Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2017, Az. I ZR 147/16

I. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 11144

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2017:110517BIZR147.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 147/16
vom
11. Mai 2017
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 11. Mai 2017 durch [X.]
Dr.
Büscher, die Richter Prof.
Dr.
Schaffert, Dr.
Kirchhoff, Dr.
Löffler und die Richterin Dr.
Schwonke

beschlossen:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Re-vision in dem Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 22.
Juni 2016 wird auf ihre Kosten zurück-gewiesen.
Der Streitwert

Gründe:
[X.] Die Parteien streiten um Unterlassungsansprüche der Kläger wegen der Verwendung zweier ihrer Musikstücke auf Wahlkampfveranstaltungen der Beklagten.
Die
Kläger
zu
1
bis
6
sind
Musiker,
die
gemeinsam
als
Gesellschaft
bür-gerlichen
Rechts
die
Klägerin
zu
7
bilden
und
als
Musikgruppe
"Die
Höhner"
bundesweit
bekannt
sind.
Sie
sind
gemeinsam
Komponisten
und
Textdichter
der
streitgegenständlichen
Musikstücke
"Wenn
nicht
jetzt,
wann
dann"
und
"Jetzt

los".
Die
Kläger
zu
1
bis
6
haben
für
diese
Musikstücke
einen
Wahrnehmungsvertrag
mit
der
GEMA
geschlossen.
Die
Beklagte,
die
NPD

Landesverband
Thüringen,
spielte
während
des
Landtagswahlkampfes
2014
in
Thüringen
unter
anderem
diese
beiden
Musikstücke
im
Rahmen
ihrer
Wahl-kampfveranstaltungen
auf
Marktplätzen
von
Tonträgern
ab.
Dies
erfolgte
jeweils
1
2
-
3
-
unmittelbar
nachdem
der
Landesvorsitzende
der
Beklagten
seine
Wahlkampf-rede
gehalten
hatte
und
in
die
Gespräche
mit
Bürgern
übergeleitet
wurde.
Die
GEMA-Gebühren
hatte
die
Beklagte
entrichtet.

Die
Kläger
sehen
hierin
eine
Verletzung
ihrer
Urheberpersönlichkeits-rechte.

Die
Klägerin
zu
7
hat
die
Beklagte
im
Rahmen
eines
Verfügungsverfah-rens
mit
Erfolg
auf
Unterlassung
in
Anspruch
genommen.
Mit
der
vorliegenden
Hauptsacheklage
nehmen
die
Kläger
die
Beklagte
auf
Unterlassung
und
Aus-kunft
in
Anspruch.
Die
Beklagte
wendet
ein,
sie
sei
zur
Verwendung
der
dem
Genre
der
Unterhaltungsmusik
angehörenden
Musikstücke
nach
der
Entrich-tung
der
GEMA-Gebühren
berechtigt.

Das
Landgericht
hat
der
Klage
stattgegeben
und
-
soweit
für
das
Be-schwerdeverfahren
von
Belang
-
die
Beklagte
zur
Unterlassung
und
zur
Aus-kunftserteilung
verurteilt.
Auf
die
hiergegen
gerichtete
Berufung
der
Beklagten
hat
das
Berufungsgericht
den
Unterlassungsausspruch
bestätigt
(OLG
[X.],
GRUR
2017,
622).
Es
hat
angenommen,
die
Beklagte
habe
die
Wiedergabe
der
streitgegenständlichen
Musikstücke
in
den
Zusammenhang
ihres
politischen
Wahlkampfes
gestellt
und
zumindest
als
"Begleitmusik"
in
der
Phase
der
Ver-anstaltung
eingesetzt,
in
der
der
Landesvorsitzende
Kontakt
mit
umworbenen
Wählerinnen
und
Wählern
habe
aufnehmen
wollen.
Dies
stelle
eine
mittelbare
Beeinträchtigung
des
Werkes
dar,
die
die
Urheber
nicht
hinnehmen
müssten.

Das
Berufungsgericht
hat
die
Revision
nicht
zugelassen.
Dagegen
wen-det
sich
die
Beschwerde
der
Beklagten.
Mit
der
angestrebten
Revision
möchte
sie
die
Abweisung
der
Klage
erreichen.
I[X.] Die Beschwerde ist unzulässig, da der Wert der von der Beklagten mit der Revision geltend zu machenden Beschwer nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO, §§ 544, 97 Abs. 1 ZPO).
3
4
5
6
7
-
4
-
II[X.]
Die
Nichtzulassungsbeschwerde
der
Beklagten
hätte
auch
in
der
Sa-che
keinen
Erfolg
gehabt,
weil
die
auf
die
Verletzung
von
Verfahrensgrundrech-ten
gestützten
Rügen
nicht
durchgreifen,
die
Rechtssache
keine
grundsätzliche
Bedeutung
hat
und
auch
die
Sicherung
einer
einheitlichen
Rechtsprechung
eine
Entscheidung
des
Revisionsgerichts
nicht
erfordert

543
Abs.
2
S.
1
ZPO).

1.
Die
Beschwerde
macht
ohne
Erfolg
geltend,
es
bedürfe
einer
höchst-richterlichen
Leitentscheidung
zu
der
Frage,
welche
Verwendung
von
frei
zu-gänglichen
Musikstücken
den
politischen
Parteien
erlaubt
sei
und
unter
wel-chen
Voraussetzungen
Urheber
von
Musikstücken
deren
Abspielen
auf
Wahl-kampfveranstaltungen
untersagen
könnten.

a)
Die
Zulassung
der
Revision
zur
Rechtsfortbildung
setzt
voraus,
dass
der
Einzelfall
Veranlassung
gibt,
Leitsätze
für
die
Auslegung
von
Gesetzesbe-stimmungen
des
materiellen
oder
formellen
Rechts
aufzustellen
oder
Gesetzes-lücken
auszufüllen.
Hierfür
besteht
nur
dann
Anlass,
wenn
es
für
die
rechtliche
Beurteilung
typischer
oder
verallgemeinerungsfähiger
Lebenssachverhalte
an
einer
richtungweisenden
Orientierungshilfe
ganz
oder
teilweise
fehlt
(vgl.
[X.],
Urteil
vom
27.
März
2003
-
V
ZR
291/02,
[X.]Z
154,
288,
292;
Hinweisbe-schluss
vom
23.
August
2016
-
VIII
ZR
23/16,
NJW-RR
2017,
137
Rn.
5).
Diese
Voraussetzungen
sind
vorliegend
nicht
erfüllt.
aa)
Wie
das
Berufungsgericht
zutreffend
erkannt
hat,
bietet
die
Recht-sprechung
des
Senats
bereits
hinreichend
richtungsweisende
Orientierungshil-fen
zur
Lösung
des
vorliegenden
Falls.
Das
Berufungsgericht
ist
zutreffend
da-von
ausgegangen,
dass
nach
der
Senatsrechtsprechung
der
Urheber
eines
ge-schützten
Werkes
nach
§
14
UrhG
das
Recht
hat,
eine
Entstellung
oder
eine
andere
Beeinträchtigung
seiner
Werke
zu
verbieten,
die
geeignet
ist,
seine
be-rechtigten
geistigen
oder
persönlichen
Interessen
am
Werk
zu
gefährden
(vgl.
[X.],
Urteil
vom
18.
Dezember
2008
-
I
ZR
23/06,
GRUR
2009,
395
Rn.
14
=
WRP
2009,
313
-
Klingeltöne
für
Mobiltelefone
I).
Dabei
setzt
ein
Anspruch
8
9
10
11
-
5
-
nach
§
14
UrhG
nicht
notwendig
voraus,
dass
das
Werk
selbst
verändert
wird.
Es
genügt,
wenn
die
urheberpersönlichkeitsrechtlichen
Interessen
des
Urhe-bers
an
seinem
Werk
-
ohne
inhaltliche
Änderung
des
Werkes
-
durch
Form
und
Art
der
Werkwiedergabe
und
Werknutzung
beeinträchtigt
werden
(vgl.
[X.],
Urteil
vom
2.
Oktober
1981
-
I
ZR
137/79,
GRUR
1982,
107,
110
-
Kirchen-Innenraumgestaltung;
Urteil
vom
7.
Februar
2002
-
I
ZR
304/99,
[X.]Z
150,
32,
41
-
Unikatrahmen;
[X.],
GRUR
2009,
395
Rn.
14
-
Klingeltöne
für
Mobiltelefo-ne
I).
bb)
Ausgehend
von
diesen
Grundsätzen
hat
das
Berufungsgericht
zu
Recht
das
Unterlassungsgebot
bestätigt.

(1)
Nach
den
Feststellungen
des
Berufungsgerichts
hat
die
Beklagte
die
Wiedergabe
der
streitgegenständlichen
Musikstücke
in
den
Zusammenhang
ihres
politischen
Wahlkampfes
gestellt.
Die
Wiedergabe
der
Musikstücke
sei
in
die
laufende
politische
Wahlkampfveranstaltung
integriert
gewesen.
Sie
sei
er-folgt,
als
der
Landesvorsitzende
der
Beklagten
sich
nach
Abschluss
seiner
Re-de
zu
Gesprächen
mit
Bürgern
begeben
hatte.
Damit
hat
das
Berufungsgericht
zu
Recht
die
Verwendung
der
Musikstücke
nicht
als
Musik
zur
Überbrückung
einer
Wartezeit
angesehen,
sondern
als
Untermalung
der
Überleitung
in
das
Bürgergespräch
und
damit
als
in
die
Dramaturgie
der
Wahlkampfveranstaltung
integriert.

(2)
Es
kann
im
Streitfall
offen
bleiben,
ob
die
Annahme
des
Berufungsge-richts
zutreffend
ist,
dass
Urheber
generell
nicht
damit
rechnen
müssten,
dass
ihre
Werke
ungefragt
bei
Wahlkampfveranstaltungen
abgespielt
würden.
Jeden-falls
bei
der
vorliegenden
dramaturgischen
Einbindung
der
Musikstücke
in
die
Wahlkampfveranstaltung
durch
eine
Partei,
gegen
deren
politische
Ziele
sich
die
Kläger
nach
den
Feststellungen
des
Berufungsgerichts
bereits
öffentlich
ausgesprochen
hatten
und
die
vom
Bundesverfassungsgericht
als
verfassungs-feindlich
eingestuft
worden
ist
(vgl.
[X.],
NJW
2017,
611
Rn.
633
ff.),
ist
im
12
13
14
-
6
-
Rahmen
der
gebotenen
Interessenabwägung
den
Interessen
der
Urheber
der
Vorzug
zu
geben.
Die
Verwendung
von
Musikwerken
im
Wahlkampf
einer
poli-tischen
Partei,
und
sei
es
nur
durch
einen
Transfer
der
von
den
Werken
ausge-henden
Stimmung,
ist
besonders
geeignet,
die
Interessen
der
Urheber
zu
be-einträchtigen.
Dabei
muss
der
Urheber
von
Unterhaltungsmusik
mit
der
Verein-nahmung
durch
verfassungsfeindliche
Parteien
nicht
rechnen
(vgl.
zur
Aufklä-rungspflicht
eines
Mieters
von
Ladenräumen
über
das
Warensortiment
wegen
Bekleidungsartikeln,
die
in
der
öffentlichen
Meinung
ausschließlich
der
rechts-radikalen
Szene
zugeordnet
werden:
[X.],
Urteil
vom
11.
August
2010

XII
ZR
192/08,
NJW
2010,
3362
Rn.
28
-
Thor
Steinar).
Das
Berufungsgericht
hat
auch
rechtsfehlerfrei
festgestellt,
dass
die
Beklagte
nicht
darauf
angewiesen
war,
gerade
die
Werke
der
Kläger
bei
ihren
politischen
Wahlkampfveranstaltun-gen
abzuspielen.

b)
Eine
Zulassung
der
Revision
ist
auch
nicht
durch
die
Rüge
der
Be-schwerde
veranlasst,
das
Berufungsgericht
habe
verkannt,
dass
die
Beklagte
für
die
Nutzung
der
streitgegenständlichen
Musikwerke
Gebühren
an
die
GEMA
bezahlt
habe.

Maßgeblich
für
den
Umfang
der
Rechteübertragung
an
Verwertungsge-sellschaften
durch
Wahrnehmungsverträge
ist
der
Übertragungszweckgedanke
(vgl.
zur
Nutzung
von
Musikwerken
zu
Werbezwecken
[X.],
Urteil
vom
10.
Juni
2009
-
I
ZR
226/06,
GRUR
2010,
62
Rn.
16
ff.
=
WRP
2010,
120
-
Nutzung
von
Musik
für
Werbezwecke).
Das
Berufungsgericht
hat
insoweit
rechtsfehlerfrei
angenommen,
dass
die
Rechteübertragung
an
die
GEMA
durch
den
Urheber
lediglich
die
üblichen
und
voraussehbaren
Formen
der
öffentlichen
Wiedergabe
umfasst,
zu
denen
die
Verwendung
im
Rahmen
von
Wahlkampfveranstaltungen
politischer
Parteien
nicht
gehört.
15
16
-
7
-
2.
Von
einer
weitergehenden
Begründung
wird
gemäß
§
544
Abs.
4
Satz
2,
2.
Halbsatz
ZPO
abgesehen.

IV.
Die
Kostenentscheidung
beruht
auf
§
97
Abs.
1
ZPO.
Büscher
Schaffert
Kirchhoff

Löffler
Schwonke
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.09.2015 -
3 O 102/15 -

OLG [X.], Entscheidung vom 22.06.2016 -
2 U 868/15 -

17
18

Meta

I ZR 147/16

11.05.2017

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2017, Az. I ZR 147/16 (REWIS RS 2017, 11144)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11144

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZR 44/16 (Bundesgerichtshof)


VII ZR 63/11 (Bundesgerichtshof)


I ZR 115/15 (Bundesgerichtshof)


I ZR 167/15 (Bundesgerichtshof)


I ZR 147/16 (Bundesgerichtshof)

Urheberrechtsverletzung durch eine politische Partei: Untersagung der Verwendung von Musikstücken einer Mundart-Band für Wahlkampfveranstaltungen einer …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

I ZR 147/16

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.