.
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Die Beklagte sei hinreichend schutzwürdig, so dass bei einer Gesamt-abwägung der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begründet sei. Ihre Schutzwürdigkeit sei danach zu bemessen, wie gravierend die Mängel der [X.] seien. Im konkreten Fall seien die Mängel nicht gravierend genug, um die Beklagte nicht mehr als schutzwürdig anzusehen.

II.
Diese Ausführungen
halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung in ei-nem wesentlichen Punkt nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt richtig erkannt, den [X.] sei gemäß §
495
Abs.
1 BGB das Recht zugekommen, ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen nach §
355 Abs.
1 und
2 BGB in der hier nach Art.
229 §
9 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, §
22 Abs.
2, §§
32, 38 Abs.
1 Satz
1 EGBGB maßgeblichen, zwischen dem 1.
August 2002 und dem 10.
Juni 2010 geltenden Fassung zu widerrufen. Die Widerrufsfrist war, was das Berufungsgericht
weiter zutreffend gesehen hat, bei Erklärung des Widerrufs noch nicht abgelaufen, weil die Beklagte die Kläger durch die Verwendung des Worts "frühestens" undeutlich über die Voraussetzungen für den [X.] hat. Darüber hinaus hat die Beklagte die Kläger mittels des "Besondere[n] Hinweis[es]" unzutreffend über die Bedingungen für ein Erlöschen des Wider-rufsrechts unterrichtet (Senatsurteil vom 10.
Oktober 2017
XI
ZR
455/16, juris Rn.
18). Da die Beklagte das Muster für die Widerrufsbelehrung in
der hier maßgeblichen, zwischen dem 8.
Dezember 2004 und dem 31.
März 2008 gel-tenden Fassung der Anlage
2 zu §
14 Abs.
1 und
3 [X.] nicht verwandt hat, kann sie sich auf dessen Gesetzlichkeitsfiktion nicht berufen.
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2. Die Ausführungen
des Berufungsgerichts zu einer rechtsmissbräuchli-chen Ausübung des Widerrufsrechts weisen indessen Rechtsfehler auf. Sie wi-dersprechen dem Grundsatz, dass ein Verstoß des [X.] gegen §
242 BGB nicht daraus hergeleitet werden kann, der vom Gesetzgeber mit der [X.] intendierte Schutzzweck sei für die Ausübung des Widerrufsrechts nicht leitend gewesen (Senatsurteil vom 12.
Juli 2016

XI
ZR
564/15, BGHZ
211, 123 Rn.
47 [X.]). Im Übrigen hängt das Ergebnis einer Subsumtion unter § 242 BGB nicht davon ab, wie gewichtig der Beleh-rungsfehler ist (Senatsurteil vom 12.
Juli 2016, aaO, Rn.
40).

III.
Das Berufungsurteil unterliegt mithin der Aufhebung (§
562 ZPO), da es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§
561 ZPO). Da
der Senat der dem Tatrichter
obliegenden Würdigung der konkreten Umstände nach §
242 BGB nicht vorgreifen kann (st. Rspr., vgl. zuletzt nur Senatsurteil vom 10.
Oktober 2017

XI
ZR
393/16, WM
2017, 2247 Rn.
11 [X.]), verweist er die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsge-richt zurück (§
563 Abs.
1 ZPO).
Vor einer neuerlichen Befassung mit §
242 BGB wird das Berufungsge-richt den Klägern Gelegenheit
zu geben haben, einen nach Maßgabe der [X.] zulässigen Antrag zu stellen. Die Feststellungsklage der Kläger ist unzulässig (Senatsurteil vom 4.
Juli 2017

XI
ZR
741/16, WM
2017, 1602 Rn.
14
ff. [X.]). Es ist nach dem vom Senat zu beurteilenden Sach-
und Streitstand nicht zu erwarten, dass ein dem Feststellungsantrag rechtskräftig stattgebendes Erkenntnis zu einer endgültigen Klärung sämtlicher Streitpunkte 12
13
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führen wird (vgl. Senatsurteil
vom 24.
Januar 2017

XI
ZR
183/15, WM
2017, 766 Rn.
16).
Sollte das Berufungsgericht nach einem Übergang der Kläger zu einem zulässigen Antrag erneut zu der Auffassung gelangen, der Widerruf der Kläger sei an §
242 BGB gescheitert, wird es das Senatsurteil vom 4.
Februar 2014 (XI
ZR
398/12, BKR
2014, 200 Rn.
24 [X.]) zu beachten haben.

Ellenberger
Joeres
Matthias

Menges
Dauber

Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 29.06.2015 -
325 [X.]/14 -

OLG [X.], Entscheidung vom 22.06.2016 -
13 [X.] -

15

Meta

XI ZR 402/16

09.01.2018

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.01.2018, Az. XI ZR 402/16 (REWIS RS 2018, 15986)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15986

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